Granatapfel, Granatapfelbaum

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englisch: pomegranate, pomegranate tree; französisch: grenade, grenadier; italienisch: melograno, albero di melograno.


Thomas Schauerte (2014)


Paris, Notre Dame, Nordöstliches Westportal, um 1208.
Madonna mit dem Granatapfel. Köln, um 1335–1340.
Lorenzo Ghiberti, zweite Tür des Baptisteriums in Florenz, Rahmenleiste, 1425–1452.
Johannes Hartlieb, Kräuterbuch, 1460.
Meister von 1483, Blattornament mit Granatapfel, Hl. Barbara, vor 1490.
Schleierbrett, 2. Hälfte 15. Jh.
Jean Bourdichon, Stundenbuch der Anne de Bretagne, 1503–1508.
Albrecht Dürer, Handstudie mit Granatapfel, 1519.
Albrecht Dürer, Kaiser Maximilian I., 1519.
Granatapfelpokal. Ulm, 1520–30.
Georg Hoefnagel, Archetypa ..., 1592.
Georg Flegel, Großes Schauessen, um 1620.
Thomas Stoer d. J., Granatapfelbecher, Mitte des 17. Jh.
Willem Kalf, Stillleben mit Porzellankrug, 1653.
Philipp Kilian, Kaiserin Margarita Teresa, 1668.
Titelkupfer zu Fortunat Huebers „Zeitiger Granatapffel“, 1671.
Hans Werner Tamm, Stillleben, etwa 1700/1710.
Abendmahlskanne mit Füßen in Granatapfelform, 1701.
Maria Sibylla, Merian, Granatapfel mit Raupe, Kokon und zwei Schmetterlingen, 1705.
Cosmas Damian Asam, Verherrlichung des Landes Tirol, 1734.
Paul Cezanne, Stilleben mit Granatapfel, 1893/1894.
Frauenkopf in Granatapfelkranz. Darmstadt, 1901/1915.
Pablo Picasso, La grenade, 1911/1912.
W. T. Blackband, Goldener Anhänger in Form eines Granatapfels nach zypro-mykenischem Vorbild des 14. Jh. v. Chr., 1934.

I. Eigenschaften und Verbreitung

Der Granatapfel, Punica granatum L. (mittellateinisch „malum punicum“, „malum granatum“, deutsch „Apfel mit Körnern“), ist die apfelgroße Beerenfrucht des meist strauchartigen, stachelbesetzten Granat(apfel)baums, dessen immergrünes Laub lanzettförmige Blätter besitzt. Äußerlich mit harter und ungenießbarer Schale von roter bis bräunlicher Farbe umgeben, enthält das Innere weißliche oder rosa- bis rotfarbene, saftige, zell- oder wabenförmig verbundene Fruchtkerne von süßem bis säuerlichem Geschmack in mehreren Fruchthöhlen.

Markantes äußeres Merkmal ist der kronenartige Rest des Blütenkelches, der ihn zwar von Früchten ähnlicher Größe unterscheidet, doch ist die Möglichkeit einer Verwechslung mit Apfel, Mohnkapsel oder Quitte stets gegeben. Schon in vorantiker Zeit reicht die Verbreitung des Granatbaums vom Vorderen Orient über Ägypten bis in den südeuropäischen Raum. Hieraus ist die frühe Präsenz des Granatapfels als Schmuck- und Dekormotiv zu erklären (s. Granatapfelmuster).

Die verschiedenen Sorten und deren medizinische Eigenschaften beschrieben bereits Theophrast[1] und Plinius[2]. Sie wurden auch dem Granat zugeschrieben.

II. Quellen

A. Mythos

Der Granatbaum soll aus dem Blut erwachsen sein, das bei der Entmannung des Agdistis durch Bacchus vergossen wurde. Als die Königstochter Nana mit einem solchen Granatapfel in Berührung kam, gebar sie davon ihren Sohn Attes.[3] Askalaphus wurde von Ceres in eine Nachteule verwandelt, als er den verbotenen Genuss einiger Granatapfelkerne durch deren Tochter Proserpina an Pluto verriet.[4]

Proserpina ist der Granatbaum geweiht.[5] Der Granatapfel war das Attribut der Astartes und im Mysterienkult der Demeter von Bedeutung,[6] der demnach als Fruchtbarkeitssymbol, aber auch als Bildsymbol mit Grab-oder Todesbezug in Erscheinung treten kann. Aphrodite pflanzte den Granatbaum auf Zypern.[7] Vermutlich als Symbol der Fruchtbarkeit erscheint der Granatapfel in der Hand der polykletischen Hera, während der Granatbaum auch dem Hermes geweiht war.[8] Granatapfel und Granatbaum erscheinen im übrigen während der gesamten Antike auch als Dekormotiv ohne jeden Sinnbildcharakter.

B. Bibel

Der Granatapfel erscheint in der Bibel nur im Alten Testament. Er schmückt im Wechsel mit Schellen den Saum des Priestergewandes, das Moses für Aaron anfertigen lässt (Ex 28,33 und 39, 26; Sir 45,10); die Kundschafter bringen aus dem Lande Kanaan neben Trauben und Feigen auch Granatäpfel vor Moses (Num 13,23); der Granatapfel ist zugleich eine der Metaphern für den Reichtum des verheissenen Landes Israel (Deut 8,8); hundert Granatäpfel gehören zum Kapitellschmuck des Salomonischen Tempels (III Reg 7,18 und Ier 52,22); im Hohen Lied wird der Anschnitt des Granatapfels mit der Wange der Sulamith verglichen (Cant 4,3), so sprosst aus ihr ein Lustgarten von Granatbäumen (4,13) und sie soll mit Granatapfelmost erquickt werden (8,2).

Ikonographisch weniger wirkungsvoll war die im 1. Buch Samuel (I Sam 14,2) beschriebene Szene, in der Saul unter einem Granatbaum in der Vorstadt von Gibea sitzt.

C. Patristik

Die rote Färbung von Schale und Früchten deutet nach Hieronymus auf die „verecundia“ und „pulchritudo“ der Kirche hin,[9] während Ambrosius auf die Schönheit der Kirche durch das Blut Christi und der Märtyrer verweist.[10] Die zahlreichen Fruchtkerne in einem Gehäuse mit mehreren Kammern machten den Granatapfel für Hieronymus zum Sinnbild der Kirche und ihrer Einheit im Glauben.[11]

D. Andachtsliteratur

Für die weitere Verbreitung des Motivs ab dem 13. Jh. war offenbar die wachsende Rezeption des Hohenliedes im Zuge der mittelalterlichen Mystik ausschlaggebend, wobei meist auf Christus als Bräutigam und Maria als Ecclesia angespielt wird. Den weitesten Geltungsbereich für den Granatapfel als Bildsymbol bietet seit dem Hochmittelalter die Person Marias, wie diesbezügliche Beiworte und Ehrennamen in der Dichtung erhellen: So schilderte etwa Hermann Werdens nachdichtend den „hortus deliciarum Salomonis“ mit rot leuchtenden Granatäpfeln,[12] während Richard von St. Laurentius in „De laudibus Mariae“ die Gottesmutter mit den Zuständen des Granatbaums im Wechsel der Jahreszeiten verglich.[13]

Unter dem Titel „Malogranatum“ war ein noch vor der Mitte des 14. Jh. im Zisterzienserkloster König­saal/Zbraslav bei Prag verfasster lateinischer Dialog verbreitet, der – in mystischen Tradition – das Streben nach Vollkommenheit in drei Stufen erklärt.[14]

In Stundenbüchern wurde die Metaphorik ebenfalls aufgegriffen und illustriert (Abb.).

In der Predigtsammlung „Das Buch Granatapfel“ des Johannes Geiler von Kaisersberg (Augsburg 1510; Straßburg 1511) finden sich Holzschnitte von Hans Burgkmair und Hans Baldung Grien, die aber den Granatapfel selbst nicht darstellen. Der Begriff des Granatapfels ist hier als Sinnbild der Heilsfülle zu verstehen, die die Predigten vermitteln sollen.

E. Enzyklopädien

Aussehen und Heilwirkungen des Granatapfels wurden in den spätmittelalterlichen Pflanzenbüchern beschrieben, z. B. in Johannes Hartliebs Werk von 1460 (Abb.): „MAlagranata heisset margran oppfel die sint kalte und droicken in dem erste[n] grad dech so nem ich die suern dan die sussen zihe[n] sich zu milter Hitze[.] Die suern margran opfel sint gutt vor dy amacht sie sint auch gutt vor alle hitzige ł gebrechen die in dem libe / sint[.] Durch des willen daz sy daz blut erfrische[n] wer margran opfel offt ysset, dem wirt der lust der unkusheit abe gesnitten[.] Margram oppfel safft machtet grossen lust zu essen[.]“

In enzyklopädischen Werken des 16. Jh. wird häufig mit Sinnsprüchen auf emblematische Deutungen verwiesen (dazu siehe III.C), in den Archetypa von Hoefnagel, 1592, beziehen diese sich jedoch nicht auf den Granatapfel (Abb.).[15] Die dortige Präzision der Abbildung findet ihre Fortsetzung in den illustrierten naturwissenschaftlichen Werken des 18. Jh.; zu den bedeutendsten zählt „Metamorphosis insectorum surinamensium“ von Maria Sibylla Merian (1647–1717), 1705 zum ersten Mal in Amsterdam veröffentlicht, das in vielen Nachdrucken erschien (Abb.). In rein botanischen Werken wurden in der Regel Blüte, Frucht und Fruchtfleisch abgebildet.[16]

III. Bildmotiv

Für die jüdische, christliche und profane Ikonographie darf wohl die Deutung als Sinnbild der Fruchtbarkeit als grundlegend betrachtet werden; in einem allgemeineren Sinne gilt der Granatapfel aber auch als Abbild der Vielheit (Kerne) in der Einheit (Schale), oder der höheren Einsicht, dass sich auch in einem rauhen, unansehnlichen Äußeren ein lieblicher Inhalt verbergen kann. Trotz des relativ breiten Bedeutungsspektrums sind Granatapfel und Granatbaum zu keiner Zeit und in keiner Kunstgattung allzu häufig vertreten; auch bildet sich eine ikonographische Tradition allenfalls bei Madonnendarstellungen seit dem Spätmittelalter heraus.

A. Christliche Ikonographie

In der christlichen Symbolik spielte die Rotfarbigkeit des Granatapfels als Analogie zur Farbe des Blutes eine große Rolle. Aus spätrömisch-frühchristlicher Zeit haben sich im deutschsprachigen Raum keine bedeutenden Kunstwerke mit Granatapfel-Motiven erhalten.

Eines der frühesten mittelalterlichen Beispiele für die Darstellung eines Granatapfels zeigt der Tragaltar aus Watterbach in Unterfranken, der zwischen 1020 und 1040 wohl in Fulda geschaffen wurde.[17] Die Deckplatte aus vergoldetem Kupfer zeigt in Gravur Christus mit den Kardinaltugenden umgeben von Rankenwerk mit Granatäpfeln, was den ikonographischen Bezug zum Opfertod Christi nahelegt. Motivisch gehen die Granatäpfel hier vielleicht auf sassanidischen Einfluß zurück.

Die Auslegung des Hohenliedes fand gegen 1208 im Sockel der Madonna am nordöstlichen Westportal von Notre-Dame in Paris ihren Niederschlag,[18] während das Motiv um 1250 möglicherweise in der deutschen Plastik in der sechzehneckigen Kapelle des Magdeburger Doms erscheint, wenn die Deutung Gillens zutrifft und die 19 Granatäpfel tatsächlich auf die Sponsa des Hohen Liedes verweisen (Abb.).[19] Verglichen mit der italienischen Kunst der Frührenaissance, insbesondere der Tafelmalerei,[20] aber auch Skulptur (Abb.) erscheint der Granatapfel nördlich der Alpen weniger häufig.

Eine prominente Ausnahme ist der neben anderen Bäumen erscheinende Granatbaum bei der Anbetung des Lammes im Genter Altar der Brüder van Eyck.[21] Eine Madonna mit Granatapfel findet sich auf einem Kupferstich des Veit Stoß zw. 1500 und 1505,[22] außerdem auf dem Tafelbild des Mathis Gothart Nithart gen. Grünewald von 1519 (Stuppach, Pfarrkirche),[23] wo Maria dem Christuskind einen Granatapfel als Sinnbild zukünftigen Leidens reicht. Auch in der diese Themen begleitenden Ornamentik ist der Granatapfel vertreten, so z. B. auf den Schleierbrettern eines verlorenen Retabels (Abb.).

Für die Metapher der Gnadenfülle steht im Barock der Titelkupfer zu Fortunat Huebers „Zeitiger Granatapffel“ von 1671 (Nachdruck Amsterdam-Marssens 1983), der die Marienwallfahrt Neukirchen bei Hl. Blut propagiert (Abb.): Wie die Gnadenmadonna im Dreissigjährigen Krieg von einem Schwerthieb beschädigt wurde und wunderbarerweise Blut vergoss, so wird nun der Granatapfel gespalten, sodass Bayern und Böhmen seiner Früchte teilhaftig werden können.

Ein Granatapfel mit Kreuz gilt u. a. als Attribut des hl. Johannes von Gott (von Granada), 1540 Gründer eines Spitals zu Granada, aus dem später der Orden der Barmherzigen Brüder hervorging, deren Zeichen der Granatapfel ist.[24]

B. Herrscherikonographie und Heraldik

Um 1500 entwickelte sich neben den älteren, vorwiegend christologisch und mariologisch geprägten, eine zweite, profane und von der Devisenkunst bestimmte Adaption des Granatapfels, wobei deutliche Affinitäten zwischen christlicher und profaner Sphäre auftreten. Am deutlichsten zeigt sich dies in der maximilianischen Kunst, wo der „Margranopffell“ als ,Devise oder Liberei’ der zahlreichen kaiserlichen Tugenden gilt, die unter rauher Schale verborgen seien.[25] Daneben kommt dies auch in Dürers beiden Bildnissen des Kaisers mit dem Granatapfel gleichsam als Substitut des Reichsapfels von 1519 zum Ausdruck (Abb.; Abb.; ein zweites Exemplar befindet sich in Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.nr. 83), während in Dürers Randzeichnungen für Maximilians Gebetbuch der Granatapfel schon nicht mehr eindeutig als christlich oder profan zu klassifizieren ist (ebd.).

Der Kupferstich Philipp Kilians von 1668 mit dem Porträt der Kaiserin Margarita Teresa, Gemahlin Leopolds I., angefertigt für das Werk „Spiegel der Ehren des Erzhauses Österreich Ausführliche GeschichtSchrift von Desselben, und derer durch Erwählungs- Heurat- Erb- und Glücks-Fälle ihm zugewandter Kayserlichen HöchstWürde“, zeigt den geöffneten Granatapfel in einer Muschel mit dem Motto „GERAM RATA totq(ue) Austriacos“. Der erste Teil in Kapitalis ist ein Anagramm des Namens der Herrscherin, der Granatapfel dient hier als Symbol der Fruchtbarkeit (Abb.).[26]

Auf einem Thesenblatt über den Reichtum Kärntens und die Tugenden seiner Regierung von 1657 ergreift die Personifikation der „Carinthia“ einen Granatapfel, den ihr Minerva anbietet.[27] Auf dem Wandgemälde mit der Verherrlichung des Landes Tirol im sog. Alten Landhaus in Innsbruck von Cosmas Damian Asam, 1734, wird dem Herrscher ein Granatapfel überreicht (Abb.). Nach Bärbel Hamacher könnte es sich dabei um den gefürsteten Grafen von Tirol Meinhard II. (gest. 1295) handeln, der das Land einte und vom Genius der Vaterlandsliebe beschenkt wurde.[28]

Im Wappenbild erscheint der Granatapfel prominent für das spanische Teilkönigtum Granada, ansonsten ist er eher selten (z. B. Bogota, Valée/Champagne).

C. Emblematik

Häufiger bedient man sich – mit weitgehend positiver Bedeutung – in der Emblemkunst des Granatapfels und Granatapfelbaums. Grundlage ist dabei häufig die Tatsache, dass sich Kaiser Maximilian I. den Granatapfel als Imprese erwählt hatte (vgl. Abb.), die vor allem durch das allegorische Versepos „Teuerdank“ von 1517 Verbreitung fand: Das mit Messern bestückte Rad der Fortuna trägt einen Granatapfel auf seinem Scheitelpunkt. So erscheint er etwa 1572 in Francesco Terzios „Austriaeque gentis imaginum pars I“ über dem Portrait des Kaisers unter dem Lemma „Per tot discrimina“ (Taf. 6), wobei hier vor allem an die Durchdringung der harten, unansehnlichen Schale gedacht ist, als deren Lohn das süße Innere winkt. Salomon Neugebauer übernahm dies in seinen „Symbolorum centuria gemina“ von 1619 (S. 27), verwendete den Granatapfel aber auch noch in zwei weiteren Emblemata mit unterschiedlicher Bedeutung (S. 129, 395). Auch Laurentius Wolfgang Woyt brachte ihn in seinem „Emblematischen Parnassus“ in drei unterschiedlichen Zusammenhängen und Bedeutungen (Bd. 1, 1727, Taf. 10–11: „Nur besser zu erkennen“, 32–05: „Mit Süss und Saur vermenget“; Bd. 2, 1728, Taf. 21–10: „Dort Todt und hier das Leben“).

Am häufigsten aber führte Jacobus Boschius den Granatapfel als Symbolum in seiner „Symbolographia“ von 1702 an (Cl. II, CCCLIX, DCC, DCCCLVIII, DCCCLXIV [„Aegro eadem sub corpore virtus“] etc.). Ferner erscheint dieses Motiv unter dem Lemma Nr. 10 „Dulci et amaro temperata vita“ in den „Emblemata“ des Dionysius Lebeus-Batillius (Denis Lebey de Batilly), Frankfurt a. M. 1596, als Ikon ein Kupferstich des Jean-Jacques Boissard mit Ernte und Verzehr des Granatapfels und der Bildaussage, dass vergleichbar dem süßsauren Geschmack des Granatapfels auch dem größten menschlichen Glück Leid beigemischt sei. In Julius Wilhelm Zincgrefs „Emblematum ethico-politicorum centuria“ erschien 1609 unter Nr. 81 der Granatapfel mit dem Lemma „Sunt mala mixta bonis“ und der Aussage, daß die Verschiedenheit der Kerne im Granatapfel auf das Nebeneinander von guten und bösen Menschen hindeute. Filippo Picinelli deutete den Granatapfel 1694 ausführlich vor allem ekklesiologisch und als Symbol göttlicher Liebe.[29] In den „Hundert Christ-Ergetzliche Sinn-Bilder mit Lateinisch und Teütschen Beyschrifften“, die um 1700 in Augsburg erschienen sind, ist die Pictura des aufgeplatzten Granatapfels (Blatt 75) mit dem auf die inneren Werte verweisenden Sinnspruch „Das innerlich erfreuet mich“ versehen. Um 1760 trägt bei Ripa-Hertel unter dem Lemma „Academia“ deren Personifikation einen Granatapfelbaumzweig in der erhobenen Linken als Sinnbild der Fülle der Weisheit (Tafel XXIII), während bei „Victoria“ (Tafel LXXVII) ein aufgeplatzter Granatapfel in der Rechten die Früchte des Sieges symbolisiert.

D. Stillleben und allegorische Darstellungen

Das Motiv wurde in Stillleben nachweisbar seit dem 17. Jh. dargestellt, die den Eindruck von Fülle und Exotik vermitteln (z. B. Abb.; Abb.). Franz Werner Tamm (1658–1724) zeigte das Motiv des reifen, schon aufgeplatzten Granatapfels häufig in seinen Arrangements mit Früchten oder Blumen (Abb.).[30]

In der Moderne ist der Granatapfel vor allem ein Motiv, das die Welt des Mittelmeers repräsentiert: So wurde die auch in Südfrankreich heimische Frucht von Malern wie Pablo Picasso (Abb.)[31] und Paul Cézanne (Abb.)[32] in Bildkompositionen aufgenommen. Einen Sonderfall stellt Salvador Dalís Bildidee von 1944 dar, aus einem Granatapfel eine surreale Vision zu entwickeln (Abb.).[33]

IV. Ornament

Auf Musterblättern ist der Granatapfel seit dem 15. Jh. nachweisbar (Abb.).

Als rein dekoratives Motiv tritt der Granatapfel häufig in der Goldschmiedekunst auf, dabei oft als kugelförmiger Becher- oder Pokalfuß, jedoch in aller Regel ohne konkreten ikonographischen Bezug;[34] an Abendmahlskelchen scheint das Motiv hingegen kaum vorzukommen, möglicherweise zeigt eine Gruppe von Kelchen des ersten Viertel des 14. Jh. aus Mecklenburg mehrere stilisierte Granatapfelhälften am Fuß.[35]

Im Jugendstil wurde das Motiv auch bei Fassadendekorationen verwendet (Abb.). Im Rahmen der Wiederentdeckung der Technik der Granulation wurden auch antike Schmuckstücke mit dem Granatapfelmotiv kopiert und imitiert (z. B. Abb.).[36]

Anmerkungen

  1. Hist. plantarum 2,2,9f. u. ö.
  2. Gaius Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde lateinisch-deutsch, hg. und übersetzt von Roderich König, Bd. 23, München/Zürich 1993, cap. LVIII–LXI; vgl. Christoph Höcker, Granatapfel, Granatapfelbaum, in: Der Neue Pauly, Bd. 4, Stuttgart/Weimar 1998, Sp. 1203.
  3. Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, ansehnlich vermehrt und verbessert von Johann Joachim Schwaben, Leipzig 1770, Darmstadt 1996, Sp. 474; Christoph Höcker, Granatapfel, Granatapfelbaum, in: Der Neue Pauly, Bd. 4, Stuttgart/Weimar 1998, Sp. 1203.
  4. Apollodor, lib. II. cap. 5. §. ult.
  5. Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, ansehnlich vermehrt und verbessert von Johann Joachim Schwaben, Leipzig 1770, Sp. 141, 2104.
  6. Christoph Höcker, Granatapfel, Granatapfelbaum, in: Der Neue Pauly, Bd. 4, Stuttgart/Weimar 1998, Sp. 1203.
  7. Athenaeus, Deipnosophistarum 3, 84 C.
  8. Josef Engeman, Granatapfel, in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 12, Stuttgart 1983, Sp. 693f.
  9. Commentariorum In Zachariam Prophetam Libri Duo 3, 12, 11/4: M. Adriaen (ed.), Hieronymus, Commentarii in prophetas minores, Turnhout 1964 (Corpus Christianorum Series Latina, 76A), S. 870
  10. Hexaemeron 3, 13, 56: Ambrosius, Hexameron, De paradiso, De Cain, De Noe, De Abraham, De Isaac, De bono mortis, ed. C. Schenkl, Wien 1896 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, Bd. 32,1), S. 99; De XLII mansionibus filiorum Israel 15: Patrologia Latina 17, Sp. 26; Zur Rezeption: Manfred Gerwing, Malogranatum, oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit, ein Beitrag zur Spiritualität des Spätmittelalters, München 1986 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, 57).
  11. Commentariorum In Aggeum Prophetam Liber Unus 2, 19f.
  12. Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters, Seitenstetten 1893 (Neudruck 1967), S. 284.
  13. Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters, Seitenstetten 1893 (Neudruck 1967), S. 151 f.; J. Roten, Richard von St. Laurentius, in: Marienlexikon 5, St. Ottilien 1993, Sp. 486–488.
  14. Manfred Gerwing, Malogranatum, oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit, ein Beitrag zur Spiritualität des Spätmittelalters, München 1986 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, 57).
  15. Thea Vignau-Wilberg, Archetypa studiaque patris Georgii Hoefnagelii 1592. Natur, Dichtung und Wissenschaft in der Kunst um 1600, München 1994, Pars I,6 und Pars II,10.
  16. Z. B. Henri Louis Duhamel DuMonceau, Abhandlung von Bäumen ..., Nürnberg 1763, S. 151 (Eduard Isphording, Kräuter und Blumen. Kommentiertes Bestandsverzeichnis der botanischen Bücher bis 1850 in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Nürnberg 2008, S. 225, Abb. 178); Giorgio Gallesio, Pomona italiana, Pisa 1817–1839 (H. Walter Lack, Ein Garten Eden. Meisterwerke der botanischen Illustration ..., Köln usw. 2001, Abb. S. 385).
  17. München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.Nr. MA 198 (Friedrich Muthmann, Der Granatapfel. Symbol des Lebens in der alten Welt, Bern 1982, Abb. 144).
  18. Lottlisa Behling, Die Pflanzenwelt der mittelalterlichen Kathedralen, Köln/Graz 1964, Abb. LXIX b.
  19. Otto Gillen, Christus und die Sponsa, in: Christliche Kunst 33, 1937, S. 202–224.
  20. Z. B. Fra Angelico, Madonna mit Heiligen, um 1437 (Florenz, Museo di S. Marco); Sandro Botticelli, Madonna mit dem Granatapfel, um 1487 (Florenz, Uffizien); vgl. Marienlexikon, Bd. 2, St. Ottilien 1989, S. 701.
  21. Vgl. Paul Coremans, L’agneau mystique au laboratoire, Antwerpen 1953, Tafel LIII Nr. 4.
  22. Vgl. Fritz Koreny, Die Kupferstiche des Veit Stoß, in: Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions, München 1985, S. 156–160; Maria mit dem Granatapfel: Max Lehrs, Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im 15. Jh., Textbände 1–9, Tafelbände 1–9, Wien 1908–1934 (Veränderter Nachdruck Nendeln 1969), Bd. 8, Nr. 9.
  23. Vgl. Wilhelm Fraenger, Grünewald, München 1983, Taf. 39.
  24. Lexikon der christlichen Ikonographie, begründet von Engelbert Kirschbaum, hg. von Wolfgang Braunfels, Bd. 7, Rom u. a. 1974, Sp. 132–135.
  25. Vgl. Thomas Schauerte, Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I., München/Berlin 2001, S. 178f.
  26. Sibylle Appuhn-Radtke, Das Thesenblatt im Hochbarock. Studien zu einer graphischen Gattung am Beispiel der Werke Bartholomäus Kilians, Weißenhorn 1988, S. 62, Anm. 492; Text und Bild. Europäische Buchkultur aus fünf Jahrhunderten. Die Sammlung Ricklefs in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Ausstellungskatalog Erlangen 2011, Nürnberg 2011, S. 132f., mit Abb.
  27. Sibylle Appuhn-Radtke, Das Thesenblatt im Hochbarock. Studien zu einer graphischen Gattung am Beispiel der Werke Bartholomäus Kilians, Weißenhorn 1988, S. 172, mit Abb. S. 173.
  28. Bruno Bushart und Bernhard Rupprecht (Hg.), Cosmas Damian Asam 1686–1739. Leben und Werk, München 1986, S. 261, mit Taf. 79.
  29. Filippo Picinelli, Mundus symbolicus in emblematum universitate formatus, übersetzt von Augustinus Erath, Bd. 1, Köln 1694, S. 572f.
  30. Z. B. Stillleben mit Blumen, Öl auf Leinwand, 171,5 cm x 123,5 cm, etwa 1700/1710 (Baltimore, Walters Art Museum, Inv.nr. 37.1674); Früchtestück mit totem Rebhuhn und Gimpelmännchen, 1720, Öl auf Leinwand, 72 x 57 cm (Wien, Belvedere, Inv.nr. 5614); Früchtestillleben mit weißem Kaninchen, 1691, Öl auf Leinwand, 65 × 103 cm (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle; Jan Lauts, Stilleben alter Meister. I. Niederlande und Deutsche, 2. Aufl. Karlsruhe 1983, S. 77, Abb. 51); Früchtestillleben, Öl auf Leinwand, 61,5 x 74 cm (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Andreas Tacke, Die Gemälde des 17. Jh. im Germanischen Nationalmuseum, Mainz 1995, S. 264 mit Tafel 92).
  31. Cambridge, Massachusetts, Fogg Art Museum, Harvard University (William Rubin (Hg.), Picasso und Braque, Die Geburt des Kubismus, München 1990, S. 206, Abb. 203).
  32. Götz Adriani, Cezanne Gemälde, Köln 1993, S. 189, Abb. 60; weitere Beispiele: Nature morte avec pastèque entamée (Stillleben mit Granatapfel), Basel-Riehen, Fondation Beyeler, um 1900 (Cézanne. Vollendet – Unvollendet, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich 2000, Ostfildern-Ruit 2000, S. 226); Rötlicher Topf mit Granatapfel und Birnen, zwischen 1890/1893 (Washington, The Philipps Collection; Richard Kendall [Hg.], Cézanne by himself, London 2001, S. 187).
  33. Dazu: José Alvarez Lopera, Maestros Modernas del Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid 1992, S. 388f.
  34. Vgl. Carl Hernmarck, Die Kunst der europäischen Gold- und Silberschmiede, München 1978, Nr. 32, 41, 75 u. ö.
  35. Vgl. die Abbildung: Johann Michael Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik in Mitteleuropa, München 1982, Nr. 172.
  36. Vgl. die exakte Kopie: Jochem Wolters, Die Granulation, Geschichte und Technik einer alten Goldschmiedekunst, München 2. Aufl. 1986, S. 237 und Abb. 376.