Farbenlehre
englisch: Colour-theory; französisch: Théorie de la couleur; italienisch: Teoria dei colori, cromatica.
Thomas Lersch (1975)
RDK VII, 157–274
I. Definition, Abgrenzung
F. ist „die Wissenschaft von der Farbe als optischer Erscheinung und deren spezifischen Gesetzmäßigkeiten“ (Brockhaus-Enz. Bd. 6, Wiesbaden 1968, S. 59), ihr Gegenstand die Farbe als physikalisches, chemisches, physiologisches, psychologisches, ontologisches und ästhetisches Phänomen.
Die hier allein zu behandelnde ästhetische F. versucht, Grundfarben zu ermitteln und diese systematisch zu ordnen. Sie fragt nach dem Ausdruckscharakter einzelner Farben, nach den Bedingungen für das Zustandekommen harmonischer Kombinationen, den Prinzipien der Farbengebung (Kolorit), dem Verhältnis der Farbe zu Zeichnung und Licht; sie bestimmt die Farbe als Element der Schönheit und versucht schließlich, Analogien einzelner Farben und Töne zu ermitteln (Farbenmusik).
Die Reflexion auf die Funktion der Farbe im Kunstwerk kann sowohl praktische Anweisung für den Maler als auch am entstehenden oder bereits vollendeten Bild entwickelt sein (vgl. [226] S. 196).
Die Erforschung der Geschichte der F. ist eine Aufgabe der kg. Quellenkunde. Die Entwicklung zeigt, daß immer wieder andere der oben genannten Aspekte der Farbe im Vordergrund des Interesses standen und es erst allmählich zur Aufstellung immer umfassenderer Theorien gekommen ist. Dabei hat die ästhetische stets auch Erkenntnisse anderer Zweige der F. für die Begründung der eigenen Fragestellungen genutzt, so daß eine strenge Abgrenzung oft nicht möglich ist.
Für das Folgende wurde die chronologische Darstellung gewählt, da eine systematische beim gegenwärtigen Stand der Quellenkenntnis zu irreführenden Ergebnissen kommen müßte.
II. Antike
Die antiken F. sind fast ausschließlich Theorien über die Grundfarben und deren Mischung. Ein Bezug zur praktischen Kunstübung ist nur ausnahmsweise festzustellen.
Das Verständnis wird in allen Fällen erschwert durch die Unmöglichkeit, die Äquivalente für die griech. und lat. Farbbezeichnungen präzis anzugeben – ein Problem, vor das sich schon die Aristoteles-Übersetzer des MA gestellt sahen. Man hat immer wieder darauf hingewiesen (z. B. Mario Equicola, 1526: [127] Bd. 2 S. 2156; Louis Savot, 1609: [184], vgl. cap. 5 bei [235a] S. 243), daß mit ein und derselben Benennung unterschiedliche Nuancen beschrieben werden. Dies rührt vor allem daher, daß zahlreiche Farbnamen nicht in erster Linie einen Farbton meinen, sondern die Materie, aus der die Farbe gewonnen wird (vgl. [39] passim; [50] S. 328; [51] S. 318f.). So können einzelne Farbwörter mehr oder weniger Helligkeit oder Glanz bezeichnen und ein ganzes „Feld“ abdecken, „das mit den Wirkungsbereichen der (standardisierten) dt. Farbenbenennungen nur in den seltensten Fällen übereinstimmt“ [59, S. 16], während andererseits oft für ein und denselben Farbton eine Fülle von Namen zur Verfügung steht ([3] Bd. 41 S. 39; ferner: [33] S. 28f. und 98–186; [35] S. 16 bis 80; [38] S. 132; [54] S. 65; [178] S. 112 Anm. 6 und 116ff.).
Empedokles (um 500–um 430) nimmt vier Farben an: Weiß (λευϰόν), Schwarz (μέλαν), Rot (ἐρυϑρόν) und Ockergelb (ὠχρόν) und ordnet sie den vier Elementen zu [16, Bd. 1 S. 307 = A 92].
Gesichert sind nur die Entsprechungen Weiß – Feuer und Schwarz – Wasser (vgl. [16] Bd. 1 S. 296 = A 69a, nach Theophrast, De sensu et sensibilibus § 7, und [16] Bd. 1 S. 301 = A 86, nach Theoprast, De sensu et sensibilibus § 17). Der Versuch, auch die übrigen Zuordnungen zu erschließen ([33] S. 5f.: Rot – Luft, Ockergelb – Erde), wurde zunächst abgelehnt ([38] S. 128 Anm. 4; [57] S. 208 Anm. 45), neuerdings aber wieder aufgegriffen [56, Bd. 1 S. 238].
Empedokles war vermutlich der erste, der mit Weiß, Schwarz, Rot und Ockergelb jene vier Grundfarben nannte, von denen noch Plinius (s. Sp. 164) glaubte, sie seien lange Zeit überhaupt die einzigen in der Malerei verwendeten Farben gewesen. Bemerkenswert ist, daß er bei der Beschreibung des Malvorgangs die Formgebung durch den Umriß nicht erwähnt (vgl. [16] Bd. 1 S. 321 = B 23) und das Zustandekommen der Figur lediglich als das Ergebnis der Farbenmischung verstand (vgl. [56] Bd. 1 S. 239, Bd. 3, 1 S. 124). – Zur F. des Empedokles vgl. [31] S. 40–48; [38] S. 126–30; [56] Bd. 1 S. 238f., Bd. 3, 1 S. 120f. und Bd. 3, 2 S. 330–69 (passim); [58] S. 383f.; [60] S. 94.
Demokrit (460–um 370), der ebenfalls vier Farben unterscheidet (Περὶ χροῶν: [16] Bd. 2 S. 91), ersetzte Ockergelb durch Grüngelb (χλωρόν; vgl. dagegen [16] Bd. 2 S. 112 = Fragment 125). Aus der Mischung der Grundfarben entstehen sieben weitere: 1. Gelbrot (χρυσοειδές), 2. Purpur (πορφύρεον), 3. Indigo (ἴσατις), 4. Lauchgrün (πράσινον), 5. Dunkelblau (ϰυανοῦν), 6. Nußfarben (ϰαρύινον), 7. Feuerfarben oder – so [38, S. 136] – helles Braungelb (φλογοειδές). Diese Farben lassen sich abermals mischen. Obwohl auch Demokrit von μεῖξις spricht, untersuchte er im Gegensatz zu Empedokles nicht die chemische, sondern die physikalische Zusammensetzung der Farben, wobei bestimmte Atomverhältnisse eine Rolle spielen sollen ([16] Bd. 2 S. 120–23 = A 135, nach Theophrast, De sensu et sensibilibus, § 73 – 82; ferner: [31] S. 48 – 58; [33] S. 8–10 und 194f.; [35] S. 119–37 [passim]; [36] S. 30-34; [38] S. 130-36; [42] S. 85 Anm. 2; [57] S. 180; [58] S. 384f.; [8] S. 7ff.).
Platon (427–348/347) nennt im Timaios (67 D–68 C) vier Grundfarben: Weiß (λευϰόν), Schwarz (μέλαν), Rot (ἐρυϑρόν) sowie „Glänzend“ (λαμπρόν τε ϰαὶ στίλβον), das mit Rot und Weiß gemischt zu Gelb (ξανϑόν) wird. Aus diesen Farben entstehen durch Mischung acht weitere: 1. Purpur (ἁλουργόν) aus Rot, Schwarz und Weiß; 2. Rotbraun (ὄρφνινον) durch Zusatz von Schwarz; 3. Feuerrot oder – so [38, S. 138] – Hellbraun (πυρρόν) aus Gelb und Grau (!); 4. Grau (φαιόν) aus Weiß und Schwarz; 5. Blaßgelb, Ockergelb (ὠχρόν) aus Weiß und Gelb (vgl. [33] S. 127); 6. Dunkelblau (ϰυανοῦν) aus Glänzendweiß und gesättigtem Schwarz; 7. Hellblau (γλαυϰόν) aus Dunkelblau und Weiß; 8. Lauchgrün (πράσί[ν]ον) aus Feuerrot bzw. Hellbraun und Schwarz. – Es war nicht Platons Absicht, bei der Zusammenstellung der Mischungselemente (über deren Relationen wir nichts erfahren) von der Praxis der zeitgenössischen Malerei auszugehen (vgl. [42] S. 84 Anm. 5). Wer die Verifizierbarkeit „auf dem Wege des praktischen Versuches erproben wollte, ... würde damit den Unterschied der menschlichen und der göttlichen Natur verkannt haben, sofern Gott zwar wohl das Viele in Eins zu verbinden und das Eine wieder in Vieles aufzulösen ... Macht besitzt, von den Menschen aber keiner weder das eine noch das andere ins Werk zu setzen ... jemals ... imstande sein wird“ (Timaios 68 D, zit. nach Franz Susemihl in: Platon, Sämtl. Werke, Bln. und Hdbg. [1950], Bd. 3 S. 160). Platon spricht zwar jeder Farbe ein besonderes Wesen (οὐσία) zu (Kratylos 423 E), doch lehnt er eine Definition dessen, was Farbe ist, ab (Menon 76 A). Seine Äußerungen waren vielmehr bestimmt von der Vorstellung einer „moralischen und theoretischen Symbolik des Lichtes“, die „dem Dunkel nur einen negativen Wert zu(weist)“ ([34] S. 212; vgl. Phaidon 109, 110). Das Besondere der einzelnen Farbindividualität tritt zurück, lediglich die Schönheit des Purpur wird mehrfach hervorgehoben (Phaidon 110 C; Politeia IV, 420 C; vgl. dazu [42] S. 3 Anm. 2). Platons Versuch, den Glanz mit dem Begriff des Bunten (ποιϰίλον) zu verbinden, in welchem die Farben zu einer gesteigerten Wirkung kommen (Phaidon 110 C), hat lange nachgewirkt. – In der platonischen Ästhetik ist die Farbe primär ein Element des Schönen, „ein Symbol von Vorstellungen, die sich jeder begrifflichen Vermittlung entziehen“ [34, S. 207f.]. Als Bestandteil der bildenden Kunst ist sie neben Proportion und Form das dritte Kriterium, nach dem das Gemälde geprüft werden muß (Phaidon 100 C; Kratylos 423 D, 432 B; Menon 75 B; Nomoi 668 E–669 B). Den Künstler fordert Platon auf, seine Werke „harmonisch“ zu gestalten, doch sagt er nicht, wodurch die Harmonie der Farben zustande komme. Das Rangverhältnis zwischen Form und Farbe bleibt unerörtert, doch verleihen die richtig gemischten Farben den Dingen ihre Deutlichkeit (Politikos 277 C). In Platons Feststellung, die sinnliche Lust verhalte sich zur rein geistigen wie die bunte Mischung zur reinen Farbe, wie „unreines, vermischtes“ Weiß zu reinem Weiß (Politeia IX, 585 B–586 B/C; Philebos 53 A/B), bekundet sich Mißtrauen gegen die Verführungskraft der Farbe. Auch der farbigen Erscheinung des Bildes müssen Maßzahlen und unveränderliche Normen zugrundeliegen, wenn ihre sinnliche Wahrnehmung nicht zur Täuschung des Betrachters führen soll (Philebo 51 C/D; Politeia X, 601 A, 602 D/E; vgl. auch [57] S. 174 und 222 Anm. 106). – Platon hat als erster den spezifisch ästhetischen Charakter der Farbe festgestellt, indem er sie einzelnen Empfindungen wie Freude, Zorn u. ä. zuordnete (Philebos 47 A; Lysis 222 B; vgl. [34] S. 210 und 667). – Zur F. Platons vgl. [31] S. 61–77; [33] S. 13–16 (passim); [35] S. 119–37 (und passim); [34] S. 210–18 (und passim); [36] S. 48–56; [38] S. 137-40; [42] S. 83ff.; [46] S. 29f.; [57]; [12] S. 69 Anm. 3 und 5 (Bibliographie); [46a] S. 156ff.; [61] S. 112–15.
Aristoteles (384–322), der die Farben als die Grenze des Durchsichtigen in einem begrenzten Körper definiert, reduziert die Grundfarben auf Weiß und Schwarz, die durch An- bzw. Abwesenheit des Lichts entstehen (De sensu et sensato 3.439 b, 440). Dabei wird Weiß mit den Elementen Luft (Meteorologica III, 6.377 b; De generatione animalium V, 6.786 a), (warmes) Wasser (ebd.), Feuer (Physica IV, 9.217 b), Schwarz mit den Elementen (kaltes) Wasser (De generatione animalium II, 2.735 b; V, 6.786 a; Meteorologica III, 4.374 a), Erde (De generatione animalium II, 2.735 b) und Feuer (De generatione et corruptione II, 5.332 b) in eine oft unklare Verbindung gebracht. Durch Mischung von Weiß und Schwarz ergeben sich: 1. Gelb (ξανϑόν), 2. Scharlachrot (φοινιϰοῦν), 3. Purpur (ἁλουργόν), 4. Lauchgrün (πράσινον), 5. Dunkelblau (ϰυανοῦν), die sich abermals mischen lassen (De sensu et sensato 3.440 b, 4.442 a; vgl. [33] S. 198 Anm. 92f. und [178] S. 115 Anm. 14; zur Mischungslehre Anneliese Maier, An der Grenze von Scholastik und Naturwiss., Rom 19522, S. 16f.). Die sekundären Farben entstehen entweder durch das Nebeneinandersetzen kleinster, mit dem Auge einzeln nicht wahrnehmbarer Punkte aus den Grundfarben oder durch Übereinanderlegen der Grundfarben oder durch Verschmelzung der farbigen Substanzen (De sensu et sensato 3.439 b, 440 a).
Aristoteles hat als erster versucht, die Farben in einer Skala zu ordnen. Diese wird von den beiden Extremen Weiß und Schwarz begrenzt und reicht, bei abnehmendem Helligkeitsgrad, von Gelb über Scharlach, Purpur, Grün zu Ultramarin (dazu [34] S. 665 und [178] S. 116 Anm. 17; abweichend: [20] S. 206). Das aristotelische Ordnungsschema der Farbenreihe blieb bis ins 17. Jh. maßgebend (vgl. [173] S. 76f. und [15] S. 15); die schon in „De anima“ (II, cap. 7, 8 [420 a.27]) vertretene Lehre, wonach das Licht das Medium ist, durch welches Farbe erst gesehen wird, wurde später immer wieder aufgegriffen.
Lange nachgewirkt hat auch Aristoteles' Theorie des Regenbogens (Meteorologica III, 372–75), die mit den in „De anima“ und „De sensu et sensato“ vertretenen Auffassungen nicht immer in Einklang zu bringen ist. Aristoteles nennt hier als Grundfarben Rot, Grün und Purpur, deren Helligkeitsgrad jeweils von der Stärke des reflektierten Sonnenlichts abhängt. Dabei ist Rot der hellste Farbwert und erscheint als der räumlich nächstgelegene, während bei Grün und Purpur die Reflexion der Strahlen abnimmt, wodurch diese Farben dunkler und weiter entfernt zu sein scheinen. Gelb ist keine ursprüngliche Farbe des Regenbogens, sondern wird durch den Rot-Grün-Kontrast erst hervorgerufen und ist somit – anders als nach „De anima“ – dunkler als das (helle) Rot (φοινιϰοῦν; vgl. den Kommentar in Hans Strohm, Meteorologie, Über die Welt [= Aristoteles Werke in dt. Übers ..., Bd. 12], Bln. 1970, S. 208ff.; [9a] 36–53; [97]; [178] S. 120; vgl. auch [173] S. 76f.).
So fruchtbar Aristoteles' Ansichten für die Entwicklung der späteren Künstler-F. werden sollten, sind sie doch ohne eigentlichen Bezug zu ästhetischen Problemen der Malerei konzipiert (dazu [34] S. 666f. und [167] S. 220). Bezeichnend hierfür ist Aristoteles' Feststellung, die in seiner Skala enthaltenen Farben könnten nicht vom Maler durch Mischen von Pigmenten hervorgebracht werden (Meteorologica III, 372 a). Dennoch wird eine Verbindung zwischen Farbe und Schönheit gesehen: die Schönheit der Buntfarben hängt ab von den Zahlenverhältnissen (etwa 2:3 oder 3:4), nach denen die beiden Grundfarben Schwarz und Weiß gemischt werden. Je weiter die Buntfarben von den extremen entfernt sind, d. h. je einfacher die der Mischung zugrundeliegende Proportion, desto angenehmer ist die Farbe dem Auge (Scharlachrot, Purpur). Weniger schöne Farben sind diejenigen, die aus nicht zahlenmäßig bestimmten Mischungen hervorgehen (De sensu et sensato 3.439f.). Aristoteles hat in seiner von pythagoräischen Ideen beeinflußten Ästhetik versucht, Ebenmaß (συμμετρία) und Gesetzmäßigkeit (τάξις) auch als Bestandteile der Farbe nachzuweisen und damit deren Schönheit zu begründen (zur Gesch. des Symmetriebegriffs in der Ästhetik vgl. [93] S. 276f.). Dennoch hat die Farbe in der Malerei nur akzidentielle Bedeutung. Die wesentliche Aufgabe, die Nachahmung (μίμησις) der Natur, wird vielmehr allein durch die Zeichnung erfüllt (Poetica 4.1448 b; vgl. auch [34] S. 728f., [41] S. 165 und [49] S. 360ff.). Wollte Platon eine Analogie zwischen seelischen Zuständen und Farben auf deren ästhetische Erscheinung zurückführen, so können nach Aristoteles die Farben zwar gewisse Affekte anzeigen, sind jedoch nicht geeignet, seelische Zustände darzustellen (Politica VIII, 5.1340, 32). – Zur F. des Aristoteles vgl. [31]; [32] S. 180f.; [33] S. 16-22; [33a] S. 150–58; [34] S. 662–69) und passim; [36] S. 56–92; [49]; [57]; Text von „De sensu et sensato“ und Kommentar vgl. [20]; Kommentar zu „De anima“: [18] S. 119ff. und [19] S. 360–75.
In der wohl von Aristoteles' Schüler Theophrast (371–287) verfaßten Schrift „Über die Farben“ (Περί χρωμάτων) wird außer Weiß und Schwarz noch Gelb (ξανϑόν) als Grundfarbe genannt (dazu [31] S. 115), aus denen die übrigen sich durch Mischung ergeben sollen (2.792 a). Die Farben sind immer nur unrein und vielfach gemischt wahrzunehmen. Ihre Erscheinung wird beeinflußt von Stärke und Qualität des Lichts, das sowohl die Farbe des Luftmediums als auch die Oberflächenfarbe des reflektierenden Objekts in sich aufnimmt (3.793 b). Auch für Theophrast führte nicht das Mischen von Pigmenten, sondern allein der Vergleich der von der farbigen Oberfläche des Gegenstandes reflektierten Strahlen zum Verständnis der Natur der Farbe (2.792 b). In seiner Zuordnung zu den Elementen wich er von Aristoteles ab: Weiß ist die Farbe der Luft, des Wassers und der Erde, Gelb diejenige des Feuers (1.791 a.2ff.; dazu [54] S. 63).
Der schon im MA vielgelesene Traktat (vgl. [100]) wurde 1548 in Florenz von Simon Portius kommentiert herausgegeben („De coloribus Aristotelis vel Theophrasti libellus“), eine (ungenaue) Übersetzung schaltete Goethe in seine „Materialien“ [3] ein [3, Bd. 41 S. 24–39]; neuere Ausg.: [31] S. 3–24 und T. Loveday und Edward Seymour Forster, The Works of Aristotle, Oxford 1913; [33] S. 22ff.; [36] S. 74–76; [178] S. 112 Anm. 7. Eine zweite Schrift Theoprasts, das Fragment „De sensibus“ (Περὶ αἰσϑήσεων, ist vor allem dadurch wertvoll, daß sie vom aristotelischen Standpunkt aus die Ansichten früherer Philosophen über Mischung und Wahrnehmung von Farben kritisch referiert (siehe oben; [21]).
Abhängig von der Vier-Farben-Theorie des Empedokles und von medizinischen Lehrsätzen des Hippokrates, versuchte Galen (um 130 bis 200 n. Chr.), die vier Grundsäfte des Körpers (humores) – Blut (sanguis), Schleim (φλέγμα), Schwarze Galle (μέλαινα χολή) und Gelbe Galle (χολή) – mit den vier Elementen in Verbindung zu bringen. Danach ergeben sich folgende Entsprechungen: 1. Sanguiniker – Luft – Rot (vgl. dagegen die Bezeichnung der Blutfarbe als Schwarz bei Homer, Ilias I, 303, V, 354; weitere Belege bei [59] S. 194f.); 2. Choleriker – Feuer – Gelb; 3. Phlegmatiker – Wasser – Weiß; 4. Melancholiker – Erde – Schwarz (Kommentar zu Hippokrates' „De humoribus“ in: Karl Gottlob Kühn, Claudii Galeni opera omnia, Bd. 16, Lpz. 1829, S. 4ff.; vgl. [31] S. 193–96; [33] S. 10 und 25; [178] S. 124f.; zur Gesch. der Temperamentenlehre vgl. William Stern, Differentielle Psychologie, Lpz. 19213, S. 481ff.). Der Lehre Galens war eine lange Nachwirkung auch auf die Künstler-F. beschieden.
Die römische Antike hat keine eigene F. hervorgebracht. Folgenreich ist gleichwohl Ciceros (vermutlich auf Xenophon, Memorabilia III, 10,3, zurückgehende: Bernard Bosanquet, A Hist. of Aesthetic [= Libr. of Philosophy, hrsg. von J. H. Muirhead], London 1892, S. 45 und 135, auch [93] S. 277) Definition, welche die Farbe als das neben der Form gleichrangige Element der physischen Schönheit anerkennt: „Et ut corporis est quadam apta figura membrorum cum coloris quadam suavitate, eaque dicitur pulchritudo ...“ (Tusculanae disputationes IV, 13,31: [22] S. 376; vgl. auch „De officiis“ I, 36,130: „Formae autem dignitas coloris bonitate tuenda est, color exercitationibus corporis“). Entsprechend urteilten Klemens von Alexandria † 215, der von εὔχροια spricht (Paedagogus III, 64,2: Claude Montdésert, Chantal Matray und Henri-Irénée Marrou, Clément d'Alexandrie, Le pédagogue, livre III [= Sources chr. 158], Paris 1970, S. 130; vgl. [93] S. 276), und Basilius † 379, Hexaemeron, hom. 2 n. 7 (Migne, P. G., Bd. 29 Sp. 48).
Plinius d. Ä. (23–79) unterscheidet „colores floridi“ und „colores austeri“ („utrumque natura aut mixtura evenit“). Zu ersteren rechnen Zinnober (minium), etwa Azurblau (armenium), Drachenblut (cinnabaris), Malachit (chrysocolla), Indigo (indicum), leuchtendes Purpur (purpurissimum; Nat. hist. XXXV, 12: [23] S. 282f.).
Die Feststellung „quattuor coloribus solis immortalia illa opera fecere – ex albis Melino, e silaciis Attico, ex rubris Sinopide Pontica, ex nigris atramento – Apelles, Aetion, Melanthius, Nicomachus, clarissimi pictores ...“ (Nat. hist. XXXV, 32: [24] S. 96) ist wohl weniger eine Lehre von den Grundfarben (so [347] S. 13) als das Ergebnis einer irrigen Kombination, die daher rührt, daß Plinius der prunkhaften Wandmalerei seiner Zeit die Kunst der „Klassiker“ entgegenhalten will (so auch Vitruv, De archit. VII, 5; vgl. Hans Jucker, Vom Verhältnis der Römer zur bild. K. der Griechen, Ffm. 1950, S. 143; vgl. auch die wohl im 1. Jh. n. Chr. entstandene pseudo-aristotelische Schrift „De mundo“ 5.396 b: „Die Malerei mischt auf dem Bilde die Bestandteile der weißen und schwarzen, der gelben und roten Farbe und bewirkt dadurch Übereinstimmung mit dem Vorbild“, zit. nach der Übers. in [16] Bd. 1 S. 153, vgl. auch [25] S. 378; die Interpretation bei [52] S. 48f. beruht auf einem Irrtum; zu den „quattuor colores“ vgl. auch [33a] S. 132 bis 44, ferner [42] S. 84 Anm. 5, [24] S. 96f. und [10] Ausg. 1964 S. 70ff.).
Wichtig als Zeugnis zur antiken Farbästhetik sind Plinius' Bemerkungen zu Licht- und Schattengebung und den Übergängen der Farben als den Prinzipien des Kolorits: „Tandem se ars ipsa distinxit et invenit lumen atque umbras, differentia colorum alterna vice sese excitante. postea deinde adiectus est splendor, alius hic quam lumen. quod inter haec et umbras esset appellarunt tonon, commissuras vero colorum et transitus harmogen“ (Nat. hist. XXXV, 29: [24] S. 94 und 96). Mit Recht hat man in dieser Stelle „das antike Testament des ‚Hell-Dunkels'“ gesehen [3a, Bd. 2 S. 54].
Plutarch † um 125 vermerkt den Täuschungseffekt der Farbe, der dieser eine gewisse Überlegenheit gegenüber der Zeichnung sichere: „In picturis color plus afficit quam linea, propter similitudinem corporis et fallendi dotem“ (De audiendis poetis, zit. nach [138] S. LXVI Anm. 202).
Der sog. Zweite Philostrat (Philostratos Lemnios) preist um 210 in den „Eikones“ zwar wiederholt auch die Effekte von Licht und Farbe und die Kontrastwirkung von Schwarz und Weiß, kommt aber nicht zu einer systematischen Beschreibung der Farben (vgl. die Belegstellen bei [34] S. 823–26 und [26] S. 53). Im „Apollonius von Tyana“ (voll. nach 217) läßt er keinen Zweifel daran, daß er als Parteigänger des Aristoteles die Farbe im Grunde für entbehrlich hält, denn „auch die farblosen Bilder ... sind als Werke der Malerei zu betrachten, ... auch in ihnen stellen sich Ähnlichkeit, Gestalt, Verstand und Gemütsbewegungen dar“ (II, 22, 4, zit. nach [30] Bd. 2 S. 321; vgl. auch [41] S. 160–65 und [52] S. 250).
Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr.) schränkt Aristoteles' Feststellungen ein, die Maler vermöchten die Farben des Regenbogens nicht nachzuahmen:
Naturalis quidem enim puniceus color cinnabari et dracontion, qui ex sanguine animalis fit; puniceus color ex cupholitho et ex purpureo mixtis, qui multum deficit a naturalibus. Puniceus autem et halurgus naturales quidem chrysocolla et ostreorum, sanguis existens et hoc purpurae maris, artificialia autem imparabilia, prasinum quidem ex cyano et ochro, halurgum autem ex cyano et puniceo; contrafulgente igitur cyano ochro quidem prasinus efficitur, puniceo autem halurgon. Et in his autem multum artificialia a naturalibus deficiunt. Et quod quidem pictores maxime hos non possunt lmitari colores, notum ex his [26b, S. 253.1–25].
Plotin, der im sechsten Stück der ersten Enneade (entstanden vor 263) über die sinnliche Schönheit handelt, lehnt die ciceronianische Definition (s. Sp. 163) ab und bestimmt Form, Ton und Farbe als Kategorien des Schönen. Die Farbe wird als ein Einfaches (ἁπλοῦν) der Symmetrie als einem Zusammengesetzten (σύνϑετον) gegenübergestellt (Enneade I, 6, 7; vgl. [167] S. 282 und [101] S. 42). Wenn es richtig wäre, daß Schönheit Symmetrie ist, dann könnte nichts Einfaches schön sein. Die Farben sind aber sowohl ein Einfaches als auch schön (Enneade I, 6, 1). In ihnen ist die Dunkelheit der Materie durch das Licht überwunden; die Farben sind Abarten des Lichtes (ϰαὶ χρόας φῶτα ὄντα, ebd. II, 4, 5; vgl. [27] S. 250 und [43] S. 19), ihr reinster Ausdruck ist das Feuer, „die anderen Körper entnehmen erst von ihm die Idee der Farbe“ (Enneade I, 6, 1, zit. nach [27] S. 11; vgl. auch [52] S. 258–61). – Zur F. Plotins: [34] S. 760f.; [48] S. 39 und passim; [60] S. 318ff.; [153] S. 14 und 78f. Anm. 57; weitere Lit. bei [101] S. 42, [52] S. 276f. und [12] S. 79 Anm. 8.
Die vom Neuplatonismus ausgeschiedene Symmetrie wird in der Ästhetik des Augustinus zusammen mit der Farbe wieder zum konstituierenden Element der Schönheit erklärt: „Omnis enim corporis pulchritudo est partium congruentia cum quadam coloris suavitate“ (De civitate Dei XXII, 19: [28] S. 838; vgl. auch De civitate Dei XI, 22). Das Auge liebt glänzende und anmutige Farben, doch haben wir uns vor deren Verlockung zu hüten (Confessiones X, 34 § 51; De ordine II, 11 § 33). Der fast wörtlich von Cicero (s. Sp. 163) entlehnten Definition hat Augustinus eine andere zur Seite gestellt, wonach die Schönheit in bestimmten Zahlenverhältnissen gründe: „Hinc profecta est in oculorum opes, et terram caelumque conlustrans, sensit nihil aliud quam pulchritudinem sibi piacere, et in pulchritudine figuras, in figuris dimensiones, in dimensionibus numeros“ (De ordine II, 15 § 42, zit. nach [29] S. 130). Damit wird der „numerus“ die zentrale Kategorie der augustinischen Ästhetik (vgl. [153] S. 82 Anm. 68). – Die Farbe ist nicht Körper, sondern eine vom Licht abhängige Qualität des Körpers: „Num colorem corpus dicimus ac non potius quandam corporis qualitatem? Ita est“ (De magistro, cap. 3 § 5: [29] S. 162). Deshalb ist das Licht (lux) „regina colorum, ... perfundens cuncta quae cernimus“ (Confessiones X, 34 § 51). – Zur F. des Augustinus vgl. [37] bes. S. 76f.; Alfr. Baeumler, Ästhetik, in: Ders. und Manfred Schröter, Hdb. der Philos., Abt. I: Die Grunddisziplinen, C, Mchn. und Bln. 1934, S. 28ff. (nicht zugänglich war [42a]).
Als Ganzes stellt die F. des Augustinus den Versuch dar, den Standpunkt Plotins mit der platonisch-pythagoräischen Lehre, wonach alle Schönheit letztlich numerisch bestimmbar sei, zu versöhnen. Diese Synthese hat lange nachgewirkt.
Vgl. etwa die Definition der Schönheit bei Baldassare Castiglione (Libro del Cortegiano, Venedig 1528, lib. IV, cap. 52), und bei Franc. Scannelli (Il Microcosmo della Pittura ..., Cesena 1657, lib. I, cap. 17 [Nachdr. ed. Guido Giubbini (= Gli storici della letteratura artistica ital., XV), Mailand 1966]), der „bellezza“ versteht als „riflesso di supremo lume ..., raggio d'espressa divinità, la quale n' appare composta con buona simetria di parti, e concertata con la soavità de'colori, lasciata in terra per reliquia e caparra della Celeste ed immortale“ (S. 107; vgl. [153] S. 95 Anm. 138 und S. 112 Anm. 223).
III. MA
Die Autoren des MA griffen alle Fragestellungen der antiken F. wieder auf. Während die Farbe als künstlerisches Gestaltungsmittel fast nur in den der Bereitung und Anwendung von Mischfarben gewidmeten Rezeptbüchern (vgl. RDK VI 1464–69) einige Beachtung fand (vgl. unten A), wurde sie in der neuplatonischen und scholastischen Philosophie als Element der Schönheit bestimmt (vgl. B). Daneben wurde, meist im Anschluß an Aristoteles' Regenbogentheorie, in zahlreichen Traktaten zur Optik die Lehre von Entstehung und Zahl der Grundfarben weiterentwickelt (vgl. C), wobei die ästhetische Erscheinung freilich kaum je zur Sprache kam. Philosophisch-theologische Spekulation und naturwissenschaftliches Interesse stehen oft bei ein und demselben Autor unvermittelt nebeneinander. Da und dort lassen sich immerhin Ansätze zu einer Kunsttheorie der Farbe erkennen; von ihnen führt jedoch kein Weg zur Schönheitsmetaphysik der Scholastik, wo „pulchritudo“ immer nur Attribut Gottes ist (Ernst Rob. Curtius, Europäische Lit. und lat. MA, Bern 19542, S. 231 Anm. 1).
Da für das MA – im Gegensatz zu allen anderen Epochen – keine zusammenfassenden Untersuchungen über F. vorliegen, auch wichtige Textzeugnisse bisher kaum beachtet wurden, ist hier einläßlichere Darstellung angezeigt. Unberücksichtigt bleiben die vielen verstreuten Äußerungen, die feines Gespür für den ästhetischen Reiz bestimmter Farbkombinationen beweisen (z. B. Reginald von Durham in seiner wohl 1175 entstandenen Beschreibung des Gewandes des hl. Cuthbert: das Purpur des Mantels scheine durch die aufgestickten gelben Tupfer noch intensiver zu leuchten; vgl. [94] S. 139).
A. Die Farbe in der Kunst
Isidor von Sevilla † 636 beklagt die Rolle der Farbe in der Kunst als unheilvoll: „Pictura autem est imago exprimens speciem rei alicuius, quae dum visa fuerit ad recordationem mentem reducit. Pictura autem dicta quasi fictura; est enim imago ficta, non veritas. Hinc et fucata; id est ficto quodam colore inlita, nihil fidei et veritatis habentia. Vnde et sunt quaedam picturae quae corpora veritatis studio coloris excedunt et fidem, dum augere contendunt, ad mendacium provehunt“ (Etym. XIX, 16, 1).
Demgegenüber erkennt Beda Venerabilis (672/3–735) in der Farbe das „proprium objectum visus et adaequatum“: „Quidquid videtur, hoc videtur ratione, quo habet colores in se“ (Sententiae philosophicae ex Aristotele collectae: Migne, P. L., Bd. 90 Sp. 981). Auch nach Johannes Damascenus † 749 wird die Form nur durch die Verschiedenheit der Farbe wahrgenommen (De fide orthodoxa II, 18: Migne, P. G., Bd. 94 Sp. 934; vgl. auch [105] S. 118).
Theophilus Rugerus ermahnt in „De diversis artibus“ (entstanden wohl zw. 1060 und 1090, vgl. [103] S. 145) den Künstler, seine Bilder durch mannigfache Farbigkeit zu schmücken – die „varietas colorum“ ist neben dem Glanz (fulgor, splendor) ein Zentralbegriff der „Schedula“ (vgl. [103] S. 59 und 62f.), die Farbe überhaupt erste Grundlage der Malerei –, um auf diese Weise die Herrlichkeit Gottes zur Anschauung zu bringen: „... et laquearia seu parietes diverso opere diversisque colorum distinguens paradysi Dei speciem ... quodammodo aspicientibus ostendisti“ (III, prologus: [64] S. 63). Freilich: einen bestimmten Farbkanon sucht man in der „Schedula“ vergebens (vgl. [5] S. 22–24 [1967: 28–30 und 708], ferner [95] und [96], auch [91] Bd. 1 S. 298 bis 302; zur Datierung – siehe oben – ferner [64] S. XXXIII: „zw. 11 10 und 1140“).
Der wohl erst im 13. Jh. entstandene liber III von Heraclius, De coloribus et artibus Romanorum (zur Datierung: [91] Bd. 1 S. 291), geht bei der Besprechung der verschiedenen Farbgattungen (cap. 50) auch auf die künstlerische Wirkung des Kolorits im Gemälde ein. Außer „albus“ und „niger“, den „colores principales“, kennt der Verfasser sieben „colores medii“: „rubeus“, „viridis“, „croceus“, „purpureus“, „prasinus“, „azur“ und „indicus“, „quorum expressio per se cuiuslibet pulcra est, sed interdum sic invicem permixti pulcriores Hunt, qua sua varietate graciam alter alteri praestant ... nam ut in medicinae confectionibus species ibi permixtae invicem conterunt, sic colores, non ejusdam qualitatis, ut partem ex alterius natura, partem ex sua trahant, et quam plurimas eorum varietates pulcras et delectabiles reddant, simul commiscentur“ ([63] S. 85 und 87; vgl. [91] Bd. 3 S. 174f.). Nicht nur bei der Mischungsprozedur, sondern auch in der Art, wie die Farben „in pictura alter alteri post se ponuntur“, hat „summa subtilitas“ zu walten: „siquidem post album, niger, aut rubeus medius, convenit; quoniam crocus, in temperatione, mediocritas secunda est ...“ ([63] S. 87, vgl. auch S. 93 und 95 [cap. 57]; zur umstrittenen Datierung des ganzen Traktats vgl. [5] S. 21f. [1967: S. 27]: noch E. 10. Jh., Italien; Percy Ernst Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, Lpz. und Bln. 1929, S. 299 Anm. 2 und Teil 2 S. 148–50: 12. Jh.; [91] Bd. 1 S. 298–300; zur Stellung zu Theophilus: [64] S. XIV ff.).
In ihrer Ablehnung der bildenden Kunst ganz auf aristotelischem Boden stehend, hat die hochscholastische Philosophie der künstlerischen Wirkung der Farbe keine Beachtung geschenkt. Als Element der Malerei ist sie für Thomas von Aquin lediglich Materie, die durch die Umrißlinie Form erhält. Wird damit das von Beda aufgestellte Rangverhältnis umgekehrt (Summa theol. I, qu. 35 art. 1: „Signum ... speciei in rebus corporeis maxime videtur esse figura: videmus enim quod diversorum animalium secundum speciem, sunt diversae figurae, non autem diversi colores. Unde, si depingatur color alicuius rei in pariete, non dicitur esse imago, nisi depingatur figura“: [74] Bd. 1 S. 180), so schließt sich Thomas jenem an anderer Stelle an (ebd. I, qu. 45 art. 4, ad 1: „. ... diceretur quod primum visible est color, quamvis illud quod proprie videtur, sit coloratum“: [74] Bd. 1 S. 230).
Ugo Panziera † um 1330 stellt wiederum die Farbe als das die Sinne unmittelbar ansprechende und die Ähnlichkeit verbürgende Element über die Zeichnung (Della mentale azione, vgl. [101] S. 223).
Die alte Frage nach der Priorität von Form bzw. Farbe führte Cennino Cennini im „Libro dell'Arte“ (um 1390) aus dem Bereich der philosophischen Spekulation in konkrete Anweisung für den ausübenden Künstler zurück. Seine Unterscheidung zwischen „disegno“ und „colorire“ (cap. 4) – wobei ersterem der Vorrang gebühre – schuf die Grundlage der späteren theoretischen Diskussion. In den die diversen Malerfarben behandelnden Abschnitten blieb er älteren Auffassungen verpflichtet. Er nennt sieben „colori naturali“: die vier Erdfarben „negro“, „rosso“, „giallo“, „verde“ und drei künstlich herzustellende „colori naturali“: „bianco“, „azzurro oltremarino (o della Magna)“ und „giallorino“ (cap. 36). Sein sehr summarischer Versuch, ihre ästhetische Erscheinung zu charakterisieren – neben „colori più gentili“ gibt es „colori più grossi e più schifi“ (cap. 35), deren Zuordnungen nicht näher expliziert sind –, mag durch Plinius' Unterscheidung „colores floridi“ – „colores austeri“ (vgl. Sp. 164) angeregt worden sein. – Als Ganzes ein Kompendium der Maltechnik, läßt der „Libro“ durch strenge Systematik und Klarheit der Sprache alles Ältere hinter sich (vgl. außer [81], bes. S. 34f. und XVII f., [5] S. 77–83 [1967: S. 91–98 und 710]; ferner: [99] S. 463–69, [178] S. 115 und [180] S. 138–41 sowie [6a] S. 51ff. und [10] Ausg. 1964 S. 92f.).
B. Die Farbe als Element der Schönheit
Die kuriosen Feststellungen, zu denen Isidor von Sevilla bei der Beschreibung des Regenbogens kommt, bezeichnen eine Wegstation in der Geschichte der neuplatonischen Schönheitslehre, nicht den Beginn der naturwiss. Grundfarbenlehre des MA. Der Regenbogen besteht aus vier Farben („... de caelo enim trahit igneum colorem, de aquis purpureum, de aere album, de terris colligit nigrum“); er ist ein Symbol der Herrlichkeit Christi (De rerum natura XXXI, 2: [62] S. 285). Die Skala Gelb bzw. Feuerfarben (igneus) – Purpur – Weiß – Schwarz widerspricht jeder empirischen Beobachtung und ist wohl nur als der Versuch zu verstehen, entsprechend der Tradition von Empedokles – Plinius, die gesamte Farbigkeit der Natur (bzw. ihrer gemalten Abbilder) aus der Mischung dieser vier Urfarben zu erklären; deren Rückführung auf die vier Elemente dürfte ein originaler Gedanke Isidors sein.
Für Hugo von St-Victor (1096–1146) ist das Licht schlechthin die Offenbarung der Schönheit, die wir sinnlich als mannigfache Farbigkeit erfahren: „De colore rerum multum disserere opus non est, cum ipse visus probet quantum naturae decoris additur, cum tam variis distincta coloribus adornatur. Quid luce pulchrius“, fragt Hugo, „quae cum colorem in se non habeat, omnium tamen colores rerum ipsa quodammodo illuminando colorat? ... Videmus rubentes rosas, candida lilia, purpureas violas, in quibus omnibus non solum pulchritudo sed origo quoque mirabilis est. ... Postremo super omne pulchrum viride, quomodo animos intuentium rapit; quando vere novo, nova quadam vita germina prodeunt, et erecta sursum in spiculis suis quasi deorsum morte calcata ad imaginem futurae resurrectionis in lucem pariter erumpunt“ (Eruditio didascalica VII, 12: Migne, P. L., Bd. 176 Sp. 820f., Buch VII nicht in: Charles Henry Buttimer, Hugonis de Sancto Victore Didascalicon ... A Critical Text [= The Catholic Univ. of America Stud. in Medieval and Renss. Latin, 10], Washington, D. C. 1939; vgl. dagegen die Verurteilung der Buntheit [varius color] als Ausdruck der Vielzahl der Laster durch Hildegard von Bingen † 1179, deren schwer zu entschlüsselnde und in sich oft widersprüchliche Angaben über Farben mehr auf deren symbolische Bedeutung eingehen: Johannes Bapt. Pitra, Analecta Sanctae Hildegardis opera spicilegio Solesmi parata ..., Paris 1882, S. 84, vgl. [108] S. 292).
Etwa gleichzeitig versuchte Thomas von Cîteaux † 1189, die ciceronianisch-augustinische Definition erweiternd, den Anteil der Farbe an der Schönheit zu bestimmen: „Triplex est pulchritudo: prima est quando est sine macula, secunda in qua est quaedam gustus et ornatus elegantia, tertia quaedam membrorum et coloris in se trahens intuentium affectus gratia“ (Commentarii in Cantica Canticorum V, 60: Migne, P. L., Bd. 206 Sp. 309). Damit ist die Schönheit der Farbe nicht mehr ein Objektives, sondern bestimmt sich nach dem psychologischen Effekt auf den Betrachter (vgl. [91] Bd. 3 S. 52 und 73).
Wilhelm von Auvergne † 1249 ließ sich auf ästhetische Urteile über einzelne Farben ein. Die Farben sind in sich selbst schön, freilich nicht alle in gleichem Maße. So ist Grün schöner als Rot, weil es sich zwischen dem Weiß, welches das Auge erweitert, und dem Schwarz, das es zusammenzieht, befindet (De faciebus mundi, vgl. Noel Valois, Guillaume d'Auvergne, évêque de Paris [1228–1249], Sa vie et ses ouvrages, Paris 1880, S. 230). Die Schönheit einer Farbe hängt allein von der Beziehung ab, die zwischen einem Farbton (bzw. einer Reihe von Farbtönen) und der Empfindung des Auges besteht: „Pulchritudo visibilis exterior pulchritudo dicitur ad aspectum nostrum exteriorem ... Sicut igitur ab ipso colore non est separabile actu vel ratione hoc ipsum quod est visibile“ (De bono et malo, voll. vor 1228, zit. nach [91] Bd. 3 S. 86; vgl. auch [99] S. 328). Als schön wird eine Farbe nur empfunden, wenn sie dem Gegenstand angemessen ist: „Pulchritudo dicitur ... in se aut figura et positio aut color aut ambo illorum aut alterum in comparatione ad alterum“; Rot, für sich genommen, ist dem Auge wohlgefällig (speciosus), ist Schönheit. „Si tamen esset in ea parte oculi ubi albedo esse debet oculum deturbaret ... Id enim quod in se est bonum et pulchrum, in subjecto indecenti turpido est, sicut viridis color, cum in se speciosus sit, in subjecto, cui non congruit, turpido“ (ebd., zit. nach [91] Bd. 3 S. 87; vgl. [93] S. 315–19 und [107] S. 221f.; die Meinung, daß „color confusus et incompositus evidens est in corpore turpido“, teilt auch Bartholomaeus Anglicus, De ... rerum ... proprietatibus XIX, 7: [71] S. 1145).
Robert Grosseteste † 1253 definiert Farbe als „lux incorporata perspicuo“ (De colore, entstanden um 1230–1235) bzw. „lux in extremitate perspicui in corpore terminato“ (De generatione stellarum, zit. nach [91] Bd. 3 S. 27). In seinem Kommentar zu Basilius' Hexaemeron erklärt er, Piotin folgend, das Licht zur alleinigen Ursache der Schönheit („Lux igitur est pulchritudo et ornatus omnis visibilis creaturae ... etiam sine corporearum figurarum harmonica proportione ipsa lux pulchra est“, zit. nach [93] S. 322f.; vgl. auch [91] Bd. 3 S. 23 und 124; an anderer Stelle hat Grosseteste diesen Standpunkt aufgegeben s. [91] Bd. 3 S. 121 – 52 und [93] S. 289ff. und 311).
Demgegenüber besteht die Schönheit für Albertus Magnus † 1280 vor allem in „elegans atque conveniens corporis magnitudo“ und „membrorum proportionata formatio“; erst in dritcer Linie bedarf sie der „boni et lucidi coloris perfusio“ (Mariale, qu. 15 –16: [90] S. 16f., auch [107] S. 243). Aufschlußreich für das Verständnis des „color bonus“ ist die Schilderung der Schönheit Mariens von Jacobus de Voragine („Pulchritudo beatae Mariae Virginis consistit in venusto et decenti colore. Fuit enim colorata triticeo colore scilicet colore nigro, albo et rubeo“, zit. nach [90] S. 17): nicht die ästhetische Qualität, sondern die sinnbildliche Bedeutung der Farbe (Weiß – virginitas, Schwarz – humilitas, Rot – Caritas) begründen die „pulchritudo“.
Bei Bonaventura † 1274 spielte, anders als in der intellektuellen Ästhetik des Albertus Magnus, die subjektive Erfahrung der Schönheit, das Zustandekommen des ästhetischen Eindrucks, eine entscheidende Rolle. Die objektive Schönheit der Dinge – Bonaventura bestimmt sie als „aequalitas numerosa, seu quidam partium situs cum colons suavitate“ (Itinerarium mentis in Deum, cap. II, 5, entstanden 1259: [72] Bd. 5 S. 300f.; vgl. [88] S. 203 Anm. 1) – wird im Genuß (per delectationem) erlebt; ihre reinste Verkörperung ist Gott selbst (Liber sententiarum I, dist. I, art. III, qu. 2, zw. 1248 und 1255 entstanden: [72] Bd. 1 S. 41), Gott ist aber auch das Licht und deshalb ist dieses „pulcherrimum et ... optimum inter corporalia“ (Commentarius in Librum Sapientiae VII, 10, mit Berufung auf Augustinus, Confessiones X, 34: [72] Bd. 6 S. 153; vgl. auch: Liber sententiarum II, dist. I, p. 1, art. I, qu. 1: [72] Bd. 2 S. 15). – Zur Schönheitslehre Bonaventuras s. [88], [91] Bd. 3 S. 189–226, [99] S. 332–36 und [104] S. 106f.).
Thomas von Aquin geht in seinen Reflexionen zur Farbe von der Erscheinung der Schönheit aus. In dem wohl 1253–1255 entstandenen Kommentar zu Petrus Lombardus schließt er sich fast wörtlich an Augustinus, vgl. Sp. 165f., an (Commentum in IV librum sententiarum, dist. 44, qu. 2, art. 4, 3: [73] S. 333; analog „Summa contra gentiles“ II, 64, um 1261–1264 [„... harmonia quaedam membrorum et colorum“], und – mit Berufung auf Dionysius Areopagita, De divinis nominibus, cap. 4 [dazu [153] S. 81 Anm. 68] – Summa theologiae IIa–IIae, qu. 145, art. 2c: [74] Bd. 2 S. 630).
In der „Summa theologiae“ werden „integritas sive perfectio“, „proportio sive consonantia“ und „claritas“ als Kriterien der Schönheit bestimmt (I, qu. 39, art. 8: [74] Bd. 1 S. 200). Die „claritas“ tritt als leuchtender Glanz der ungebrochenen Farbe in Erscheinung: „... unde quae habent colorem nitidum, pulchra esse dicuntur“ (ebd.: ebd.). An die Stelle der spiritualistischen Lichtmetaphysik des Neuplatonismus setzt Thomas die Auffassung des Lichtes als Akzidens ([85] S. 415; vgl. ferner: [89] S. 148ff., [91] Bd. 3 S. 278–374, [101] S. 247f., [102] bes. S. 99 Anm. 19. 223 und 225, [104] S. 102–05 und Raymond Bayer, Hist. de l'esthétique, Paris 1961, S. 73ff.).
Für Ulrich Engelbert von Straßburg † 1277 ist Gott die „causa efficiens et exemplaris et finalis omnis creatae pulchritudinis“ (Summa de bono II, tract. 3 cap. 4 [De pulchro], entstanden zw. 1262 und 1272: [90] S. 75). „Deus pulchritudinis est efficiens causa, sicut lux solis diffundendo et causando lumen et colores est efficiens omnem pulchritudinem corporalem. Sic enim lux vera et prima a se diffundit omne lumen formale quod est pulchritudo omnium rerum. – Exemplaris etiam causa est, quia sicut lux corporalis est una natura, que tamen est omne id quod pulchritudinis est in omnibus coloribus, qui tanto plus habent luminis tanto plus sunt pulchriores et diversitas eorum est ex diversitate superficiorum recipientium lumen et quanto plus deficit lumen, tanto magis sunt tetri et deformes“ (ebd.; vgl. auch ebd. S. 80: „Lux corporalis est causa pulchritudinis omnium colorum“; „Lumen corporale est hypostasis colorum“: Martin Grabmann, Ma. Geistesleben, Mchn. 1926, [Bd. 1] S. 205 Anm. 16). Ulrich sah in den Farben Hervorbringungen des Lichts und versuchte nicht allein, die Verschiedenheit der Farben – über sie erfahren wir nichts Näheres – aus der Verschiedenheit der das Licht absorbierenden Oberflächen zu erklären, sondern darüber hinaus die Farbschönheit nach dem Lichtanteil zu bemessen (zu Ulrichs vielschichtiger Bestimmung der „pulchritudo“ vgl. [90], [91] Bd. 3 S. 262–77 und [93] S. 301–05).
Witelo nennt in seinem Traktat zur Optik, um 1272, neben mehr als zwanzig weiteren Elementen der Schönheit auch das Licht und die (funkelnden) Farben: „Lux quae est primum visibile facit pulchritudinem. unde videntur pulchra sol et luna et stellae propter solam lucem. – Color etiam facit pulchritudinem, sicut color viridis et roseus et alii colores scintillantes formam sibi appropriati luminis visui diffundentes“ (Optica, zit. nach [85] S. 172; vgl. auch [90a] S. 6 und passim sowie [107] S. 268).
Es fällt auf, daß Autoren des MA immer wieder die besondere Schönheit des Grün hervorheben. Hugo von St-Victor tat dies im Hinblick auf das im Frühling neu erwachende Leben, wobei weniger die ästhetische Erscheinung als der Sinngehalt der Farbe (Apok. 9, 4) ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Demgegenüber ist die Erklärung Wilhelms von Auvergne ausschließlich physiologischer Natur, während Witelo sich jeder Begründung enthielt.
Originell ist Witelos ethnopsychologische Relativierung des Schönheitsbegriffs: die Beurteilung der Farbe wechselt von Volk zu Volk und hängt von den je verschiedenen Gewohnheiten ab: „... unde unaquaeque gens hominum approbat suae consuetudinis formam sicut illud quod per se aestimat pulchrum in fine pulchritudinis. alios enim colores et proportiones partium corporis humani et picturarum approbat Maurus et alios Danus, et inter haec extrema et ipsis proxima Germanus approbat medios colores et corporis proceritates et mores“ (zit. nach [85] S. 175, vgl. auch S. 224f., 617 und 639).
Ihren Endpunkt erreicht die ma. Farbenästhetik in den Schriften des Nicolaus Cusanus † 1464. „Pulchritudo“ beruht für ihn auf der Verbindung von „proportio“, „resplendentia“ und „claritas“. Der Glanz tritt in Licht und Farbe zutage. Wie bei Bonaventura wird auch bei Cusanus die Schönheit der Farbe nicht als etwas objektiv Gegebenes hingestellt, sondern mit der subjektiven Empfindung verknüpft. Im einzelnen sind seine Auffassungen schwankend. Rühmt er das eine Mal das Widerstrahlen der Verschiedenheit der Farben in ihrer Einheit („... sicut color ipse visibilis visui gratior est, in quo varietas colorum in unitate relucet ...“: De coniecturis, cap. 6, um 1440: [82] Bd. 2 S. 116), so erklärt er an anderer Stelle die weiße als die leuchtendste Farbe für die schönste – wenngleich auch sie nicht so schön, strahlend und leuchtend sei, daß sie nicht noch schöner, strahlender und leuchtender sein könnte (De quaerendo Deum I: ebd. S. 574; De venatione sapientiae, cap. 6, entstanden 1463: ebd. Bd. 1 S. 24; vgl. auch [98] S. 8).
C. Die Grundfarben und ihre Entstehung
Nach Isidor von Sevilla ist die Farbe gefangen gehaltenes Sonnenlicht, gereinigte Materie: „Colores autem dictos quod calore ignis vel sole perficiuntur, sive quod in initio colabuntur, ut summae subtilitatis existerent“ (Etym. XIX, 17, 1; vgl. [91] Bd. 1 S. 80). Beda unterscheidet vier Farben des Regenbogens: Rot, Grün, „hyacinthinus“ (violett, auch blau; zum Farbnamen: [33] S. 155–58) und „caeruleus“, die er aus den Elementen Feuer, Erde, Luft und Wasser entstehen läßt (nach Bartholomaeus Anglicus, De ... rerum ... proprietatibus XI: [71] S. 494).
Ausgehend von Aristoteles (De sensu et sensato) stellten die arabischen Philosophen des 11. Jh. die Frage nach dem Verhältnis der Farbe zum Licht. Während Avicenna (Ibn Sina † 1037) bestreitet, daß der Farbe auch in der Dunkelheit „verum esse“ zukomme (Roger Bacon, Opus majus V, Perspectivae I, dist. 8, cap. 1: [78] Bd. 2 S. 54; neuere Lit. zu Avicenna bei [15] S. 287 Anm. 24), ist sie nach Alhazen (Ibn al-Haitham † 1038) in der Dunkelheit zwar vorhanden, vermag aber nicht auf das Auge zu wirken (Optica I, 7, prop. 39: [66] S. 22; vgl. auch Roger Bacon: [78] Bd. 2 S. 54 und [84] S. 36 Anm. 3 und 46 Anm. 2). Licht und Farbe kommen nur vereint vor („Lux veniens a re visa colorata ad visum non venit sine colore“, zit. nach [86] S. 43). Neben dem Problem, wie die Mischfarbe wahrgenommen wird („... non apparet visui, quoniam quando cum colore debili fuerit admixtus color fortis, ipse scilicet color fortis vincet debilem et similiter inveniuntur semper colores et tincturae, quando admiscentur inter se“: Optica I, 31, zit. nach [86] S. 46), interessierte Alhazen vor allem die Kontrastwirkung. Die Erscheinungsweise der Farbe hängt vom Helligkeitsgrad der Unterlage ab. Wird eine dunkle (fuscus) Farbe auf einen weißen Körper aufgetragen, dann erscheint sie schwarz „propter fortitudineni albedinis“, während sie auf schwarzem Grund nahezu weiß erscheint „et non apparebit obscuritas, quae est in eis“; nur wenn die Farbe des Untergrundes die Mitte zwischen Schwarz und Weiß hält, zeigt sich der darauf liegende Gegenstand „secundum suum esse“ (ebd. I, 32, zit. nach ebd. S. 47 Anm. 1; neuere Lit. bei [15] S. 287f. Anm. 25).
Stellt die Regenbogentheorie des Honorius Augustodunensis (De imagine mundi I, 58: Migne, P. L., Bd. 177 Sp. 137: „de caelo ignem, de aqua purpureum, de aere hyacinthinum, de terra colorem gramineum trahit“) lediglich einen weiteren Versuch dar, die Farben auf die Elemente zurückzuführen, so sind die meteorologischen Studien des Averroes (Ibn Roschd † 1198) ein bemerkenswertes Zeugnis für den großen Einfluß der Meteorologie des Aristoteles auf die ma. Optik (Aristotelis De coelo ..., Meteorologicorum Der Name des Attributs „[Sache“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.] cum Averrois ... Commentariis ... V, Venedig 1562 [Nachdr. Ffm. 1962], Bl. 400–87). Averroes hält an den Regenbogen-Grundfarben des Aristoteles fest („rubeus, declinans parum ad pavonaceum ... alius autem similis porrali colori ... tertius [est] subrubeus quasi commixtus“) und läßt, wie dieser, Gelb als Produkt aus Rot und Grün gelten (ebd. Bl. 455, zit. nach [178] S. 120 Anm. 24). In seinem Kommentar zu Aristoteles' „De anima“ unterscheidet er ein zweifaches Sein der Farbe: „Color habet duplex esse, scilicet esse in corpore colorato (et hoc est esse corporale) et esse in diaffono [diaphano] (et hoc est esse spirituale)“: (II, 97: [66b] S. 277).
Für Robert Grosseteste hängt die Erscheinungsweise der Farben von Helligkeitsgrad, Intensität und Reinheit des Lichts ab, das er als „prima forma corporalis“ bestimmt (De luce seu de inchoatione formarum, zit. nach [104] S. 173). Wichtigste Quelle ist wiederum die kurze Abhandlung „De colore“. Zwischen Weiß und Schwarz – für Grosseteste „habitus“ (auch „forma“) und „privatio“ des Lichts – liegen vierzehn Buntfarben, von denen je sieben den beiden „colores extremi“ zuneigen, „hinc per intensionem ascendentes illinc per remissionem descendentes ac in medio in idem concurrentes“; unzählige weitere liegen dazwischen. Zu Farbbenennungen kommt Grosseteste ebensowenig wie zu praktischen Angaben über die jeweiligen Mischungsverhältnisse (vgl. [87] S. 78f. und 86*). Die Unterscheidung zwischen „lux“ und „fulgor“ bzw. „color“ erlaubt Grosseteste, den neuplatonischen mit dem aristotelischen Standpunkt zu verbinden. „Lux“ ist das reine Licht, die dem Körper innewohnende Leuchtkraft und insofern Substanz. Akzidentiell tritt das Licht als Glanz und Farbe zutage ([91] Bd. 3 S. 27; vgl. im übrigen ebd. S. 123 und 144 [wo die Zahl der Farben unzutreffend mit neun angegeben ist]; ferner: [97] S. 51, 111 Anm. 5 und passim; [9a] S. 93).
Die Frage nach Wesen und Entstehung der Farben hat Albertus Magnus in seinen wohl vor 1256 voll. Aristoteleskommentaren erneut gestellt. Der Farbe kommt ein „esse materiale“ zu, insofern sie der Oberfläche des Körpers verhaftet ist, und ein „esse formale“, insofern sie durch das Licht ihre Aktualität erhält und den Gesichtssinn affiziert (De anima II, tract. 3, cap. 7; vgl. [83] S. 104f. und 109; s. auch Alberts Schrift „De sensu et sensato“ tract. II, cap. 1: „non est color in tenebris, nisi in potentia perspicui“, zit. nach [84] S. 47 Anm. 1; über die Beziehungen der optischen Wahrnehmungslehre des MA zu derjenigen der Antike vgl. ebd. S. 96–113). Die aristotelischen Theorien der Entstehung der Mischfarben aus Weiß und Schwarz lehnt Albertus ab (De sensu et sensato tract. II, cap. 3–4: [70] S. 48ff.). Die wahre Ursache ist vielmehr die Vermischung fester und durchsichtiger Körper:
„Multitudo autem colorum mediorum causabitur ab eo quod multi sunt modi commixtionis corporum ex perspicuo et opaco. Possunt enim commisceri quaedam secundum numeros proportionales, ita quod triplum perspicui in superficie sit cum simplo opaci, vel e contrario, et aliis multis modis potest talis commixtio fieri. Quaedam autem non servata proportione in numeris possunt commisceri per abundantiam unius istorum, et defectu alterius in superficie. Ista enim oportet dicere eodem modo fieri et multiplicari, quo etiam secundum primam opinionem multiplicari dicuntur aequidistantia positi et compositi colores: et sicut dictum est in secunda opinione de proportione supernatationis. Omnes enim illi modi servantur in commixtis corporibus ex perspicuo et opaco. Ouae autem sit causa, quod colorum species formaliter necesse est esse terminatas et non infinitas secundum numerum“ (ebd. cap. 50: [70] S. 53).
Eingehende Erörterungen enthalten die vielgelesenen Enzyklopädien von Bartholomaeus Anglicus ([71], wahrscheinlich um 1250–1255 entstanden) und Vinzenz von Beauvais ([67], Speculum naturale, wohl 1253 voll.), in denen das Wissen der Zeit bis hin zu Albertus Magnus und Grosseteste (der allerdings nicht zitiert wird, vgl. [87] S. 85*) kompiliert ist (zu Vinzenz' Abhängigkeit von Isidor von Sevilla generell [4] Bd. 1 S. 439ff., auch [101] S. 211f.).
Bartholomaeus Anglicus ließ es keineswegs bei der Aufzählung älterer Lehrmeinungen bewenden, sondern beweist durchaus Eigenständigkeit. Wenngleich nicht ohne innere Widersprüche, ist seine F. wohl die umfassendste des MA und ein beachtlicher Versuch, die Erkenntnisse der antiken Autoren mit der zeitgenössischen Lichtmetaphysik in Einklang zu bringen. Farbe entsteht auf Grund der Mischung der Elemente und ihrer Durchdringung mit der „lux coelestis“. Somit “essentialiter“ vorhanden, wird sie jedoch erst durch das äußerliche Licht (lux extrinseca) zur Sichtbarkeit gebracht (De ... rerum ... proprietatibus ... XIX, prooemium: [71] S. 1134f.). Interessanter als die an Aristoteles anknüpfenden umständlichen Überlegungen zur Entstehung von Weiß und Schwarz – Weiß ist am intensivsten, wenn möglichst geringe Trockenheit und größtmögliche Hitze zusammentreffen, Schwarz entsprechend bei der Verbindung möglichst großer Trockenheit mit starker Kälte (cap. 4: ebd. S. 1138; aber cap. 7 – in anderem Zusammenhang –: „albedo ... est filia frigiditatis“ [S. 1144]) – ist der Versuch, die fünf Buntfarben in einer Skala zu ordnen und diese mathematisch zu untermauern: „Inter album vero et rubeum (das genau zwischen Weiß und Schwarz liegt) non possunt esse nisi duo, unus magis appropinquabit albo et alius rubeo, inter rubeum vero et nigrum erunt similiter duo, unus magis conveniens cum rubeo, et alius magis cum nigro, ita plures non possunt esse intermedii, quia inter album et rubeum non potest esse aliquid aeque distans simpliciter, quoniam aeque distantia simpliciter habet respectum ad extremos, sed talis si poneretur, haberet tres quartas albedinis, et unam nigredinis, quoniam medietas rubedinis ex una est quarta albedinis, et una quarta nigredinis, eodem modo non erit aeque distans simpliciter inter nigrum et rubeum. Quare oportet quod haberet tres quartas nigredinis et unam albedinis, et sic esset tantum aequidistantia secundum quid et secundum apparentiam. et non simpliciter secundum veritatem“ (cap. 5: ebd. S. 1140f.). Bemerkenswert ist, daß Bartholomaeus Anglicus bei der Aufstellung seiner Farbenreihe zwar offensichtlich nicht „De sensu et sensato“ folgt, gleichwohl seine lat. Farbnamen als Übersetzungen der aristotelischen deklariert: „Hos autem colores quinque intermedios nominat Aristoteles, primum vocans glaucum: secundum puniceum, id est, citrinum: tertium rubeum: quartum purpureum: quintum viridem. Ita quod inter album et rubeum erit glaucus a parte albi, puniceus a parte rubri. Inter nigrum autem et rubeum purpureus a parte rubei, et viridis a parte nigri. Haec nomina alio nomine vocantur in Graeco, ut ϰύανος purpureus χαροπὸς glaucus ...“ (cap. 6: ebd. S. 1141). Im einzelnen weicht Bartholomaeus' Skala von der seines Vorbildes nicht nur in der Anordnung, sondern auch in der farbigen Erscheinung der einzelnen Stufen ab. Grün wird als die dunkelste Buntfarbe gesehen; Blau, das Aristoteles in der Form des dunklen ϰυανοῦν kannte, rückt als heller Wert in unmittelbare Nähe des Weiß (die in „De sensu et sensato“ nicht verwendete Bezeichnung χαροπός taucht bei Aristoteles, De generatione animalium 779 a.35 im Sinne von [Hell-] Blau neben γλαυϰός [Dunkelblau] auf, vgl. [33] S. 146–49 und [35] S. 65–68). Da ϰύανος als Äquivalent für Purpur stehen soll, erhöht sich die Zahl der Rot-Töne auf drei, während das reine Gelb eliminiert wird:
Aristoteles, De sensu et sensato: |
Bartholomaeus Anglicus: |
Weiß (λευϰόν) |
Weiß (albus) |
Gelb (ξανϑόν) |
(Hell-)Blau (glaucus; χαροπός) |
Scharlach (φοινιϰοῦν) |
Scharlachrot bzw. Gelblich (puniceus id est citrinus) |
Purpur (ἁλουργόν) |
Rot (rubeus) |
Lauchgrün (πράσινον) |
Purpur (purpureus; ϰύανος) |
Dunkelblau (ϰύανοῦν) |
Grün (viridis) |
Schwarz (μέλαν) |
Schwarz (niger). |
Der Lokalisierung der Grundfarben folgen Einzelkommentare, wobei auch neue Farben eingefügt werden. Die „essentia“ des Weiß wird dreifach bestimmt als „lucis claritas et eius multitudo, ac perspicui puritas“ (cap. 6: [71] S. 1142). „Candor“ ist „albedo intensa, multum habens in se lucis in forma et purae perspicuitatis in materia“, während „fulgor“ „lucidi id est puri perspicui superficiem informat et perficit“ (cap. 10: ebd. S. 1150). Die Unsicherheit über die Bedeutung der griech. Farbnamen zeigt sich abermals, wenn das auf Weiß folgende „glaucus“ mit „flavus“ gleichgesetzt und dieses für die blaßgelbe Farbe der herbstlichen Blätter ausgegeben wird (cap. 11: ebd. S. 1150). Etwas dunkler als „glaueus“ ist „pallidus“ („color medius albedine incipiens et degenerans in nigredinem“: cap. 12: ebd. S. 1151). „Rubeus“ entsteht, wenn die Durchsichtigkeit der Materie sich mit der Klarheit des Feuers verbindet und Schwarz und Weiß zu gleichen Teilen gemischt werden (cap. 13: ebd.). Nicht ganz klar ist die Position von „croceus“ (Safran), das sich von „puniceus“ und „citrinus“ wenig unterscheide. Es folgt die Erdfarbe „minus“, danach „puniceus“, das, ebenso wie „purpureus“, im Umfeld von „rubeus“ liegt, doch mehr dem Weiß zuneigt. Die „propter concursum partium ignearum et terrestrium“ für das Auge angenehmste aller Farben ist „viridis“ (cap. 18: ebd. S. 1155) – eine Feststellung, die als ästhetisches Urteil im Rahmen einer Grundfarbenlehre des MA durchaus ungewöhnlich ist. Als die beiden letzten Übergangsstufen zu Schwarz werden Bleifarbe (lividus) und „indicum“ genannt.
In den der Farbe gewidmeten Teilen ausführlicher noch als Bartholomaeus Anglicus, blieb Vinzenz von Beauvais in seinem „Speculum naturale“ ganz der Frage nach dem Verhältnis von Farbe und Licht verhaftet (II, 35–71). Besonderen Wert legt Vinzenz auf die Unterscheidung von „lux“ und „lumen“. Jenes ist das Prinzip der Erkenntnis (cap. 37: [67] Bd. 1 Sp. 102), ist Körper (cap. 39: ebd. Sp. 104) und die „causa essentialis“ der Farben (cap. 43: ebd. Sp. 106), dieses ist nur Widerschein (cap. 41: ebd. Sp. 105): „Lux est propria natura, lumen autem in subiecto recipiente“ (cap. 52: ebd. Sp. 113). Mit Albertus Magnus unterscheidet er zwischen materialem und formalem Sein der Farbe (cap. 44: ebd. Sp. 106f.). Ursache des ..esse materiale“ sind die aristotelischen Primärqualitäten Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit im festen Körper. Als „esse formale“ bestimmt sich das Sein der Farbe „secundum quod ipse movet visum“ (cap. 56: ebd. Sp. 115). Entsteht die Farbe im festen Körper durch Mischung bzw. Überlagerung der Primärqualitäten, so wird sie im durchsichtigen Körper (Wolken, Dampf) durch Vermischung des Lichtes erzeugt (cap. 62: ebd. Sp. 119). Aristoteles' Lehre von der Entstehung der Buntfarben durch Überlagerung (bei Vinzenz: superenatatio) der „colores extremi“ wird modifiziert und präzisiert: weder mischen sich bei diesem Vorgang die Farben noch ihre Materie, vielmehr bleiben beide von einander unterschieden und schaffen ein Drittes. Die obere Farbe muß immer durchlässig (und damit von der darunterliegenden materiell verschieden) sein. Dabei sind zwei Arten der Durchlässigkeit (pervium) zu unterscheiden: 1) absolute Durchlässigkeit „sine colore“, wie sie der Luft eigen ist, und 2) die Transparenz, die in der Malerei verwendete Farben aufweisen können, z. B. wenn der Künstler einen im Wasser befindlichen Gegenstand wiedergibt (cap. 65: ebd. Sp. 121f.). Auch Vinzenz wollte die Entstehung der Buntfarben auf bestimmte Proportionsverhältnisse zurückführen. Die Mischung von Weiß und Schwarz kann „per aequedistantiam“ oder „secundum debitam proportionem“ erfolgen. In letzterem Fall sind die beiden Modi „secundum proportionem extremi ad medium aeque distans“ und „secundum operationem medii non aeque distantis ad aeque distans“ zu unterscheiden (cap. 66: ebd. Sp. 122). Der Verfasser errechnet auf diese Weise sieben „symmetrische“ Farben – wobei die mittleren die angenehmsten sein sollen –, gibt aber weder die einzelnen Farbtöne noch deren Abfolge an. Bleiben die erwähnten proportionalen Verfahren außer acht, so entsteht eine Vielzahl von im Sinne der arithmetischen Perspektive asymmetrischen Farben. Zu einer „proportio in comparatione ad sensum“ gelangt man hingegen, wenn bei der Mischung die Proportionsgesetze der Musik befolgt werden: „Nam sicut semitonum cum diapente proportionem facit dulcem in auditu, sic multum albedinis cum modico rubedinis et multum viriditatis cum modico citrinitatis facit delectationem in visu, sicque fiunt multi colores, et simetri quidem delectabiles, asimetri vero indelectabiles“ (cap. 67: ebd. Sp. 123). Bleibt Vinzenz' spekulative Grundfarben-Theorie letzten Endes eine Paraphrase zu „De sensu et sensato“, so dürften seine Bemerkungen über den (dreifarbigen) Regenbogen eigene Beobachtungen wiedergeben: „... in iride color superior, qui est in convexo arcus, semper est nivosus, et inferior semper est viridis. Medius autem caeruleus ad albedinem tendens“ (cap. 70: ebd. Sp. 125).
Bonaventura bestimmt die Farbe als eine Erscheinungsform des Lichts: „lux potest tripliciter considerari, scilicet in se et in transparenti et in extremitate perspicui terminati – primo modo est lux, secundo modo lumen, tertio modo hypostasis coloris“ (Commentarius in I librum sententiarum, dist. 17, art. 1, qu. 1: [72] Bd. 1 S. 294). Neben dem innerlichen Licht stehen Glanz und Farbe als dessen Akzidenzen: „... quod sicut lux incorporata est principium coloris in ipso corpore terminato, qui quidem color est accidens et passibilis qualitas et sensu percipitur; sic etiam lux in corpore luminoso est prineipium cuiusdam fulgoris, quiadmodum coloris est accidens, et mediante quo luminosum corpus a sensu apprehenditur“ (ebd. II, dist. 13, art. 2, qu. 2: ebd. Bd. 2 S. 321; vgl. auch [85] S. 399f.). Der im Glanz substantialisierte Lichtwert der Farbe wird über deren Buntwert gestellt [14, Sp. 908f.]. Das Licht hat mehr am Geistigen als am Körperlichen teil, denn Gott ist in ureigenster Weise das Licht (Commentarius in I librum sententiarum, dist. 13, art. 1, 1 obj. 3; vgl. [91] Bd. 3 S. 19 und 189–226 passim sowie [104] S. 106; zur ma. Lichtmetaphysik vgl. [85] S. 357–514; Übersicht über die Quellen bei Romano Guardini, Systembildende Elemente in der Theologie Bonaventuras, Die Lehren vom lumen mentis, von der gradatio entium und der influentia sensus et motus, hrsg. von Werner Dettloff [=Stud. et documenta franciscana, 3], Leiden 1964, S. 79–84). Eine Unterscheidung einzelner Farben findet sich nur in Bonaventuras Deutung des Regenbogens als eines Sinnbilds des christlichen Heilsgeschehens: „Quadricolor est ex quatuor elementis sibi oppositis et in se relucentibus. Sic Christus natus in se transformavit colorem rubeum per caritatem igneam; colorem aereum per serenitatem placidanv colorem viridem per amoenitatem gratiosam; colorem aqueum per pietatem fraternam“ (Sermones de tempore, In nativitate Domini sermo IV: [72] Bd. 9 S. 113).
Die Fünf-Farben-Theorie des Roger Bacon † 1294 entstand in erneuter Auseinandersetzung mit Aristoteles. Grundfarben sind Weiß (albedo), (Hell-)Blau (glaucitas), Rot (rubedo), Grün (viriditas) und Schwarz (nigredo). Aristoteles habe zwar nicht unrecht, wenn er (in „De sensu et sensato“) „glaucitas“ – hier möglicherweise Graublau – in „caeruleus (ϰυανοῦν) und „puniceus“ (φοινιϰοῦν) und ebenso Grün in verschiedene Abstufungen unterteile, doch sei die Fünfzahl der Unterscheidung der Dinge angemessener, was durch den Regenbogen bestätigt werde (Opus majus, pars VI, cap. 12, um 1266–1267 entstanden: [78] Bd. 2 S. 197; vgl. auch [3] Bd. 41 S. 92–101, [8] S. 18f., [9a] S. 102, [84] S. 36 Anm. 3, [97] S. 155ff. und [178] S. 116).
Aufschlußreich für eine gewisse Ratlosigkeit ma. Autoren gegenüber den griech. Farbnamen sind auch die Kommentare Thomas von Aquins zu den Übers. von „De sensu et sensato“ und der „Meteorologica“ durch Wilh. von Moerbeke (um 1260; vgl. [92] und, knapp zusammenfassend, Friedr. Ueberweg, Grundriß der Gesch. der Philos., Teil II, 11. ... Aufl. hrsg. von Bernh. Geyer, Bln. 1928, S. 347ff.). Hatte Wilhelm es bei einer Latinisierung der originalen Bezeichnungen bewenden lassen, so suchte Thomas die lateinischen Äquivalente zu geben: „puniceus (φοινιϰοῦν), id est rubeus, et alurgon (ἁλουργόν), id est citrinus, et ... ciarium (ϰυανοῦν), id est color caelestis“ [76, S. 47]. Damit wird das dunkelrote ἁλουργόν als helle Farbe angesehen („ita tamen quod viride et ciarium magis appropinquant ad nigrum, puniceum autem et citrinum magis appropinquant ad album“: ebd.), während es dem Meteorologica-Kommentar zufolge dunkler als „viridis“ und „puniceus“ wäre (vgl. [77] S. 631; dort auch „citrinus“ für ξανϑός: S. 630). Wilh. von Moerbekes Übers. der „Meteorologica“ ist auch die Grundlage für die Abhandlung des Witelo (Perspectiva X, 67: [66] S. 462; vgl. [178] S. 117 Anm. 18f. und 120 Anm. 24, [97] S. 229–32, [12] S. 321f. und [167] S. 228).
Ein wenig selbständiges Kompilat aus Aristoteles, Alexander von Aphrodisias, Alhazen, Averroës, Thomas von Aquin u. a. ist das 1302 oder 1303 voll. „Speculum ...“ des Heinrich Bate von Mecheln ([78b]; zur Dat.: [78a] S. 23 und [78b] S. XIII). Informativ als „Sammelreferat“, behandelt es (Kap. 7–18 und passim) auch die Farben. Die Übersetzung der aristotelischen Namen der Regenbogenfarben ist teilweise exakter als bei den Vorgängern (puniceus; xanthos, ... id est color quidam citrinus; viridis seu prasinum; halurgum, id est violaceum: ebd. S. 126f.).
Ebenfalls dem A. 14. Jh. gehören die beiden Untersuchungen an, die Dietrich von Freiberg † um 1311 der Farbe und dem Regenbogen widmete. Seine Quellen sind Aristoteles und die arabischen Philosophen. Ähnlich wie Albertus Magnus sucht er im Streit um das Abhängigkeitsverhältnis der Farbe vom Licht zu vermitteln: „colores non esse in tenebris nisi in potentia accidentali, ad quem gradum potentiae producti sunt per essentiale agens, quod est generans“ (De coloribus 3, zit. nach [84] S. 23*; vgl. auch ebd. S. 32–50). Je nachdem, wie das „generans“ im Körper Durchsichtiges (diaphaneitas) mit Licht (luminositas) mischt, entstehen zwischen Weiß und Schwarz die „colores medii“ Rot (rubeus), Gelb (citrinus), Grün (viridis), Blau (lazulius). Eben diese sind nach Dietrich auch die Farben des Regenbogens; die Ansicht Aristoteles' über das Gelb (s. Sp. 161) wird zurückgewiesen. „Secundum clarum et obscurum“ stehen Rot und Gelb als helle Farben den beiden anderen dunklen gegenüber (De iride pars II, cap. 1 und 13: [80] S. 60 und 85ff.; vgl. auch [84] S. 51–62 und 26*–40*, [97] S. 234–58 und [9a] S. 113).
Nicolaus Cusanus interessierte sich in seinen mystischen Betrachtungen allein für die Beziehung der Farbe zum Licht. Das Licht zeigt nicht die Farbe, es schafft sie: „Omnis esse coloris datur per lucem descendenten!“ (De dato patris luminis cap. 2, um 1445–1446 entstanden: [82] Bd. 2 S. 658). Es ist gewissermaßen die universale Form alles sichtbaren Seins, d. h. jeder Farbe: „Nam lumen est forma quaedam universalis omnis esse visibilis, scilicet omnis coloris, color enim est contracta receptio lucis ... Terminatio lucis in perspicuo est color, secundum unum modum ruber, secundum alium blavius“ (ebd.). Die Farbe ist im Licht nicht in einem Andern, sondern in ihrem Ursprung, ist getöntes Licht (De quaerendo Deum II: ebd. Bd. 2 S. 586). Da die vergänglichen irdischen Dinge ihre Farbe verändern, ist sie das „sichtbare Werden-Können“ ((posse fieri visibile: De venatione sapientiae, cap. 6: ebd. Bd. 1 S. 24). Grundfarben werden zwar vorausgesetzt, aber nicht bestimmt: „Omnia igitur colorata differe necesse est in colore, sed differentiae ad quattuor elementales resolvuntur colores, quos quisque varie participat“ (De coniecturis cap. 6: ebd. Bd. 2 S. 112; zur hist. Stellung von Nikolaus' F. vgl. Nik. von Cues, Vom Nichtanderen, De non aliud, übers. und mit einer Einführung und Anm. versehen von Paul Wilpert [= Schr. des N. v. C, H. 12], Hbg. 1952, bes. S. 116 bis 19, 120 Anm. 3f. und 146 Anm. 2; ferner [106] S. 682).
Auch die alte Frage nach den Beziehungen von Farbe und Temperament hat einzelne Autoren beschäftigt. Dabei findet die unterschiedliche moralische Einstufung der Temperamente in der ästhetischen Beurteilung der Farben ihren Niederschlag. So haben für Hildegard von Bingen die Sanguiniker „amabilem colorem faciei candore et rubedine permixtum“, während der Melancholiker „austerum colorem faciei“ zeigt. „Aliquantum rubicundus“ ist die Hautfarbe des Cholerikers, „muliebris“ diejenige des Phlegmatikers (vgl. Paul Kaiser [Hrsg.], Hildegardis causae et curae, Lpz. 1903, S. 70–73, und [108] S. 293; ähnlich auch die Beurteilung der Augenfarben [niger, subalbesceus, varius, glaucus] bei Albertus Magnus, De animalibus I, tract. 2, cap. 7: [69] Bd. 1 S. 74f., Barth. Anglicus, De rerum ... proprietatibus XIX, 7: [71] S. 1145 [„color passiones et accidentia animae praeconizat“], und Vinzenz von Beauvais, Speculum doctrinale XIII, 50: [67] Bd. 2 Sp. 1203: „colores designant mores et complexiones“). Zum Nachleben dieser Anschauungen in der späteren Ausdruckspsychologie vgl. man Giambatt. della Porta, De humana physiognomonia libri IV (ed. princ. Neapel 1586, zahlreiche Aufl.), wo insbesondere antike Quellen in einiger Vollständigkeit zusammengetragen sind: lib. II, 3: Haarfarbe; II, 14: Gesichts- und Körperfarbe; III, 6–8: Augenfarbe.
IV. Renaissance und Manierismus
Mit dem Quattrocento setzte die Entwicklung einer spezifischen Farbästhetik ein; ihre Autoren sind meist Künstler oder schreiben doch für diese. Die „ma. Isolierung der Farbe“ wird aufgehoben [167, S. 284], die Frage nach den Farbenverhältnissen im Kunstwerk rückt in den Mittelpunkt des Interesses. Neu ist der Versuch, empirische Beobachtungen über die (physikalisch bedingte) wechselnde Wahrnehmung der Farbe für die künstlerische Praxis fruchtbar zu machen. Die Diskussion um die Grundfarben hingegen bleibt meist im Banne der Autorität des Aristoteles.
Mit Leon Battista Alberti, Della pittura (um 1435–1436; ed. princ. in: A. Bonucci, Opere volgari di L. B. A., Bd. 4, Florenz 1847, S. 11–86; lat. Ausgabe Basel 1540, vgl. [112] S. 4), beginnt die Reihe der kunsttheoretischen Traktate, in denen nicht mehr der Künstler lediglich handwerkliche Anweisungen erhält, sondern die Malerei als eine mathematischen Gesetzen folgende Wissenschaft expliziert wird. Nach Alberti sind dabei Umriß (circonscriptione), Komposition (compositione) und Farbgebung (receptione dei lumi) in Übereinstimmung zu bringen ([110] S. 99, vgl. auch ebd. S. 133: „Vorrei 10 un buon disegnio ad una buona compositione, bene essere colorata“; vgl. dazu [155] S. 19f.).
Alberti war der erste, der eine Kunsttheorie der Farbe zu geben suchte, und er ist sich dessen bewußt (II: [110] S. 137; auch I: parliamo come pictore“: [110 | S. 65). Er nimmt vier „veri colori“ ([155] S. 18: „Urfarben“) an, die er, der Tradition folgend, mit den Elementen korrespondieren läßt: Rot (rosso) – Feuer, Azurblau (cilestrino) – Luft, Grün (verde) – Wasser, Blei- oder Aschgrau (terra bigia e cenericcia) – Erde ([110] S. 65; [112] S. 104 Anm. 23; [113] S. 109 Anm. 9; [120] S. 56 Anm. 62; Leonardo Olschki, Gesch. der neusprachlichen wiss. Lit., I: Die Lit. der Technik und der angewandten Wiss. vom MA bis zur Renss., Hdbg. 1919, S. 62). Diese Farben lassen sich beliebig mischen. Auffallend ist das Fehlen von Gelb, das sich vielleicht daraus erklärt, daß Alberti es keinem der Elemente zuordnen konnte (so [178] S. 126f., vgl. auch [112] a.a.O.). Weiß und Schwarz sind keine „veri colori“, sondern Ausdruckswerte von Licht und Schatten [110, S. 131] und bringen lediglich „alterationi“ anderer Farben hervor: „Vedesi dall'ombra s'empiono i colori, et crescendo il lume, diventano i colori piu aperti et chiari“ (ebd. S. 65 und 67). Diese gegen die aristotelische Tradition gerichtete Anschauung bezeichnet eine „vollkommen neue Wendung in der Entwicklungsgesch. der F.“ ([155] S. 19; zum Verhältnis Alberti–Aristoteles vgl. auch [178] S. 111f., wo in der Stellungnahme zum Schwarz-Weiß-Problem der einzige originelle Gedanke in Albertis F. gesehen wird). Wenngleich Alberti zugesteht, „che alla gratia et lode della pictura la copia et varietà de colori molto giova“, hängt doch alles von der richtigen Anwendung von Weiß und Schwarz ab, „pero che il lume et l'ombra fanno parere le cose rilevate“. Die anderen Farben sind gleichsam nur der Stoff, zu welchem mehr oder minder Schatten hinzugefügt wird [110, S. 131 und 133]. Die in dieser Entschiedenheit erstmals vertretene Auffassung von der Farbe als einem rein ästhetischen Phänomen wird am deutlichsten in Albertis Concetto von der „amicitia colorum“ faßbar: bestimmte Farben „... si danno insieme honore et vista“, z. B. „rossato presso al verde et al cilestro ... Il colore bianco non solo adpresso il cenericcio et apresso il croceo ma quasi presso a tutti posto, porge letitia“ [110, S. 139]. Für eine harmonische, dem Auge wohlgefällige Anordnung der Farben ist entscheidend, daß diese sich im Bild kräftig voneinander abheben. Dabei stehen „i colori obscuri fra i chiari non senza alcuna dignità et così i chiari bene s'avolgano fra li obscuri“ ([110] S. 137 und 139; vgl. auch [111] S. 101f.). Es entspricht ganz Albertis Auffassung des Kunstwerks als einer illusionistischen Scheinwelt, daß er die Verwendung des materiellen Goldes als Störung empfindet und dem Künstler ans Herz legt, den Glanz des Goldes durch Farben nachzuahmen, was auch mehr Bewunderung und Lob einbringe ([110] S. 138; entsprechend schon Petrarca: [10] Ausg. 1964, S. 102; vgl. auch Jan Bialostocki, Ars auro prior, in: „Mél. de litt. comparée e de philologie offerts à Mieczyslaw Brahmer“, Warschau 1967, S. 55–63, passim, [112] S. 85, [167] S. 285f. und [178] S. 113).
Bei der Bestimmung dessen, was Farbe ist, beruft sich Alberti auf „die Philosophen“, denen zufolge „nulla potersi vedere quale non sia luminato e colorato“: Farbe existiert nur als Funktion des Lichts ([155] S. 19; [110] S. 65 und 227f. Anm. 8; die Stelle wohl zu beziehen auf Aristoteles, De anima II, 7–8, s. Sp. 161; nach [ioi] S. 324 Anm. 36 fußt Alberti hier auf Witelo, vgl. [99] S. 321). Alberti will die Veränderungen der Farbe unter dem Licht untersuchen und dem ausübenden Künstler zeigen, wie er mit Hilfe der Pigmente die optischen Effekte der Natur nachahmen kann (vgl. auch [178] S. 112). Dabei interpretiert er das Licht rein empirisch, ohne jede Bezugnahme auf etwas außerhalb seiner selbst Gelegenes und ausschließlich als Mittel der künstlerischen Gestaltung [167, S. 232]. Wegweisend sind seine Feststellungen über die Farbveränderungen der Oberfläche durch die Erscheinung der Reflexfarbe und die Zusammensetzung des Luftmediums ([110] S. 61, 63 und 67; vgl. auch [149] S. 62, [155] S. 21–32; zum Ganzen: [110] S. XXII ff. und – bes. zur Verwurzelung im MA – [178] S. 116 Anm. 6, 120 Anm. 24 und passim). – Zur F. Albertis ferner: [147] S. 66–71, [149] S. 60–63, [154] S. 421–26, [111] S. 41ff., [173] S. 78f., [180] S. 85 und [15] bes. S. 290 Anm. 68; über Abweichungen der lat. Fassung von der ital.: [179a] S. 49f.
Wie der um 1458 entstandene „Blason des couleurs en armes, livrées, dévises“ des Herault de Sicilie bezeugt, beachtet auch die heraldische Fachliteratur neben der symbolischen Bedeutung die ästhetische Wirkung der Farben: Blaßgelb – Blau, Orange – Weiß, Orange – Rosa, Rosa – Weiß, Schwarz – Weiß werden als besonders schön gerühmt, während Blau – Grün und Grün – Rot (!) „gewöhnlich aber nicht schön“ sind (Johan Huizinga, Herbst des MA, Mchn. 19282, S. 404f.).
Filarete, der im 24. Buch seines „Trattato di Architettura“ (zur Datierung: [116] S. XIII: 1460–1461 und 1464; Peter Tigler, Die Archit.theorie des F. [= Neue Münchner Beitr. zur Kg., 5], Bln. 1963, S. 8: 1463?) auch die Farben behandelt, unterscheidet deren sechs: „bianco“, „nero“, „rosso“, „azzuro“, „verde“, „giallo“ ([115] Bd. 1 S. 309ff.; [116] Bd. 2 S. 666–69; ferner [145] S. 6). Sie entsprechen dem Tag, der Nacht, dem Feuer, der Luft, dem Gras und dem Gold bzw. den Blumen; Grün und das von Filarete wieder als Grundfarbe aufgenommene Gelb [112, S. 105] sind als Farben von Naturerzeugnissen die vornehmsten. Mit solchen Analogien, die ältere Vorläufer haben, setzte sich Filarete über die bissige Kritik etwa eines Lorenzo Valla (um 1430) hinweg (vgl. [179a] S. 114ff. und [180] S. 84f.). Offen bleibt, ob Weiß und Schwarz als Farben zu gelten haben, doch scheint Filarete eher der traditionellen Auffassung zuzuneigen. Auch seine Empfehlungen für die Kombination harmonischer Farben weichen von denen Albertis ab. „A presso al verde ogni colore se gli confà: el giallo et il rosso, e anche l'azzurro non si disdice. El bianco appresso al nero tu sai come si conformano; el rosso col giallo non cosi bene si confa, assai si confa allo azzurro, ma piu al verde ...“ [116, S. 669]. Filarete war wohl weniger an der psychologischen Wirkung auf den Betrachter als an visueller Harmonie interessiert (so [115] Bd. 1 S. 311 Anm. 3; zur F. Filaretes vgl. auch [145] S. 6).
Marsilio Ficino † 1499 läßt in seiner zwölfstufigen Skala die Farben nach dem Grad der Helligkeit aufeinander folgen: niger, fuscus, flavus, caeruleus, viridis, coelestis (glaucus), rubeus plenior, rubeus clarior, croceus, albus, „durchsichtig“, „schimmernd“ (limpidus sive nitidus), „glänzend“ (splendidus) und schließlich der Glanz (splendor). Wenngleich in Auseinandersetzung mit Platon (Opera, Bd. 1, Basel 1561, S. 825f.) entstanden, ist Ficinos Klassifizierung ein originaler Beitrag zur Geschichte der F. [163, S. 104]. Bezeichnend für den neuplatonischen Standpunkt Ficinos ist seine Einschätzung des Gold: „Nunc autem puros colores lumina, vocem unam fulgorem auri et argenti candorem, scientiam, animam que omnia simplicia sunt, pulchra vocamus; nosque ita mirifice tamquam revera sint pulchra delectant“ (Commentarius in convivium Platonis IV, 3, zit. nach [167] S. 282 Anm. 2). Wenn Ficino das Gold wegen seines Glanzes, das Silber wegen seines Schimmers als Erscheinung des Schönen preist, so interessiert ihn, anders als Alberti, die Farbe nicht als Mittel künstlerischer Gestaltung, sondern als Symbol. Mit Piotin sieht er in der Farbe das Einfache, das der Harmonie als einem Zusammengesetzten gegenübersteht. Die Farben werden als Hervorbringungen des Lichts verstanden, das für Ficino ein Abbild Gottes ist (vgl. ebd. S. 282 und 293, [173] S. 80ff. und André Chastel, Art et Humanisme à Florence au temps de Laurent le Magnifique, Études sur la Renss. et l'humanisme platonicien, Paris 1959, S. 322). Anders als Piotin schränkt Ficino freilich ein: „Eodem nos ratio admonet ne formam suspicemur esse colorum suavitatem“ (Commentarius ... V, 3, zit. nach [171] S. 444 Anm. 326).
Albertis Definition der Malerei (s. Sp. 183) wurde 1491 von Angelo Poliziano bedeutsam modifiziert, der die unter dem Begriff „receptione dei lumi“ zusammengefaßten Bestandteile Licht- und Schattengebung einerseits und Farbe andererseits trennt und „pictura“ als die Verbindung von „color“, „umbra“ und „graphice“ bestimmt. Damit wird die Farbe – klarer als in Cenninis altem Begriff des „colorire“ – als differentia specifica der Malerei ins Recht gesetzt (Panepestemon, hoc est omnium scientiarum ... brevis descriptio, zit. nach [222] S. 67f.).
1502 erschien in Venedig das „Speculum lapidum“ des Camillo Leonardo, wo offenbar zum ersten Mal die Grundfarben ohne Zusammenhang mit der Theorie des Regenbogens auf drei – Rot, Gelb, Grün – reduziert sind (vgl. [233] S. 9).
Leonardo da Vincis im wesentlichen zwischen 1505 und 1515 entstandene Notizen über die Farbe gehen durch den Reichtum und die Unmittelbarkeit der Beobachtungen über alles ältere weit hinaus; ein geschlossenes System ist in seinem nur als „posthumer Notbau“ (Schlosser) überlieferten, 1651 erstmals herausgegebenen Malereitraktat gleichwohl nicht zu entdecken. Empirisch gewonnene naturwiss. Erkenntnisse über die Farbe stehen oft zusammenhanglos neben rein kunsttheoretischen Fragmenten. Vieles bleibt unklar, manches in sich widersprüchlich.
Schon die verschiedenen Definitionen der Malerei lassen Zweifel, welchen Stellenwert Leonardo der Farbe zuerkennt. Einmal besteht die Malerei aus zwei „parti principali“, Figur und Farbe ([118] Bd. 1 S. 162 Nr. 111), nach anderer Stelle (ebd. S. 178 Nr. 132) aus fünf Teilen („superfine, figura, colore, ombra e lume, propinquita e remottione, o'voi dire accrescimento e diminutione“), nach wieder anderer aus zwei Elementen, „lineamenti“ (disegno) und „ombra“ (ebd. S. 178 Nr. 133); schließlich soll sie die „compositione di luce e di tenebre, insieme mista cole diverse qualità di tutti i colori semplici e composti“ umfassen (ebd. S. 430 Nr. 439; [120] S. 71 Nr. 83) – eine Definition, die den Farben nach dem Hell-Dunkel nur sekundäre Bedeutung einräumt.
Leonardo führt zunächst sechs nicht durch Mischung herstellbare „colori semplici“ ein, sein besonderes Interesse gilt aber den „spetie secunde“.
Die Reihenfolge der „colori semplici“: „... il bianco in questo ordine essere il primo ..., il giallo il secondo, e'l verde n'è'l terzo, l'azuro n'è'l quarto, e'l rosso n'è'l quinto, e'l nero n'è'l sesto“ ([118] Bd. 1 S. 274 Nr. 254; [120] S. 56 Nr. 51). Leonardo dürfte der erste gewesen sein, der im Zusammenhang mit der theoretischen Begründung der Malerei eine Farbenskala aufstellte (vgl. auch [173] S. 80). Der Ansicht, Weiß und Schwarz seien Ursache bzw. Entzug des Lichts und somit keine Farben, hält Leonardo entgegen, man müsse sie schon deshalb dazuzählen, „perchè il pittore non po fare senza questi“ ([118] Bd. 1 S. 274 Nr. 254, auch ebd. S. 246 Nr. 213; ebd. Nr. 207 und 247 ist Weiß als Farbe bestritten, es kann aber „jede beliebige Farbe annehmen“). Weiß steht für Licht, für Wasser Grün, Blau für Luft, Rot für Feuer, Schwarz für Dunkelheit. Das von Alberti der Erde zugeordnete Grau wird durch Gelb ersetzt. Sich selbst widersprechend, schränkt Leonardo sogleich ein, Blau und Grün seien keine „einfachen Farben für sich“ (non per se semplice), denn Blau setze sich aus Licht und Finsternis zusammen (cioè nero perfettissimo e bianco candidissimo) und somit bestehe Grün aus einer einfachen (Gelb) und einer zusammengesetzten Farbe (Blau; ebd. S. 276 Nr. 255, S. 480 Nr. 490). An anderer Stelle wird die Zahl der „colori semplici ... che non sono composti, nè si posson comporre per via di mistione d'altri colori“ mit acht angegeben: Schwarz, Weiß, Blau, Gelb, Grün, „Löwenfarben“ (leonino, cioè taneto, o'vo' dire oguria), Brombeer- bzw. Mohrenfarben (morello) und Rot (ebd. S. 246 Nr. 213; zu „leonino“ vgl. [145] S. 11 Anm. 7).
Die Mannigfaltigkeit der „spetie secunde“ erschließt sich demjenigen, der die Farben seiner Umgebung durch gefärbte Gläser betrachtet. Dabei mischt sich die Farbe des Gegenstandes mit derjenigen des Glases, und der Künstler wird unmittelbar gewahr, wie die Farben auf diese Weise verbessert oder beeinträchtigt werden. So gewinnen z. B. Gelb und Grün hinter gelbem Glas, während Blau, Schwarz und Weiß die Gelb-Mischung nicht vertragen. Bei der Verwendung der Farbe ist also von den durch optische Experimente gewonnenen Erkenntnissen auszugehen ([118] Bd. 1 S. 274, 276 Nr. 254; [120] S. 57 Nr. 51), wobei in der Praxis der Malerei die Mischung bestimmten Verhältniszahlen (proportioni) folgt ([118] Bd. 1 S. 246 und 248 Nr. 213). Dies gilt auch, wenn Farbmischungen durch Verwendung von Transparentfarben, z. B. „paonazzo, datto sopra lo azzurro“, erzeugt werden sollen (ebd. S. 240 Nr. 205; paonazzo, pfauenfarbig, „purpur“, zur Übers. [118] Bd. 3 S. 239).
Bei der Zusammenstellung harmonischer Farbkombinationen hält sich der Maler am besten an die Natur.
„Se voi fare, che la viccinità de l'uno colore dia gratia àl'altro ... usa quella regola, che farsi vede alli razzi del sole nella compositione del archo celleste“ (ebd. Bd. 1 S. 224 Nr. 190). Gut zueinander passen Grün und Rot, Grün und blau, Grün und Purpur (paghonazzo) oder Blaßviolett (biffa), Gelb und Blau, Blaßblau (palido) und Rot, während die Kombinationen von Blau mit weißlichem Gelb (gialo che biancheggia) und mit Weiß eine „disgradata compagnia“ erzeugen (ebd. Nr. 190a, auch S. 274 Nr. 253 und 278 Nr. 258; [120] S. 51f. Nr. 43).
Die Schönheit der einzelnen Farbe wird durch kräftigen Kontrast gesteigert.
Blaßblau verleiht dem Rot eine größere Intensität, als dieses für sich allein oder im Wettstreit mit Purpur (paonazzo, s. oben) hätte ([118] Bd. 1 S. 224 Nr. 190a; entsprechend ebd. S. 256 Nr. 229, 258 Nr. 232, 268 Nr. 246 u. ö.).
Steht eine Farbe gegen einen andersfarbigen Hintergrund, so zeigt sie sich an ihren Rändern verändert und erscheint „più nobile ne' confini de loro contrario“ als in der Mitte (ebd. S. 240 Nr. 204). Bedingt durch die zwischen Auge und Objekt liegende Luft wird kein Körper jemals vollständig in seiner wahren Farbe wahrgenommen (ebd. Bd. 2 S. 68 Nr. 654; [120] S. 43 Nr. 28). Auch ändert sich die natürliche Farbe des Körpers, wenn die Gegenstände, von denen die Beleuchtung ausgeht, selbst farbig sind ([118] Bd. 1 S. 240 Nr. 203; über den einzigen Ausnahmefall: ebd. Bd. 2 S. 68 Nr. 654; [120] S. 43 Nr. 28).
Leonardo versucht, der Individualität der einzelnen Farbe Rechnung zu tragen, wenn er feststellt, daß einmal Licht und Schatten, ein andermal der Glanz oder die Transparenz es ist, was der Farbe ihre höchste Schönheit verleiht.
„Il nero haver la bellezza nell'ombre, e il bianco nel lume, e l'azzurro e verde e taneto nell'ombre mezzane, e'l gialo e rosso ne'lumi, e l'oro ne' reflessi, et la laca nelle ombre mezzane“ ([118] Bd. 1 S. 242 Nr. 206, vgl. auch ebd. Bd. 2 S. 94 Nr. 692 und [172] S. 23). Mit Ausnahme von Schwarz und Weiß ist jede Farbe auf der Lichtseite schöner als auf der Schattenseite, denn „il lume vivifica e da vera notitia della qualità de colori“ ([118] Bd. 1 S. 242 Nr. 207, auch S. 244 Nr. 210 und Bd. 2 S. 176 Nr. 768). Die Farben von Licht und Schatten weichen, je nach der Himmelsrichtung, aus der das Licht einfällt, voneinander ab. Empfängt ein Gegenstand Licht von Osten, so sind die Schatten grünlich (verdeggianti) und die Lichter rötlich (rosseggianti). „Io ho spesse volte veduto à uno obbietto bianco e'lumi rossi e l'ombre azzureggianti. e questo accade nelle montagnie di neve, quando il sole tramonta, e l'orizzonte si mostra infochato“ (ebd. Bd. 1 S. 272 Nr. 250; [120] S. 41 Nr. 24). Die Schatten dürfen nicht so dunkel sein, daß sie die Farbe, auf der sie entstehen, verschlucken ([118] Bd. 1 S. 478 Nr. 487, auch Bd. 2 S. 112 Nr. 703 und [120] S. 52f. Nr. 44). Da die Farbe sich mit wachsender Entfernung verändert und sich im Luftmedium schließlich ganz verliert ([118] Bd. 1 S. 180 Nr. 136, auch Nr. 193, 195, 198–200, 226, 228, 235, 241, 456 u. ö.), rät Leonardo, nur die Gegenstände des Vordergrundes in ihrer Eigenfarbe (suo colore), die übrigen jedoch mit zunehmender Entfernung immer blauer wiederzugeben (ebd. Bd. 1 S. 282 Nr. 262, auch S. 264 Nr. 241). – Auch der Glanz verändert die Farbe – um so mehr, je glatter die Oberfläche des Körpers ist (ebd. S. 254 Nr. 223f. und 278 Nr. 259).
Das Glanzlicht (lustro) weist – ausgenommen Metalle wie Gold und Silber – weniger die Farbe des glänzenden Körpers als diejenige des beleuchtenden Lichts auf (ebd. Bd. 2 S. 182 Nr. 779, auch Nr. 771–78) und verliert sich ebenfalls in der Ferne immer mehr (ebd. Bd. 1 S. 416 Nr. 428 und [120] S. 68 Nr. 78; vgl. auch [118] Bd. 1 S. 200 Nr. 158 und – über die Eigenschaften der Reflexfarbe – S. 200–10 Nr. 159–72).
Großen Wert legt Leonardo auf die richtige Verteilung von Licht und Schatten – nicht ohne jene „schönrednerischen“ Maler zu rügen, „che amano tanto la bellezza de colori, che ... dano loro debbolissime e quasi insensibili ombre“ (ebd. S. 262 Nr. 236). Für Personen ist möglichst helle Kleidung zu wählen, damit aus der Verschiedenheit von Licht und Schatten das „rilievo“ hervorgehen kann (ebd. S. 482 Nr. 492), das die „Seele der Malerei“ ist (ebd. S. 172 Nr. 124, auch ebd. Bd. 2 S. 78 Nr. 671), während (leuchtende) Farben auch für sich schön sind und mehr dem Farbenreiber als dem Maler Ehre machen (ebd. Bd. 1 S. 172 Nr. 123; dazu [172] S. 30 und 40f.; vgl. auch [5] S. 159).
Zu Leonardos F. vgl. außer den Ausg. [118– 120] den Kommentar bei [118] Bd. 3 S. 162–69 und [127] Bd. 2 S. 2125–52; ferner: [155] S. 23 Anm. 60; [146] S. 50–57; [172] S. 22f.; [15] S. 23–27; zu Leonardos Regenbogentheorie: [120] S. 161ff.; über mutmaßliche antike und ma. Quellen: [304] S. 379–89 und [120] S. 20 Anm. 32, 42 Anm. 23 und 56 Anm. 62, Verweise auf Aristoteles' bzw. Theophrasts „De coloribus“, Bacon; [162] S. 92, [99] S. 321 und Vasilij Pavlovic Zubov, Leonardo da Vinci, Cambridge, Mass. 1968, S. 134f. und 139, Verweise auf Witelo – hierzu auch [90a] S. 13 – und Alhazen; zur hist. Bedeutung: [157] S. 150, Farbenperspektive als vorimpressionistische Doktrin, und [347] S. 12.
Dürer hat keine spezielle Systematik der Farben aufgestellt, aber – bestrebt, die Gesetze der Kunst zu formulieren – die Farben in seine Forderung nach „Vergleichung“ einbezogen (auf „Vergleichung“, auch „Vergleichlichkeit“ beruht Dürers Theorie von Schönheit; der Begriff meint Gleichartigkeit und Übereinstimmung aller Teile in ihrem Verhältnis zum Ganzen, daher seine Interpretationen als „Harmonia“ [Erwin Panofsky, Dürers K. theorie, vornehmlich in ihrem Verhältnis zu der der Italiener, Bln. 1915, S. 79, 142ff. und 167], συμμετρία oder ἁρμωνία [Ders., The Life and Art of A. D., Princeton, N. J. 19554, S. 276f.], „Artung“ [152, S. 120ff.] oder „Struktur des Zusammenhanges“ [179, S. 21]). In dem um 1512 entstandenen kurzen Fragment „von farben“ sind die Hauptgedanken einer geplanten F. – sie wäre die erste in dt. Sprache geworden – thesenartig vorgetragen [121, S. 279ff.]. Dürer interessierte zweierlei: wie die Farben im Bild zusammenstehen und wie Licht- und Schattenpartien koloriert sind.
„Item so du erhabn willt mollen ... mustw der farben gar woll bericht sein und jm mollen fast (fest) awß ein ander scheiden ... Awch soltu dich hüten, so du ettwas von einer farb moltzt, sy sey rot, plo, prawn oder vermischt farben, ... daz du sy jm lichten nit zw fill licht machst, also daz sie aws jrer art schlach ... Du must jnn sollicher gestalt mollen ein rott ding, daz es uberall rott sey, des geleichen mit allen farben, vnd doch erhaben schein. Awch mit dem schettigen de geleichen halten, daz man nit sprech, ein schon rott sey mit schwartz beschissen. Des halb hab acht, daz dw ein jetliche farb schettigst mit einer farb, dy sych dortzw fergeleich. Als jch setz eine gelle farb. Soll sy jn jrer art beleiben, so mustu sy mit einer gelben farb schettingen, die dunckeler sey weder die hawbt farb ist. Wen dw sy mit grün oder plob (blau) absetzt, so schlechtz aws der art vnd heist nymer gell, szunder es würd eine schilrette farb doraws, als man seyden gewant fint, die fan zweyen farben gebürgt sind ...“ ([122] Bd. 2 S. 393f.; [179] S. 101f.; vgl. auch [6a] S. 54f.).
Gleich Alberti fordert Dürer klare Abgrenzung der Farben gegeneinander, damit deren „art“ erhalten bleibe. Die Farbtöne der Lichter und Schatten müssen Variationen der Grundfarben sein, da nur so die „Vergleichung“ gewährleistet sei. Im Unterschied zu Leonardo sah Dürer in Licht und Schatten Modulationen und Steigerungen der spezifischen Eigenart einer Farbe [179, S. 59]. Aus der Warnung, nicht etwa Gelb mit Grün oder Blau zu schattieren, ist seine Abneigung gegen die Verbindung benachbarter Farben herauszuhören. Kommt es dennoch dazu, so „schlechtz aws der art“, es entsteht eine „schilrette farb“ wie bei changierenden Seiden. Vgl. im übrigen [179] S. 8–12 und 59–100 passim.
Das Urteil Erasmus' von Rotterdam über die Funktion der Farbe in der Malerei ist zwiespältig. Bekennt er das eine Mal „plus movet color quam lineae, propter ea quod proprius hominis formam repraesentet ille, magisque fallat“ (De parabolis sive similibus, in: Opera omnia, Leiden 1703, Bd. 1 S. 508 D), so erklärt er an anderer Stelle, daß der wahrhaft große Künstler der Farbe nicht bedarf: „...quamquam et alias admirandus, in monochromatis, hoc est nigris lineis, quid non exprimit?“, heißt es im Hinblick auf Dürers Graphik. Alle seelischen Zustände des Menschen vermöge Dürer allein „felicissimis lineis iisque nigris“ in einer Weise zu schildern, daß jegliche Hinzufügung der Farbe seinen Werken nur schaden könne (vgl. Erwin Panofsky, Erasmus and the Visual Arts, Warburg Journ. 32, 1969, 225).
In der Folgezeit kamen die Beiträge zur F. fast ausschließlich aus Italien. Die Versuche, natürliche und künstliche Farben zu unterscheiden, die „amicicia“ und „inimicicia dei colori“ zu bestimmen und die Ordnung der Farben in einer Skala festzulegen, wurden weitergeführt. Wichtiger als die ästhetischen Erscheinungen der einzelnen Farben und deren Verhältnis zueinander wurde die Frage nach der Bedeutung des Kolorits beim Zustandekommen des malerischen Kunstwerkes. Noch vor M. 16. Jh. begann sich im römisch-toskanischen Kreis die Lehre zu verbreiten, daß gegenüber dem seiner Natur nach intellektuellen „disegno“ die Farbe das emotionale Element verkörpere, dessen Beurteilung der Subjektivität des persönlichen Geschmacks unterworfen sei. Das schon von Platon geäußerte Mißtrauen gegen die sinnliche Wirkung der Farbe wurde wieder wach: „Ut varietas est natura coloribus in gignendis, sic aliis aliud: sed sua cuique placent“ (Alciati, zuerst Ausg. Venedig 1546, Bl. 30v Emblem Nr. CXVII: „In colores“; [165] S. 164). Die Kritik am Täuschungseffekt der Farbe – sie konnte sich u. a. auf Quintilian berufen (Institutiones oratoriae IX, 4, vgl. [161] S. 49) – wurde von den oberitalienischen Theoretikern zurückgewiesen, am entschiedensten von Lomazzo.
Neben der Kunsttheorie der Farbe im engeren Sinn findet man die symbolische Bedeutung und das Problem der Benennung abgehandelt; dabei wurden gewöhnlich die geläufigen – oft widersprüchlichen – älteren Ansichten kompiliert. Strenge gattungsmäßige Unterscheidung der Literatur zur Farbe ist auch im 16. Jh. kaum möglich.
Mario Equicola (um 1470–1525) wendete die physiologische Temperamentenlehre Galens ins Psychologische (Libro di natura d'amore, o. O. 1526 [123]). Bei seiner Zuordnung geht er von der Wirkung der Farben auf die einzelnen Komplexionen aus (nicht von den Körpersäften), wobei er zu einer theoretisch nicht begründeten Vielfalt angeblicher Vorlieben kommt: „Sappia la flegmatica di verde, bianco e misto dilettarse, la colerica di tutti colori che al roscio in qualche modo appertengono. La sanguigna celeste, azuro, morello, chiaro et oro diletta, il verde non li dispiace. La melancolica di negro, tanè e di quelli colori che a questi son propinqui“ ([127] Bd. 2 S. 2158, vgl. auch Bd. 1 S. 1088 und Bd. 2 S. 2122 sowie 2360). – Antonio Telesio (1482–1533) referiert in seinem vielgelesenen „Libellus de coloribus“ (Venedig 1528 [124]) als Philologe über die Verwendung der zwölf verbreitetsten Farbnamen bei griech. und röm. Schriftstellern (caeruleus, caesius, ater – ein stumpfes, nicht glänzendes Schwarz [Gegensatz: „niger“], vgl. [179a] S. 9 –, albus, pullus, ferrugineus, rufus, ruber, roseus, puniceus, fulvus, viridis; vgl. [127] Bd. 2 S. 2212 Anm. 1 und 2 und [8] S. 20).
Unabhängig von Traktaten dieser Art betonten Benvenuto Cellini und andere unter Berufung auf die Kunst Michelangelos, Kolorit sei trügerischer und verführerischer Schein – Vorrang gebühre dem „disegno“. In einem Brief an Benedetto Varchi lobt Cellini Michelangelo, „perche tutto quello che fa di pittura lo cava dagli studiatissimi modegli fatti di scultura“, während „gli altri immergersi infra fioralisi e dividerli con molte composizione di vari colori, qual sono uno ingannacontadini“ (28. 1. 1546, abgedr. [128] Bd. 1 S. 80f.). Die akzidentielle Funktion der Farbe unterstreichen Francisco de Holanda (cap. 37: [126] S. 108f.) und Vasari (1550), doch räumt dieser ein, „... la cognizione dei quali chi giudica dagli occhi conosce quanto ella (i. e. colore) sia utile e necessaria alla vera imitazione della natura, alla quale chi più si accosta è più perfetto“ (Vite: [132] Textbd. 1 S. 21, vgl. auch S. 26). Aufgabe des Kolorits ist es, die Einheit der Malerei herzustellen, die als „discordanza di colori diversi accordati insieme, i quali nella diversità di più divise mostrano differentemente distinte l'una da l'altra le parti delle figure ...“ definiert wird (ebd. S. 124; vgl. auch [127] Bd. 2 S. 2179). Die anmutigsten und schönsten Farben sind den Hauptpersonen vorbehalten ([132] Textbd. 1 S. 125; vgl. auch die Forderung Flavio Biondos, die Farbe in der Mitte des Bildes heller und leuchtender zu geben: Della nobilissima Pittura, Venedig 1549: [130a] Bl. 12f.). Übermäßige Kontraste lehnt Vasari ab, allzu leuchtende Farben beleidigen den „disegno“: „lo unito che tenga in fra lo acceso e lo abbagliato è perfettissimo e diletta l'occhio, come una musica unita e arguta diletta l'orecchio“ ([132] Textbd. 1 S. 127; vgl. sonst [127] Bd. 1 S. 1129 und Bd. 2 S. 2377).
Giov. Batt. Armenini, De' veri precetti della pittura (Ravenna 1587, aber schon in den 60er Jahren entstanden, vgl. [162a] S. 317 Anm. 4), hält den „disegno“ für „il buono della mente“, in den Farben jedoch gibt sich „il sentimento dell'occhio“ kund [141, S. 23 und 106]; wenngleich Armenini den römischen Künstlern ein gründlicheres Studium der Farbe ans Herz legt (ebd. Proemio S. 6), greift seine eindringliche Feststellung „da' colori uniti, e bene accordati, si viene a partorir quel bello, che gli occhi rapisce de gl'ignoranti“ (ebd. S. 106), Cellinis Vorwurf wieder auf. Die richtige Farbengebung („componendosi con ordine diverse sorti di colon mescolati, et schietti“) ist eine „scienza“ (ebd.; vgl. auch [161] S. 44, [162a] S. 317 bis 320 und [127] Bd. 1 S. 1060f., ferner: [148] S. 61 und 63, [5] S. 340 und [216] S. 4f.).
Michelangelo äußerte in seiner Dichtung mehrfach sein Mißtrauen gegen die verführerische Kraft leuchtender Farben: „Vestito di oro e di vari ricami el Falso va“ (zit. nach [171] S. 249, dort weitere Belege). Über Michelangelos Verachtung gegenüber „quei semplici di che il mondo è pieno, i quali piu mirano à un verde, à un rosso, ò simili altri colori fini, che alle figure che mostrano spirito, e moto“ berichtet Armenini ([141] S. 227; vgl. auch [171] S. 169).
In der Kunsttheorie Oberitaliens bahnte sich in Reaktion auf den Michelangelokult schon vor M. 16. Jh. ein Umschwung in der Bewertung des Verhältnisses von „disegno“ und „colore“ an. Der Venezianer Paolo Pino erörterte im Jahre 1548 [128; 129] das Problem der Farbe im Zusammenhang einer Theorie der Malerei, die aus „disegno“, „invenzione“ und „colorire“ besteht; „colorire“ umfaßt „discernere la proprietà delli colori et intender ben le composizioni loro“, „prontezza e sicurtà di mano“ und „lume, ultima parte et anima del colorire“ [128, Bd. 1 S. 113 und 116–18]. Pinos Klassifizierung, in der das Schema der antiken Rhetorik mit den an der praktischen Kunstübung entwickelten Grundbegriffen Albertis in oft widersprüchlicher Weise verknüpft ist, blieb für das ganze Cinquecento grundlegend. Wenn auch der Literat Pino die Wichtigkeit des Kolorits nur in allgemeinen Wendungen hervorhebt, so enthält seine Äußerung „over al disegno di Michiel Angelo aggiontovi il colore di Tiziano, se gli potrebbe dir lo dio della pittura, sì come parimenti sono anco dei propri ...“ [128, Bd. 1 S. 127] doch einen „mehr oder minder deutlichen Protest gegen die florentinisch-römischen Fanatiker des ‚Disegno'“ ([153] S. 41; vgl. [128] Bd. 1 S. 113, 312–16, 341ff., 396–432 passim, [129] S. 38f., [158] S. 70, [160] passim, [177] S. 267ff., [127] Bd. 1 S. 1120f. und [179b] S. 45).
In der theoretischen Grundlegung der Malerei ist Lodovico Dolce aus Venedig ganz von Pino abhängig, jedoch stellt er „invenzione“ über „disegno“ und ordnet die Farbe diesem gleich (Dialogo della Pittura ..., Venedig 1557; [128] Bd. 1 S. 164ff. und 318; [177] S. 53 Anm. 82). Vermag der Künstler Tönungen und Weichheit des Fleisches und die Eigenart aller anderen Dinge richtig wiederzugeben, dann erscheinen seine Bilder so lebendig, daß ihnen nur noch der Atem fehlt ([128] Bd. 1 S. 183; dazu auch Dolces Brief an Contarini: ebd. S. 470 Anm. 7). Wichtigstes Erfordernis der Farbengebung ist der Kontrast („contendimento“) von Licht und Schatten, „che si dà un mezzo, che unisce l'un contrario con l' altro e fa parere le figure tonde, e più e meno, secondo il bisogno, distanti“ (ebd. S. 183). Die Wirkung des Kolorits beruht nicht auf der Auswahl schöner Farben, sondern auf „una certa convenevole sprezzatura ... in modo che non ci sia né troppa vaghezza di colorito, né troppa politezza di figure“ (ebd. S. 185). Für Dolce ist die Farbe nicht mehr das Akzidens, stets in Gefahr, die im „disegno“ verkörperte Idee des Werkes zu verunklären, sondern das, was letzte Vollendung erst bewirkt (vgl. [128] Bd. 1 S. 317–24, 343–47. 433–93; [177] passim; [127] Bd. 1 S. 1083ff.; [162a] S. 311ff.). In seinem „Dialogo ... dei colori“ (Venedig 1565) – in den ein Abschnitt über Farballegorie und -symbolik sowie, z. T. wörtlich Telesio (Sp. 191f.) folgend, ein Exkurs über antike Farbnamen eingeschoben ist – nahm Dolce das Thema der Grundfarben und der Farbenharmonie auf. Unter Berufung auf Aristoteles sind Weiß und Schwarz als „colori estremi“ bezeichnet, dazwischen liegen fünf „specie o maniere“: „violato“, „croceo, che è il giallo“, „vermiglio“, „purpureo che noi diremo purpurino“ und „verde“ [127, Bd. 2 S. 2214]. Als dem Auge angenehme Kombinationen gemischter Farben empfiehlt Dolce „il berettino (aschgrau) col leonato (löwenfarben)“, „il verde giallo con l'incarnato e rosso; il turchino con l'arangio, il morello (mohrenbraun) col verde oscuro, il nero col bianco, e il bianco con l'incarnato“ ([136] S. 63, zit. nach [15] S. 30; vgl. auch [127] Bd. 2 S. 2359 und L. Olschki a.a.O. [Sp. 183] Bd. 2 S. 323 Anm. 2). In den „Libri tre ... nei quali si tratta delle diverse sorti delle gemme“, Venedig 1565, griff Dolce (I, 4) die Drei-Farben-Theorie des Camillo Leonardo wieder auf [177, S. 6], Zur F. Dolces vgl. auch [216] S. 5f., [145] S. 19f. und [162a] S. 311ff.
Originell ist der „Trattato de colori“ des Coronato Occolti (Parma 1557), in dem u.a. versucht wird, die Symbolik der Farben phänomenologisch zu begründen. So bezeichne Weiß deshalb zu Recht die „purità, per essere egli piu puro in effetto di qual altro si voglia colore; perché manifestamente si vede che non partecipa d'altro colore“. Es bezeichne auch die Demut, „perché con umiltà riceve ogni altro colore“ ([127] Bd. 2 S. 2201, vgl. auch S. 2368).
Die Bemühungen ma. Autoren, die Position bestimmter Grundfarben in einer Skala genau festzulegen, griff Girolamo Cardano (1501 bis 1576) wieder auf (De gemmis et coloribus, in: G. C., Opera, Bd. 2, Lyon 1663). Auch für ihn sind Weiß und Schwarz die einzigen nicht mischbaren Grundfarben, aus denen die übrigen Farben hervorgehen (vgl. dagegen desselben Autors „De subtilitate libri XXI“, Nürnberg 1550, wo einmal vier [albus, rubeus, viridis, obscurus], an anderer Stelle fünf Grundfarben unterschieden sind: [222] S. 181). Cardano, der mehrere Skalen aufstellte (vgl. [173] S. 83), bemißt den Lichtanteil bei den einzelnen Farben wie folgt: Weiß enthält 100 Anteile Licht, Gelb 65–70, Grün 62, Scharlachrot 50, Grasgrün 40, Purpur 30, Blau 25, „fuscus“ (dunkel) 20, Schwarz keinen (zit. nach [173] S. 83). Zum Verhältnis von Cardanos F. zu derjenigen Leonardos vgl. Pierre Duhem, Études sur Leonard de Vinci, 1ère sér., Paris 1906 (Nachdr. Paris 1955), S. 231–34.
Nach des Autors eigenen Bekundungen ist der „Riposo“ von Raffaello Borghini (um 1537 bis um 1590) für den gebildeten Kunstfreund geschrieben (Florenz 1584). Die allgemein gehaltene Betonung der „grandissima importanza“ der Farben, ihrer richtigen Verteilung im Bild und des „rilevare“ auf Grund genauer Kenntnis der Lichter und Schatten (lib. I bzw. II: [139] S. 53 und 181) geht nicht über bereits Bekanntes hinaus. Unklar bleibt, was unter „colori principali“ zu verstehen ist. Borghini, gründlicher Kenner der griech. F. (ebd. S. 227ff.), nimmt einmal sieben Grundfarben an (vgl. dagegen irrtümlich [15] S. 292 Anm. 104), wobei er Aristoteles' Theorie von der Entstehung der Buntfarben ablehnt. Als „colori principali“ werden (nach ihrer „nobiltà“) „giallo“ (als Farbe des Goldes), „bianco“, „rosso“, „azurro“, „nero“, „verde“ und „porpora“ vorgestellt, wobei ihre Rangfolge insbesondere durch Textstellen des Neuen Testamentes begründet ist (lib. II: [139] S. 230–40). Bemerkenswert die „Ehrenrettung“ des Schwarz als der am wenigsten veränderlichen Farbe, jedoch: „il nero quando è molto oscuro offende la vista“ (ebd. S. 236f.; vgl. [179b] S. 133). An anderer Stelle nennt Borghini „colori principali“ alle jene Farben, „che à fresco, à tempera, et à olio usano i pittori, de quali parte sono di terre naturali, e parte fatti con artificio“ [139, S. 106]. Borghinis vermittelnder Standpunkt im „disegno“-„colore“-Streit erhellt aus seiner Feststellung, Papst Sixtus IV. habe ein Fresko des Cosimo Rosselli denen seiner Konkurrenten vorgezogen, weil er – „poco intendente del disegno“ – durch die „vaghezza dei colori“ („bellissimi colori, e ... finissimi azurri oltramarini ... con molto oro“) verführt worden sei; das zeige, wie wichtig die Verwendung der „belli e vaghi colori“ sei (üb. III: ebd. S. 344; vgl. auch [170] passim und [127] Bd. 1 S. 1065).
Giov. Paolo Lomazzo (1538–1600) definiert in seinem „Trattato dell'arte de la Pittura“ (Mailand 1584) Malerei als „arte laquale con linee proportionate, et con colori simili à la natura de le cose, seguitando il lume perspettivo imita talmente la natura de le cose corporee, che non solo rappresenta nel piano la grossezza, et il rilievo de corpi, ma anco il moto, e visibilmente dimostra à gl'occhi nostri molti affetti, et passioni de l'animo“ (lib. I. [137] S. 19). Dies kündigt bereits über Pino, Dolce und Borghini hinausgehende Präzisierung der künstlerischen Funktion der Farbe an. Ohne das „colorire“ kann die Malerei sich nicht erfüllen und ihre Vollendung erreichen, „... percioche egli è quello (il colorire) ch'esprime perfettamente, et dà come à dir lo spirito à tutte le cose disegnate con la sforza de gl'altri generi, è tanto piu esse acquisteranno di gratia, et di perfettione quanto piu excellentemente è con maggior arte saranno colorite“ (III: ebd. S. 190). Unter „colorire“ begreift Lomazzo Farbstoffe, Grundfarben und Kolorit (vgl. [174] S. 65; [138] S. LXVI f.). Bei der Einteilung der Grundfarben („spetie overo maniere dei colori“) folgt er Aristoteles zwar in der Definition der Farbe als einer Eigenschaft der Körperoberfläche, welche erst im Licht sichtbar wird, weicht aber in seiner (wohl von Dolce direkt übernommenen) Skala „bianco“ – „pallido (over violaceo)“ – „croceo (o giallo)“ – „rosso“ – „purpureo“ – „verde“ – „nero“ (III: [137] S. 190) durch die auffallende Plazierung des Blau von Aristoteles ab, was vermuten läßt, daß Lomazzo sich wie Dolce diese Farbe sehr hell gedacht hat (so [15] S. 32). Die evidenten Übereinstimmungen mit Bartholomaeus Anglicus machen direkte Abhängigkeit wahrscheinlich. Die Urfarben Weiß und Schwarz läßt Lomazzo aus Kälte und Hitze entstehen: „... la frigidità è la madre della bianchezza, et à produrla vi concorre la moltitudine del lume. Il calore è padre del nero, et nasce dalla poca quantità del lume e dalla molta caldezza“ (III: [137] S. 191; VI: ebd. S. 310). Rot kommt durch Mischung von Weiß und Schwarz zustande und hat als einzige Buntfarbe an der Erzeugung aller anderen „colori mezzani“ teil. „Blau“ ergibt sich aus viel Weiß und wenig Rot, Gelb aus viel Rot und wenig Weiß, Purpur aus viel Rot und wenig Schwarz, Grün aus wenig Rot und viel Schwarz (III: ebd. S. 191; VI: ebd. S. 306; vgl. [15] S. 293 Anm. 122).
Für die „prattica del colorare“ empfiehlt Lomazzo dem Künstler, die fließenden Übergänge von Licht und Schatten zu beachten und die einzelnen Farbtöne sorgfältig abzustufen. Nachdrücklich warnt er vor starken Kontrasten durch isolierendes Herausheben reiner Farben. Lomazzo hat wohl als erster versucht, das Zustandekommen harmonischer Farbkombinationen auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen: einander freundlich sind diejenigen Farben, die in der Skala benachbart sind: „Si che si vede che'l rosso è nimico al pallido, si come lontano da lui per il bianco, et al verde, si come parimenti lontano da lui per il nero, et è amico del giallo e della porpora similmente il bianco, et il nero, si come estremi non vi possono star appresso, per essere l'uno troppo chiaro, et l'altro troppo oscuro. Et questa è la prima radice, et convenienza loro, la qual seguendo, et fuggendo sempre gli estremi, ne risulta quella vaghezza che si ricerca nelle pitture“ (VI: ebd. S. 306; vgl. auch [173] S. 87). Es ist daher nur konsequent, daß Lomazzo eine Vorliebe für die „colori ciangianti“ (so die Farbenreihe Weißgelb – Gelb – Grün – Blau) bekundet: die Schillerfarben (deren er mehr als 100 000 errechnet) verleihen der Malerei „la somma et ultima vaghezza e leggiadria“. Sie sind vor allem bei der Wiedergabe von Seide angebracht, „che ne i lumi habbia un colore di una spetie, et nell' ombra uno d'un'altra ...“ (III: [137] S. 199; vgl. auch [148] S. 54ff. und [6a] S. 55ff.). Durch das Kolorit erhält das Gemälde seine „ultima perfettione“: es läßt die dargestellten Figuren lebendig erscheinen und ermöglicht erst die Erkenntnis der dargestellten Gegenstände, denn die „differenza“ wird durch die präzisierende, charakterisierende und konkretisierende Farbe bestimmt. Drücken „disegno“ und „proporzione“ das Allgemeine aus, so ist Farbe „signum individuationis“ (I: [137] S. 24f.; vgl. auch Lomazzos „Idea del Tempio della Pittura“ [1590], cap. 21, in: [138] S. 302ff. und S. LXVII;[162a] S. 313–17).
In der Zuordnung der Farben zu bestimmten Inhalten blieb Lomazzo den traditionellen Anschauungen verpflichtet (insbesondere Cornelius Agrippa, De occulta philosophia; vgl. [165] S. 164f. und [167] S. 296). Breiten Raum nimmt das klassische Thema der Elementen- und Temperamentenfarben ein (VI: [137] S. 310). Die Farbe der Erde („terra d'ombra“; nach VI: ebd. S. 464 allerdings „nero“) bezeichnet die Melancholie; Weiß, versetzt mit „caeruleo che tende al verde“, ist die Farbe des Wassers und des Phlegma; die Farbe der Luft ist „alquanto rosso“ und kennzeichnet das Blut (aber Hb. VI: ebd. S. 464: „l'azurro oltra marino ... significa la complessione sanguigna ... et ne gl'elementi l'aere“), während diejenige des Feuers („rosso estremo, come la lacca et il cinabro“) der Galle entspricht. Lomazzo wählt somit auf der Palette erzeugte Zwischentöne – nicht die „colori mezzani“ (Sp. 196) –, offensichtlich deshalb, weil sie dem Erscheinungsbild gemäßer sind (zu Lomazzos Verhältnis zur hippokratisch-galenischen Lehre vgl. [138] S. 303 Anm. 5). Die Farben sind nicht als bloße Erkennungsmarken verstanden, es wird ihre ästhetisch richtige Disposition im Bild gefordert, welche dem Ausdruckscharakter der Farbe Rechnung tragen und beim Betrachter das Erlebnis ihrer „psychischen Qualität“ (Barasch) hervorrufen muß: „Perche tutti i colori hanno una certa qualità diversa fra di loro, causano diversi effetti, à chiunque gli guarda. ... Troviamo che i colori neri, lucidi, terrei, plumbei, et oscuri generano per gli occhi nell'animo, riguardante della qualità loro laquale non è altro que tristezza, tardità, pensiero, melancolia, et simili. I colori nerei, verdi, di color de zaffiro, alquanto rossi, ò oscuri, di color di oro mischio con l'argento, cioè flavo, rendono soavità, et giocondità. I colori rossi, ardenti, focosi, o flammei violacei, purpurei, et di color di ferro ardente, et di sangue causano spirito, acutezza nel guardare, et quasi inducono fierezza, et ardire svegliando la mente per l'occhio non altrimenti che il fuoco. I colori d'oro, gialli, et purpurei chiari, et piu lucidi fanno l'huomo intento nel guardare, et rendono gratia, et dolcezza. I colori rosati, verdi chiari, et alquanto gialli rendono piacevolezza allegrezza, diletto, et soavità. Il color bianco genera una certa semplice attentione quasi piu melancolica che altrimenti. Ultimamente tutti gli colori meschi, et diversi fra di loro, danno vaghezza, varietà, et quasi inducono ne gli riguardanti copia di bizarria, et queste sono le qualità de i colori per lequali nel compartirle bisogna haver consideratione come si è detto, accio che non facciano terremoto insieme, et confondano gl'occhi“ (III: [137] S. 201f., dazu [167] S. 261 und [176] S. 65f.). Mischen sich verschiedene Temperamente, so hat das Inkarnat dies zu berücksichtigen. Lomazzo hat eine bis ins Detail gehende Theorie von den Farben als Ausdruck charakterologischer Eigenschaften bzw. temporärer seelischer Zustände entwickelt (VI, 9–11). Letztlich dient auch seine F. dazu, im Rückgriff auf Gedankengut des Florentiner Neuplatonismus (Ficino) die Idee der Schönheit zum Hauptinhalt seiner „Kunstmetaphysik“ (Panofsky) zu machen (zur hist. Stellung Lomazzos vgl. vor allem [153] S. 53ff., 112f. Anm. 229 und passim, [167] S. 229, 248f. und passim, [5] S. 352ff. (1924) und [15] S. 294 Anm. 123; neuere Lit. bei [138] und [127] Bd. 1 S. 1107ff.).
Die franz. und engl. Farbästhetik des 3. Dr. 16. Jh. blieb meist dem römisch-toskanischen oder dem oberitalienischen Standpunkt verpflichtet.
Blaise de Vigenère hebt in seinem Philostrat-Kommentar (Les Images ou Tableaux de platte peinture de Philostrate ..., Paris 1578; Paris 15972) zwar die Wichtigkeit einer nuancenreichen Abstufung hervor, gesteht aber der Farbe gegenüber der Zeichnung nur sekundäre Bedeutung zu (Ausg. 1597, S. 951). Aus den von der „eschole pythagoricienne“ angenommenen vier „genres de couleur“ (Schwarz, Weiß, Gelb, Rot) wird unter Berufung auf Michelangelo Gelb ausgeschieden und durch Blau ersetzt, weil es der Wiedergabe der Elemente angemessener sei (Schwarz – Erde, Weiß – Wasser, Blau – Luft, Rot – Feuer; vgl. Denyse Métrai, B. de V., archéologue et critique d'art, Paris 1939, S. 184). Auch der Mathematiker Louis de Montjosieu (Ludovicus Demontiosius † 1585) berichtigt die Vierfarbentheorie seines Gewährsmannes Plinius (s. Sp. 164), indem er das Gelb zugunsten von „caeruleus“ eliminiert (Gallus Romae Hospes, Rom 1585; vgl. [222] S. 181 Anm. 6). Seine anachronistischen Ansichten über die Entstehung der Mischfarben – neben „cineraceus“ aus „albus“ und „niger“ und „fulvus“ aus „ruber“ und „niger“ soll viridis aus „ruber“ und „caeruleus“ [!] sowie „luteus“ [gelb] aus „viridis“ und „ruber“ [!] hervorgehen – erregten noch im 17. Jh. die Gemüter. England: Nicholas Hilliard, A Treatise Concerning the Art of Limning (voll. 1603, ed. princ. [144]), ist abhängig von der Lomazzo-Übersetzung des Richard Haydocke (A Tracte containing the Arts ... written by J. P. Lomatius ..., Oxford 1598). Hilliard unterscheidet fünf „principali or perfect cullors“ (murrey [purpur], red, blewe, greene, yellow). Neu ist möglicherweise sein Gedanke, „the true beautie of each perfect cullor“ trete nur in den farbigen Edelsteinen zutage, in „ammatist orient“, „rubie“, „saphire“, „emrod“ und „hard orient topies“ (ebd. S. 58, zit. nach [159] S. 98f.).
V. 17. Jh
Im 17. Jh. kam es zu einer Scheidung der naturwiss. F. von der Kunsttheorie der Farbe. Die gleichwohl enge Verflochtenheit beider erweist sich an der Entstehungsgeschichte jener neuen Theorie, die die primären Buntfarben auf Gelb, Rot und Blau reduzierte und damit die Grundlage für die weitere Entwicklung schuf. – Die Streitfrage nach dem Vorrang von Zeichnung oder Kolorit wurde in den letzten drei Jzz. beherrschendes Thema in den Debatten der Pariser Akademie (vgl. Sp. 206ff.).
Zu Beginn des Jh. wurde in den südlichen und nördlichen Niederlanden die künstlerische Funktion der Farbe in verschiedenen Zusammenhängen erörtert.
Das Lehrgedicht des Karel van Mander („Den Grondt der Edel vry Schilder-const“, in: „Het Schilder-boeck ...“, Harlem 1604) bietet in den entsprechenden Abschnitten (cap. VII, 10–13, XI, XIII f.) ein Kompilat antiker und neuerer italienischer Theorien. Der systematische Ansatz eines Lomazzo ist ihm fremd.
Mit Alberti und Leonardo ist van Mander der Meinung, die Harmonie resultiere aus der Zusammenstellung kontrastreicher Farben: „Het geel en blaeuw voeght dan wel d'een by d'ander / Dus meuchdy u laken in 't verwen schicken / Oock root en groen lieft wonderlijck malcander / Het roode by t'blaeuw / Op datmen verander / Voeght hem oock wel / t'purper sal niet verschricken By t'gheel te staen / het groen sal hem verquicken By wit / jae wit schickt hem by alle verwen / Soo Wijngaerden schicken by velden Terwen“ (cap. XI, 7: [181 a] Bl. 45v). Empfohlen werden ferner die Kombinationen Purpur – Rot, Rot – Gelborange, Purpur – Grün, Blau – Purpur und Blau – Grün, aber auch das Zusammenstellen verschiedener Töne ein und derselben Farbe (cap. VII, 23 und XI, 9f.: ebd. Bl. 30v f., 46r). Im Anschluß an Lomazzo hebt van Mander die unterscheidende Funktion und, sehr verkürzt, die psychologische Wirkung der Farbe hervor: „Verwe verstout / en verschrickt de persoonen / Verwe doet verleelijcken oft verschoonen / Verwe doet verdroeven en verjolijsen / ... Summa / verwe doet hier sichtbaer betrapen / Al wat ter Weerelt van Godt is gheschapen“ (cap. XIII, 9: ebd. Bl. 50v f.). Bemerkenswert ist, daß van Mander die Luftfarbe Blau dem Choleriker und das Rot des Feuers dem Sanguiniker zuteilt (cap. XIV, 29: ebd. Bl. 54v f.). – Zur F. van Manders: [181] S. 348 bis 358 und [181 a] Bd. 2 S. 578ff. und 608ff.
Anselm de Boodt (Anselmus Boëtius), Gemmarum et lapidum historia, Hanau 1609 [183], Buch I Kap. 15, behandelt die Farbigkeit der Edelsteine.
Die Farben, die den Steinen ihre Tönung verleihen, lassen sich auf verschiedenste Weise mischen. Nicht durch Mischung herstellbare Grundfarben sind Weiß, Schwarz, Blau, Gelb und Rot. Die Verbindung von Weiß und Schwarz, die dem Licht bzw. dem Schatten ähnlich sind, ergibt Aschfarben, während Blau und Gelb Grün erzeugen, aus Rot und Blau Violett entsteht, aus Rot und Gelb Orange (aureus) bzw. Erdfarbe. Durch verschiedene Anteile der einzelnen Farben lassen sich „infiniti alii“ gewinnen. Die Reduktion der Grundfarben auf drei dürfte im Anschluß an die 1502 erschienene Schrift des Camillo Leonardo (s. Sp. 186) erfolgt sein; neu hingegen ist die Aufnahme des Blau in diese Trias. Bei der Untersuchung des Verhältnisses von Schwarz und Weiß zur Durchsichtigkeit kommt de Boodt zu dem Ergebnis, Weiß sei keine reale Farbe, denn die Transparenz verflüchtige sich in dem Maße, wie Weiß dem Edelstein zugefügt werde. Nach seiner Unterscheidung zwischen wirklicher und erscheinender Farbe ist jene in den Steinen substantiell vorhanden, während diese durch die Reflexion des in den Steinen enthaltenen Lichts zustande kommt (vgl. [233] bes. S. 4f. und 9).
Die Gelb-Rot-Blau-Theorie vertrat in Frankreich Louis Savot in seiner ebenfalls 1609 erschienenen, in vielem von Aristoteles und Theophrast abhängigen „Nova-antiqua de causis colorum sententia“ [184].
Rot und Blau sind die „ersten“ oder „einfachen“ Farben, aus denen „colorum omnia genera, species et gradus“ zusammengesetzt werden können (ebd. fol. 11, zit. nach [235a] S. 242). Rot hat insofern eine „Doppelnatur“, als es einerseits zu Violett oder Orange neigen kann, andererseits aber auch an der Erzeugung von Gelb beteiligt ist, das Savot ein „dünnes ‚rubrum'“ nennt, „quid medium conflatum ex albo et rubro aequaliter inter se permixtus (est)“ (ebd. S. 243). Wie Rot und Blau wird auch Gelb als Primärfarbe („primary“: ebd.) bezeichnet, während „album et nigrum extremos dici posse colores, quia quasi extra omnes colores sunt“ (zit. nach ebd.). Aus Gelb und Blau geht Grün, aus Rot und Blau Purpur, aus Gelb und Rot Orange hervor [184, cap. 9 bis 11], wobei die einzelnen Elemente zugleich zusammengesetzt und vermischt sind (vgl. [235a] S. 243).
In der aristotelischen Tradition steht auch die F., die François d'Aguilon (1566–1617) im Rahmen eines Lehrbuchs der Optik (Antw. 1613, entstanden zw. 1606 und 1611; [185]) vorlegte (I, propositio 28–42). Sein Interesse galt nicht den von den Malern verwendeten „colores concreti“, sondern den darin zutage tretenden sichtbaren Farbqualitäten (er versuchte allerdings, seine theoretischen Ergebnisse durch Beispiele der Pigmentmischung zu untermauern, wobei er enge Vertrautheit mit der künstlerischen Praxis beweist).
„Quinque sunt simplicium colorum species, ac tres compositae“ (propositio 39). Einfache Farben sind diejenigen, aus denen die unendlich vielen übrigen durch Mischung hervorgehen (Abb. 1):
Zwischen den als Helligkeit und Dunkelheit bestimmten „colores extremi“ stehen als „colores medii“ „flavus“, „rubeus“, „caeruleus“. Aus der paarweisen Mischung dieser drei ergeben sich „aureus“, „purpureus“ und „viridis“; vor Mischung aller drei „colores simplices“ wird ausdrücklich gewarnt: zusammen erzeugen sie einen schmutzig grauen Ton. Die Mischung kann auf dreifache Weise zustandekommen: durch Verbindung der physikalischen Farbstoffe („compositio realis“), durch Übereinanderlegen mehrerer Farbschichten („compositio intentionalis“) oder durch Verteilen kleinster Farbflecken, die konvergierend vom Auge als Mischung wahrgenommen werden („compositio notionalis“; vgl. Aristoteles, De sensu et sensato 3.439b–440a). Aus dem Farbdiagramm (Abb. 1), wohl dem ältesten gedruckten [235a, S. 244], ergibt sich die relative Stellung der einfachen und zusammengesetzten Farben innerhalb einer Skala, wobei sich für d'Aguilon wie bei den Neuplatonikern der Rang nach der Teilhabe am Licht bestimmt. Darüber hinaus können alle Farben, je nach dem beigemischten Anteil an Weiß und Schwarz, verschiedene Intensitätsgrade aufweisen. Die Bedeutung der Optik d'Aguilons für die Entwicklung der F. beruht auf der (gegenüber de Boodt und Savot größeren) Stringenz, mit der das zukunftsweisende System der Grundfarben Gelb-Rot-Blau entwickelt ist.
Bedeutsam ist diese Schrift auch deshalb, weil sie zumindest die Kerngedanken von Rubens' nicht erhaltener F. überliefern dürfte.
Diese Abhandlung war vermutlich das Manuskript, das Luillier in seinem am 1. Juni 1635 an Peiresc gerichteten Brief erwähnt (Max Rooses und Charles Ruelens, Correspondence de Rubens et documents epistolaires concernant sa vie et ses oeuvres [cod. dipl. Rub.], Bd. 6, Antw. 1909, S. 112) und das der Empfänger von Rubens zu bekommen hoffte (vgl. [232] S. 365f.). Am 16. März 1637 kündigte Rubens Peiresc an, daß der Versuch („conato“) an ihn unterwegs sei (M. Rooses und Ch. Ruelens a.a.O. Bd. 6 S. 155; vgl. auch Hans Georg Evers, P.P.R., Mchn. 1942, S. 434 und 507 Anm. 446). Dieses und andere Zeugnisse der farbtheoretischen Ansichten Rubens' scheinen verloren. Die von Jean Baptiste Descamps (La vie des peintres flamands, allemands et hollandais, Paris 1753–1764, 4 Bde.; Ausg. Marseille 1842–1843, Bd. 1 S. 182) dem Künstler in den Mund gelegten Äußerungen zu einzelnen Fragen des Kolorits bleiben unbestimmt und können nicht Ausgangspunkt einer Rekonstruktion von Rubens' F. sein (vgl. [347] S. 222 Anm. 10). Dagegen hat die neuere Forschung zwei bald nach der Rückkehr Rubens' aus Italien entstandene Bilder auf Grund ihres eigentümlichen Kolorits als bildliche Demonstration von d'Aguilons F. wahrscheinlich gemacht. So entspricht die Farbengebung der „Verkündigung an Maria“ in Wien, 1609 (Klaus Demus, Kh. Mus., Wien, Verz. der Gem. [= Führer durch das Kh. Mus., 18], Wien 1973, S. 145), bis ins einzelne der von d'Aguilon aufgestellten Farbenhierarchie (vgl. [232] S. 365). In dem zw. 1609 und 1611 entstandenen Gem. „Juno und Argus“ (Horst Vey und Annamaria Kesting, Kat. der niederl. Gem. von 1550 bis 1800 im Wallr.-Rich.-Mus. und im öffentl. Bes. der Stadt Köln mit Ausnahme des Köln. Stadtmus. [= Kat. des Wallr.-Rich.-Mus., 3], Köln 1967, S. 96) ist die rechte Bildhälfte von der Trias Rot (Gewand der Juno) – Blau (Gewand der Iris) – Gelb (Wagen) beherrscht, während im Regenbogen (Rot – Gelb – Blau; Orange – Blau – Grün – Violett) sowohl einfache als auch zusammengesetzte, an untergeordneter Stelle (Pfauenfedern) endlich nur zusammengesetzte Farben erscheinen. Das bei der Darstellung des toten Argus verwendete Kolorit illustriert d'Aguilons Feststellung, die Mischung von Gelb, Rot und Blau ergäbe eine „leichenhafte“ Farbe. Auch alle drei in der „Optik“ beschriebenen Mischtechniken werden vorgeführt. – Die enge Verbindung von Theorie und künstlerischer Praxis liegt auf der Hand. Unklar bleibt, ob die F. d'Aguilons dessen eigene Einsichten wiedergibt (so [347] S. 12) oder von Rubens – der auch das Titelkupfer für den Traktat entwarf – inspiriert ist (so [233] S. 3 Anm. 6, zum ganzen [223] S. 40–49).
1637 erschienen Franciscus Junius' „De pictura veterum libri tres“ [188]. Diese monumentale Quellensammlung zur antiken Kunsttheorie enthält u. a. eine Einteilung der Malerei, die die entsprechenden Versuche des Cinquecento in wesentlichen Punkten modifiziert.
Junius nennt fünf „capita“: 1) Inventici sive Historia; 2) Proportio sive Symmetria; 3) Color, et in eo Lux et Umbra, Candor et Tenebrae; 4) Motus, et in eo Actio et Passio; 5) Collocatio denique sive oeconomica totius operis Dispositio (III, argum. libri III: [188] S. 137; vgl. auch [297a] S. 617). Da die Nachbarschaft einander entgegengesetzter Farben jede einzelne von ihnen intensiver erscheinen läßt (excitat), hat der Künstler sein Augenmerk besonders auf die Verteilung von Licht und Schatten, Glanz bzw. Helligkeit (splendor) und Finsternis (tenebrae) zu richten (III,3, § 4: [188] S. 170). Junius, der für ein einfaches Kolorit nach Art der älteren griechischen Malerei eintrat, hat auf eine nähere Klassifizierung der Farben verzichtet (vgl. auch [214] S. 29; [222] S. 81f., 181; [279a] S. 618).
Italien hat an der Entwicklung der F. des 17. Jh. nur geringen Anteil.
Frederico Zuccaros Klage „arte senz'arte, ingegno senz'ingegno pasce l'occhio, e contenta l'ignoranza di bei colori, senz' alcun dissegno“ (1605; [182] S. 121; vgl. auch [220] S. 179 Anm. 54) ist typisch für das geringe Echo auf Lomazzos Apologie der Farbe. Kam es zur Beschäftigung mit dem Mailänder Theoretiker, dann zeitigte sie herbe Kritik: so wendet Giulio Mancini in seinen zw. 1614 und 1630 abgefaßten „Considerazioni sulla pittura“ ein, „l'essere individuale della figura“ werde keineswegs durch die Farbe, sondern bereits zuvor durch den „disegno“ bestimmt, „quale è pur figura e non ha il colore se non accidentalmente“ ([186] Bd. 1 S. 162; vgl. auch ebd. S. 20–23). Überdies bleiben Urteile über Farben immer relativ, denn die Vorlieben und Abneigungen sind von der Temperatur des Gehirns abhängig und damit von Volk zu Volk verschieden (ebd. S. 128f.). Giov. Pietro Bellori hat 1664 in seiner „Idea“ mit dem Satz „(il popolo) apprezza li belli colori, e non le belle forme che non intende“ (gedruckt 1672: [202] S. 28) nochmals jene Auffassung formuliert, die Charles Le Brun im gleichen Jahr als offiziellen Standpunkt der Pariser Akademie vertrat (s. unten; vgl. auch [162a] S. 321 bis 330).
Die deutschen und skandinavischen Beiträge differenzieren die Theorie der Grundfarben.
Die F. Athanasius Kirchers (1646: [190]) ist in den entscheidenden Punkten von d'Aguilons Optik abhängig.
Auch Kircher nahm als Primärfarben „albus“, „flavus“, „rubeus“, „caeruleus“ und „niger“ an. Aus „albus“ und „flavus“ entsteht „subalbus“, aus „albus“ und „rubeus“ „incarnatus“, aus „albus“ und „caeruleus“ „cinereus“. „Flavus“ gemischt mit „rubeus“ ergibt „aureus“, gemischt mit „caeruleus“ „viridis“, zusammen mit „niger“ „fuscus“. Aus der Verbindung „rubeus“–„caeruleus“ entsteht „purpureus“, während „subrubeus“ aus der Mischung von „rubeus“ und „niger“, „subcaeruleus“ schließlich aus derjenigen von „caeruleus“ und „niger“ zustandekommt. Kircher unterscheidet zwischen „colores veri“ als den in der Malerei verwendeten Farbstoffen und „colores apparenti“ als den durch optische Effekte (Regenbogen) erzeugten Farben (vgl. [3] Bd. 41 S. 167–71 und [222] S. 182f.).
In der Debatte über die Zahl der Primärfarben verficht Leibniz in einer Frühschrift von 1666 rigoros den aristotelischen Standpunkt: „Hoc tamen admoneo ipsos tanquam primos suppositos (albus, flavus, rubeus, caeruleus, niger) non esse primos; sed omnes ex albi et nigri, seu lucis et umbrae mixtione oriri“ (Dissertatio de arte combinatoria, probi. II, 97: Gottfried Wilh. Leibniz, Sämtl. Schriften und Briefe, hrsg. von der Preuß. Akad. der Wiss., Reihe VI: Philos. Schriften Bd. 1, Darmstadt 1930, S. 204).
Der Schwede Johs. Scheffer sah, wie Alberti, in Weiß und Schwarz keine Farben, sondern lediglich Mittel zu deren Veränderung unter Einwirkung von Licht und Schatten (1669; [200] S. 159ff. § 44).
Die Skala der Grundfarben (colores simplices) übernahm Scheffer von d'Aguilon bzw. Kircher (vgl. Farbdiagramm bei [222] S. 182). Konnte er Alberti, der Grün und Aschgrau unter die „veri colori“ gezählt hatte, in diesem Punkt auch nicht folgen, so ist er von ihm in seinen Empfehlungen für harmonische Farbenkombinationen (Grün – Weiß, Grün – Purpur) doch ebenso abhängig wie in der Abneigung gegen die Verbindung einander benachbarter Farben. Wenn Scheffer einräumt, jede Farbe vereinige in sich die ambivalenten Ausdrucksqualitäten von „splendor“ (hilare, vegetum, floridum, laetum) und „austeritas“ (adstrictum, triste, amarum, moribundum), so erweist er sich als abhängig von Lomazzos Emotionentheorie und gleichzeitig als deren Überwinder ([222] S. 194; man erinnere sich hier Plinius' Einteilung „colores floridi“ – „colores austeri“, s. Sp. 164). Auch Scheffer suchte nach Entsprechungen zwischen Farben und Elementen, wobei er, ältere Anschauungen modifizierend, Grün (pratinus) der Erde und Blau dem Wasser zuordnete [222, S. 180]. Mutet seine Polemik gegen Montjosieus Theorien, insbesondere der Entstehung von Gelb und Grün, reichlich anachronistisch an, so sind seine Feststellungen über das Verhältnis der Licht- und Schattengebung zur Farbe bedeutsam für die Theorie des Kolorits: „Inter lucem et umbram splendor spectatur. In lumine color dilatus est. In umbra saturatus, in splendore coloris species cernitur“ ([200] S. 138 § 35, zit. nach [3a] Bd. 2 S. 331, Anm. zu S. 54). Auf eine Reihe weiterer, erst Ende des Jh. entstandener schwedischer Traktate zur F. verweist Ellenius [222, S. 287 Anm. 1].
Die franz. Beiträge zur F. nehmen meist von der Diskussion über den Vorrang von Zeichnung bzw. Farbe ihren Ausgang.
„Du collons chacun en fait à sa volonté“ stellte um 1620 ein unbekannter Autor fest (Paris, Bibl. Nat., ms. suppl. fr. 3809: [229] S. 128) und kennzeichnete damit das Kolorit als einen der Willkür des Künstlers überlassenen Teil der Malerei.
Weniger skeptisch war Pierre Lebrun: in seinem 1635 entstandenen „Recueil des essaies des merveilles de la peinture“ (abgedr. in Mary Philadelphia Merrifield, Original Treatises Dating from the 12th to the 18th C. on the Arts of Painting, Bd. 2, London 1849, S. 767–841) nennt er vier „couleurs principalles: la blanche, la rouge, la verde et obscure“. Die hellen Farben sind es, die dem Gemälde „grace et Ornement“ verleihen. Rot zwischen Blau und Grün, aber auch Weiß zwischen Grau und Gelb sind angenehme Farbverbindungen.
Vom übermäßigen Gebrauch des Weiß wird abgeraten, „car (la couleur blanche) est comme le venin et pour sa splendeur elle oste de la peinture la grace et la beauté, elle diminue les autres couleurs et corrompt l'ombre des autres choses“ (ebd. S. 811 und 813).
Auf Erkenntnissen des Mathematikers Desargues aufbauend, suchte der Stecher Abraham Bosse 1648 die Gesetze der Farbenperspektive darzulegen [191].
Nach Bosse ist die Intensität einer Farbe von der Licht- und Schattenführung unabhängig, sie bestimmt sich ausschließlich nach der linearperspektivischen Lage der Objekte im Bild ([192] S. 15; vgl. [15] S. 37 und [216] S. 15). Bosses Interesse galt allein der Rolle der Farbe beim Zustandekommen der Tiefenillusion; die Frage nach ihrem ästhetischen Eigenwert war ihm bedeutungslos [216, S. 17].
1649 verfaßte Charles Alphonse Dufresnoy „Observations sur la peinture“, die auszugsweise 19 Jahre später als Anhang zu des Verfassers Lehrgedicht „De arte graphica“ erschienen (Sentimens ... sur les ouvrages des principaux et des meilleurs peintres des derniers siècles: [255]).
In der Einteilung der Malerei (composition, dessein, coloris) kehrt das alte Schema Pinos wieder, doch ist der Begriff „dessin“ nicht mehr im Sinne des ital. „disegno“ (conception, invention) verstanden (vgl. [225] S. 200 Anm. 10). Zum Kolorit gehören „couleur“, „lumiere et ombre“, d. h. außer der „antipatie et contrarieté“ der Farben auch das „relief“ (ebd. S. 201). Die Abstufung der Farben hängt ab von der Lichtquelle, dem Luftmedium, den beleuchteten Körpern sowie dem Standort des Betrachters (ebd. Anm. 16).
Eine streng klassizistische Auffassung vertrat Roland Fréart de Chambray in seiner „Idee de la perfection de la peinture“ von 1662 [195a], die in der Einteilung der Malerei Franciscus Junius folgt.
Wichtiger als die Farbe ist nicht nur „invention“ – „c'est proprement le feu de l'esprit, lequel excite l'imagination“ –, sondern auch die „position regulière“ der Figuren, denn sie beruht auf der Perspektive und damit auf mathematischen Gesetzen (ebd. S. 11 und 18ff.). Viele Künstler haben freilich nur die Effekte des Kolorits im Kopf und liefern sich leichtfertig einer „neuen Geliebten“ aus, welche – „coquette et badine“ – den Beschauer rasch zu fesseln sucht, ihn aber auf die Dauer nicht befriedigen kann (ebd., Preface S. 4). Bemerkenswert ist Fréarts Definition der Bildfarbe: „Par ... la couleur on ne doit pas seulement entendre le coloris“ erklärt er und erhebt damit „couleur“ zum Oberbegriff. Die Licht- und Schattengebung ist höher zu bewerten als das „coloris“, denn sie ist „en quelque sorte une branche de la perspective où le centre du corps lumineux représente l'oeil“ (ebd. S. 12).
Das schon in den 40er Jahren entstandene, aber erst 1668 veröffentlichte Lehrgedicht „De arte graphica“ des Charles Alphonse Dufresnoy faßt die Leitgedanken der römischen K.theorie des 17. Jh. zusammen.
„Extrema extremis contraria iungere noli, sed medio sint usque gradu sociata coloris“ empfiehlt Dufresnoy dem Maler (cap. 41: [197] S. 57). Grundsätzlich müssen die Farben im Vordergrund lebhafter sein als im Hintergrund (ebd. cap. 46). Auch Dufresnoy kennt die „amicitia colorum“, geht aber auf die Kombination der Buntfarben nicht ein, lediglich die Eigenschaften von Weiß und Schwarz werden näher bestimmt: reines Weiß tritt hervor, wenn es dem Schwarz benachbart ist, ohne dieses weicht es zurück (ebd. cap. 34). Gleich Leonardo und im Gegensatz zu Bosse glaubte Dufresnoy, daß die Gestaltung der Bildtiefe von der Beziehung der Farben untereinander abhängig sei ([216] S. 22; vgl. auch [212] S. 63–68).
Das Lehrgedicht wurde bereits 1668 von Roger de Piles ins Französische übersetzt und ausführlich kommentiert. In seinen „Remarques ...“ suchte de Piles u. a., den spezifischen Charakter der „couleurs capitales“ näher zu bestimmen [199].
„L'Occre de Rut (ein dunkles Gelb) est une couleur des plus pesantes. L'Occre-jaune ne l'est pas tant, parce qu'il est plus clair. Et le Massicot est fort leger, parce que c'est un Jaune très-clair et qui approche fort du Blanc. L'Outremer, ou l'Asur, est une couleur fort legère et fort douce. Le Vermillon est entièrement opposé à l'Outremer. La Laque est un milieu entre l'Outremer et le Vermillon, encore est-elle plus douce que rude. Le Brun-rouge est des plus terrestres et des plus sensibles ...“ [199, S. 208]. Originell ist der Versuch, die Voraussetzungen für das Zustandekommen harmonischer Farbverbindungen zu klären. Als harmonisch empfindet das Auge die Kombination solcher Farben, die auch miteinander „une couleur douce et qui ne soit point désagréable aux yeux“ ergeben – etwa Blau – Gelb, die das angenehme Grün erzeugen. Die Verbindung von Blau und Zinnober hingegen ruft „une couleur aigre, rude et désagréable“ hervor [199, S. 211f.]. In seiner Übersetzung geht de Piles über die Intentionen Dufresnoys ([chromatice] ... mirabile visu) insofern hinaus, als er dem Kolorit, „que l'on peut dire l'ame et le dernier achevement de la peinture“ ([198] S. 43 mit Bezug auf cap. 30, Verse 260ff.), eine der Zeichnung mindestens ebenbürtige Stellung einräumt (vgl. [224] S. 103ff. und 639f.).
De Piles' Ketzerei veranlaßte Phil. de Champaigne, in der Sitzung der Pariser Akad. vom 6. oder 12. Juni 1671 anläßlich der Besprechung eines Bildes von Tizian das Verhältnis von Zeichnung und Farbe grundsätzlich zu bestimmen.
„Ce n'est pas que (le dessin) ne soit très nécessaire, mais l'étudier plus que le princepal, et en faire comme sa seulle estude, c'est se tromper soy mesme, c'est choisir un beau corps, se laisser esblouir de son éclat, et ne pas se metre assé en paine de ce qui doit animer cette belle Aparence, qui ne peut subsister seulle quelque beauté qu'elle puisse avoir par ce que la beauté d'un corps ne fait rien à sa vie, si l'Ame et l'esprit ne l'anime“ (zit. nach [224] S. 166f.; der ganze Vortrag bei [213] S. 9–13).
Die Auseinandersetzung spitzte sich zu, als der jüngere Blanchard in einem „Discours sur le mérite de la couleur“ am 7. Nov. desselben Jahres mit der Feststellung Partei ergriff, „que la couleur ... représente toujours la vérité et que le dessin ne représente que la possibilité raisonnable“ (ebd. S. 22).
Außer theoretischen Überlegungen führt Blanchard die an der Gesch. der Malerei ablesbare zunehmende Verfeinerung des Farbensinnes ins Feld, die ihren Höhepunkt mit Rubens erreicht habe (vgl. [216] S. 40ff.).
Den von den Theoremen Vasaris, Zuccaris und Belloris bestimmten offiziellen Standpunkt der Akad. suchte Charles Le Brun am 2. und 9. Jan. 1672 in seiner Zurechtweisung Blanchards klarzumachen (Sentiment sur le discours de merite de la couleur par M. Blanchard, vgl. [224] S. 599).
Die Zeichnung imitiere die wahren Dinge, während die Farbe nur das Zufällige geben könne, da sie in ihrer Erscheinung von der jeweiligen Beleuchtung abhängig ist (ebd. S. 178; [213] S. 36). Der Vorrang der Zeichnung erhelle schon daraus, daß sie ohne die Farbe, nicht aber diese ohne Zeichnung bestehen kann.
1673 griff Roger de Piles mit dem „Dialogue sur le coloris“ selbst in die Debatte ein und erklärte erneut und noch entschiedener, die Zeichnung sei nur der Körper, die Farbe jedoch die Seele der Malerei [203, S. 31f.].
Er unterscheidet zwischen „couleur ... celle qui rend les objets sensibles à la veüe“ [203, S. 5] und „coloris ... une des parties de la Peinture, par laquelle le peintre sçait imiter la couleur de tous les objets naturels, et distribuer aux artificiels celle qui leur est la plus avantageuse pour tromper la veüe“ (ebd. S. 4f.). Wichtiger als seine Abgrenzung der „couleur naturelle“ („qui nous rend actuellement visibles tous les objets qui sont dans la nature“) gegen die „couleur artificielle“ („dont les peintres se servent pour imiter ces mesmes objets“: ebd. S. 5f.; vgl. [15] S. 42f.) ist seine Forderung, der Maler müsse bei Anwendung des Kolorits in erster Linie der „sympatie et antipatie“ der Farben Rechnung tragen und gegebenenfalls als „arbitre, et judicieux imitateur“ der Natur deren Unzulänglichkeiten ausgleichen ([203] S. 7ff.; vgl. [224] S. 188 bis 197).
André Félibien stellte in den zw. 1666 und 1685 veröffentlichten „Entretiens ...“ [209] den farbästhetischen Erörterungen eine Definition der Malerei voran, die zwar die Dreiteilung in „composition“, „dessin“ und „coloris“ übernahm, die Elemente aber insofern neu bestimmte, als nunmehr der theoretische Teil des Kunstwerks allein in der „composition“ seinen Niederschlag findet – „à cause que l'opération s'en fait dans l'imagination du peintre“ –, während „dessin“ und „coloris“ nur mehr Sache des „ouvrier“ seien [209, Bd. 1 S. 92].
Bei der Frage nach dem Kolorit ist nicht allein von der Natur der Farben und „de l'union et de l'amitié qu'elles ont entr' elles“ zu sprechen, sondern auch das Hell-Dunkel, das den Figuren „relief“ verleiht (ebd. S. 96). Félibien wies Bosses linearperspektivische Erklärung der Farbveränderungen zurück und sah die Abnahme der Farbintensität im Bild allein bedingt durch die Licht- und Luftverhältnisse (ebd. Bd. 3 S. 20). „L'air est ... un corps diaphane ... au travers duquel on voit les objets, qui prenant davantage de la couleur de ce corps, à mesure qu'ils s'éloignent, viennent peu à peu à se perdre et à se confondre“ (ebd. S. 21). Die Intensität der Farben ist bei gleicher Entfernung verschieden, da sie nicht alle in gleichem Maß die Farbe der Luft aufzunehmen vermögen (ebd. S. 22f.; hierin ist Félibien von Leonardos 1651 in Paris veröffentlichtem Traktat abhängig, vgl. Sp. 188f.). Die Bedingungen, unter denen Farbe sichtbar wird, bleiben unerörtert, denn „il n'est pas nécessaire au Peintre de sçavoir la nature et les causes des couleurs, mais seulement d'observer leurs effets“ (ebd. S. 25f.). Damit grenzte Félibien, der auch mit der Optik von Alhazen und Witelo vertraut ist (ebd. S. 33), die Fragestellungen der naturwiss. gegen diejenigen der ästhetischen F. ab (vgl. [15] S. 46). Die Zahl der nicht durch Mischung erzeugbaren „couleurs principales“ gibt Félibien mit Gelb, Rot und Blau an, Weiß und Schwarz rechnen nicht dazu, „parce qu'ils se rencontrent dans toutes les couleurs“ [209, Bd. 3 S. 26ff.]. Auch Félibien legte auf die Harmonie der Farben großen Wert, er will aber keine Regeln aufstellen, da die Helligkeit einer Farbe in jedem Einzelfall von der Beleuchtung abhänge (ebd. S. 29).
1687 kehrt Nicolas Catherinot, ein Bewunderer Le Bruns, die Formel de Piles' um: „Le dessin“, sagte er, „est l'âme de la peinture; les couleurs en sont le corps; mais les couleurs se trouvent plus aisément que le dessin ... Car (ils) ... se trouvent dans les boutiques des marchands et le dessin ne se trouve que dans la tête des excellents peintres“ (zit. nach [214] S. 86f.).
Nach Charles Perrault, Parallèle des Anciens et des Modernes (1688–97; [206]), werden von den drei Teilen der Malerei je drei verschiedene Seiten des Empfindens angesprochen: le sens, le coeur et la raison.
Wenn Perrault u. a. feststellt, „la juste delineation des objets accompagnée de leur couleur frappe agréablement les yeux“ ([206] tome premier S. 213), dann ist damit die alte Antithese von Farbe und Zeichnung überwunden, denn auch diese wird nunmehr als Ursache der Augenlust angesehen. Seine Distanz zur klassizistischen Position Le Bruns hat Perrault in seiner Definition der Elemente der Malerei klargemacht; es sind: 1) „le simple trait, qui par ses contours fait voir la figure de l'objet“; 2) „les ombres et les jours qui ... donnent (au simple trait) du relief et de l'arrondissement“; 3) „les couleurs naturelles des objets, qui achevent de leur donner leur véritable et entière ressemblance“ (ebd. tome troisième S. 8).
Außerhalb der Akademiedebatte steht der Traktat des Parlamentsadvokaten Dupuy du Grez (1699; [207]).
Die Dreiteilung der Malerei in „dessein“ (der nicht, wie Dufresnoy es tue, mit „invention“ zu verwechseln sei), „coloris“ und „composition“ ist traditionell. „Coloris“ umfaßt allein „l'employ, l'usage, l'oeconomie et l'efet des couleurs“ [207, S. 10]. Die Ansicht, Aufgabe des „coloris“ sei es, durch Beachtung der „amicitia colorum“ Hell-Dunkel-Wirkung und damit Plastizität zu erreichen, wird mit der Begründung zurückgewiesen, diese Definition orientiere sich zu sehr am Relief der Figuren, das primär dem „dessein“ zugehöre (ebd. S. 183). „Coloris“ ist also „l'efet de plusieurs couleurs unies et noyées ensemble, pour représenter, sur une superficie, la couleur naturelle de toutes les choses visibles, suivant leur situation et leur distance, dans le plus charmant éclat qu'elles peuvent avoir“ (ebd. S. 183f.).
Das Zustandekommen des vollendeten „coloris“ hängt von vier Bedingungen ab: zur „union des couleurs“ (dem sanften Übergang der einzelnen Farbtöne) und der „entente“ (der harmonischen Farbverbindung) müssen „fraîcheur“ („lorsque les couleurs ... conservent tout leur éclat naturel“) und schließlich „vaguesse“ („variété agréable de plusieurs taintes“) hinzukommen (ebd. S. 199f.). Natur und Kunst haben sich im Kolorit zu verbinden: „Il y faut quelque chose de doux, qui est la couleur purement naturelle, du sujet, et quelque chose de piquant, qui fait la beauté de l'art“ (ebd. S. 207). Auf Einzelheiten der Farbgebung geht Dupuy nicht ein, doch warnt er unter Berufung auf Alberti (vgl. [110] S. 137) vor der Verwendung des ungebrochenen Weiß. Dieses soll nur als Steigerung der Buntfarben Verwendung finden (ebd. S. 194f.).
1699 erschien Roger de Piles' „Idée du peintre parfait“, die eine neue Definition des „coloris“ enthält. Es umfaßt die „couleur locale“, die Eigenfarbe des Gegenstandes, die ihn von anderen unterscheidet, und das „clair-obscur“: „l'art de distribuer avantageusement les lumières et les ombres“ [208, S. 7]. Die häufige unbedachte Gleichsetzung von „couleur“ und „coloris“ veranlaßte de Piles, in seinem „Cours de peinture par principes“ (Paris 1708; [210]) erneut auf strenge Unterscheidung zu dringen (ebd. S. 238f.).
„Coloris“ ist die „différence de la peinture“ (ebd. S. 246). Seine in der „Idée ...“ vorgetragene Definition der „couleur locale“ ergänzend, versteht de Piles darunter nunmehr „celle qui par rapport au lieu qu'elle occupe, et par le secours de quelque autre couleur représente un objet singulier ... Elle est appellée locale; parce que le lieu qu'elle occupe l'exige telle, pour donner un plus grand caractère de vérité aux autres couleurs qui leur sont voisines“ (ebd. S. 240).
De Piles, der die geringe Wertschätzung des Kolorits – „chose fort difficile“ (Dialogue sur le coloris: [203] S. 50) – auf das Fehlen präziser Regeln zurückführte (ebd.), hat im „Cours ...“ praktische Empfehlungen vorgelegt. Welche Farben harmonieren bzw. einander schaden, hängt von ihrer jeweiligen „qualité sensible“ und ihrer Mischbarkeit ab, die sich nach der Teilhabe von Luft und Erde bebestimmt. „Couleurs aëriennes“ wie Weiß, Gelb, Blau, Grün u. a. passen gut zueinander, während den „couleurs terrestres“ „une pesanteur qui par le mélange absorbe la douceur et la légerté des aëriennes“ anhaftet [210, S. 264f.]. Anders als im Dufresnoy-Kommentar [199] räumt de Piles ein, daß die Mischung verwandter Farben nicht immer auch einen angenehmen Farbton ergebe [210, S. 265]. Da sich die letzte Ursache für die harmonische Wirkung einer Farbkombination nicht angeben läßt, muß der Künstler durch das Studium vorbildlicher Werke – vor allem des Rubens – sich seine eigenen Erfahrungen erwerben (ebd. S. 269f.).
Der als Streit zwischen „Poussinisten“ und „Rubenisten“ bekannt gewordenen Akad.-Debatte über den Vorrang von Zeichnung bzw. Farbe hat de Piles durch seine Schriften ein theoretisches Fundament zu geben versucht.
Zur F. des 17. Jh. in Frankr.: [216] mit Darstellung nach Problemkreisen (Wesen, Ordnung, Harmonie der Farben u.ä.: ebd. S. 52–60) und Verzeichnis der Fachausdrücke (ebd. S. 61–78). Zur Begriffsgeschichte auch [234], bes. S. 116ff., 129 bis 132, 165–73. Zu Bosse: [216] S. 13–17; [231] S. 19–29 passim. Zu Dufresnoy: [216] S. 20–23; [224] S. 586f.; [231] S. 52f., 58; [235] S. 132 bis 134. Zu Fréart de Chambray: [214] S. 23; [214a] S. 36–52; [283] S. 16ff.; [216] S. 17ff.; [231] S. 12ff.; [297a] S. 53. Zu Félibien: [216] S. 24–27; [231] S. 32–36. Zu Dupuy du Grez: [214] S. 94f.; [224] S. 408–20; [231] S. 79. Allg. zum Pariser Akad.-Streit: [224]; [3b] S. 118 bis 125; [5a] S. 106–11; [229] mit Abdruck unveröffentlichter Schr. (S. 149–217). Zu de Piles: [214] S. 138f.; [215] S. 81–98; [216] S. 42–52; [218] S. 51–58; [224]; [231] S. 60f. Zu Blanchard: [216] S. 39–42; [224] S. 169–73. Zu Le Brun: [214] S. 67; [216] S. 28–34; [218] S. 48 bis 51; [224] S. 174ff.; [226] S. 199; [228] S. 258.
Die knappen Bemerkungen in den spanischen und portugiesischen Malereitraktaten des 17. Jh. wiederholen meist schon Bekanntes.
Das gilt für Francisco Pacheco, der vor allem Alberti, Vasari und Dolce referiert, aber auch mit Leonardos Ansichten vertraut ist (Arte de la pintura, Ms. dat. 1638, Buch II Kap. 9: [189] Bd. 1 S. 440–55). – Jusepe Martinez legte in seinen um 1675 voll. „Discursos practicables ...“ auf die Abstufung des Kolorits Wert, das bei aller Lebhaftigkeit nicht laut sein darf. Die Farben sind für die Augen das, was die Saiten eines Instrumentes für das Ohr sind (Trat. 7: [204] S. 23–27). – Auch Felix da Costa, der die Farbe – neben Erfindung und Zeichnung – als Mittel zur Imitation des Schöpfungsaktes rühmt (Antiguidade ..., entstanden 1685–1696: [205] fol. 7–12), kommt in seinen aus Pino und Dolce geschöpften Bemerkungen über die „simpathia e antepathia das ... huas“ u. a. m. nicht über Allgemeinheiten hinaus (vgl. auch ebd. S. 23 und 30).
VI. 18. Jh
Die traditionellen Fragestellungen der F. erweiternd, versuchte man im 18. Jh., die Ordnung der Farben anhand graphischer Darstellungen zu kodifizieren und daraus Prinzipien der Farbenharmonie in der Malerei abzuleiten. In zunehmendem Maße fanden physikalische Erkenntnisse Eingang in die farbästhetischen Theorien ausübender Künstler. Das Hauptaugenmerk galt den Grundfarben, dem Verhältnis von Zeichnung und Farbe sowie dem Kolorit, wobei, wie schon im 17. Jh., die Theorie sich auf die künstlerische Praxis einzelner Meister bzw. Schulen berief. Die entscheidenden Gedanken kamen aus Frankreich, England und Deutschland.
Demonstrationszeichnungen der Farbordnung.
1704 erschienen Isaac Newtons „Opticks“ [236] als Zusammenfassung der Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung. Newton zerlegte das Licht mit Hilfe eines Prismas in einzelne Farben und fand sieben „principal colours“: „Red“, „Orange“, „Yellow“, „Green“, „Blew“, „Indigo“ und „Violet“. Aus der Einsicht, daß alle Buntfarben im weißen Licht enthalten seien, folgerte Newton, daß die physikalische Qualität des Lichts derjenigen der Pigmente entspräche, und versuchte, Weiß durch Mischung von Farbstoffen zu erzeugen; vgl. [343] S. 357.
Folgenreich für die Gesch. der ästhetischen F. ist Newtons kreisförmige Anordnung der Spektralfarben (Abb. 2). Dieser Schritt lag nahe, da seine Farbenreihe „im Gegensatz zu früheren durch Schwarz und Weiß begrenzten ... dem Farbton nach in sich zurückläuft, d. h. ... das violette Ende des Spektrums an das rote Ende angeschlossen werden kann“ [15, S. 58]. Newtons Bezugssystem bleibt allerdings insofern unklar, als sich die Farben nicht direkt gegenüberstehen ([284] S. 227; vgl. auch [297a] S. 761f.; [10a] S. 21ff.; Rich. S. Westfall, The Development of Newton's Theory of Colour, Isis 53, 1962, 339–58, [295] S. 9f. und [283c] passim).
Louis Bertrand Castel wies 1740 Newtons Theorie zurück (vgl. [3] Bd. 42 S. 86–91) und erweiterte in seiner „Optique des couleurs“ [245] die Zahl der Farben im Kreis auf zwölf: bleu, celadon (blaßgrün), verd, olive, jaune, fauve (rotgelb), nacarat (orange), rouge, cramoisi, violet, agathe (achatblau), bleu violant (ebd. S. 139, zit. nach [284] S. 227; vgl. auch [297a] S. 762f.).
In einem Vortrag „De affinitate colorum commentatio“, 1758 vor der Göttinger Akad. der Wiss. gehalten, versuchte der Mathematiker und Astronom Tobias Mayer, die Zahl der mit dem Auge wahrnehmbaren Farben exakt zu bestimmen.
Mayer ging davon aus, daß jeder der Grundfarben (Zinnober, Königsgelb, Bergblau) mindestens ein Zwölftel einer anderen beigemischt werden muß, damit die somit entstehende Farbe von der reinen als unterschieden empfunden werden kann. Dabei gelangte er zur Aufstellung eines Schemas, wonach sich aus der Mischung der Primärfarben 91 Buntfarben ergeben sollen (Abb. 3). Da jede durch Zusatz von bis zu vier Teilen Weiß bzw. Schwarz ins Helle bzw. Dunkle verändert werden kann, beläuft sich die Zahl der unterscheidbaren Farben auf 91 + 2 × 364 = 819.
Das Mayersche Farbendreieck wurde erst posthum 1775 von Lichtenberg veröffentlicht, nachdem Joh. Heinr. Lambert es im Rahmen eigener Versuche drei Jahre zuvor benutzt hatte ([284] S. 227; s. Sp. 215). Sulzer würdigte es als einen Versuch, bei der Farbenbenennung weiterzukommen, erkannte aber, daß sich für die künstlerische Praxis daraus nichts gewinnen läßt ([274] Bd. 2 S. 209ff.: „Farbe“; vgl. auch [3] Bd. 42 S. 109–12, [11] S. 29f., [15] S. 68ff. und [352] S. 782).
1767 gab Charles-Antoine Jombert Roger de Piles' „Premiers Elemens de la peinture pratique“ (zuerst Paris 1684) neu heraus und erweiterte dabei die schmale Abhandlung in den das Kolorit betr. Abschnitten (Kap. 12) um ausführliche Zusätze (vgl. [261] S. IV, [215] S. 104f. und [224] S. 648).
Auch Jombert ging von drei Grundfarben Gelb, Rot, Blau aus, „cependant ... comme il y a de deux sortes de rouge primitif, l'un tenant du jaune, comme le rouge de feu ou vermillon, et l'autre du bleu, comme le rouge cramoisi ou de laque: on peut compter quatre couleurs primitives; scavoir, le jaune, le rouge de feu, le rouge cramoisi, et le bleu“ [261, S. 284]. Aus Gelb und „Rouge de feu“ entsteht „Orangé“, aus „Rouge cramoisi“ und Blau „Violet“, aus Blau und Gelb „Verd“. Diese Farben ordnete Jombert um einen siebenteiligen Kreis, der sich zu einem zwölfteiligen differenziert, wenn fünf weitere Farben ausgemischt werden: „Jaune doré“ aus Gelb und Orange, „Vrai rouge“ aus „Rouge de feu“ und „Cramoisi“, „Pourpre“ aus „Cramoisi“ und „Violet“, „Verd de mer“ aus Blau und Grün, „Verd jaunatre“ aus Grün und Gelb (Abb. 4). Lebhaft (vives) sind allein diese Farben; wird abweichend gemischt (etwa Orange mit Violett, Violett mit Grün usw.), so entstehen „couleurs sales et désagréables“ [261, S. 285]. Daß Jombert, der seine Farbkreise als „encyclopédie des couleurs“ verstand, bei der Bestimmung der „couleurs primitives“ zwei Arten des Rot unterschied, zeigt, daß er sich allein an der Praxis der Malerei orientierte. Eine Abhängigkeit seiner Pigment-F. von der Spektralfarbentheorie Newtons kann, wenn überhaupt, nur im Hinblick auf die Verwendung der Kreisform angenommen werden (vgl. auch [216] S. 46–52 und [226] S. 207 Anm. 43, hier jeweils irrtümlich als F. de Piles' abgehandelt, und [15] S. 60–63).
In direkter Auseinandersetzung mit Newton entstand das um 1770 erschienene „Natural System of Colours“ [264] des Entomologen und Kupferstechers Moses Harris. Harris wollte die Prinzipien erläutern, nach denen „materially, or by the painter's art“ aus Rot, Gelb und Blau die verschiedenen Farben erzeugt werden können (zit. nach [343] S. 358).
Harris unterschied die Harmonie der „prismatic or primitive colours“ von derjenigen der „compound colours“, wobei er unter „prismatic“ nicht die Spektralfarben, sondern unvermischte Pigmente verstand [15, S. 66].
Sein prismatischer Kreis (Abb. 5a) enthält außer den drei „grand or principal colours“ als Zwischenfarben (mediates) Orange, Grün, Purpur, die ebenso wie jene durch „known substance, fruit or flower“ belegt werden. Die Hauptfarben sind „the greatest opposites in quality to each other and naturally take their places at the greatest distance from each other in the circle“ (zit. nach [284] S. 228), so daß Newtons Indigo natürlicherweise entfiel. Werden die einander benachbarten Farben wieder gemischt – wobei nach Harris immer einer der beiden Anteile überwiegen soll –, so ergeben sich 18 Farben, die in der Abfolge Rot, Orange-Rot, Rot-Orange, Orange, Gelb-Orange, Orange-Gelb, Gelb, Grün-Gelb, GelbGrün, Grün, Blau-Grün, Grün-Blau, Blau, Purpur-Blau, Blau-Purpur, Purpur, Rot-Purpur, Purpur-Rot die Kreisfläche einnehmen. Da Harris jede dieser drei Farben mittels konzentrischer Kreise in 20 verschiedene Stärkegrade unterteilte, kam er auf insgesamt 360 Farbtöne.
Dem Mischfarbenkreis (Abb. 5b) liegen Orange, Grün und Purpur zugrunde. Hier ergeben sich durch Mischung fünfzehn weitere Farben von wiederum je 20 verschiedenen Intensitätsgraden. 660 Farben sind das Endresultat aus beiden Kreisen, doch wußte Harris, daß viele davon „never will admit of being mixed together“, da dabei lediglich „a dirty unmeaning colour“ herauskommen würde (zit. nach [284] S. 228).
Harris war davon überzeugt, daß sein Versuch, die komplementäre Natur der primären und sekundären Farben nachzuweisen, eine brauchbare Grundlage zur Herstellung harmonischer Farbbeziehungen „in various branches of painting“ sei (vgl. auch [347] S. 13 und S. 222 Anm. 13), „... for if a contrast is wanting to any colour or teint, look for the colour or teint in the system (diagram) and directly opposite you will find the contrast wanted“ (zit. nach [343] S. 359 Anm. 19). Die Überlegenheit seines Farbenkreises über denjenigen Jomberts erweist sich nicht allein im sprachlich logischen Aufbau der Farbenabfolge, sondern auch in der Ausnutzung der Kreisfläche zur Veranschaulichung der nach der Mitte hin zunehmenden Intensität bei entsprechender Schwarzbeimischung [15, S. 65]. – Zur F. Harris' vgl. [343] S. 358f.; [347] S. 115f.; [10a] S. 26 bis 29.
Weniger anspruchsvoll ist der 1772 in Wien veröffentlichte Farbenkreis des Joh. Ignaz Schiffermüller ([267]; Abb. 6), den schon Sulzer erwähnt [274, Bd. 2 S. 214]. Die Benennungen lassen vermuten, daß der Autor lediglich den Farbenkreis Castels übernommen hat (so [284] S. 227; vgl. auch [295] S. 13).
Ebenfalls 1772 legte Joh. Heinr. Lambert seinen auf Tob. Mayer fußenden Versuch vor, die wechselseitigen Beziehungen der Farben mit Hilfe einer dreieckigen Pyramide darzustellen (Abb. 7).
Lambert unterscheidet 112 Farben bzw. Mischungen. Im untersten Dreieck entstehen aus Zinnober, Königsgelb und Bergblau 45 Farben; die restlichen sind ihrem Helligkeitsgrad nach in sieben weiteren Etagen angeordnet, die Spitze nimmt Weiß ein. Während Mayer geglaubt hatte, die Mischung der drei Grundfarben ergebe Grau, nahm Lambert für diesen Fall Schwarz an und lokalisierte es entsprechend im Zentrum des untersten Dreiecks (vgl. auch [3] Bd. 42 S. 112f., [278a], ferner [11] S. 31 und [15] S. 70ff.).
Sonstige Erörterungen.
Gérard de Lairesse unterscheidet im 4. Buch seines „Schilderboek“ (1707; [237]) drei „hoofd-koleuren“, Gelb, Rot, Blau, aus denen durch Mischung Grün, Purpur und Violett (paars) hervorgehen sollen (Teil I: [237] S. 206). Weiß bringt zwar die Farben hervor und macht sie sichtbar, ist aber, ebenso wie Schwarz, nicht selbst Farbe.
Auffallend ist das Fehlen von Orange bzw. Goldgelb als Mischung von Gelb und Rot (dazu [15] S. 52); an seine Stelle tritt Purpur „getrokken uit het rood met een vermenging der andere“ [237, S. 208]. Soll im Bild Harmonie der Farben walten, so hat der Maler eine als die vornehmste herauszustellen, der sich die übrigen je nach ihrem Rang anbequemen müssen. Gelb, das Glanz und Glorie bezeichnet, sollte die Mitte einnehmen, ihm benachbart steht am besten Rot (Gewalt oder Liebe), daran anschließend Blau (Göttlichkeit). Von den Mischfarben soll Purpur (Autorität) vor Violett (Untertänigkeit) und Grün (Dienstbarkeit) stehen (vgl. auch [286] S. 168ff.). Die Bewertung der ästhetischen Qualität nach der allegorischen Bedeutung führte bei Lairesse keineswegs zu starrem Dogmatismus. Die Prinzipien des Kolorits müssen von Fall zu Fall modifiziert werden; das Sujet bestimmt, welche Farbe dominiert. Harmonisches Kolorit setzt lebhafte Kontraste voraus. Ist die Hauptfarbe Rot, so sollte die benachbarte Grau sein. Auf den Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund ist besonders zu achten. So steht Hellgelb gut vor Purpur, Violett, Blau und Grün; Hellblau gewinnt an Schönheit vor grünem, violettem und gelbem (freilich nicht glühend oder brennend gelbem) Hintergrund usw. Wichtig ist, daß alle widerscheinenden Stoffe im Schatten ihre Farbe behalten. Lairesse rügt die verbreitete Praxis, gelbe Gewänder blau zu schattieren ([237] S. 209–12; zum Kolorit der Gewänder auch Buch IV, Kap. 2 und 3). Zur F. Lairesses: [15] S. 51–54, und Jan Jos. Marie Timmers, Gérard Lairesse, I. Teil, Amst. 1942, S. 54f.
In vielen Punkten von de Piles abhängig ist der „Essay“ von Jonathan Richardson (1715; [238]). Wie groß auch immer die Schönheit einer Farbe, für sich genommen, sein mag, erst das harmonische und vielfältige Zusammenspiel läßt das vollkommene Kolorit entstehen. Dessen „variété“ ist die Ursache aller Augenlust, was Richardson am Beispiel der weißen Gelderner Rose erläutert:
„Comme elle a plusieurs feuilles les unes sur les autres, et qu'elle est creuse en quelques endroits, de sorte qu'on peut voir à travers, ce qui produit plusieurs Tons diférens de jour et d'ombre; joint à ce que quelques-unes de ces feuilles, approchent du verd: tout cela ensemble fait une Variete, qui produit une beauté qu'on ne trouve pas sur le papier, quoiqu'il soit aussi blanc, pas même dans la concavité d'un oeuf, quoiqu'elle soit encore plus blanche, ni dans aucun autre Objet de cette couleur, qui n'a pas la même Variete“ [238, S. 126]. Selbst die für sich genommen unangenehme Farbe einer Ziegelmauer erhält eine gewisse Schönheit, sobald sie an der einen Stelle ins Sonnenlicht getaucht, an anderer vom Himmel gefärbt wird, und Schatten und Reflexe über die restliche Oberfläche spielen. Lassen sich für die Handhabung des Kolorits auch keine Regeln aufstellen, so verspricht das Studium der Natur und der „meilleurs coloristes“ doch großen Gewinn ([238] S. 127f.; vgl. auch [285] S. 255f.).
Die klassische Frage nach dem Vorrang von Zeichnung oder Farbe griff 1719 Du Bos [240] auf, doch nur, um die Lächerlichkeit der nicht mehr aktuellen Pariser Akademiedebatte zu enthüllen. Für Du Bos war der größte Maler derjenige, „dont les ouvrages nous font le plus de plaisir“ [240, Bd. 1 S. 511]. Da die Empfänglichkeit für das Kolorit bei den Menschen verschieden ausgeprägt ist, darf niemand sich wundern, daß die einen Poussin dem Tizian, die anderen Tizian dem Poussin vorziehen. Das Urteil ist immer subjektiv und jede Kunstrichterei bloße Farce.
Auch Antoine Coypel erlaubte sich in seinem Akademievortrag von 1721 [241] einen amüsierten Rückblick auf den Streit zwischen Poussinisten und Rubenisten. Von einigem Interesse ist eine wahrnehmungspsychologische Beobachtung.
Im Anschluß an die Feststellung, daß nicht nur die Farbe nicht ohne Licht, sondern auch das Licht nicht ohne Farbe gesehen werden kann, findet Coypel, für den das Clair-obscur zur Zeichnung gehört, „(que) la seule intelligence des degrez d'ombres et de lumières, séduit tellement, que les yeux abusez croyent voir quelquefois dans de simples desseins le coloris qui n'y est pas“ [241, S. 88]. Die Harmonie der Farben soll derjenigen des Regenbogens entsprechen. Damit ist es freilich nicht getan: ein gutes Kolorit führt auch jene Herz und Verstand ansprechenden „beautez solides“ vor Augen, die u. a. auf einer „opposition hardie et vigoureuse“ der Farben beruhen (ebd. S. 92ff.). Manchmal muß man bis zur Dissonanz gehen: „On peut pour attirer la vûe en de certains endroits et la forcer à s'y arrêter, parmi des couleurs agréablement unies, en hazarder une qui en trouble, pour ainsi dire, le repos et qui leur soit directement opposée“ (ebd. S. 125).
Der ebenfalls 1721 erschienene „Kunst-Erfahrne ... Schilder und Mahler“ des Johs. Dauw [242] bezeugt, daß die F. des MA im 18. Jh. nicht völlig vergessen waren.
Nach Dauw liegen zwischen den beiden „colores naturales“ oder „colores nativi“, Schwarz und Weiß, „fünff Mittel-Farben oder colores intermedii ..., als grau-blau, so glaucus ... genennet, Goldgelb, oder punicus, roth, Purpur-Farb und dunckel-grün, so color prasinus heist, welche Bartholomaeus Anglicus umständig in seinem Buch de rerum proprietate beschreibet“ (ebd. S. 109; in der Ausg. 1601 kennt Barth. Anglicus Grün im Sinne eines „color intermedius“ nur als „viridis“: [71] S. 1141 und 1154ff., Dauw dürfte sich auf eine andere Ausg. beziehen).
Alexander Pope vergleicht in den „Moral Essays“ (Epistle 2: „Of the Characters of Women“, 1735: [287] S. 240f.) die Farbe wegen ihrer Veränderlichkeit mit der Frau. Nur die unreinen, gemischten Farben sind geeignet, deren Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit wiederzugeben: „For how should equal Colours do the knack? Chameleons who can paint in white and black?“ (ebd. S. 240). Wird die Farbe mit Falschheit, Vergänglichkeit und „fancifullness“ assoziiert, so bezeichnet die Linie Beständigkeit.
Um 1730 veröffentlichte Jakob-Christof Le Blon eine Abhandlung (Coloritto ...: [243]), in der er Gelb, Rot und Blau als „primitive colours“ nennt, aus deren Mischung Orange, Purpur bzw. Violett und Grün hervorgehen. Wichtig ist Le Blons Trennung der physikalischen von den materiellen Grundfarben.
Während die Mischung dieser Schwarz ergibt, entsteht bei Mischung jener Weiß (ebd. S. 28f.). Die „wahre“ Malerei muß Licht durch Weiß, Schatten durch Schwarz, Reflexe durch Gelb und „Turnings“ durch Blau darstellen. Le Blon hebt zwar die Bedeutung des Inkarnats hervor, doch laufen seine Empfehlungen für das Kolorit der „accidents“, wie Nase, Ohren, Finger, auf ein ziemlich krudes Einfärben mit Rot, Blau und Gelb hinaus (ebd. S. 30ff.; vgl. auch [258] S. 710f.; [284] S. 227; [297a] S. 764ff. und 787f.; [10a] S. 25f.).
Um eine klare Unterscheidung von „couleur“ und „coloris“ bemühte sich Gabriel Girard (1741; [246]). Während die Farbe dasjenige ist, wodurch sich die Dinge voneinander unterscheiden, bezeichnet „coloris“ den speziellen Effekt, der sich aus dem Verhältnis der Qualität und der Stärke einer Farbe zum Glanz ergibt (ebd. S. 119; vgl. auch [234] S. 135).
Für Charles Batteux, der mit de Piles in der Augentäuschung das Ziel der Malerei sah, hat auch das Kolorit ausschließlich dieser Aufgabe zu dienen [247, S. 257f.]. Dabei darf der Maler freilich die Farben der Natur nicht wahllos verbinden, sondern muß die Natur zu vervollkommnen suchen (ebd. S. 61; vgl. auch Eberhard von Danckelman, Charles Batteux, Sein Leben und sein aesthetisches Lehrgebäude, Groß-Lichterfelde 1903, S. 72).
Nach Jean Restout, Essai sur les principes de la peinture (entstanden wohl 1749), hängt das Kolorit von „imagination“, „raisonnement“ und „pratique“ des Künstlers ab. Da ihm großer Anteil an der „expression“ des Bildes zukommt, muß es denselben Charakter wie die Zeichnung haben.
Die Harmonie der Farben ist der schönste Teil der Malerei, „lorsqu'elle est jointe à l'intelligence du clair obscur“ [248, S. 52f.]. Niemals dürfen verschiedene Töne derselben Farbe über- bzw. nebeneinander stehen. „Si vous mettez un jaune vis-à-vis d'un jaune, ils se détruiront nécessairement, quand même vous rompriez l'un des deux.“ Wie die Licht- und Schattengebung muß auch das Kolorit zum „contrast perpetuel“ des Gem. beitragen (ebd. S. 43).
Für den Comte de Caylus besteht die vollkommene Farbenharmonie im Zusammenspiel der „couleurs hautes et pures, autant qu'on les peut employer dans les demi-teintes“ (Conférence „Sur l'harmonie et sur la couleur“, 1747: [249] S. 146). „Il me paraît que la meilleure couleur et qui conduit à la plus... grande harmonie, est celle qui, dorée comme celle du Titien, et qui, n'étant point fatiguée, est employée ordinairement dans les demi-teintes ... Les couleurs les plus franches mêlées dans les chairs et dans les devants du tableau produiront cette harmonie séduisante“ (ebd. S. 145).
William Hogarth hat im 14. Kap. der „Analysis of Beauty“ (London 1753) eine recht originelle Einteilung der Farben gegeben.
Neben Rot, Gelb und Blau werden Weiß und Schwarz als „original colours“ anerkannt. Es existieren nur zwei „compounded colours“: Grün und Purpur, während Orange (wie bei Lairesse) fehlt. Da die gemischten Farben sich von den urspr. deutlich abheben, können sie diesen gleichgestellt werden. Die „original colours“ unterteilt Hogarth in sieben „classes“, wobei die mittlere – ihr ist „firm red“ zugeordnet – die leuchtendste ist. Die Mischungen 1, 2 und 3 neigen dem Schwarz zu, die Mischungen 5, 6, 7 dem Weiß. Rot ist die beständigste Farbe. Weiß hat zwar weniger Beständigkeit, dafür jedoch mehr Anteil am Licht und ist deshalb von nahezu gleicher Schönheit. 3, 2 und 1 verlieren dagegen an Schönheit, je mehr sie sich dem Schwarz, dem Symbol der Finsternis, nähern.
Hogarth, der aus seiner Theorie praktische Malanweisungen abzuleiten suchte, war sich der Schwierigkeiten der Farbengebung bewußt, hatte diese doch gleichermaßen den Prinzipien von „variety, simplicity, distinctness, intricacy, uniformity, and quantity“ zu folgen [250, S. 127f.].
Edmund Burke (A Philosophical Enquiry ..., 1757: [251 a]) bestimmte die Farbe als Ursache des Erhabenen (Sublime) und Schönen.
Das Erhabene, „productive of the strongest emotion which the mind is capable of feeling“ (I, 7: [251 a] S. 39 und 160), gründet im Schrecken (IV, 25: ebd. S. 160), während das Schöne allein auf 'positivem Vergnügen' beruht und in der Seele das Gefühl der Liebe erweckt. Farben sind Erzeugnisse des Lichts, das für sich allein etwas zu Alltägliches ist, als daß es starke Eindrücke bewirken könnte – „... darkness is more productive of sublime ideas than light“ (II, 14: ebd. S. 80). „Sad and fuscous“, wie Schwarz, Braun und Tiefpurpur, müssen die Farben des erhabenen Gem. sein, niemals jedoch „soft or cheerful“, ausgenommen vielleicht „a strong red“. Weiß, Grün, Gelb, auch Blaßrot, Violett und Blau sind – sofern sie rein und hell, aber nicht allzu grell (of the strongest kind) sind – dem Schönen angemessen (ebd. S. 81f.). Von Schönheit sprechen wir, wenn eine Reihe von Farben so miteinander verbunden ist, „that the strength and glare of each is considerably abated“ (III, 17: ebd. S. 116f.). Die mannigfache Farbigkeit der Dinge in der Natur – „some are of but one single colour; others have all the colours of the rainbow; some are of the primary colours, others are of the mixt“ – belehrt uns, daß Farbenschönheit nicht auf Proportion beruhen kann (III, 3: ebd. S. 95f.; vgl. auch S. LXXIII–LXXV und [283a] S. 84–100, bes. S. 95, ferner [286b] S. 83–98 und [283c] S. 123–31).
Antoine-Joseph Pernety war vom Einfluß des Temperaments auf das Kolorit überzeugt (Dict. ... de peinture ..., Paris 1757, art. „coloris“: [252]).
So neigt der melancholische Künstler zu einem „coloris jaune, ou verdâtre et plombé, ou tirant sur le charbon“. Weniger üppig ist die Palette des Phlegmatikers, der es in jedem Fall bei einem „coloris fade, dans le ton de la craye“ bewenden läßt. „Le sanguin anime ses carnations, les rend vives et brillantes, pourvû que la bîle ne se mêle pas de la partie“ (ebd. S. 69). In diesem Zusammenhang überraschend und vermutlich aus der medizinischen Literatur übernommen sind Pernetys Mitteilungen über den Einfluß organischer Erkrankungen auf die Farbwahrnehmung. Die physiologische Bedingtheit des Farbempfindens wird im Art. „couleur“ besprochen. „Un homme dont les fibres sont délicats, recevra l'impression d'un fort beau rouge, d'un rouge éclatant, pendant que celui dont les organes seront moins susceptibles d'une impression aussi vive, ne verra peut-être l'objet que teint de couleur de rose“ (ebd. S. 106).
Alex. Baumgarten nahm im zweiten Teil seiner „Aesthetica“ von 1758 [254], sectio 41f., die ästhetischen Farben (colores aesthetici) für Modifikationen des ästhetischen Lichts.
Die Farben unterscheiden sich nach der Qualität voneinander. Innerhalb jedes Genus gibt es Abstufungen der „quantitas specifica“, in welcher die Vielzahl der Farben ihre Ursache hat [254, S. 458f. § 689]. Die Schönheit der Malerei beruht nicht auf Buntheit, sondern der Verwendung von nur wenigen Farben, wie Plinius sie für die klassische griech. Malerei überlieferte (s. Sp. 164). Um den einheitlichen Grundton (tonus) zu wahren, sind ‚colorum commissurae ac transitus' ebenso zu vermeiden wie ‚affectata ἁρμογή‘ (ebd. S. 460 § 691). Baumgarten, für den die Zahl der urspr. (colores primitivi) wie der abgeleiteten (derivativi), der einfachen (simplices) wie der zusammengesetzten Farben, (compositi) unendlich ist, folgte Plinius auch in der Einteilung in „colores austeri“ bzw. „floridi“ (ebd. S. 460 § 692 f.). Er konzipierte „scalam toni a nigerrimis umbris, quas admittat lux aesthetica absoluta, per diversos colorum aestheticorum gradus et ordines ad candidissimum usque nitorem aestheticum“, wonach die „colores austen“ unterhalb, die „colores floridi“ oberhalb eines „tonus medius“ liegen (ebd. S. 461 § 693). Kommt es zu übertriebener Verwendung beider Farbgattungen, so entsteht die „ästhetische Schminke“ (fucus aestheticus), die als „affectata vividitas“ definiert ist (ebd. S. 458 §688). Baumgarten hob die Schönheit der monochromen Malerei hervor und fand mit Cicero, daß die blühenden Farben im Gemälde „maxime sensus nostros impellunt voluptate, et specie prima acerrime commovent“, andererseits aber sehr bald Widerwillen und Übersättigung zeitigen (De oratore III, 98. ebd. S. 478 § 716). Immerhin bedarf das Kolorit einer gewissen „variatio, quia naturalis color ultra terminos a natura constitutes protractus et uno tenore continuatus tandem non nisi fucus est“ (ebd. S. 481 §720; vgl. auch [276] S. 49ff.).
Für Dan. Webb teilt erst die Farbe den Dingen ihre Existenz mit.
Auch Webb, mit der antiken F. gründlich vertraut, kann Cicero für sich in Anspruch nehmen (Tusculanae disputationes IV, 13, 31, vgl. Sp. 163), wenn er in der Farbe die „Seele der Schönheit“ sieht (An Inquiry ..., 1760, Kap. 5: [256] S. 71), während in dem Bekenntnis, die Farben hätten oft „mehr Gewalt auf uns ... als die vollkommenste Symmetrie“ [256, S. 75], der alte Gedanke Plotins wieder lebendig wird. Vorbild für die Harmonie der Farben im Gemälde ist der Regenbogen; er zeigt die vollkommene Übereinstimmung, „wenn er seine Farben ganz verbreitet. ... Laßt die rothe, die blaue, die gelbe Farbe verschwinden, so ist gleich alle Harmonie zerstöret. Auf die gleiche Art mögt ihr grün und gelb neben einander in einem Gemähide anbringen; so ist klar, daß sie augenscheinlich verschieden sind; setzt die blaue Farbe zwischen diese beyden, so ist die Uebereinstimmung wieder hergestellt“ (ebd. S. 93). Rubens wird gelobt, weil er sich an das Kolorit des Regenbogens gehalten habe, während Raffael Vorwürfe wegen seines „groben und diken“ Inkarnats einstecken muß (ebd. S. 88). Nicht nur Künstler Europas haben sich auf das rechte Kolorit verstanden. Auch die Mexikaner sind Meister der Farbenharmonie, wissen sie doch die Federn ihrer Vögel so geschickt zu arrangieren, „daß sie ohne künstliche Farben oder den Pinsel zu gebrauchen, Gemähide verfertigen, und es unternehmen würden, die Natur nachzuahmen“ (ebd. S. 94). So ist „der Saame, aus welchem freye, edelmüthige Empfindungen hervorwachsen, ... wie der gesunde Verstand in alle Seelen geworfen“ (ebd. S. 96; das Zitat S. 94 nach Antonio de Solis; vgl. auch [281] S. 19f.).
Nach Claude Henri Watelet, L'art de peindre [257], kann der Maler die Wahrheit der in der Natur begegnenden Farbenharmonie niemals erreichen, denn deren Glanz ist „céleste“. Die Natur bezaubert uns nicht allein durch die Kontraste von Licht, Schatten und Farben; das Licht hat aus sich selbst heraus etwas Leuchtendes und Wunderbares [257, S. 120f.]. Die Originalität Watelets besteht in der Art der Gegenüberstellung von Clair-obscur und Farben.
Während die Harmonie des Hell-Dunkels einen Effekt hervorruft, „dont le sentiment est commun à tous les hommes“, ist die Wirkung der Farben bei allen Menschen verschieden (ebd. S. 123). Somit ist das Clair-obscur „la partie harmonique de la Peinture qui semble devoir nous affecter plus uniformément“, sein kritisches und genaues Studium für den Künstler nicht minder wichtig als die Kenntnis der Anatomie und der Perspektive (ebd. S. 125). Hängt die Farbenharmonie „infiniment des organes des peintres“ ab, so die Harmonie des Hell-Dunkels „presque entièrement de leurs observations et de leur jugement“ (ebd. S. 126f.).
Eingehend hat sich Chrn. Ludwig von Hagedorn mit dem Kolorit befaßt (Betrachtungen ..., Lpz. 1762: [258] Betrachtung 45).
Für ihn ist „die Farbengebung ein ebenso wesentliches Stück der Mahlerey als die Zeichnung selbst“ [258, S. 721]. „Je besser (der Maler) uns täuschet, je mehr rühmen wir von ihm, daß er die Farbengebung bis zur Zauberkraft erhöhet habe“ (ebd. S. 640f.; nach Sulzer [274] Bd. 2 S. 214 verwendete Hagedorn als erster den Begriff Farbengebung). Dabei müssen „gemäßigte und wohlgewählte Farben“ stets durch „überall richtig einfallende Tone der mahlerischen Chromatik“ unterstützt werden [258, S. 790]. Wie de Piles stellte er das Clair-obscur über die eigentliche Farbengebung, wenn er von dieser fordert, sie habe „nach den Regeln dieser Wissenschaft (des Clair-obscur) die natürliche Farbe der Gegenstände ... dar(zu)stellen“ (ebd. S. 647). Hagedorn bestand auf strenger Unterscheidung von „gebrochener Farbe“ und „Mittelfarbe“, die dann entstehe, wenn die Farben nach Art des Regenbogens ineinander übergehen. Mittelfarben sind also „einzelne Tinten, welche den Uebergängen zu Hülfe kommen“ (ebd. S. 679ff.), das Auge gegen den Umriß annehmlich betrügen und über dessen Grenzen hinauslocken (ebd. S. 687). Sie zeigen „die Stufen angenehmer Verhältnisse“, welche nicht allein „wegen der Berechnung der Farben ..., sondern auch wegen der Harmonie im Ganzen“ dasjenige sind, was Plinius mit Tonos (s. Sp. 164) gemeint hat (ebd. S. 688f.). An de Piles knüpfen die Bemerkungen über die Verträglichkeit bestimmter Farbkombinationen an. Während man Blau und Rot niemals nebeneinander setzen sollte, ist das aus der Mischung resultierende Violett „desto geselliger“. Hagedorn gibt de Piles darin recht, daß die Vermischung von Ultramarin und Zinnober eine unangenehme Farbe erzeuge, doch gelte dies nur „in Vergleichung mit dem Schimmer jeglicher einfachen Farbe, aber nicht, so bald die gemischte Farbe in der Unterordnung ihre Nutzbarkeit den besten Farbengebern empfiehlet“ (ebd. S. 711f.). – Auf die in der 51. und 52. Betrachtung entwickelte kritische Geschichte der Farbengebung – vielleicht der älteste Versuch dieser Art – sei hier nur hingewiesen (vgl. auch [269] S. 39; [280] S. 770; [286a] S. 179f.).
Winckelmann blieb in der „Gesch. der K. des Alterthums“, Erster Theil, Dresden 1764 (4. Kap., 2 „Von dem Wesentlichen der K.“), ganz dem Dogma vom Vorrang der Linie verpflichtet. Zwar trägt die Farbe zur Schönheit bei, „aber sie ist nicht die Schönheit selbst, sondern sie erhebet dieselbe überhaupt und ihre Formen“ (ebd. S. 147f.). Winckelmanns Begründung für den Vorrang des Weiß vor den Buntfarben („Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper desto schöner seyn, je weißer er ist“: ebd.) unterstreicht, daß er zur sinnlichen Wirkung der Farbe kein Verhältnis hatte (vgl. auch Horst Althaus, Laokoon, Stoff und Form, Bern und Mchn. 1968, S. 12ff., ferner [283] S. 108f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lessings, durch die Lektüre von Richardsons „Essay“ [238] angeregte Bemerkung, „ob es nicht zu wünschen wäre, die Kunst mit Oelfarben zu mahlen, möchte gar nicht seyn erfunden worden“: Nachlaß zum „Laokoon“; Hugo Blümner, G. E. Lessings Laokoon, Bln. 18802, S. 469; [288] S. 227. In ganz ähnlichem Sinne soll sich später auch Schiller gegenüber Tieck geäußert haben: [286a] S. 185; s. auch Franz Landsberger, Die K. der Goethezeit, K. und K.anschauung von 1750–1830, Leipzig 1931, S. 156f.).
Mengs hat in seinem nachgelassenen „Praktischen Unterricht in der Malerei“ versucht, die Erkenntnisse der Physik mit farbästhetischen Einsichten in Einklang zu bringen.
Von den fünf Hauptfarben werden Weiß und Gelb als helle, Himmelblau und Schwarz als dunkle zusammengefaßt, Rot steht in der Mitte [268, Bd. 2 S. 40]. Mit Leonardo sah Mengs in Weiß und Schwarz zwar „keine eigentlichen Farben“, doch wollte er sie „wegen des großen Nutzens, den sie (dem Maler) hinsichtlich des Lichts und Schattens gewähren, als solche betrachten“ (ebd. S. 13; vgl. [269] S. 41). Die zusammengesetzten Farben sind Goldgelb, Purpurrot bzw. Violett, Grün. An anderer Stelle [268, Bd. 2 S. 30] werden als aus der Mischung der Primärfarben hervorgehende „Farben zweiter Art“ Goldgelb, Grün, Violett, Aschfarb und Grau genannt. Mengs unterscheidet „durchsichtige“ und „undurchsichtige“ Farben, ohne im einzelnen darauf einzugehen. Bemerkenswert ist, daß unter den „dunklen undurchsichtigen“ außer Lack und Elfenbeinschwarz auch Himmelblau genannt wird (ebd.). Die Tatsache, daß eine helle Farbe, dünn über eine dunkle gelegt, diese dunkler und grauer macht, dagegen „die dunkle ... auf eine helle getragen, die Hellung (vermehrt)“, erklärt für Mengs, daß „ein halb durchsichtiger Körper niemals von reiner Farbe an dem erleuchteten Theil (erscheint), wohl aber an dem, wo er von den Lichtstrahlen durchdrungen ist, ohne die Oberfläche dadurch erleuchten zu lassen“ (ebd. S. 31).
Das Kolorit hat nach Mengs nicht allein „die allgemeinen äußerlichen Gestalten farbiger Körper, so wie sie sind“, darzustellen, es muß auch deren „allgemeine und besondere Eigenschaften“ zu erkennen geben und anzeigen, „ob die Gegenstände hart, feucht, trocken u.s.w. sind“ (ebd. S. 30). Besondere Umsicht ist bei den durch Einwirkung des Hell-Dunkels hervorgerufenen Veränderungen der Farbe geboten. So darf Gelb, „die hellste Farbe nach weiß ..., weder ins Grüne noch Goldgelbe fallen. Sobald (es) einen Theil (seines) Lichtes verliert, verliert (es) auch (seine) Schönheit, weil (es) an sich leuchtend ist“. Die lebhafteste Farbe ist Rot, das dann am vollkommensten ist, wenn es „in gleichem Grade von Goldgelb und Violet entfernt ist“ (ebd. S. 37). Rot ist aber auch die „am wenigsten feine Farbe, weil sie ihrer Natur nach weder mit dem Licht noch mit der Finsterniss eine Verbindung hat“ (ebd. S. 44). Sie wird leicht bei Licht und Schatten verdorben, während die Schatten von Himmelblau 'sich sehr leicht flecken' und gern den Widerschein von anderen Farben annehmen (ebd. S. 36f.).
Nur zögernd übernahm Mengs den Begriff der Harmonie, um „die richtige Verwendung“ der Farben zu bezeichnen. „Harmonie herrscht wohl nur in solchen Dingen, die ein Maass haben, sey dies in Hinsicht auf Zeit, Grösse und Ausdehnung ... Um also Harmonie in die Farben zu bringen, müsste man jeder Farbe ein bestimmtes Maass geben; dies ist aber beinahe unmöglich; denn wenn man alle Grade der Refractionswinkel, welche der Lichtstrahl im Prisma bildet, zählen wollte, so würde dazu ein Studium nöthig seyn, das ... dem Maler ... vollkommen unnütz wäre“ (ebd. S. 38). Angemessener scheint deshalb der Begriff der „Übereinstimmung“, des „Accordo“. Nach Mengs hängen „Annehmlichkeit und Schärfe der Farben von der natürlichen Wirkung ab, welche sie in unsern Augen und auf unsere Gesichtsnerven verursachen“ (ebd.). Die hellen Farben sind den vorzüglichsten Stellen des Gemäldes vorbehalten. Soll das Sujet sanfte und angenehme Empfindungen wecken, so ist ein abgestufter Übergang der hellen zu den mittleren angezeigt. Einzelne Farben werden charakterisiert: unvermischtes Rot bleibt „immer rauh, ausgenommen beim Sammt, ... Unter den gemischten Farben ist goldgelb am rauhesten, indem (es) aus einer sehr hellen und einer sehr reinen Farbe zusammengesetzt ist; grün ist die angenehmste, weil sie aus einer sehr hellen und sehr dunklen Farbe besteht, weshalb sie auch die Augennerven bewegt, ohne sie zu ermüden“ (entsprechend schon Wilhelm von Auvergne, s. Sp. 170f.). „Violet ist die stärkste unter den gemischten Farben, weil sie aus der reinsten und der dunkelsten besteht, und daher eine traurige Empfindung erzeugt“ (ebd. S. 39). Grundlage der Harmonie ist auch für Mengs das Hell-Dunkel, mit dem die Farben in Einklang stehen müssen. Gelb, Rot und Himmelblau sollen nie rein verwendet werden. Läßt sich das ausnahmsweise nicht vermeiden, dann muß eine Mischfarbe hinzugesellt werden, etwa Violett neben Gelb, Grün neben Rot, Goldgelb neben Himmelblau (ebd. S. 41). Die dem „Ton der Harmonie“ am meisten entgegengesetzte Farbe soll im Vordergrund angebracht werden, während die am besten mit der allgemeinen Harmonie übereinstimmende sich im Hintergrund „von selbst in dem Ganzen verlieren wird“ (ebd. S. 43). Rot ist dort zu verwenden, „wo die glänzendsten und am meisten hervortretenden Theile hinzukommen haben, indem (es seiner) Natur nach nicht weit zurückgestellt werden kann, ohne mit violet oder goldgelb vermischt zu werden“ (ebd. S. 44). Einheit und Mannigfaltigkeit des Kolorits entstehen, wenn der Maler „unter drei Farben sich zwei gemischter und einer reinen“ bedient (ebd. S. 46).
Die Grundsätze der Farbenharmonie erschließen sich beim Studium der Natur, was an anderer Stelle am Beispiel des Regenbogens erläutert ist: dessen Farben „stehen sehr in Einklang miteinander; nimmt man aber das Rothe, das Blaue oder das Gelbe heraus, so ist die Harmonie zerstört. Dasselbe ist auch bei einem Gemälde der Fall, wenn eine der drei angegebenen Farben fehlt, und zwar weil ihr wahrer Einklang in dem Gleichgewicht der drei Hauptfarben, des Rothen, Blauen und Gelben besteht“ („Über die drei grossen Maler Raphael, Correggio und Titian, wie über die älteren Maler überhaupt“, um 1770: [268] Bd. 1 S. 161).
Zu Mengs' F. vgl. auch [279] S. 119–26 und [293] S. 106ff. und 164–71; [15] S. 75–78.
Eine ausführliche Theorie des Kolorits gibt 1765 Michel-François Dandré-Bardon in seinem „Traité de peinture ...“ [260]. Außer der „Idée générale des principes du Coloris“ werden die „différens caractères“ der Farben, ihre Anwendung, Harmonie und „intelligence“ abgehandelt.
Die Harmonisierung der in der Natur begegnenden widersprüchlichen und bizarren Farbverbindungen im Gemälde ist der „effet de la participation des lumières, da la modification des demi-teintes, de la rupture des ombres et de la justesse des reflets“ (ebd. S. 183). Es muß nicht nur die Auswahl der Farben dem Sujet angemessen sein, sondern auch die handwerkliche Ausführung dem Charakter der Farbe entsprechen: „Un personnage rustique, dont les carnations d'un ton hâlé et grossier, seroient peintes d'un stile agréable et moëleux ... (présenteroit) ... un faire qui n'est point en harmonie avec la couleur“ (ebd. S. 185).
Dandré-Bardon unterscheidet „couleurs capitales“ und „couleurs rompues“. Bemerkenswert ist, daß die „couleurs capitales“ – ihre Zahl wird nicht festgelegt – sowohl alle unvermischten natürlichen Farbstoffe umfassen als auch diejenigen, „que l'industrie forme par des opérations chymiques, ou par tout autre procédé, qu'elle croit utile à la science du Coloris“ (ebd. S. 199f.).
Über die farbästhetischen Ansichten Diderots unterrichten am besten die in den „Essais sur la peinture“ (1765–1766) enthaltenen, von Goethe eingehend besprochenen „Petites idées sur la couleur“ sowie die 1775–1776 niedergeschriebenen „Pensées détachées sur la peinture“, eine Aphorismensammlung, die zahlreiche wörtliche Übernahmen aus Hagedorn enthält (vgl. [290]).
„C'est le dessin qui donne la forme aux êtres; c'est la couleur qui leur donne la vie. Voilà le souffle divin qui les anime“, meint Diderot (Essais ...: [262] S. 674) und macht damit den ganzen Abstand zu Winckelmann deutlich. Ist die Beurteilung der Zeichnung Sache des Künstlers, so kann über die Farbe jedermann urteilen; sie spricht zum Ignoranten ebenso wie zum Kenner (ebd. S. 677; vgl. [294] S. 163). Die Farbengebung ist eine ganz persönliche Sache, abhängig von Auge und Stimmung des Künstlers. Ein zartes, schwaches Auge wird sich mit lebhaften, starken Farben nicht befreunden können [262, S. 675]. Schwierigster Teil des Kolorits ist das Inkarnat, „... ce blanc onctueux, égal sans être pale ni mat; c'est ce mélange de rouge et de bleu qui transpire imperceptiblement“ (ebd. S. 677). Der allgemeine Ton der Farbe sollte schwach sein, um die Harmonie nicht zu gefährden. Auch für Diderot muß dem Kolorit die Skala des Regenbogens zugrundeliegen, „(qui) est en peinture ce que la basse fondamentale est en musique“ (ebd. S. 678; vgl. dagegen „Pensées ...“: „soyez le disciple de l'arc en ciel, mais n'en soyez pas l'esclave“: [262] S. 771). Nur Verachtung hatte Diderot für jene „protocoliers en peinture“ übrig, deren Farbengebung man schon im voraus erraten kann, sobald auch nur ein Gegenstand seine Farbe erhalten hat (ebd. S. 679). Über den Ausdruckscharakter handelt er im 4. Abschnitt der „Essais“. „N'y a-t-il pas un teint plus analogue qu'un autre à certains états, à certaines passions?“ Die blasse, bleiche Farbe schickt sich nicht übel für Dichter, Musiker, Bildhauer und Maler, denn sie sind gewöhnlich gallig (bilieux). „Fondez dans ce blême une teinte jaunâtre, si vous voulez“. Schwarzes Haar verleiht dem weißen Teint Glanz und dem Blick Lebhaftigkeit, blondes verträgt sich besser mit Mattigkeit und Trägheit, mit durchsichtiger feiner Haut, feuchten, zarten blauen Augen (ebd. S. 708; vgl. auch ebd. S. 659–63, [263] Bd. 2 S. 767f., [294] S. 210, [296a] S. 154 bis 165 passim und [234] S. 120ff., 134f.).
Unter Berufung auf das Sonnenspektrum nahm der Abbé Laugier (Manière ..., 1771: [265]) eine Farbenskala an, die von älteren in entscheidenden Punkten abweicht.
„Ce qu'on nomme en physique le spectre solaire, nous apprend en quel degré d'union sont entr'elles les couleurs primitives; nous y voyons le bleu le plus fort, et le rouge le plus vif, occuper les deux extrêmités de l'échelle; d'où il faut conclure que ces deux couleurs sont entr'elles de la plus grande opposition. Dans les degrés intermédiaires, les oppositions sont moindres, parce que les distances se rapprochent; et le verd occupant le centre, devient la couleur la plus douce, et la moins antipathique de toutes. Le blanc et le noir ont encore plus d'opposition ensemble que toutes les autres couleurs, parce qu'ils sont comme la lumière et les ténebres, et par conséquent de la plus grande incompatibilité“ [265, S. 149f.]. Der Maler hat sich um die Nachahmung des von der Natur gegebenen Kolorits zu bemühen – ein Ziel, das nur angestrebt, aber nie erreicht werden kann (ebd. S. 150). Dabei sollen nur gebrochene Farben Verwendung finden. Großen Wert legt Laugier auf die Behandlung der „rehauts“, denn diese sind es, die den „ton de la couleur“ bestimmen und „pour ainsi dire, le(s) point(s) de ralliement“ sein müssen, „au(x)quel(s) toutes les dégradations de teinte doivent s'accorder“ (ebd. S. 154).
Joshua Reynolds warnt im vierten „Discourse“ (1771) davor, in „Colouring“ lediglich einen mechanischen Teil der Malerei zu sehen. Auch die Farbengebung habe ihre Regeln „and those grounded upon that presiding principles which regulates both the great and the little in the study of a painter“ [253, Bd. 1 S. 349].
Der Eindruck der „grandeur“ stellt sich nur ein, wenn der Künstler „all trifling, or artful play of little lights, or an attention to a variety of tints“ vermeidet (ebd.). Allein der Atem der einheitlichen (uniform) und einfachen Farbe kann dem Bild „quietness and simplicity“ geben. „Grandeur“ läßt sich auf zweierlei Weise erreichen. Entweder beschränkt sich das Kolorit „to little more than chiaro oscuro“, wie es die Bolognesen praktizierten, oder die Farben werden „very distinct and forcible“ verwendet. So eignet den Werken der römischen und der florentiner Schule zwar nicht jene Art der Harmonie, welche aus der Vielfalt gebrochener Farben hervorgeht, doch sichern „the distinct blue, red and yellow colours“ auch ihnen den Effekt der „grandeur“ (ebd. S. 350, vgl. auch Bd. 2 S. 337f.). So sehr eine ausgeklügelte Farbenharmonie, der Glanz einzelner Tönungen, weiche und abgestufte Übergänge dem Auge schmeicheln mögen – die Malerei sollte doch niemals „merely a gratification of the sight“ sein. „Such excellence, though properly cultivated, where nothing higher than elegance is intended, is weak and unworthy of regard, when the work aspires to grandeur and sublimity“ (ebd. Bd. 1 S. 357f.; vgl. auch [296] S. 178f.). Praktische Ratschläge für die Handhabung des Kolorits finden sich in Reynolds' 1780 entstandenem, 1783 veröffentlichtem Kommentar zu Dufresnoys „De arte graphica“. Danach müssen die dominierenden Farben „of a warm mellow kind, red or yellow“ sein, während die kalten, wie Blau, Grau oder Grün, nur als Folie oder in den Randzonen Verwendung finden dürfen, um die „mellow colours“ besser hervortreten zu lassen (Kommentar zu den Versen 346ff.: [253] Bd. 2 S. 335).
In Wilh. Heinses kunsttheoretischen Schriften fand die Reaktion des Sturm und Drang auf die Position Winckelmanns und Lessings ihren Niederschlag. „Das Kapitel von der Farbengebung ist unerschöpflich“, heißt es in den Düsseldorfer Gemäldebriefen, die Heinse 1776 bis 1777 im „Teutschen Merkur“ erscheinen ließ.
Mit de Piles (vgl. [269] S. 87 und [292] S. 95, dagegen [297] S. 80 Anm. 68) sieht er in der Malerei vorab die „Darstellung der Dinge mit Farben“. „Die Farben sind dem Maler ... das, was die Worte dem Dichter und die Töne dem Virtuosen sind, also Stoff – die Bedeutung (ist) das Wesen“ („Von der Mal. und der Schönheit“: [269] S. 111ff., vgl. auch Rud. Kaufmann, Der Renss.begriff in der dt. Kg.-schreibung [= Schweizer. Beitr. zur Kg., 1], Winterthur 1932, S. 37). „Malen ist malen, und zeichnen zeichnen. Ohne Wahrheit der Farbe kann keine Malerei bestehen, eher aber ohne Zeichnung. Das Zeichnen ist bloß ein notwendig Übel, die Proportionen leicht zu finden, die Farbe das Ziel, Anfang und Ende der Kunst“ (Ardinghello: [272] S. 12). Auch für Heinse ist die Darstellung des Sublimen eine Aufgabe der Malerei. Aber: „... das Hohle und das Erhabene, Dunkle und Helle, das Harte und Weiche und Junge und Alte, wie kann man es anders herausbringen als durch Farbe?“ (ebd. S. 12f.; vgl. auch Wilh. Waetzoldt, Dt. K.historiker, Bd. 1: Von Sandrart bis Rumohr, Lpz. 1921, S. 101 und 119; [282] S. 35 und 40ff.; [297] S. 79–84 und passim).
Für Heinr. Füßli (Aphorismen, 1788?) zerfällt die Farbe – das sinnliche aber auch vergängliche Element der Malerei ([275] Bd. 3, Aphorismus 176: [289] S. 68 Anm. 210 und [275] Bd. 2 S. 305: [289] a.a.O. Anm. 211) – in zwei „essential parts“, „Imitation“ und „Style“: „It begins in glare (Glanz), is caught by deception, emerges to imitation, is finished by style and debauched by manner“ ([275] Bd. 2 S. 338, zit. nach [289] S. 69). – Zur F. Füßlis vgl. ebd. S. 68–71.
In seinen „Essays on ... Taste“ (1790: [272b]) fragt Archibald Alison nach den Gründen, warum eine Farbe als schön empfunden wird.
Die meisten Farben sind für uns mit bestimmten Vorstellungen verknüpft. Die Assoziationen lassen sich unterteilen in: „1st, Such as arise from the nature of the objects thus permanently coloured; 2dly, Such as arise from some analogy between certain Colours, and certain Dispositions of Mind; and, 3dly, Such as arise from accidental connexions, whether national or particular“ (ebd. Bd. 1 S. 295).
Nach Alison gibt es kein absolutes Schönheitsempfinden. Die Wertschätzung der Farben hängt vielmehr ab von den symbolischen Bedeutungen, die wir ihnen beilegen, aber auch von unserer inneren Verfassung (ebd. S. 303). Unsere Urteile unterliegen wechselnden Normen. Bei Gegenständen der Natur empfinden wir die vertrauten Farben als die schönsten, „because no other colours could be expressive to us of those qualities which are the sources of our Emotion from such objects in Nature“. Es gibt keine einzige Farbe, die uns in allen Zusammenhängen als schön erscheint, und umgekehrt büßt jede Farbe ihre Schönheit ein, sobald die Assoziationen, die wir mit ihr verbinden, entfallen. „... Beauty of such qualities arises from their Expression, and not from any original fitness in them to produce this Emotion“ (ebd. S. 309f., vgl. auch Bd. 2 S. 221–44 und S. 263–97; dazu [286b] S. 171, 178).
Das seit der Antike immer wieder laut gewordene Mißtrauen gegen die sinnliche Verführungskraft der Farbe begegnet uns am Ausgang des Jh. in Kants „Kritik der Urteilskraft“ (Riga 1790) wieder.
Da die Farben, „welche den Abriß illuminieren, ... zum Reiz (gehören), ... können sie (den Gegenstand an sich) zwar für die Empfindung beliebt, aber nicht anschauungswürdig und schön machen, vielmehr werden sie ... selbst da, wo der Reiz zugelassen wird, durch die schöne Form allein veredelt“ (§ 14: [272a] S. 90). Schön sind die Farben nur, insofern sie rein sind; doch das Reine ist eine Bestimmung, „die schon die Form betrifft“ (ebd. S. 88; vgl. auch § 51 bis 53, dazu [288] S. 224f.).
Anders als in der „schönen K.“ gestattet nach Kant in der „schönen Natur“ der Reiz der Farbengebung Reflexionen auch auf die Form dieser Modifikation des Lichts.
Die Farben der Natur offenbaren ihren höheren Sinn, insofern sie in uns bestimmte Ideen hervorrufen. „So scheint die weiße Farbe der Lilie das Gemüt zu Ideen der Unschuld, und nach der Ordnung der sieben Farben, von der roten an bis zur violetten, 1) zur Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit, 3) der Freimütigkeit, 4) der Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit, und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen“ (§42: [272a] S. 200; vgl. auch [286a] S. 180–84 und [219] S. 147f.).
Kant folgend, ließ Wilh. von Humboldt in seiner Betrachtung „Über Goethes Hermann und Dorothea“ (1798) die Zeichnung „die höheren intellectuellen Kräfte“, das Kolorit „die niedrigeren sinnlichen“ ansprechen (Albert Leitzmann, W. v. H. Werke [= W. v. H., Gesammelte Schriften, hrsg. von der kgl. Preuß. Akad. der Wiss., II, 1. Abt.], Bd. 2, Bln. 1904, S. 167). Die Linie ist das „zeigende“, „objektive“ Element, das Kolorit das „stimmende“, „subjektive“.
„Die Farbe ... kann der Phantasie keinen bestimmten Gegenstand geben; sie kann nur ... ihre Stimmung determiniren und mit mehreren in harmonischer oder disharmonischer Folge dieselbe verändern und durch einen gewissen Rhythmus hindurch führen“ (ebd. S. 168f.). Es rührt wohl von Humboldts unscharfer Verwendung des Begriffs der Empfindung her, daß für ihn die bloße Farbe das eine Mal „so frisch, lebendig und sinnlich (ist), daß sie allein Empfindungen zu wecken“ vermag {ebd. S. 167, Anm.), sie gleichwohl kurz darauf für ungeeignet erklärt wird, „einen wirklichen Gegenstand, die Empfindung“, hervorzubringen (ebd. S. 169; zur F. Humboldts vgl. [278] S. 133f.).
Während Wackenroder in den „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ (Bln. 1797) für die Farbe als bildkünstlerisches Mittel wenig Interesse aufbrachte (vgl. [276a] S. 6 und [289a] S. 115), ließ Ludwig Tieck seinen Sternbald angesichts der Werke Tizians und Correggios verwundert fragen, wie man, „wenn man diese Bilder gesehen hat, ... noch vom Kolorit geringschätzig sprechen“ könne.
„Eine Zeichnung mag noch so edel sein, die Farbe bringt erst die Lebenswärme, und ist mehr und inniger, als der körperliche Umfang der Bildsäule“ (Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdt. Gesch., Bln. 1798: [275a] S. 384, vgl. auch [327] S. 61 und Karl Brömel, L. T. K.anschauungen im „Sternbald“, Weida 1928, S. 55f.). In den 1799 hrsg. „Phantasien über die Kunst“ [275b] suchte Tieck, frei von kunsttheoretischen Erwägungen, dem Wesen der Farbe nachzuspüren. In der einzelnen „abgesonderten“ Farbe – „freundliche Zugabe zu den Tönen in der Natur“ – sprechen die Naturgeister zu uns „wie die Himmelsgeister in den verschiedenen Tönen der Instrumente“. Glauben wir auch, in der Farbe uns selbst zu erkennen, so sind wir doch außerstande, ihre Wirkung auf unser Empfinden in Worte zu fassen (1. Abschnitt, IX: ebd. S. 54; zur F. Tiecks: [327] S. 87f., [322b] S. 20f., [330] S. 406 und [289a] S. 125–32.
Benjamin Thompson, Count Rumford, teilte 1794 vor der Royal Soc. eine wichtige Beobachtung zur Farbigkeit der Schatten mit, die auch wegen der vermutlich erstmaligen – von der heutigen allerdings abweichenden – Verwendung des Begriffs der „Komplementärfarbe“ von Interesse ist.
Nach Rumford ist der Schatten, den ein mit gefärbtem Licht beleuchteter undurchsichtiger Körper wirft, von gleicher Intensität wie der Schatten, der bei farblosem Licht entsteht. Während jedoch jener die Farbe des Lichts aufweist, erscheint dieser „as deeply coloured as the other, but of a different hue“ (Conjectures Respecting the Principles of the Harmony of Colours, zit. nach [343] S. 360). Die Farben beider Schatten scheinen vollkommen zu harmonieren, „or ... to afford the most pleasing contrast to the view“, so daß, nach Rumford, die Farbe des einen Schattens füglich als das „complement“ des anderen bezeichnet werden darf. Verfährt der Künstler nach diesen auf „sound philosophical principles“ beruhenden Einsichten, so kann er dem Bild „a great degree of force and brilliancy“ verleihen. „For, if any, and every simple: and compound colour has such a power on objects near it as to cause a neighbouring colourless shadow to assume the appearance of a colour, there can be no doubt but that, if, instead of the shadow, a real colour, nearly of the same tint and shade, as that so called up, be substituted in its place, this colour will appear to great advantage, or will assume an uncommon degree of strength and brightness“ (ebd.).
VII. 1. H. 19. Jh.
Die F. der 1. H. des 19. Jh. steht im Zeichen einer Reihe umfassender, z. T. betont spekulativer Entwürfe und Systeme, die gleichermaßen auf die Ordnung und die ästhetische Wirkung der Farben abheben. Ihr Einfluß war beträchtlich (Goethe, Chevreul u. a.), und die Behauptung, es lasse sich von den Malertheorien her beweisen, „daß die Fortschritte und die Wandlungen der Mal. im 19. Jh. bewußter vollzogen wurden als in der vorhergehenden Zeit“ [335, S. 540], trifft im Kern etwas Richtiges.
In der F. Herders (Kalligone, ..., 1800 [298]), die man zutreffend als Teil einer „allgemeinen Ästhetik des Leichtsinnes“ (Jacoby) charakterisiert hat, „(bestimmt) sich die ästhetische Besonderheit jeder einzelnen Farbe durch ihre physikalische Stellung im Spektrum“ [277, S. 168].
Weiß, der „Repräsentant des Lichts“, ist die angenehmste Farbe, Rot wirkt als „das schnellste, das ich zuerst sehe“, Blau, „das schwerste und bleibendste“, ist in gleichem Maße wohlgefällig. Nicht näher charakterisiert wird Grün, während Gelb „ein Caricato der Lichtfarbe“ ist. Unvermischt sind die Farben dem Auge am angenehmsten, alle grauen, schmutzigen, „insonderheit wo das schöne Weiß und Roth befleckt erscheint (das festere Blau kann mehr ertragen)“, erregen ebenso Mißfallen wie die „zu bunt gemischten, verworrenen“ ([298] S. 93ff.; vgl. [277] S. 168–71, [288] S. 172, Horst Althaus a.a.O. [s. Sp. 224] S. 70 und [15] S. 126).
In der Kunstlehre Aug. Wilh. Schlegels (1801–1802; [299]) werden Farbe und Form als untrennbare Einheit gesehen.
Schlegel suchte zunächst, das Verhältnis von Clair-obscur und Kolorit zu bestimmen. Da er dieses mit den „Zaubereyen des Helldunkels“ aufs engste verschwistert sah, schien ihm auch die Harmonie der Farben nicht zum geringsten Teil das Ergebnis ‚einer gewissen sich nur allmählich abstufenden Beleuchtung' [299, S. 195]. Gegen Diderots These von Licht und Luft als den „universalen Harmonisten“ machte er mit Goethe (vgl. Sp. 236) geltend, daß die Harmonie mehr von der Art als vom Grad der Farben abhänge und das Helldunkel leichter zur „Nullität als zur Harmonie“ führe (ebd. S. 196). Für Schlegel beruhte die Vollkommenheit der Farbengebung auf deren Wahrheit und Harmonie. „Die Farben sind keine zufällige Eigenschaft, sondern sie gehen aus dem innern Wesen der Körper hervor“ (ebd. S. 198f.). Ihr Ausdruck stimmt überein mit den geistigen Eindrücken, die sie in uns hervorbringen. „Alles dieß ist unstreitig in der Natur unserer Empfindungen gegründet, und der Mahler, der es bewußter oder unbewußter Weise beobachtet, kann den wichtigsten Nutzen davon ziehen. Er wird sein Bild auf alle Weise angemessen charakterisiren, und das Gemüth, schon ehe es den Gegenstand näher kennen gelernt hat, auf gewisse Weise stimmen“ (ebd. S. 199; vgl. S. 127 und S. LVI–LX [Kommentar]).
Angeregt von Raffaels „Madonna mit dem Diadem“ (Luitpold Dussler, R., A Critical Cat. of his Pictures, Wall-Paintings and Tapestries, London und New York 1971, S. 28f., Abb. 74), die ihm in der Art der „mehr dichterischen als mahlerischen Zusammenstellung und Construction der Farben“ für diesen Künstler typisch schien, kam Friedr. Schlegel 1802 (Gemähldebeschreibungen aus Paris und den Niederlanden, Erste Sendung, in: [300]) zur Unterscheidung zweier Grundprinzipien der Farbengebung.
Er hielt Raffaels „Neigung zu reinen Massen der entschiedensten rothen, grünen, oder weißen Farbe, die dann wie zu reinen Accorden, ohne alle Dissonanz verschmolzner und bläulicher Schattirungen, einfach verbunden sind, welche Manier für die bloß fantastisch kühne und großartig umfassende oder auch grottesk fröhliche Mahlerei, wenn es eine solche gäbe, eben so angemessen ..., als die Verschmelzung aller nicht einfachen, sondern gleichsam dissonirenden Farben, wie im Corregio ... für die sentimentale Mahlerei“ [300, S. 46]. Die „eitlen Bemühungen, nach einer unbefriedigenden Classification“ in Zeichnung, Licht, Charakter und Farbe „das trennen zu wollen, was ewig zusammengehört, und nur in Einheit wirken kann“, weist Schlegel entschieden zurück – verrät sich darin doch das Unvermögen des Betrachters, „die individuelle Absicht jedes Werkes ... zu ergründen“ (Gemähldebeschreibungen ..., Zweite Sendung, 1803: ebd. S. 59). Lehnte er auch die theoretische Unterordnung der Farbe unter die Zeichnung ab, so redete er doch keineswegs einer sensualistischen Auffassung das Wort. Der „magische Farbenschleier“ ist der Malerei gegeben, „eine reizend verhüllende und zart andeutende K.“ zu sein, „nicht aber um mit dem Zauber einer täuschenden Carnation an wollüstigen Gestalten, durch das Auge der Fantasie auch das mitfühlende Blut zu entzünden und dadurch selbst allen künstlerischen Eindruck aufzuheben“ (Gemähldebeschreibungen..., Dritte Sendung, 1804: ebd. S. 121). So muß denn die malerische Schönheit, „welche die körperliche Form nur im Umriß errathen lassen kann“, auch wenn sie „das Eigenste und wahrhaft Geistige im Sinnlichen zu ergreifen und in ihrem Farbenspiegel magisch fest zu halten vermag ... durchaus eine eigenthümliche sein im Idealischen“ (Gemähldebeschreibungen ..., Vierte Sendung, 1804: ebd. S. 136; vgl. auch [327] S. 86 bis 89).
1805 suchte M. Gartside im Anschluß an Newton und Harris die Systematik der Farbenharmonie am Modell einer Kugel zu entwickeln [301].
In Abweichung von der im Prisma erscheinenden Reihenfolge finden wir die Farben nach ihrem Helligkeitsgrad angeordnet. Gelb als die für das Auge am meisten hervortretende steht im Zentrum, es folgen Orange, Rot, Violett, Indigo, Blau und Grün. Gartside weist jeder Farbe eine bestimmte Proportion zu, nach welcher sich die Breite der einzelnen Farbkreise auf der Oberfläche bemißt. Danach haben Gelb 60, Orange 27, Rot 45, Violett 80, Indigo 40, Blau und Grün je 60 Grad (vgl. [284] Abb. 3). Überzeugt, damit ein für die künstlerische Praxis verbindliches Modell entwickelt zu haben, erläutert Gartside: „... for instance, there are 48 degrees of yellow to 27 of orange ... therefore there should be the same proportion of them in a picture, in all the different gradations observable in the spectrum ... fear of destroying the balance of the warm and cold colours, the latter of which, if summed up, bear just a double proportion to the warm, reckoning green in, for there are of the cold 240, of the warm 120 degrees; and, I believe, the nearer this proportion is kept to, in a picture, the more harmonious it will be“ ([301], zit. nach [284] S. 229).
Subjektive Zeugnisse von großer Unmittelbarkeit enthalten die Briefe der Nazarener.
Friedr. Overbeck schrieb am 5. 2. 1808 seinem Vater, seine Freunde und er fänden es „abgeschmackt“, die Farben „blos nach der geringeren oder größeren Harmonie“ anzuordnen. Vielmehr gelte es, die Kombinationen so zu wählen, daß durch sie Charaktereigenschaften ausgedrückt werden könnten. „Da fanden wir denn z. B., daß ... braunes Haar mit Grün und Violett Putzliebe, blondes Haar mit Grau und Karmesinrot weibliche Sanftmut und Liebenswürdigkeit, oder vielmehr die wahre Weiblichkeit ausdrücke ... und so fort“ ([325] S. 98f.; vgl. die Tagebuchnotiz vom 11. 9. 1811 bei [321] Bd. 1 S. 174). Auch der naivere Pforr wollte „den Charakter der Farben, mehr als man getan hat, mit der Malerei ... verbinden“ und an Stelle einer nur dem Auge schmeichelnden Ordnung der Farben die „Harmonie des Menschen ... mit den Farben seines Gewandes“ hervorbringen (Brief vom 9. 8. 1808 an Passavant: Herm. Uhde-Bernays [Hrsg.], Künstlerbriefe über K., Bekenntnisse von Malern, Architekten und Bildhauern aus 5 Jhh., Dresden 1926, S. 391f.), mußte aber bekennen, daß sich über die Charaktere der Farben „nichts Systematisches sagen“ läßt. So kann „schwarzes Haar (bei Weibern) zweierlei Hauptzüge kenntlich (machen), entweder Stolz und Kälte oder Munterkeit und Fröhlichkeit“ (Brief vom 24.9.1808: ebd. S. 392ff., [326] S. 276f.). Es macht den Reiz dieser Mitteilungen aus, daß sie – von verwandten Bemühungen der älteren Kunsttheorie (Lomazzo u. a.) offenbar unabhängig – das Fazit aus sehr handfesten privaten Lebenserfahrungen zu geben scheinen.
1810 erschien Goethes Schrift „Zur F.“, die universalste und tiefste Darstellung, die der Gegenstand bis heute gefunden hat. Goethe, der seiner F. größeres Gewicht beimaß als seinem dichterischen Werk (Bemerkung zu Eckermann am 19. 2. 1829: zit. bei [307] S. 10), hoffte durch die Einbeziehung aller Zweige der Naturlehre zu einer „vollkommeneren Einheit des physischen Wissens“ zu gelangen. Schon 1798 war er davon überzeugt, daß die „Geschichte der F. ..., wie natürlich, die Geschichte des menschlichen Geistes im Kleinen“ sei (Brief an Wilh. von Humboldt vom 7. 2. 1798: zit. nach [15] S. 6).
Goethe hat von 1791 bis zu seinem Tod sich mit Problemen der F. befaßt (Schr.-Verz, bei [336] Sp. 2263f.). Hier sind allein seine Erörterungen über das ästhetische Phänomen Farbe zu behandeln – so unbefriedigend es auch ist, einen Teilaspekt aus dem Ganzen herauszulösen.
Der vergleichsweise bescheidene äußere Umfang, den die künstlerische Funktion der Farbe in Goethes didaktischen und historischen Abhandlungen (vgl. [305] und [3]) beansprucht, hat oft vergessen lassen, daß sie es war, von der Goethes Studien ausgingen.
Goethe glaubte, „daß man den Farben, als physischen Erscheinungen, erst von der Natur beikommen müsse, wenn man in Absicht auf Kunst etwas über sie gewinnen wolle“ („Konfession des Verfassers“: [305] Textbd. S. 503; vgl. auch „Beitr. zur Optik, I“ [1791], § 18: ebd. S. 67). Schon während der Italienreise beunruhigte ihn seine und der Künstler Ratlosigkeit in den Dingen des Kolorits. Bei den Lebenden drehten sich „Helldunkel, Kolorit, Harmonie der Farben immer in einem wunderlichen Kreise ... durcheinander“, und aus den Lehrbüchern älterer Autoritäten – Goethe nennt Lairesse und Sulzer – war kein Gewinn zu ziehen. „Was man ausübte, sprach man als technischen Kunstgriff, nicht als Grundsatz aus. Ich hörte zwar von kalten und warmen Farben, von Farben, die einander heben, und was dergleichen mehr war; allein bei jeder Ausführung konnte ich bemerken, daß man in einem sehr engen Kreise wandelte, ohne doch denselben überschauen oder beherrschen zu können“ („Konfession ...“ [305] S. 502; vgl. auch „Zugabe“, ebd. S. 349).
Entscheidende Gedanken der späteren F. begegnen bereits im Ersten Stück der „Beitr, zur Optik“ (Weimar 1791). Goethe, für den das Verhältnis der Farben zu Licht und Schatten das schwierigste Problem der Farbengebung war (ebd. § 19: [305] S. 68), sah die Farbe aus dem beständigen Streit zwischen Licht und Finsternis hervorgehen (ebd. § 24 und 26: [305] S. 69; vgl. auch § 44: ebd. S. 73). Farbe ist die nicht durch das Gefühl erkennbare Eigenschaft der Körperoberfläche. „In diesem allgemeinen Sinne nennen wir Schwarz und Weiß so gut als Blau, Gelb und Rot mit allen ihren Mischungen eine Farbe“ (ebd. §25: ebd. S. 69); doch schränkte Goethe selbst ein, daß das reine Weiß und das reine Schwarz als „Repräsentanten“ des Lichts bzw. der Finsternis keine Farben seien „in jenem Sinne, wie wir die prismatische Erscheinung farbig nennen“ (ebd. § 29: ebd. S. 70). Grau repräsentiert, nach ebd. § 94 (ebd. S. 90), den Schatten. Nur zwei der „eigentlich farbigen Erscheinungen“, Gelb und Blau, geben uns einen ganz reinen Begriff, während Rot „entweder zum Gelben oder zum Blauen hinneigt“ und daher nie in ganz reinem Zustand begegnet (ebd. § 30f.: ebd. S. 70).
Drei entwicklungsgeschichtlich bedeutsame, von Goethe gleichwohl nicht veröffentlichte Schriften entstanden 1793.
In der wenig bekannten Betrachtung über „Einige allgemeine chromatische Sätze“ vom 21.7. wird hervorgehoben, daß der Maler, insofern er die Farbe „zu ästhetischen Zwecken“ gebrauche, „höher (stehe) als alle, die sich mit Farben beschäftigen“ [305, S. 114]. Er hat zu unterscheiden: „1. Licht und Schatten, hell und dunkel; 2. Lokalfarbe, Farbe des Gegenstandes ohne Zusammenhang; 3. apparente Farbe. Die Lehre von der Mäßigung des Lichts und den farbigen Schatten studiert er aufs genaueste; 4. Farbengebung. Harmonische Verbindung der Farben durch Zusammenstellung und Vereinigung der Lokal- und apparenten Farben; 5. Ton. Allgemeine Farbe, die über ein ganzes Bild herrscht“ (ebd.).
Der Aufsatz „Über die Einteilung der Farben und ihr Verhältnis zueinander“ führt den Gedanken näher aus, daß nur Gelb und Blau als ganz reine Farben, „ohne an etwas anderes zu erinnern, von uns wahrgenommen werden“ ([305] S. 116, vgl. dazu S. 41 und [329] S. 115). Zwar schließen sie sich in ihrer reinen Existenz gegenseitig aus, doch haben sie „eine Neigung gegen einander als zwar entgegengesetzte aber nicht widersprechende Wesen ... Neben einander gestellt machen sie einen angenehmen Eindruck aufs Auge, (als Grün) mit einander vermischt befriedigen sie den Blick“ [305, S. 116]. Beide Farben werden mit zunehmender Intensität nicht nur dunkler, sondern nehmen darüber hinaus „einen gewissen Schein an, der, ohne daß die Farbe heller werde als vorher, sie lebhafter macht ... Wir nennen diesen Effekt Roth“ (ebd. S. 117). Goethe sah zunächst in Rot keine eigene Farbe, sondern lediglich eine potentielle Eigenschaft von Blau und Gelb, einen „Zustand, in den sie versetzt werden können ... durch Verdichtung, durch Aneinanderdrängung ihrer Teile“ (ebd. S. 117; vgl. auch „Zur F.“ § 150: ebd. S. 210 und § 699: ebd. S. 313). Aus der Vermischung des Gelbroten mit dem Blauroten entsteht Purpur, „eine Farbe ..., welche alle übrigen an Pracht ... übertrifft“ (ebd. S. 117). Somit ergeben sich (auch in einem Farbenkreis darstellbar) folgende Verbindungen:
Purpur | |
/____/\____\ | |
Gelbrot | Blaurot |
Gelb | Blau |
\____\/____/ | |
Grün |
Verschränkt stehende Farben wie Purpur-Grün erzeugen vermischt einen schmutzigen Ton. Im „Versuch, die Elemente der F. zu entdecken“ (mit der vorgenannten Schrift teilweise identisch), kommt der ‚merkwürdige Umstand' zur Sprache, daß bei Zusammenmischung aller Farben des Schemas eine „Unfarbe“ entsteht, die „uns völlig den Begriff von Grau gibt“ (Nr. 27: ebd. S. 125). Mit dem Grau sind alle Buntfarben insofern vergleichbar, als sie ausnahmslos dunkler als Weiß und heller als Schwarz sind (Nr. 28: ebd.; vgl. auch die Bestimmung der Farben als „Halblichter“ bzw. „Halbschatten“ in der Einleitung von „Zur F.“: ebd. S. 178). Goethes psychologisches Interesse erweist sich in der Beobachtung der von der Farbe ausgehenden Wirkung: während Weiß allein mit der Helligkeit wirkt, geht von den farbigen Körpern eine „reizende Energie“ aus, die benachbartes Weiß „gleichgültig“ erscheinen läßt (Nr. 31: ebd. S. 125f.).
1798 übersetzte und kommentierte Goethe Diderots „Essais ...“ (s. Sp. 226f.); die Bedeutung dieser Kritik [263, Bd. 1 S. 716–37] für Goethes weitere Forschungen wird oft verkannt, obwohl der Leser darin ausdrücklich auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet wird „bis wir ihm sowohl über die F. überhaupt als über das malerische Kolorit im besonderen das Beste, was wir haben und vermögen, in gehöriger Form und Ordnung mitteilen und überliefern können“ (ebd. S. 737; vgl. auch ebd. S. LXXVII f. und Bd. 2 S. 768).
Goethe räumte ein, daß Diderots Aufsatz „mehr einen hist. Ausleger verlangt als einen Gegner auffordert“ [263, Bd. 1 S. 698] – allein sein Engagement war beträchtlich. Kennt auch das Kolorit als „eine Erscheinung, die nur ans Gefühl Anspruch macht und also auch durchs Gefühl instinktmäßig hervorgebracht werden kann“ (ebd. S. 719), weder Theorie noch Prinzipien, so ist es doch keineswegs, wie Diderot meinte, jedermanns Sache, darüber zu urteilen [262, S. 674]. Der echte Kolorist ist „Derjenige, welcher die Farben der Gegenstände am richtigsten und reinsten, unter allen Umständen der Beleuchtung, der Entfernung usw. lebhaft faßt und darstellt und sie in ein harmonisches Verhältnis zu setzen weiß“. Die Veränderung der Farbe durch Licht, Schatten und Entfernung ist ihre „Wahrheit“, während ihre Harmonie auf einer „inneren Wirkung und Gegenwirkung“ des Auges beruht, „nach welchem eine gewisse Farbe die andere fordert“ [263, Bd. 1 S. 721]. Nur selten erweist sich das Wahre in der Natur als harmonisch, und so muß das Kolorit den Ausgleich schaffen. „Die Farbe allein macht das Kunstwerk wahr, nähert es der Wirklichkeit“, während die Darstellung der Form ohne Farbe nur symbolisch ist (ebd. S. 722). Bei der Entschiedenheit, mit der Goethe Helldunkel und Kolorit auseinanderzuhalten bestrebt war (ebd. S. 726), überrascht es nicht, daß er auf Diderots mehr beiläufige Bemerkung, Luft und Licht seien in der Malerei die „universalen Harmonisten“ ([262] S. 678; in diesem Sinne auch Sulzer [274] Bd. 1 S. 481), ausführlich replizierte: was die vermittelnde Abschwächung der Farben durch Luft und Licht bewirkt, darf nicht als Harmonie mißverstanden werden, denn diese wird „durch Zusammenstellung von gefärbten Gegenständen äußerlich hervorgebracht“ [263, Bd. 1 S. 726]. Das „Dämpfen, ... Mischen, ... Töten der Farben“ nimmt dem Kolorit das Auszeichnende und macht es unbedeutend (ebd. S. 732). Der Regenbogen ist nur scheinbar das Fundament der Harmonie, in Wahrheit untersteht auch er den Gesetzen einer „höheren, allgemeinen Harmonie“ (ebd. S. 728).
Im Didaktischen Teil des Hauptwerks „Zur F.“ (z.T. seit 1806 im Druck, erschienen 1810: [305] S. 166) erörterte Goethe das Verhältnis von Licht und Farbe: Farben sind „Taten und Leiden“ des Lichts (Vorwort: ebd. S. 168); sie werden von Licht und Finsternis (bzw. „Nichtlicht“) erzeugt (Einleitung: ebd. S. 177), deren Polarität der Ausgangspunkt von Goethes F. ist (ebd. S. 49 und [15] S. 213).
„Zunächst am Licht“ entsteht Gelb, „zunächst an der Finsternis“ Blau ([305] S. 177; vgl. auch 150f.: ebd. S. 210). Aus der gleichgewichtigen Mischung beider geht Grün hervor (ebd.; vgl. § 698f., wo Grün als das „angenehm Bemerkbare“ bestimmt ist: ebd. S. 313). Rot entsteht durch Verdichtung bzw. Verdunkelung von Gelb und Blau, in seiner reinen Form („vorzüglich in physikalischen Fällen“) durch Vereinigung des Gelbroten und des Blauroten (ebd. S. 178; vgl. auch §707f.: ebd. S. 313). Von dieser „lebendigen Art der Farbenerscheinung und -erzeugung“ unterschied Goethe ein weiteres Verfahren: man nimmt zum „spezifiziert fertigen Blauen und Gelben ein fertiges Rot“ an und bringt „rückwärts durch Mischung“ hervor, was „vorwärts durch Intensieren“ bewirkt wurde (ebd. S. 178). Die Farbe, „jederzeit spezifisch, charakteristisch, bedeutend“ (§ 695: ebd. S. 312), stellt einen polaren Gegensatz dar, den Goethe mit Plus und Minus bezeichnet. Auf der Plusseite steht Gelb, das mit „Wirkung, Licht, Hell, Kraft, Wärme, Nähe, Abstoßen“ in Verbindung gebracht wird, auf der Minusseite Blau, dem „Beraubung, Schatten, Dunkel, Schwäche, Kälte, Ferne, Anziehen“ sich zuordnen lassen (§ 696: ebd.).
Goethes vornehmste Absicht war es, auf phänomenologischem Wege die „sinnlich-sittliche Wirkung“ der einzelnen Farbe „auf den Sinn des Auges ... und durch dessen Vermittlung auf das Gemüt“ zu erhellen und auf dieser Basis die K.theorie der Farbe zu begründen. Für ihn stand fest, daß die Farbe „einzeln eine spezifische, in Zusammenstellung eine teils harmonische, teils charakteristische, oft auch unharmonische, immer aber eine entschiedene und bedeutende Wirkung hervorbringe, die sich unmittelbar an das Sittliche anschließt“ (§758: ebd. S. 325f.). Die Farben werden in erster Linie als „Bewußtseinsinhalte von sinnlichen Qualitäten“ [329, S. 111] verstanden, der Schwerpunkt damit ins Psychologische verlegt. Gelänge es, „von der Seite der ästhetischen Oberfläche in die F. hereinzukommen“, so würde es auch möglich sein, die Farben „dem Kunstgebrauch“ anzunähern (Einleitung: [305] S. 180; vgl. auch § 879: ebd. S. 343 und § 900: ebd.S. 345f.).
Gelb, Rotgelb (Orange) und Gelbrot (Mennig, Zinnober) sind Farben der Plusseite; „sie stimmen regsam, lebhaft, strebend“ (§ 764: ebd. S. 326). Gelb, das „in (seiner) höchsten Reinheit immer die Natur des Hellen (mit sich führt), besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft“ (§ 766: ebd. S. 327), wirkt „prächtig und edel“, macht einen „warmen und behaglichen Eindruck“ (§ 767f.: ebd.). Am Beispiel dieser Farbe wird dargelegt, wie sehr die ästhetische Erfahrung von der Qualität des Farbträgers abhängt. „Unreine“ und „unedle“ Oberflächen, wie die des Filz, lassen die Energie des Gelb versacken, und die „Empfindung des Kotigen“ stellt sich ein. Die „Farbe der Ehre und Wonne“ wird in eine solche der „Schande, des Abscheus und Mißbehagens“ verkehrt (§771: ebd. S. 327f.). „Mächtiger und herrlicher“ erscheint Gelb, sobald es durch Verdichtung ins Rotgelbe gesteigert wird (§ 772: ebd. S. 328. – Ein Schema zu Goethes Begriff der „Steigerung“ bei [307] S. 151 Abb. 6). Schlägt das Gelbrote ins Rotgelbe um, so weicht das angenehm heitere Gefühl dem „unerträglich Gewaltsamen“, daher diese Farbe „energische, gesunde, rohe Menschen“ besonders anspricht (§ 774f.: [305] S. 328). Blau, Rotblau und Blaurot, die Farben der Minusseite, „stimmen zu einer unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung“ (§ 777: ebd. S. 329). Im Blau, das auf der Seite des Dunkels steht, kommt der Widerspruch von Reiz und Ruhe zur Wirkung (§ 779), es weicht zurück und „zieht uns nach sich“ (§ 781). „Das Blaue gibt uns ein Gefühl von Kälte ... Es ist nicht unangenehm, wenn das Blau (wie im Meergrün) einigermaßen vom Plus partizipiert“ (§ 782 und 785: ebd.). Rotblau ist lebhaft ohne Fröhlichkeit', ist unruhig und fordert das Auge auf, „einen Punkt zu finden, wo man ausruhen könnte“ (§ 787ff.: ebd. S. 329f.). Im gesättigten Blaurot ist die Unruhe zur Unerträglichkeit gesteigert (§790: ebd. S. 330). Eine Sonderstellung kommt dem Rot zu, denn in ihm sind, „teils actu, teils potentia alle andern Farben enthalte(n)“ (§ 793: ebd.). Verdichtet vermittelt es den Eindruck von „Ernst und Würde“, verdünnt den von „Huld und Anmut“ (§796: ebd. S. 331). Auf dem Grün ruhen „Auge und ... Gemüt ... wie auf einem Einfachen. Man will nicht weiter und man kann nicht weiter“ (§802: ebd.; vgl. auch: Nachträge zur F. 1817–1823 Nr. 28 „Wahres, mystisch vorgetragen“: „In dem Roten ist suchen und begehren, in dem Gelben ist finden und erkennen, in dem Weißen ist besitzen und genießen; hinwiederum in dem Grünen ist hoffen und erwarten; in dem Blauen ist merken und denken, in dem Schwarzen ist vergessen und entbehren“: ebd. S. 632).
Das Auge vermag sich immer nur kurze Zeit mit einer einzigen Farbe zu identifizieren und fordert bei deren Anblick sofort eine andere, „welche mit der gegebenen die Totalität des ganzen Farbenkreises enthält“ (§805: ebd. S. 332). Wie Goethe schon bei der Besprechung der physiologischen Farben dargetan hat, kommt es zu dieser Totalität – auf ihr beruht das Prinzip der Harmonie (§ 708f.: ebd. S. 314) –, wenn die im Farbenkreis einander diametral entgegengesetzten Farben zusammengestellt werden.
„Gelb fordert Rotblau, Blau fordert Rotgelb, Purpur fordert Grün und umgekehrt“ (§ 810: ebd. S. 332; vgl. auch § 50: ebd. S. 190). Während wir beim Betrachten der einzelnen Farbe „zu einzelnen Empfindungen fortgerissen“ werden, „führt uns das Bedürfnis nach Totalität ... aus dieser Beschränkung heraus“ (§812: ebd. S. 333). Die schon früher bekundete Ablehnung des Regenbogens als Grundlage der Farbenharmonie wird damit bekräftigt, daß ihm das zur Totalität erforderliche „reine Rot, der Purpur“, fehle (§ 814: ebd.).
Von den harmonischen Zusammenstellungen sind die charakteristischen zu unterscheiden, die entstehen, wenn eine Mittelfarbe übersprungen wird. Sie haben „sämtlich etwas Bedeutendes“, vermögen uns aber nicht zu befriedigen (§ 816f.; ebd. S. 334). Die Kombination Gelb-Blau, wenngleich sie „zunächst ... an der realen Befriedigung steht“, welche das Grün gewährt, wirkt arm, ja „gemein“, da ihr zur Totalität das Rot fehlt (§ 819: ebd.; vgl. [307] S. 159 Anm. 28). Gelbrot und Blaurot hingegen haben etwas „Erregendes, Hohes“ und geben uns „die Vorahndung des Purpurs“ (§ 822: [305] S. 335).
Charakterlos bleibt die Kombination unmittelbar benachbarter Farben, die nie den Eindruck des Bedeutsamen hervorrufen können. Während jedoch einige, wie Gelb-Orange und Blau-Violett „in gewissen Verhältnissen der Massen keine üble Wirkung tun“, haben die Verbindungen Gelb-Grün bzw. Blau-Grün „immer etwas Gemein-Widerliches“ (§ 827ff.: ebd. S. 336).
Die Zusammenstellung zu Hell und Dunkel verändert die ästhetische Erscheinung entscheidend. „Purpur und Grün mit Schwarz sieht dunkel und düster, mit Weiß hingegen erfreulich aus“ (§831: ebd.). Bei dem Versuch, die Prinzipien seiner Harmonielehre empirisch zu erproben, unterstellte Goethe, daß die Farbe der Kleidung Rückschlüsse auf den Charakter des Trägers zuließe und man „das Verhältnis der einzelnen Farben und Zusammenstellungen zu Gesichtsfarbe, Alter und Stand beobachten“ könne. „Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die Brünette zu Blau und Gelbrot Neigung, und sämtlich mit Recht“ (§ 839f.: ebd. S. 337f.).
Aus der sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben leitet sich für den Künstler die ästhetische her (§ 848: ebd. S. 339; vgl. § 871: ebd. S. 342).
Ihre genaue Kenntnis ist Voraussetzung für das Zustandekommen des charakteristischen Kolorits, das unter den Rubriken des Mächtigen, des Sanften und des Glänzenden begriffen werden kann. Der mächtige Effekt entsteht, wenn die aktiven Farben Gelb, Gelbrot und Purpur überwiegen und nur „wenig Violett und Blau, noch weniger Grün“ verwendet sind. Blau und Violett hingegen bringen in Verbindung mit einem dem Blau zuneigenden Purpur den Eindruck des Sanften hervor. Dabei dürfen „wenig Gelb und Gelbrot, aber viel Grün ... stattfinden“ (§ 881ff.: ebd. S. 343). Das harmonische Kolorit setzt voraus, daß „alle Farben nebeneinander im Gleichgewicht“ sind (§ 885: ebd. S. 344). Es bringt sowohl das Glänzende als auch das Angenehme hervor, denen beiden etwas „Allgemeines“ und somit „Charakterloses“ anhaftet (§ 886: ebd.). Eindeutig negativ ist die Bestimmung des Bunten, in welchem sich vor allem die Unsicherheit des Künstlers verrät, die Farben ins richtige Verhältnis zu Licht und Schatten zu bringen (§ 896–99: ebd. S. 345). „Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe sich der Künstler. Nur durch die Einstimmung des Lichtes und Schattens, der Haltung, der wahren und charakteristischen Farbengebung kann das Gemälde von der Seite, von der wir es gegenwärtig betrachten, als vollendet erscheinen“ (§ 901: ebd. S. 346).
Goethes F. hat sowohl auf die philosophischen F. wie auf die Künstler-F. großen Einfluß ausgeübt.
Zur F. Goethes: Kritische Ausg.: [304a]. Einführungen: [305] S. 7–59; [305a] S. 605–42 (mit Rezeptionsgesch.); [307] S. 7–23; [333] S. 170 bis 91. Untersuchungen: [329]; [332]; [334] S. 117ff.; [355]: u. a. Schiller und Goethes F.; [348]. Goethes Verhältnis zur Tradition: [304]: Aristoteles, Leonardo u.a.; [344] S. 17f. (Platon, Piotin); [57] S. 203 (Platon).
Ebenfalls 1810 brachte Phil. Otto Runge seine „Farbenkugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen Affinität ...“ heraus (Hbg. 1810). Er zog darin das Resümee seiner acht Jahre währenden theoretischen Bemühungen, die man als Ganzes zutreffend „ein Gemisch von naturwissenschaftlich-mathematischen Erkenntnissen, mystisch-magischen Kombinationen und symbolischen Deutungen“ genannt hat (Hub. Schrade, Ph. O. R. und C. D. Friedrich, in: Willy Andreas und Wilh. von Scholz [Hrsg.], Die großen Deutschen, Bd. 3, Bln. 1936, S. 125).
Runges früheste Studien wurzeln in der Tradition ma. Lichtmetaphysik, deren Kerngedanken ihm durch die Schriften Jak. Böhmes (1575–1624) vermittelt wurden (vgl. [339] S. 87, [15] S. 119ff. und 150, ferner Hans Grunsky, Jak. Böhme, Stg. 1956, S. 171ff.). „Licht, oder weiß, und Finsterniß, oder schwarz, sind keine Farben, das Licht ist das Gute, und die Finsterniß ist das Böse (ich beziehe mich wieder auf die Schöpfung); das Licht können wir nicht begreifen, und die Finsterniß sollen wir nicht begreifen, da ist den Menschen die Offenbarung gegeben und die Farben sind in die Welt gekommen, das ist: blau und roth und gelb“ (Brief vom 7. 11. 1802: [308] Bd. 1 S. 17). Runge sah in den drei Grundfarben das „simple Symbol der Dreyeinigkeit Gottes“ (Brief vom April 1803: ebd. Bd. 2 S. 210) – eine Vorstellung, die vielleicht auf Herders „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ (1774–1776) zurückgeht (vgl. Gunnar Berefelt, Beobachtungen zum Verhältnis Ph. O. R. zu J. G. Herder, Zs. für Ostforschg. 9, 1960, 14–30, und [15] S. 125f.).
Im 1806 entstandenen Fragment „Die Elemente der Farben“ [308, Bd. 1 S. 84–88] suchte Runge, die Zahl der aus den „Elementen“ Weiß, Schwarz, Rot, Gelb und Blau hervorgehenden Mischfarben bzw. Nuancen auf 3405 zu bestimmen (zur Kritik der Berechnungsgrundlage vgl. [15] S. 139f.). Von seinem Bemühen, „die Eigenheiten der Farben“ im Hinblick auf ihren „Effect in der Natur“ zu studieren, erfahren wir aus einem Brief an Goethe (3. 7. 1806: [308] Bd. 1 S. 88–98 und [310] S. 39–47). Darin entwarf Runge erstmals seinen Farbenkreis: „Drey Farben, Gelb, Roth und Blau, giebt es bekanntlich nur. Wenn wir diese in ihrer ganzen Kraft annehmen, und stellen sie uns als in einem Cirkel begränzt vor, so bilden sich aus diesen drey Uebergänge, Orange, Violett und Grün (ich heiße alles Orange, was zwischen Gelb und Roth fällt, oder was von Gelb aus sich nach dem Rothen, oder umgekehrt, hinneigt) und diese sind in ihrer mittleren Stellung am brillantesten und die reinen Mischungen der Farben“ ([308] Bd. 1, S. 91; [310] S. 41f. mit Abb. von Runges Skizze). Sowohl die drei reinen Farben als auch die drei Mischfarben heben sich, zusammengenommen, in Grau wieder auf. Das Verhältnis der Buntfarben zu Weiß und Schwarz erläuterte Runge 1807 am Modell eines „Globus“ (Brief vom 21. 11. an Goethe: [310] S. 71), eingehender dann in der 1809 abgeschlossenen „Farbenkugel“ ([308] Bd. 1 S. 112–18; [309]). Er sah die Farben „als eine gegebene, ja selbständige Erscheinung, und in Verhältnissen zum Licht und zur Finsterniß, zu Hell und Dunkel, zu Weiß und Schwarz“ – „abgesondert von der Wissenschaft, wie durch das Licht die Farben entstehen“ [308, Bd. 1 S. 114]. Anders als Blau, Gelb und Rot („welche wir überhaupt nur Farben nennen“) bezeichnen Weiß und Schwarz „einen bestimmten Gegensatz (den von Hell und Dunkel, oder Licht und Finsterniß)“ und stehen „in einem allgemeinen und andern Verhältniß zu den Farben ..., als diese gegen sich unter einander beweisen“ (ebd. S. 115). – Um Gelb, Rot und Blau in ihrem reinen Zustand darzustellen und „jedes reine Element als eine absolute Einheit anzunehmen“ (ebd.), ging Runge zunächst vom Dreieck aus. Dadurch war es ihm auch möglich, die Mischfarben Orange, Violett und Grün durch die Dreiecksseiten sinngemäß als variabel darzustellen, je nach Überwiegen des einen oder des anderen Grundfarbenanteils (ebd. S. né Abb. 2 und [15] S. 144, Abb. 8). Stehen die drei Mischfarben zu Gelb, Rot und Blau „in gleicher Neigung und in gleicher Differenz“, so bilden sie „ein gleichseitiges Dreyeck ..., welches in dem ersteren mitten inne läge“ ([308] Bd. 1 S. 117; Abb. 8, links). „Es sind also die drey Puncte Gr. O. V. sowohl, als alle zwischen ihnen und den Puncten B. G. R. liegenden einfachen Mischungen, mit dem Puncte Weiß nach der einen, und Schwarz nach der anderen Seite, (als zwey vollkommenen Gegensätzen) in derselben Differenz, und mithin alle in dieselbe Entfernung von Weiß wie von Schwarz zu setzen, in welcher die drey Puncte B. G. R. von ebendenselben (nämlich von Weiß und von Schwarz) stehen“ (ebd. S. 117 5 12). Die Beziehung der Buntfarben zu den Polen Weiß und Schwarz suchte Runge durch eine dreidimensionale Farbordnung zu verdeutlichen, indem er das Dreieck mit einem Kreis zu einem Doppelkegel kombinierte (ebd. S. 118 § 13, Abb. 8, 2. Diagramm von links). Nur wenn das Dreieck Gr O V gleich groß angenommen wird wie BGR kann man sich „die Totalität aller grünen, orangen und violetten Mischungen in ihrer wahren Richtung so vorstellen ..., als wenn das Dreyeck GrOV sich um die Achse WS zwischen den Punkten B. G. R. hin und her bewegte, und so den ganzen Kreis bildete“ (ebd. S. 118 § 14, Abb. 8, 3. Diagramm). Die anschließende Bestimmung des Grau wurde zum Ausgangspunkt für Runges Versuch, die Totalität der Farben am Modell einer Kugel zu exemplifizieren (Abb. 8, 4. Diagramm). Ein „völlig gleichgültiges Grau“ entsteht, wenn Weiß und Schwarz „im Mittel ... in gleicher Stärke gegen einander würken“ (ebd. § 16), oder aber „bei gleich starker Zusammenwürkung aller drey reinen Farben“ (ebd. S. 119 § 17). Die Feststellung, daß die auf der Kugeloberfläche diametral entgegengesetzten Farbpaare sich „im Kugelmittelpunkt zu unbuntem Grau auflösen“ [15, 5. 147], ließ Runge die „Kugel als eine Generaltabelle ... betrachten“, die es erlaube, „sich immer wieder in den Zusammenhang des Ganzen aller Farben zurecht(zu)finden“, da „sich das Verhältniß nur cubisch nachweisen läßt“ ([308] Bd. 1 S. 123 § 25; vgl. [309] und [15] Farbtaf. vor Titel-S.). Sie sollte nicht allein dazu dienen, das Verhältnis aller Mischungen und die „Eindrücke, welche ihre Zusammenstellungen auf uns machten“ [308, Bd. 1 S. 114], zu demonstrieren, sondern auch dem besonderen Verhältnis der Buntfarben zu den Polen Weiß und Schwarz Rechnung tragen. Runge, der u. a. durch die Beschäftigung mit Jak. Böhme zur Wahl der Kugelform angeregt worden sein dürfte [15, S. 149], wollte seine Konstruktion nicht als „Kunstproduct, sondern (als) eine mathematische Figur von einigen philosophischen Reflexionen“ verstanden wissen (Brief vom 22. 11. 1808: [308] Bd. 2 S. 372; vgl. auch [15] S. 4).
Runges Farbenkugel steht am Ende einer Entwicklung, die von der Farbenreihe über die zweidimensionalen Farbenkreise zur räumlichen Darstellung der Farbenordnung in Form einer Pyramide (Abb. 7) geführt hatte ([15] S. 148; ebd. S. 148f. über Runges Verhältnis zu Lambert; das Kugelmodell von Gartside geht nicht von der Ordnung der Farben, sondern von deren Helligkeit aus: ebd. S. 305 Anm. 332).
In dem undat. Bruchstück „Von der Doppelheit der Farbe“ [308, Bd. 1 S. 141–46] hat Runge das in seinem Brief vom 3. 7. 1806 (ebd. S. 93 und [310] S. 43) kurz angedeutete, aus der „Farbenkugel“ jedoch ausgeklammerte Problem der Durchsichtigkeit bzw. Undurchsichtigkeit aufgegriffen und „den Zwiespalt zwischen der abstrakten Farbenkugel und der Lebendigkeit des 'Totaleindrucks' (der in der Natur begegnenden Farben) ... zu überbrücken“ versucht [15, S. 152].
Runge war der erste, der die Skala der undurchsichtigen, in ihrer Qualität nur auf der Oberfläche erkennbaren [308, Bd. 1 S. 142] Farben Weiß – Gelb – Rot – Blau – Schwarz – abgrenzte gegen diejenige der durchsichtigen Hell – Gelb – Rot – Blau – Dunkel, die sowohl in ihrer Quantität als auch in ihrer Qualität bestimmbar sind und somit „auch ohne Form die Qualität der Materie, an welche ... sie gebunden sind“, zu unterscheiden erlauben (ebd. S. 142, auch S. 145). Beide verhalten sich zueinander wie „Reales“ und „Ideales“ (Notiz vom 2. 12. 1809: ebd. S. 164). Die Unterscheidung durchsichtiger und undurchsichtiger Farben erlaubte Runge, eine Verbindung herzustellen „zwischen den Farben der Farbenkugel und dem unseren Sinnen unzugänglichen Wesen der Farbe“ und damit zugleich „zwischen dem Darstellungsmittel und den objektiven Farben göttlichen Ursprungs“ [15, S. 158]. Während Goethe in Licht und Finsternis „ursprüngliche Erscheinungen neben der Farbe“ sah, sind sie für Runge deren „letzte Erfüllung“ (Ernst Strauss, Zu den Anfängen des Helldunkels, in: Hh. des Khist. Seminars der Univ. Mchn. 5, Mchn. 1959, 15f. Anm. 18; Wiederabdr. in Ders., Koloritgesch. Unters. zur Mal. seit Giotto [= Kw. Stud., 47], Mchn. 1972, S. 32 Anm. 18; vgl. auch Ders., Zur Wesensbestimmung der Bildfarbe, in: ebd. S. 21 Anm. 24).
Zahlreiche mehr aphoristische Bemerkungen, die als „Versuch, die sinnlichen Eindrücke aus den Zusammenstellungen der verschiedenen Farben mit dem vorhin entwickelten Schema zu reimen“ [308, Bd. 1 S. 123–28] der „Farbenkugel“ beigegeben sind, bezeugen, daß Runges Interesse an der Farbe sich nicht in der Aufstellung eines Ordnungsschemas erschöpfte.
Er unterscheidet „harmonische“, „disharmonische“ und „monotone“ Verhältnisse. Harmonische Kombinationen, die „einen sehr angenehmen Eindruck machen“ – an anderer Stelle auch „piquante“ genannt (ebd. S. 132) –, ergeben die einander entgegenstehenden Farben Blau-Orange, Gelb-Violett, Rot-Grün (ebd. S. 123 §1) sowie alle übrigen, welche sich „im Aequator gerade gegenüber liegen“ („Ueber Zusammenstellung in Beziehungen auf Harmonie. Fragmente“: ebd. S. 131). – Abweichend von diesem Prinzip läßt Runge allerdings auch die aus den drei reinen Mischungen gebildeten Farbenpaare Orange-Grün, Grün-Violett, Violett-Orange als angenehm gelten (ebd. S. 134; vgl. auch [15] S. 162). Disharmonisch, weil sie „das Auge mehr reizen und auffordern, als demselben Vergnügen gewähren“, sind die Grundfarbenpaare Blau-Gelb, Gelb-Rot, Rot-Blau. Eintönigkeit stellt sich ein, wenn man die Farben „so neben einander (stellt), wie sie an der Scheibe (im Farbenkreise, oder auch im Regenbogen) auf einander folgen“ ([308] Bd. 1 S. 124 § 3; vgl. auch S. 134). Die selben Wirkungen können durch die Verbindung von je drei Farben hervorgerufen werden. Während z. B. Blau-Rot durch Dazwischentreten von Grau (dem „Gegensatz aller Individualität“, der „allgemeine [n] Auflösung entgegengesetzter Kräfte“: ebd. S. 125f. § 17 und § 22, S. 134) verbunden und beruhigt – freilich nicht „eigentlich“ harmonisiert (ebd. S. 127 § 26) – werden, bleiben beide Farben „in ihrer individuellen Würksamkeit“ isoliert, wenn Gelb an die Stelle des Grau tritt. „Der Streit wird ... vermehrt, und es bleibt ein disharmonischer Effect“ (ebd. S. 124; entsprechend für Blau – Grün – Gelb: ebd. S. 125). Violett in Zwischenstellung vereinigt zwar beide Farben in sich, ist aber „nur der Beziehungspunct dieser beiden, nicht aller übrigen Farben, und zieht solche, anstatt den allgemeinen Beziehungspunct ahnen zu lassen, bloß in sich zusammen“, raubt ihnen ihre „individuelle Erscheinung und Kraft“; „daher ist die Würkung monoton“ (ebd. S. 124f.).
Wie schon de Piles suchte Runge, einen direkten Zusammenhang zwischen Harmonie und Mischbarkeit der Farben herzustellen.
Harmonisch sind alle Farbenpaare, welche vermischt „feindselig auf einander würken“ und „sich ... vernichten in Grau“ (ebd. S. 125 § 13f.; vgl. auch „Über Zusammenstellungen ...“: ebd. S. 131). Verbindungen, die in der Mischfarbe „ihre Individualität vereinigen“ (ebd. S. 125 § 16), sind disharmonisch, während Farben, die nebeneinander monoton wirken (etwa Rot - Orange), „sich in einander ziehen und neigen“, wenn man sie mischt (ebd. § 15). „Dissonanz, Harmonie, und Monotonie“ haben gleichermaßen im Kunstwerk ihren Platz, sofern „sie durch den Sinn der Composition erforderlich sind“ (ebd. S. 128 § 29).
Runge sah seine F. als Teil einer allgemeinen „Optik für die Mahlerey“, derzufolge „die Phänomene der ganzen Erscheinung“ nach ihrer Form, ihrer Materie und ihrer Farbe zu betrachten seien (1809; ebd. S. 152f.). Dabei zeichne sich gegenüber der „formalen“ und der „materialen Ansicht“ die „chromatische Ansicht“ dadurch aus, daß sie „den eigentlichen Ton, das Leben und den Moment der Erscheinung in sich (begreift) und ... die Form und die Materie aller Gegenstände in Zusammenhang und in ein bestimmtes Verhältniß mit der ewigen Harmonie (setzt), welche Form und Materie wie verschlingt“ (ebd. S. 154 Anm. 5. Vgl. auch Runges Definition der Farbe als der „letzten Kunst“: ebd. S. 17).
Wie Runges Briefwechsel mit Goethe aus den Jahren 1806–10 zeigt, hat Goethe vielen Ideen des Jüngeren zugestimmt, sich über seine eigene Konzeption der F. jedoch nur zurückhaltend geäußert [305, S. 350–53]. Zum Verhältnis Runge-Goethe: [310]; [15] S. 203–33. Zur F. Runges: [322] S. 111–37; [353] S. 86-96; [356] S. 34-39; [15].
Hegels F., im Rahmen seiner Ästhetikvorlesungen 1817–1820 entstanden und nur in der Bearbeitung Hothos überliefert (vgl. [313] Bd. 2 S. 596f.), ist in mehr als einer Hinsicht derjenigen Goethes verpflichtet.
Hegel sah in der Farbe die „Einheit ... und Ineinsbildung des Lichts und Dunkels“ (ebd. S. 19). „Das ... in sich selbst getrübte, verdunkelte Licht, das aber ebenso das Dunkle durchdringt und durchleuchtet, gibt das Prinzip für die Farbe als eigentliches Material der Malerei“ (ebd. S. 186). „Abstrakte Grundlage aller Farbe“ ist das Helle und Dunkle, das freilich „nicht in seiner bloßen Abstraktion, sondern durch die Verschiedenheit der Farbe selbst“ ausgedrückt werden muß (ebd. S. 214f.).
Im Abschnitt „Besondere Bestimmtheiten der Malerei“ bespricht Hegel die Farben zunächst „insofern sie in ihrem wechselseitigen Verhältnis selbst als Licht und Dunkel wirken und einander heben oder drücken und schaden“ (ebd. S. 215). Während Blau seine Farbe im „helleren, doch nicht vollständig durchsichtigen“ Medium der Luft zeigt, wirkt beim Gelb „das an und für sich Helle durch ein Trübes, welches das Helle noch durchscheinen läßt ... Das eigentliche Rot ist die wirksame, königliche, konkrete Farbe, in welcher sich Blau und Gelb, die selbst wieder Gegensätze sind, durchdringen; Grün kann man auch als solche Vereinigung ansehen, doch nicht als die konkrete Einheit, sondern als bloß ausgelöschten Unterschied, als die gesättigte ruhige Neutralität“ (ebd. S. 216, vgl. auch Bd. 1 S. 145). Unter Hinweis auf ihre Verwendung in der älteren Malerei sah Hegel eine „symbolische Beziehung“ dieser „reinsten, einfachsten, ursprünglichen Grundfarben“ als gegeben an. „Blau entspricht dem Sanfteren, Sinnvollen, Stilleren, dem empfindungsreichen Hineinsehen, insofern es das Dunkle zum Prinzip hat, das nicht Widerstand leistet (dazu ebd. Bd. 2 S. 294: „Das reine Blau [ist] nichts Einfaches, sondern ein bestimmtes Verhältnis des Ineinander von Hell und Dunkel“), während das Helle mehr das Widerstehende, Produzierende, Lebendige, Heitere ist; Rot das Männliche, Herrschende, Königliche; Grün das Indifferente, Neutrale“ (ebd. S. 216). Als einzige Mischfarbe rechnet Hegel Grün zu den „ursprünglichen Grundfarben“, alle übrigen sind nur Modifikationen der letzteren. So wird „kein Maler Violett eine Farbe nennen“ (ebd.), denn obgleich es äußerlich rein im Sinne von nicht beschmutzt sein kann, ist es doch „nicht in sich selbst einfach und gehört nicht zu den durch das Wesen der Farbe bestimmten Farbenunterschieden“ (ebd. Bd. 1 S. 145).
Da die Farben eine „durch die Natur der Sache selbst gegliederte Totalität“ ausmachen (vgl. auch ebd. Bd. 1 S. 144 und 246), müssen sie alle im Bild Verwendung finden. Zwar soll ihre Zusammenstellung „Ruhe und Versöhnung fürs Auge“ (ebd. Bd. 2 S. 217) bewirken, doch dürfen sie nicht in „kraftloser Gebrochenheit und Abdämpfung gehalten werden“. In energischer Entgegensetzung – „klar bestimmt und einfach in sich“ (ebd. Bd. 1 S. 247) – haben sie das Charakteristische mit hervorzubringen, wenn anders ihre Harmonie sich nicht in jener „einschmeichelnden Lieblichkeit“ und Unbedeutendheit verlieren soll, die Hegel in der Malerei seiner Zeit so oft zu beobachten glaubte (ebd. Bd. 2 S. 218f., vgl. auch Bd. 1 S. 145 und 247). Vollendete Farbengebung erschöpft sich nicht in Helldunkel, Farbenharmonie, Luftperspektive und Inkarnat. Hinzu kommen muß die „Zauberei des Farbenscheins“, die „Magie“ des Kolorits. Hat sich die „Substantialität und Geistigkeit der Gegenstände ... verflüchtigt, und (tritt) nun die Geistigkeit in die Auffassung ... der Färbung herein“, so verleihen das „Herüber und Hinüber von Reflexen“, die „Veränderlichkeit und Flüchtigkeit von Übergängen“ dem Bild den „Schein der Beseelung“ (ebd. Bd. 2 S. 221f.).
In Abhebung gegen die klassische K., die „in ihrem Ideal wesentlich nur das Substantielle gestaltet“, bestimmte Hegel „das subjektive Wiedererschaffen der Äußerlichkeit im sinnlichen Elemente der Farben und Beleuchtung“ als die differentia specifica, welche die Malerei zur „romantischen“ K. macht (ebd. Bd. 1 S. 573f. und Bd. 2 S. 178f.; vgl. Peter Szondi, Antike und Moderne in der Ästhetik der Goethezeit, in: Ders., Poetik und Gesch.philosophie, I [= Suhrkamp-Taschenbuch, Wiss., 40], Ffm. 1974, S. 38).
Zur F. Hegels ferner: [286a] S. 185ff., Herm. Glockner, Hegel-Lex. Bd. A-Leibniz (= Ders., G. W. F. Hegel, Sämtliche Werke, Bd. 23), Stg. 19572, S. 591–600, und [15] S. 227ff. Weiterführende Lit. bei J. H. Wipper, Bibliogr. der Schriften über Hegels Aesthetik (= Beilage zur Bibliograph. Zs. für Ästhetik, Bd. 1), Lindenberg 1966, und Wolfhart Henckmann, G. F. W. Hegel, Einleitung in die Aesthetik (= Studientexte, 2), Mchn. 1967, S. 148 bis 156.
In seinen 1819 entstandenen Ästhetik-Vorlesungen bestimmte Karl W. F. Solger das Verhältnis von Zeichnung und Farbe. Während jene „der Seite des Allgemeinen (an)gehört“ und „nur die geistige Darstellung der Situation“ gibt, vermittelt die Farbgebung, zusammen mit der „körperlichen Darstellung der Situation“ die „Besonderheit“ (Wilh. Ludwig Heyse [Hrsg.], Karl Wilh. Ferd. Solger, Vorlesungen über Ästhetik, Lpz. 1829 [Neudr. Darmstadt 1962], S. 329).
Friedr. Schleiermacher sah im Kolorit den „Lichtschein, der von innen heraus, sei es nun erzeugt ... oder modificirt wird“ (Vorlesungen, entstanden 1819–1825: [312] S. 240).
Die Farbe ist untrennbar mit dem Lebendigen verknüpft. „Wie wir in dem Stein den erstorbenen Lebensproceß sehen, so ist in diesem auch das Colorit, was er hervorbrachte, miterstarrt“ (ebd.). Da in der Malerei die „Häufung der Contraste auch bei der Färbung wie bei der Beleuchtung das Epideiktische“ zur Folge hat, kann Harmonie nur aus der Verbindung „allmählicher Uebergänge und dazwischengestellter Contraste“ entstehen (ebd. S. 254).
Die für die Nazarener kennzeichnende subjektiv-psychologisierende Interpretation der Farbe begegnet bei Ludwig Richter in verstärktem Maße wieder.
Richter, der zwischen einer „geistigen“ und einer „poetischen“ Anordnung der Farben unterschied, hielt es für ausgemacht, daß „jede Farbe für sich eine besondere Wirkung auf's Gemüt hervorbringt und so auch in Zusammenstellung mit anderen ... So z. B. Grün ist frisch und lebendig, Rot freudig oder prächtig, Violett melancholisch ... Gelb zu Blau ist matt, sterbend, traurig. Grün zu Rosenrot lieblich und üppig. Grün zu Rot – Pracht, Fülle; Grün zu Blau – heiter, ernst, erhaben“ (Tagebuchnotiz vom 26. 11. 1824: [314] S. 517f.; vgl. auch [326] S. 116f.).
Die farbästhetischen Ansichten des deutschen Idealismus resümierte der Dichter Carl Seidel 1828 in seinem eklektischen, von Goethe gleichwohl mit Lob bedachten „Charinomos“: Die „höhere Beziehung zur Psyche macht ... das Farbenreich zu einem reichen allegorisch-poetischen Ausdruck des Innern“ [315, Bd. 2 S. 564].
Immer wieder und aus verschiedenstem Anlaß hat sich William Turner mit dem Problem der Farbe beschäftigt.
Zwei Skizzenbücher von 1802 enthalten außer Kopien nach Raffael, Tizian, Rubens, Poussin auch Kommentare zu deren Kolorit (vgl. [347] S. 60–96). Zahlreiche Vorlesungen aus den Jahren 1810–27 behandeln u.a. Erscheinungsweise und Wahrnehmung der Farbe (ebd. S. 107–10; Abdruck von Turners oft schwer zu entschlüsselnden Aufzeichnungen S. 196–214).
Turner hielt es für praktikabel, auch im monochromen Stich den Eindruck der Farbe zu vermitteln: „And as all the mixtures possess part of primitive colors may it not be asked that given line, when admitted as a certain color, whether it would be any disadvantage to the engraver to pursue the same theory throughout a work; for instance, gold the small as yellow, the latitudinal be blue because of sky, red perpendiculars, dark purple the two in equal strengths, varying in power if inclining of either, brown by the dot and red green by dot and horizontal line and black by the union and combination of the whole?“ (Vorlesungen über Perspektive, entstanden wohl 1810; zit. nach Jerrold Ziff, Art Bull. 53, 1971, 125: Rezension zu [347]; etwas abweichende Transkription bei [347] S. 197).
In einem „Cycloid of Light“ (nach [347] S. 114 möglicherweise nicht als Farbenkreis, sondern als Farbenkugel vorzustellen) suchte Turner, die Farben nach Helligkeit und ‚Temperatur' zu ordnen (Abb. 9 rechts). Kalte Primärfarben werden warmen Mischfarben gegenübergestellt und umgekehrt (ebd. mit Bezug auf Turners Text von ca. 1827: ebd. S. 210; zur Dat. vgl. ebd. S. 251 Anm. 199). Grün ist die schwächste Farbe, „yet strongest of refracted compounds, and in the rainbow disputes the ray and place of the primitive blue“ (ebd. S. 210). Rot, als die stärkste, vermittelt zwischen Violett („purple“) und Gelb, der zweitstärksten. Turner teilt den Farbenkreis in kalte und warme Zonen auf und kommt so zu einer Abfolge warm – kalt: Rot – Orange – Gelb – Grün – Blau – Violett. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen spezifischen Qualitäten der Pigmente (,material colours') einerseits und der „Lichtfarben“ (,colours of light') andererseits dargelegt (vgl. Abb. 9 links). Gelb steht für Licht, Rot und Blau für Schatten (ebd. S. 210, 114). Die Primärfarben können Licht und Finsternis ‚durch sich selbst' ausdrücken. Die Zahl der grauen, braunen und neutralen Töne ist bei den Mischfarben unendlich (in Annäherung an Schwarz). – Ein weiterer Farbenkreis (Abb. 9 Mitte) ist in Anlehnung an Moses Harris (vgl. Abb. 5a) konzipiert. Anders als Harris ging es Turner nicht in erster Linie um die Demonstration des Komplementärkontrastes, sondern um die Ordnung der Farbtöne: Die Spitze nimmt Gelb ein, an die Stelle von Violett, das eigentlich am entgegengesetzten tiefsten Punkt des Kreises liegen müßte, tritt das aus der Mischung aller drei Primärfarben entstehende „Schwarz“. So zeigen Turners Farbenkreise Licht und Schatten als Funktion der Farben (ebd. S. 115; zum Verhältnis Turner–Harris vgl. [343] S. 363).
1840 gab Charles Lock Eastlake den didaktischen Teil von Goethes F. in einer kommentierten engl. Übersetzung heraus [304]. Turner hat nicht nur sein Handexemplar dieser Ausgabe mit eingehenden kritischen Notizen versehen, sondern auch sich von Goethes Theorie zu zwei Gemälden inspirieren lassen („Light and Colour Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.'s Theory]: The Morning after the Deluge – Moses Writing the Book of Genesis“, London, Tate Gall., T.B. 532, unter diesem Titel 1843 in der Royal Acad. ausgestellt; „Shade and Darkness: The Evening of the Deluge“, ebendort, T.B. 531, Gegenstück zum vorigen: Ausst.Kat. „The Romantic Movement“, London 1959, S. 227f. Nr. 359f.; Henning Bock und Ursula Prinz, J. M. W. Turner, Der Maler des Lichts, Bln. 1972, S. 115 Nr. 27f., Taf. 17f.). Ausgehend von Goethes Unterscheidung von „Plus“- und „Minus“-Farben läßt Turner in „Light and Colour“ Gelb – Orange – Rot überwiegen, während der „Abend der Sintflut“ von Blau, Blaugrau und Schwarz beherrscht ist. Es dürfte weniger Turners Absicht gewesen sein, Goethes Annahme der Entstehung der Farben aus Licht und Finsternis zu widerlegen (so [337a] S. 114), als vielmehr die Gleichgewichtigkeit von beiden als „Werte in Kunst und Natur“ wiederherzustellen, der Goethe – nach Auffassung Turners – nicht gerecht geworden war (so [347] S. 185f.; zum Verhältnis Turner–Goethe ebd. S. 173–88; [343] S. 357; [337a]; Jack Lindsay, J. M. W. Turner, Hits Life and Work, London 1966, S. 205–13, passim).
1839 erschien Michel Eugène Chevreuls „De la loi du contraste simultané des couleurs ...“ [316], die Arbeit eines Chemikers und zugleich der umfassende Versuch einer systematischen Farbästhetik.
Ausgangspunkt Chevreuls war die Beobachtung, daß zwei nebeneinander liegende Flächen, die entweder unterschiedlich stark mit derselben Farbe oder gleich stark mit verschiedenen Farben bedeckt sind, bei simultaner Betrachtung verändert wahrgenommen werden. Die Modifikation betrifft im ersten Fall die Intensität der Farben, im zweiten deren ‚optische Komposition'. „Or, comme ces modifications font paraître les zones, regardées en même temps, plus différentes qu'elles ne sont réellement, je leur donne le nom de contraste simultané des couleurs; et j'appelle contraste de ton la modification qui porte sur l'intensité de la couleur, et contraste de couleur celle qui porte sur la composition optique de chaque couleur juxtaposée. Voici la manière bien simple de constater le double phénomène du contraste simultané des couleurs“ [316, S. 5].
Im 2. Teil, der die praktische Anwendung dieser Regel behandelt, definiert Chevreul zunächst einige Grundbegriffe seiner F. Farbtöne (tons de la couleur) nennt er die verschiedenen Veränderungen, die eine Farbe in ihrem höchsten Intensitätsgrad in Richtung auf Weiß (das den Ton abschwächt) bzw. in Richtung auf Schwarz (das ihn verstärkt) erfahren kann. Die Gesamtheit aller derart abgestuften Töne bezeichnet Chevreul als „gamme“, während er unter „nuances“ ausschließlich jene Veränderungen versteht, die sich durch Hinzufügen einer kleinen Menge einer anderen Farbe ergeben (ebd. S. 66 f.).
Alle drei Variablen exemplifiziert der Verfasser am Modell eines 72teiligen Farbenkreises (Abb. 10). Dessen Radien stellen außer den drei Primärfarben die primären Mischungen Orange, Grün, Violett sowie sechs weitere sekundäre Mischungen dar. Die so entstandenen Sektoren werden nochmals in je fünf Zonen gegliedert. Jeder Radius ist nach Art einer Leiter in 20 Abschnitte unterteilt, die die verschiedenen Helligkeitsstufen der Farbe angeben.
Der Farbenkreis bildet die Grundlage einer sehr differenzierten Harmonielehre. Chevreul unterscheidet zwei Prinzipien der Harmonie: 1) „Harmonie d'analogues“ und 2) „Harmonie de contrastes“. Erstere umfaßt a) die Harmonie der Farbenleiter (harmonie de gamme), die sich einstellt, wenn gleichzeitig zwei mehr oder weniger benachbarte Töne derselben Farbenleiter gesehen werden; b) die Harmonie der Nuancen, die dann gegeben ist, wenn Töne gleicher oder nahezu gleicher Höhe, die nebeneinander liegenden Farbenleitern angehören, simultan gesehen werden; c) „l'harmonie d'une lumière colorée dominante“, hervorgerufen durch gleichzeitige Wahrnehmung verschiedener, nach dem Kontrastgesetz zusammengestellter Farben, wobei jedoch eine dominiert „comme cela résulterait de la vision de ces couleurs au travers d'un verre légèrement coloré“.
Die Kontrastharmonie zerfällt in a) eine solche der Farbenleiter (wenn gleichzeitig zwei weit auseinander liegende Töne derselben Leiter gesehen werden); b) eine solche der Nuancen (bei simultaner Wahrnehmung verschieden heller Töne einander benachbarter Farben); c) eine solche der Farben, „produite par la vue simultanée de couleurs appartenant à des gammes très éloignées, assorties suivant la loi du contraste. La différence de hauteur des tons juxtaposés peut augmenter encore le contraste des couleurs“ (ebd. S. 85).
Auf die reichhaltigen Bemerkungen zur praktischen Anwendung seiner Prinzipien, zur Theorie des Hell-Dunkels u. ä. kann hier nur hingewiesen werden. Zur F. Chevreuls vgl. [334b] S. 139ff.; [338] passim; [341] S. 20–29; [226] S. 217f.; [295] S. 27–39; [10a] S. 276f.; [11] S. 50f.; [15] S. 239–42, insbesondere zum Verhältnis Chevreul–Runge; ferner Fr. Jaennicke, Die Farbenharmonie mit besonderer Rücksicht auf gleichzeitigen Kontrast in Anwendung auf dekorative K., Kostüm und Toilette. 3. umgearb. Aufl. von C. [sic] Chevreul, Farbenharmonie, Stg. 1902).
In der 1.H. 19. Jh. lebte in Frankreich der alte Streit um den Vorrang von Zeichnung bzw. Farbe wieder auf. Der Ansicht Ingres', die Farbe sei „la dame d'atours, puisqu'elle ne fait que rendre plus aimables les véritables perfections de l'art“ (zit. nach [342] S. 119) und mithin nur das Ornament der Malerei, hielt Eugène Delacroix de Piles' und Diderots Formel von der Farbe als dem lebenspendenden Element entgegen. Sein Interesse für die theoretischen Probleme der Farbe bezeugt eine Fülle von Tagebuchnotizen [317], die der Künstler in einem „Dict. des B.-A.“ zu veröffentlichen gedachte (vgl. [354] S. 67–109, bes. S. 80f.). Die meisten fallen bereits in die 2. H. 19. Jh. und bleiben deshalb hier außer Betracht.
Einen frühen Versuch, sich von der künstlerischen Wirkung der Komplementärfarben Rechenschaft abzulegen, illustriert die Schemazchg. eines Farbendreiecks, die Delacroix um 1832 in sein marokkanisches Skizzenbuch eingetragen hat („Album de Chantilly“: Chantilly, Mus. Condé; Abb. 11; zur Datierung vgl. [15] S. 334f. Anm. 461), dazu die Notiz: „Des trois couleurs primitives se forment les trois binaires. Si vous ajoutez le ton primitif qui lui est opposé vous l'annihilez, c'est à dire vous en produisez la demi-teinte nécessaire. – Ainsi, ajouter du noir, n'est pas ajouter de la demi-teinte, c'est salir le ton, dont la demi-teinte véritable se trouve dans le ton opposé. – Nous avons vu des ombres vertes dans le rouge: la tête des deux petits poissons. Celui qui était jaune avait des ombres violettes, celui qui était plus sanguin et plus rouge, des ombres vertes“ (zit. nach [345] S. 121, vgl. auch [328] Bd. 2 S. 275; zur Textredaktion vgl. [15] S. 335 Anm. 470). Halbtöne – für Delacroix das ‚beherrschende Prinzip der Malerei', das den „vrai ton“ gibt, welcher seinerseits den künstlerischen Wert begründet [317, Bd. 2 S. 176f.] – entstehen nicht durch Beimischung von ‚schmutzig machendem' Schwarz, sondern allein durch Hinzufügung der neutralisierenden Komplementärfarben. Auch die Schatten müssen auf diese Weise wiedergegeben werden.
Diese Einsichten, wohl unabhängig von Goethe, Runge und Chevreul gewonnen ([338] S. 63–72; [347] S. 222f. Anm. 15; [15] S. 242f.), waren nicht neu, neu war jedoch die Konsequenz, mit der Delacroix sie in die künstl. Praxis umsetzte. So hat man in der streng nach dem Gesetz des Komplementärkontrastes aufgebauten „Einnahme Konstantinopels durch die Kreuzfahrer“ (1840, Mus. du Louvre, Paris, vgl. Maurice Serullaz, Mémorial de l'Exposition E. D. ... au Mus. du Louvre à l'occasion du centenaire de la mort de l'artiste, Paris 1963, S. 221ff. Nr. 297) geradezu eine Illustration zu Chevreuls Traktat gesehen ([338] S. 72; vgl. den Entw. zu diesem Bild mit Skizze eines Farbenkreises: ebd. Taf. 34).
Delacroix' Farbtheorien sind in erster Linie das Ergebnis seiner Beschäftigung mit Werken der Malerei, insbesondere derjenigen Constables. Für van Gogh und den Neoimpressionismus erlangten sie große Bedeutung. – Zur F. Delacroix': [322a] S. 69 bis 85; [338] a.a.O. und S. 103–17; [340] S. 46 bis 74; [226] S. 212–16; [345] S. 114–33; [11] S. 72 bis 82; [15] S. 242–46; zur hist. Stellung bes. [342] S. 119–23.
Für Charles Baudelaire ist Harmonie die Grundlage der Farbentheorie. Die Einheit der Farbe – Baudelaire spricht auch von „couleur generale“ – ist ihre Melodie.
„La couleur est ... l'accord de deux tons. Le ton chaud et le ton froid, dans l'opposition desquels consiste toute la théorie, ne peuvent se définir d'une manière absolue: ils n'existent que relativement“ („De la couleur“ in „Salon de 1846“: [318] S. 107).
So wenig die Natur dank den „affinités chimiques“ sich im Arrangement der Farbtöne vergreifen kann – sind doch Form und Farbe für sie eines –, so wenig wird der Maler, der den „Kontrapunkt“ des Kolorits beherrscht, dieser Gefahr erliegen (ebd.).
Das traditionelle, noch von Hegel verfochtene Dogma, wonach die Farbengebung sich an der Bedeutung der dargestellten Personen zu orientieren habe, stellte Baudelaire nur scheinbar in Frage, wenn er empfahl, für die Beurteilung der Farbenmelodie das Gemälde aus einer Entfernung zu betrachten, die weder das Sujet noch einzelne Linien zu erkennen gestatte (ebd. S. 108). So beruhe die Wirkung der Gemälde Delacroix' u. a. darauf, daß dieser allein durch seine Farbe „une impression riche, heureuse ou mélancolique“ zu erzeugen verstehe. „Il semble que cette couleur ... pense par elle-même, indépendamment des objets qu'elle habille“ („Exposition universelle de 1855“: ebd. S. 237f.). Der Künstler darf die Natur nicht so wiedergeben, wie er sie sieht, sondern hat bei der Farbengebung zu berücksichtigen, daß Abstand, Beleuchtungsverhältnisse und Horizont zwischen Betrachter und Bild andere sind als zwischen ihm selbst und der darzustellenden Landschaft. „L'air joue un si grand rôle dans la théorie de la couleur que, si un paysagiste peignait les feuilles des arbres telles qu'il les voit, il obtiendrait un ton faux; attendu qu'il y a un espace d'air bien moindre entre le spectateur et le tableau qu'entre le spectateur et la nature“ („Salon de 1846“: ebd. S. 107f.; vgl. auch [346] S. 36f.; [296a] S. 103f., 157–65).
VIII. Farbenmusik
Nur bedingt in das Gebiet der ästhetischen F. fallen die zahllosen Versuche, Entsprechungen verschiedenster Art zwischen Farben und Tönen festzustellen und systematisch zu begründen. Die Geschichte dieser Bemühungen berührt sich vielfach mit der Geschichte der Synästhesievorstellungen (Farbenhören, „audition colorée“) und ist insoweit ein Forschungsgegenstand weniger der Kunstgeschichte als der Psychologie.
Vermutlich im Rückgriff auf die Musiktheorie der platonischen Akademie hat bereits Aristoteles harmonische Farbenkombinationen und musikalische Konsonanzen auf gemeinsame einfache Zahlenverhältnisse zurückgeführt (De sensu et sensato 3. 439b–440a; vgl. [57] S. 188–92 und [384] S. 167).
Ein anonymer engl. Musiktraktat, „Distinctio inter colores musicales et armorum heroum“, entstanden wohl A. 15. Jh., enthält Ansätze einer Theorie des Farbenhörens, wobei der Verfasser durch Kombination ‚natürlicher' und ‚heraldischer' Farben zu einer ‚musikalischen' Farbenreihe gelangt: Gold – Silber – Rot – Purpur – Grün – Schwarz. Die Entsprechungen zu einzelnen Tönen beziehen sich nicht auf deren Höhe oder Klangfarbe, sondern auf die Tonlänge ([372] S. 145ff.; [384] S. 167, 188f. Abb. 23).
Um eine systematische Begründung der Farbe-Ton-Beziehung bemühten sich 1558 der ital. Musiktheoretiker Gioseffo Zarlino („Le Istitutione harmoniche“: [357] III,8) und Louis de Montjosieu, der Verfasser des „Gallus Romae Hospes“ ([140]; vgl. Frances A. Yates, The French Acad. of the 16th C. [= Stud. of the Warburg and Courtauld Inst., 15], London 1947 [Nachdr. Nendeln 1968], S. 141, 271; [222] S. 26f.).
Mit Farbe-Ton-Experimenten hat sich nach dem Zeugnis Gregorio Comaninis Giuseppe Arcimboldo (1527–1593) beschäftigt, „il quale ha trovato i tuoni e i semituoni e 'l diatesseron e 'l diapente e 'l diapason (Oktave) e tutte l'altre musicali consonanze dentro i colori, con quell' arte apunto che Pitagora inventò le medesime proporzioni armoniche“ ([142], abgedr. in: [127] Bd. 1 S. 445, und [128] Bd. 3 S. 368). Arcimboldo entwarf eine farbige Notenschrift – mit Weiß „per la parte più bassa, che si ritrovi nel canto“, Grün und Blau für die mittleren Töne, „morello“ und „tanè“ für die hohen –, die es dem Prager Hofmusiker Mauro Cremonese gestattet haben soll, alle von Arcimboldo ermittelten Konsonanzen auf dem Gravicembalo zu spielen (ebd. S. 370). Ob sich der Künstler bereits mit dem Gedanken getragen hat, eine Art „Farbenklavier“ zu bauen, muß offen bleiben (vgl. [381] S. 94–98, mit Übers. des Textes von Comanini; L. Levi in: ebd. S. 103–109; [15] S. 33f.).
Marin Mersenne polemisiert in seiner „Harmonie universelle ...“ (Paris 1636f.: [358]) vom neuplatonischen Standpunkt aus gegen Zarlinos Ansicht, Schwarz und Weiß seien weniger angenehm als die Buntfarben. Weiß als die Farbe des Unisono der Prima Causa stehe, im Gegenteil, über der harmonischen Mehrfarbigkeit, in der sich die Vielfalt der Schöpfung bekunde. Wer Grün und andere Buntfarben dem Weiß vorziehe, gleiche demjenigen, der das Licht nicht ertragen kann und mehr Befriedigung in der Spekulation über einzelne Wahrheiten denn in der Betrachtung Gottes als der universalen Wahrheit findet (ebd. S. 13; nach F. A. Yates a.a.O. S. 290, 298).
Abhängig von Zarlino ist auch die Lehre Poussins, wonach der ‚Modus' der Darstellung eines Themas durch die Malerei beim Betrachter bestimmte Empfindungen auslösen soll, die denjenigen zu entsprechen haben, die die griechischen Tonarten (dorisch, phrygisch, lydisch, ionisch etc.) evozierten (Brief Poussins an Paul Fréart de Chantelou vom 24. Nov. 1647: vgl. [374] und [385] S. 349f.; [377] bes. S. 349; [227] S. 207f.; [382] S. 18ff.; zusammenfassend jetzt [231] S. 128–34).
Athanasius Kircher stellt 1641 fest, auch den Farben sei ‚Harmonie gegeben, welche nicht weniger als die Musik erfreut und als Gegenbild des Zusammenklanges (harmoniarum analogia) das Gemüt zu bewegen große Macht besitzt' ([359]; nach der Übers. bei [373] S. 550). Goldgelb und Violett (Purpur), die ‚angenehmsten' Farben, verbinden sich zu Grün, der ‚lieblichsten unter den lieblichen Farben', dem ‚vollkommensten Augentrost', in der selben Weise, wie die Oktave, der vollkommenste Zusammenklang, sich aus der Quint und der Quart zusammensetzt (ebd.). Eine Erweiterung derartiger Spekulationen ist das komplizierte und in sich widersprüchliche Intervallfarbensystem, das Kircher neun Jahre später veröffentlichte („Musurgia ...“ [360]; vgl. [384] S. 168; jetzt auch [15] S. 55f.).
Nach Marin Cureau de la Chambre, „Nouvelles observations ...“ (1650: [361]), soll die Farbenreihe Weiß – Gelb – Rot – Grün – Blau – Purpur – Schwarz der Abfolge Grundton – Quart – Quint – Oktav – Doppelquart – Doppelquint – Doppeloktav entsprechen ([15] S. 58, 299 Anm. 216; vgl. auch [227] S. 218f.).
Die Theorie der Malerei bediente sich des Farbe-Ton-Vergleichs, um das Erfordernis eines ‚harmonischen' Kolorits zu unterstreichen. Der Gedanke, Farbengebung und Komposition des Gemäldes müßten dem Auge die gleiche Harmonie bieten wie die Musik dem Ohr, wird seit den 70er Jahren des 17. Jh. durch die Schriften aus dem Umkreis der Pariser Akademie popularisiert (vgl. Roger de Piles, „L'idée du peintre parfait“, chap. 20: „Il y a une harmonie et une dissonance dans les especes de Couleurs, comme il y en a dans les tons de lumière, de même que dans une Composition de Musique, il ne faut pas seulement que les Notes y soient justes, mais encore que dans l'exécution les Instruments soient d'accord“ [208] S. 40).
Die „wissenschaftliche Formulierung und Begründung der ‚Farbenharmonie'“ setzt ein mit Isaac Newton, der 1704 mathematisch nachzuweisen suchte, daß die sieben Spektralfarben mit den Intervallen der dorischen Tonleiter übereinstimmten [236]. Gegen Newtons Diagramm (Abb. 2) hat unter anderen Goethe später eingewandt, daß aus ihm die geforderten Gegenfarben „keineswegs entwickelt werden können“ und somit von einer Harmonie nicht zu reden sei (Zur F., Polemischer Teil: [305] S. 480 § 594; vgl. [375] S. 350–53; [384] S. 169f.; ferner [380] S. 104ff.).
In Auseinandersetzung mit Kircher und Newton konzipierte Père Louis Bertrand Castel kurz vor 1725 sein berühmtes „Clavecin oculaire“ oder „Clavecin des couleurs“, das bei jedem Tastenanschlag mittels kleiner Kästchen eine bestimmte Farbe vorstellen sollte. Bei seinen verschiedenen Versuchen, ein tatsächlich spielbares „Farbenklavier“ zu bauen, scheint Castel immer wieder gescheitert zu sein. Gleichwohl hat die Idee schon zu seinen Lebzeiten Zeitgenossen zu Verbesserungsvorschlägen – insbes. im Hinblick auf die Hervorbringung von Konsonanzen und Dissonanzen – angeregt (Joh. Gottl. Krüger, 1743: [375] S. 370f.). Das Farbenklavier wurde noch bis ins 20. Jh. lebhaft diskutiert, und die dem Thema gewidmeten theoretischen Schriften des Jesuitenpaters (1725, 1735, 1740 [245] u. ö.; vgl. die Zusammenstellung bei [15] S. 301 Anm. 246) lösten eine Flut von Beiträgen zum Synästhesieproblem aus (vgl. insbes. die Überlegungen des Philosophen Bernard Bolzano in dessen nachgelassener Abhandlung „Über die Eintheilung der schönen Künste“, Prag 1849: [368] S. 153ff.).
Während Castel anfänglich in den Newton'schen Entsprechungen eine verläßliche Basis sah, suchte er später, vom Dreiklang Blau (Grundton, c) – Gelb (Terz, e) – Rot (Quinte, g) ausgehend, Reihen von „couleurs toniques“ (Blau-Grün-Gelb-Rot-Violett) bzw. „diatoniques“ (Blau-Grün-Gelb-„fauve“-Rot-Violett-Grau) aufzustellen. Am Ende steht eine 12-Töne-Oktave („bleu“ – „celadon“ – „verd“ – „olive“ – „jaune“ – „fauve“ – „nacarat“ – „rouge [de feu]“ – „cramoisi“ – „violet“ – „agathe“ – „gris“), die nach Castel die ‚harmonische, diatonische, chromatische und enharmonische Verschiedenheit' der Farben abzulesen gestattet (nach [15] S. 56; vgl. Sp. 212). Castel hatte seine Ziele weit gesteckt. Sein Instrument sollte nicht nur akustische Genüsse in optische umsetzen und so Gehörlosen zur Erbauung dienen, sondern darüber hinaus die ‚nurnerischen' und ‚geometrischen' Regeln für das Zustandekommen harmonischer Farbverbindungen in der Malerei begründen. Um sie der Vergänglichkeit zu entreißen, dachte Castel daran, Musik nach dem Farbenklavier auf Tapisserien und Tapeten malen zu lassen.
Zum Farbenklavier s. [367]; [375] S. 354–69; [380]; [379] Sp. 1815-18; [384] S. 171-77; [15] S. 55–58; [297a] S. 762ff.; [9b] S. 121–28; [383] S. 73 Anm. 28.
1786 legte Johann Leonhard Hoffmann seinen „Versuch einer Geschichte der mahlerischen Harmonie ...“ vor [364], dessen unsystematische Spekulationen auf eine Ablehnung des Farbenklaviers und den Vorschlag hinauslaufen, Musik nach Gemälden zu komponieren. Hoffmann ist freilich skeptisch: „Ein Genie würde sich des Zwangs wegen, welcher davon unzertrennlich wäre, schwerlich dazu bequemen“ (zit. nach [375] S. 374; vgl. ferner [376] S. 78f., und schon Goethe: [3] Bd. 42 S. 147–150).
Ludwig Tieck glaubt, daß es „zu jeder schönen Darstellung mit Farbe ... gewiß ein verbrüdertes Tonstück“ gibt, „das mit dem Gemälde gemeinschaftlich nur eine Seele hat“ [275b, S. 53]. Wie die verwandten Töne „den toten Stillstand (verscheuchen) und ... in allen Linien und Farbenpunkten ein Gewimmel von Leben“ erregen, soll auch die Beschreibung wie Musik wirken und damit ein „fröhliches Verständnis aus dem Bilde“ hervorrufen (ebd. S. 53f.).
Eine ausführliche Theorie der Farbe-Ton-Entsprechungen geben die von der Synästhesieforschung offenbar wenig beachteten „Principes abrégés ...“ [366] des Michel-François Dutens, deren „an XII“ (= 1803 oder 1804) datierte Fassung in den die Farbenharmonie betreffenden Abschnitten gegenüber der Erstausgabe von 1779 wesentlich erweitert ist. Interessanter als die von Aristoteles abhängigen Feststellungen über die Bedeutung der Proportionsgesetze für die Entstehung tonaler Harmonien sind Dutens' Ideen über die Analogien der Tonvolumina. „Longueur“, „largeur“ und „profondeur“ der Töne finden ihre Entsprechungen in „durée du mouvement de la lumière“, „force et fierté ou ... douceur et faiblesse“ der Farbe („par exemple, un rouge de vermillon est plus fier, et par conséquent plus large qu'une laque ou un azur, quoiqu' en même degré“) und „eloignement du clair et de la proximité de l'obscur“ (ebd. S. 106f.). Dutens ersetzt den Begriff „coloris“ durch „chromatique“, in der er die ‚Wissenschaft' bzw. ‚Kunst' gefunden haben will, wie die Farben im Bild „selon leurs diverses espèces cn des intervalles de clair et d'obscur“ zu verteilen sind (ebd. S. 113; die Gleichsetzung von „coloris“ und „chromatique“ schon 1759 bei Lacombe, „Dictionnaire ...“ [255] S. 161). Des Verfassers umständliches Verfahren, die Proportionsgrade der Buntfarben (in der Abfolge: Weiß – Gelb – Rot – Grün – Blau – Schwarz) zu ermitteln, erinnert in vielem an die Theorien von Bartholomaeus Anglicus und Vinzenz von Beauvais („De la chromatique spéculative“: [366] S. 115–31). Groß ist sein Zutrauen in das Farbenklavier als rechten Wegweiser zur chromatischen Harmonie. Der Abschnitt „De la composition des couleurs“ (S. 159–169) bleibt in seiner starren Übertragung musikalischer Gesetzmäßigkeiten auf die Malerei nur ein Katalog von Geboten und Verboten für den Maler und läßt verstehen, daß die Schrift rasch vergessen wurde.
Ph. O. Runge hat dem Thema ein „Gespräch über Analogie der Farben und Töne“ ([308] Bd. 1 S. 168ff.) gewidmet, in dem er sich über die Vergleichbarkeit von Oktave und Farbenkreis in recht allgemeiner Form Gedanken macht. Davon ausgehend hielt er eine „zukünftige Vereinigung der Musik und Mahlerey, oder der Töne und Farben“ für möglich (Brief vom 27. Sept. 1809: ebd. Bd. 2 S. 388) – eine Idee, die ihm 1803 von Ludwig Tieck vermittelt worden sein dürfte (vgl. [15] S. 167–70) und die bis in jüngste Zeit in programmatischen Schriften zur „Farbenmusik“ immer wieder auftaucht.
Zu den Abbildungen
1. Farbdiagramm des Fr. d'Aguilon [185], Antw. 1613. Nach [223] S. 45 Abb. 5.
2. Farbenkreis des I.Newton [236], London 1704. Nach [284] Abb. 5 vor S. 227.
3. Farbendreieck des T.Mayer, entstanden 1758, erschienen 1775 (vgl. Sp. 212). Nach [11] S. 30 Abb. 3.
4. Farbenkreise des Ch.-A. Jombert [261], Paris 1767. Nach dem Original.
5 a und b. Farbenkreise des M. Harris [264], London (um 1770). Nach [284] Abb. 1f. vor S. 227.
6. Farbenkreis des J. I. Schiffermüller [267], Wien 1772. Nach ebd. Abb. 4 vor S. 227.
7. Farbenpyramide des J. H. Lambert [266], Bln. 1772. Nach ebd. Abb. 8 vor S. 227.
8. Farbendiagramme des Ph. O. Runge [308], Hbg. 1810. Montage nach [309] S. 11–13 Abb. 3–5 und S. 17 Abb. 8.
9. Farbenkreise nach W. Turner, zw. 1818 und 1827. Montage nach [347] Abb. a. S. 115.
10. Farbenkreis des M. E. Chevreul [316], Paris 1839. Nach [226] Abb. 2 nach S. 208.
11. Farbendreieck des E. Delacroix, 2. V. 19. Jh. Nach ebd. Abb. 1 nach S. 208.
Literatur
Bibliographien: 1. Manfred Richter, Internat. Bibliogr. der F. und ihrer Grenzgebiete, Nr. 1 (Berichtszeit 1940–1949) und Nr. 2 (Berichtszeit 1950–1954), Göttingen 1952 und 1963. – 2. Franz Dornseiff, Der dt. Wortschatz nach Sachgruppen, Bln. 19544, S. 113f.
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