Farbe, liturgisch (Im Protestantismus)
englisch: Colour, liturgical (Roman Catholic), liturgical colour (Roman Catholic); französisch: Couleur liturgique (protestante); italienisch: Colore liturgico (cattolico).
Kurt Goldammer (1974)
RDK VII, 121–139
I. Anwendungsbereiche; allgemeiner Überblick
Die Verwendung von liturg. F. im Protestantismus erstreckt sich auf die im Gottesdienst gebräuchlichen Textilien (Meßgewänder, Chormäntel, manchmal auch Dalmatiken und Tunicellen, Chorhemden, Chorröcke, Talare, gelegentlich Stolen und Manipeln als personale, Altardecken und -antependien, Kanzel- und Pultbehänge und sonstige Drapierungen als gegenständliche Bekleidungen). Sie dienen der symbolischen Versinnlichung der Feste und Zeiten des Kirchenjahres und des Charakters bestimmter gottesdienstlicher Handlungen und knüpfen dabei weitgehend an den spätma. Brauch, teilweise in lokalen Besonderheiten, an. Die Beibehaltung von liturg. Textilien, vor allem von Kultgewändern, und der mit ihnen verbundenen F. im älteren Protestantismus ist inzwischen allgemein bekannt und monographisch vielfach berührt worden ([1] S. 67–69; [1 a] S. 10f., Abb. 1–20, 24, 29, 53, 58). Neben literarischen Erwähnungen und Notizen in Kirchenordnungen und Visitationsprotokollen vornehmlich Mittel- und Norddeutschlands und im Raume des heutigen Bayern (vgl. z. B. [2] Bd. 1, 1902, S. 508, 664; Bd. 3, 1909, S. 342, 363, 461; Bd. 4, 1911, S. 149, 151; Bd. 5, 1913, S. 17, 265, 542; Bd 8, 1965, S. 45; Bd. 11, 1961, S. 136, 589, 641, 736; Bd. 12, 1963, S. 12f.) ist sie vor allem durch Kircheninv. und Museumsstücke reichlich belegt (Deutschland, Skandinavien, England). Eine zusammenfassende Untersuchung über die F.-Symbolik des Protestantismus (d. h. im wesentlichen des Luthertums und des Anglikanismus) im historischen Zusammenhang fehlt jedoch, hauptsächlich wohl wegen der schwierigen Quellenlage und des uneinheitlichen geschichtlichen Bildes. Die rubrizistische und kulttheologische Bezeugung für die Frühzeit ist schwach, Theorien existierten vermutlich zunächst nicht; sie machen sich erst später in schwachen Ansätzen in der Zeit des Verfalls und der Kritik an den überlieferten Gottesdienstformen bemerkbar, sodann in der Neuzeit. Informationen stammen aus meist zufälligen Erwähnungen von lokalem Brauchtum, das sich im wesentlichen an der abendländischen Tradition orientierte. Seit dem 19. Jh. sind im Zusammenhang mit den liturg. Erneuerungsbewegungen bestimmte allgemeine Regeln aufgestellt worden, die teilweise auch in amtlichen Dokumenten ihren Niederschlag gefunden haben. Auch sie sind in engstem Zusammenhang mit dem in der ma. Kirche entstandenen F.Kanon zu sehen und stellen seine Wiederaufnahme in Anknüpfung an die teilweise unterbrochene Tradition des Reformations-Jh. dar.
II. Geschichte
1. Die Reformatoren und der Gebrauch in den Reformationskirchen Dtld. im 16. Jh.
Die spätma. Tradition der liturg. F. wurde offensichtlich am stärksten im Luthertum fortgesetzt bzw. aufgenommen. Das Reformiertentum vernachlässigte die Frage schon wegen des Fortfalls der Altäre und der Kultgewänder bereits im 16. Jh. [1, S. 18] fast völlig (nach einem schnell vorübergehenden Ansatz in Zürich zu Beginn der Gottesdienstreformen Zwinglis; vgl. [1] S. 17) und nahm sie erst in der neuesten Zeit mit der liturg. Reformbewegung gelegentlich wieder auf. Wo es in ursprünglich luth. Gebieten eingeführt wurde, beseitigte es mit Kruzifixen, Kerzen und Altarretabeln auch die Meßgewänder (z. B. Anhalt 1596: [2] Bd. 2, 1904, S. 580). Es kann also hier als Traditionsträger ausgeklammert werden, soweit es nicht am Aufkommen des Dominierens der schwarzen F. im Gottesdienst wesentlich beteiligt ist (vgl. dazu Sp. 132). Der Anglikanismus ging in seiner traditionsgebundenen Weise eigene Wege und lehnte sich dann im Anglokatholizismus wieder sehr stark an das ma. bzw. röm. Brauchtum an.
Unter den zahlreichen Äußerungen Luthers zur Liturgiereform wird erstaunlicherweise die Frage der F. nicht beachtet oder gar autoritativ geordnet und offensichtlich dem Ermessen der einzelnen Gemeinde bzw. des Pfarrers überlassen. Sie wird auch nicht ausdrücklich als sakralkalendarisches und volkspädagogisches Hilfsmittel behandelt, obwohl grundsätzlich das Kirchenjahr und seine Feste in großem Umfang bejaht werden. Über die liturg. Kleidung der Kultpersonen äußert sich der junge Luther nicht näher. Er stellt ihre Verwendung dem Ermessen anheim („Vestes praeterivimus. Sed de his ut de aliis ritibus sentimus. Permittamus illis uti libere, modo pompa et luxus absit ... neque enim vestes etiam nos Deo commendant ...“ [3] S. 214f.). Sie soll nur ohne Aufwand gebraucht, nicht konsekriert oder benediziert werden, besitzt keine besondere Heiligkeit und bringt uns Gott nicht näher. Es soll auch kein Konformismus nach dem Wittenberger Vorbild eingeführt werden. Die Gottesdienstform soll in landschaftlicher Entwicklung nach dem Muster des politischen Zentrums geordnet werden (vgl. [4] S. 72f.). Das betrifft sicher auch die Gewänder und mit ihnen vermutlich ihre traditionellen F. Unter den sonstigen liturg. Textilien erwähnt Luther nur für die Fastenzeit das Hungertuch (Fastentuch) und das Verhängen der Bilder ausdrücklich als Bräuche, die er abgeschafft wissen möchte [4, S. 112]. Daß er „Bilder, Glocken, Messe Gewand, Kirchenschmuck, Altar Licht und der gleichen“ frei gehalten haben will [5, S. 509], betont er öfter. Dazu gehören natürlich auch die liturg. F. der Meßgewänder. Schon früh wurde allerdings in Wittenberg Messe ohne liturg. Gewänder, d. h. wohl auch ohne F., gehalten [9, S. 181f.], da andere Paramente, z. B. farbige Altarbehänge, von sekundärem Interesse waren. Luther, vor allem der junge, hatte zur F.-Symbolik als solcher sicher kein besonderes Verhältnis, ebensowenig wie zur Kultsymbolik im engeren Sinne überhaupt. Das „Wort“ als Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens überschattete alles. Aber ebensowenig neigte er zur Aufstellung von Zwangsvorschriften für oder gegen F. und ähnliche Paraphernalia. Früheste Kirchenordnungen bestätigen diese Haltung, z. B. Homberg, Oberhessen 1526, Schmiedeberg 1528, Allstedt 1533, Hamburg 1535, Brandenburg-Nürnberg 1528 (vgl. [2] Bd. 8, 1965, S. 45; Bd. 1, 1902, S. 664, 508; Bd. 5, 1913, S. 542; Bd. 11, 1961, S. 136). Bezeichnend ist, daß früh das sozial-charitative Motiv auftaucht: die Bedürfnisse der Armen sind wichtiger, daher sollen neue Kaseln und Altarparamente nicht angeschafft werden (Hornberger Kirchenordnung 1526: [2] Bd. 8, 1965, S. 45). Das süddt. Luthertum verhielt sich unter schweizerischem Einfluß teilweise anders und verpönte liturg. Kleidung (vgl. [2] Bd. 12, 1963, S. 13).
Praktisch wurde jedoch, wie gerade neuere Forschungen wieder gezeigt haben, der reformatorische Gottesdienst in vielen Gegenden, vor allem in Mittel- und Norddeutschland, in Süddeutschland nördlich der Donau, zumeist weiter in vollen Meßornaten, und das heißt wohl auch in den entsprechenden F., gehalten. So wissen wir es aus einem Reisebericht des Wolfg. Musculus von Eisenach und Wittenberg 1. J. 1536 [6, S. 71ff.]. Die dänische Kirchenordnung von 1537 und die schleswig-holsteinische von 1542 ordnen an, daß die Sonntagsmesse „in solitis vestibus“, also implicite wohl auch in den entsprechenden F., gefeiert werde ([7] S. 121; vgl. den goldenen Ornat des Geistlichen auf einem Antependium von 1561 in Kopenhagen: RDK VI 205f. Abb. 31). Aus alten Aufzeichnungen geht zuweilen hervor, daß farbige Meßgewänder getragen oder im Kircheninv. gepflegt wurden [8, S. 12–34]. Gelegentlich laut werdende Abneigung gegen zuviel Prunk, Zierat und Buntheit der Gewänder, z. B. in der Wittenberger Kirchenordnung von 1532 [9, S. 297], richtet sich wohl nicht gegen die de-tempore-F. Sie sind offensichtlich nie ein Streitpunkt geworden.
Das alles spricht also für die wohlwollende Beibehaltung dieses „Adiaphoron“, gegen das es keine grundsätzlichen Einwände gab, das im Gegenteil als pädagogisch zweckmäßig angesehen werden konnte. Damit wurde die Haltung Luthers fortgeführt, für den Paramenten-F. nicht zum „Kultus“ oder „Gottesdienst“ im eigentlichen Sinne gehören können, sondern zu dem davon zu unterscheidenden Bereich des Rituellen oder Zeremoniellen (ritus ecclesiastici, traditiones humanae, caeremoniae, signa externa u. dgl.: [10] S. 12ff.). Die F. sind wohl das Unbestimmteste und am wenigsten Regelbare der kultisch-sakramentalen Verleiblichung, sind „Akzidentien“ im hohen Maße. Sie hängen mit dem Kirchenjahr zusammen, das ja sonst auch kalendarisch rational bewußt gemacht wird. Im Kreise der sog. Adiaphora bilden sie als Zeichen, die weder gut noch böse, höchstens nützlich sind, den äußersten Rand der Außensphäre des Zeremonialbereichs. Sie haben insofern eine andere Stellung als die in ihrer pädagogischen Bedeutung bejahten Bilder. Sie sind als etwas Zufälliges den historischen Umständen und dem Wechsel besonders unterworfen, sind nichts Grundsätzliches und Unentbehrliches und bleiben den jeweiligen Möglichkeiten in der liturg. Einzelpraxis überlassen. Wahrscheinlich wirkt sich hier auch die Tatsache aus, daß der F.Kanon im praktischen Gebrauch noch nicht völlig fest war und seine Anwendung von örtlichen Gegebenheiten in den Paramentenbeständen abhing. Der Grundsatz der Freiheit und der Ablehnung konformistischen Verhaltens in den Adiaphora, und das heißt vornehmlich in den rituellen Bereichen, war hier besonders maßgeblich. Das jeweilige Brauchtum, das Bedürfnis, Ermessen und Vermögen der einzelnen Pfarrer und Gemeinden hatten großen Spielraum, obwohl sich durchaus gewisse Gemeinsamkeiten der Observanzen in Anlehnung an die Tradition ergaben und lange hielten. Nicht das Notwendige, sondern das Nützliche und Angemessene, das „decorum“, sollten gelten. Gesetze konnten schon aus Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der Einzelgemeinden nicht aufgestellt werden.
Das gilt zunächst für das ganze Reformations-Jh. Aus den seltenen Erwähnungen ist zu schließen, daß man sich, soweit Gewänder, Altar-, Kanzel-, Taufstein- und Pultbekleidungen verwendet wurden, üblich waren oder vorgeschrieben wurden, selbstverständlich an das Herkommen in der Anwendung der de-tempore-F. hielt, je nach Vorhandensein, bzw. die Rubriken zum Missale (Romanum bzw. zum lokal gebräuchlichen) beachtete, so wie man ihm ja auch viele andere de-tempore-Stücke entnahm. Dies läßt der Tenor der Kirchenordnungen mit traditionellen Gottesdienstformen und de-tempore-Anweisungen für die Texte vermuten. Das wird im großen und ganzen auch dann vorauszusetzen sein, wenn man vorhandene Bestände ergänzte und ersetzte, z. B. durch fromme Stiftungen, gerade auch in der Zeit der festen Etablierung lutherischer Kirchen und Liturgien nach der Reformatorengeneration. 1559 wurde in Kassa (Ungarn) dem neuen Kaplan auferlegt, er solle Hochmesse im Meßornat „nach den F. der Zeit“ halten [8, S. 18].
Ganz allgemein wird man vermuten können, daß dort, wo altkirchliche farbige Paramente für Liturgen, Altar, Kanzel und Lesepult beibehalten wurden, je nach Vorrat und Wohlstand der Kirchen, Weiß, Gold, Silber und Rot als festliche F., Grün (und Blau?) für gewöhnliche Sonntage und Werktage, Schwarz als Trauer-F. benutzt wurden. E. W. Zeeden urteilt vom 16. Jh. generell: „Die fünf alten liturg. F. sowie die liturg. Gewänder verwendete man im Gottesdienst und bei sakralen Handlungen weiterhin im Luthertum; sie hielten sich dort erstaunlich lange, teilweise bis an die Schwelle des 19. Jh.“ [11, S. 29]. Wo man auf Meßgewänder verzichtete und sich auf Altar- und Kanzelbekleidungen beschränkte, verfuhr man zweifellos in etwa analog. Wenn 1556 bei der Visitation der Superintendenz zu Römhild bemerkt wird, daß man in allen Kirchen aus dem „Ornat“ (Meßgewändern, Alben?) „schöne Decken“ um Altar, Kanzel und Taufstein, Leichentücher und „ein schön tauftuchlin“ (Vorhaltetuch?) „fur die communicantes“ machen lassen solle [2, Bd. 2, 1904, S. 328], so liegt die Annahme nahe, daß die so verarbeiteten farbigen Stoffe analog dem alten de-tempore-Brauch benutzt wurden. Der Wille dazu war lange Zeit hindurch teilweise stark, wie man Kritiken des pietistischen und aufgeklärten 18. Jh. entnehmen kann. Das in diesem Jh. Vernachlässigte holte dann das 19. Jh. bald wieder auf, vervollständigte und systematisierte es – allerdings zumeist unter Verzicht auf die Meßgewänder.
Für die 2. H. 16. Jh. ist aus Inv. und Berichten erkenntlich, daß rote, schwarze, blaue und grüne Paramente (Kaseln) vorhanden waren, benutzt und auch ersetzt bzw. neu angeschafft wurden [8, S. 24–28]. Außer dem allgemein gebräuchlichen Weiß der Chorhemden war offenbar das Rot besonders beliebt: beide als festliche und freudige F. Neben roten Kaseln sind rote Besatzstücke an Chorhemden und an Alben bemerkenswert (1603: [8] S. 35 Anm. 2, S. 53). Rot tritt immer wieder hervor, fast wie eine liturg. Standard-F.: So wurde in Weißenborn bei Zwickau bei Abendmahlsfeiern eine rote Kasel verwendet (1604–1632): [8] S. 44). Das Interim (1548) mit seinen restaurativen Tendenzen vor allem im Kultus hat nach neueren Forschungen – entgegen früher oft geäußerten Meinungen – zweifellos weder auf die Einführung noch auf das Schwinden von liturg. Gewändern und F. Einfluß gehabt oder retardierend gewirkt. Am ehesten könnte man noch annehmen, daß aus Protest dagegen derartige Adiaphora vernachlässigt wurden.
In der im späteren 16. Jh. sich herausbildenden lutherischen Orthodoxie wurden im Zuge genauer doktrinärer Überprüfungen und Lehrabgrenzungen diese Adiaphora, auch die Gewänder, anknüpfend an Luther, wohl als Teil des Gottesdienstes verstanden, aber nur mit dem Ziele, „der Ordnung, Würde und Erbauung zu dienen“ [10, S. 88]. Dieser Bereich steht unter dem Gesetz der Freiheit [10, S. 89]. Das bloß zu den äußeren „Zeremonien“ Gehörige ist jedoch grundsätzlich vom Zentrum des Kultus zu scheiden [10, S. 88] und hat nicht den Charakter des Notwendigen [10, S. 95]. Diese theologische Theorie ist auch in die Kirchenordnungen eingegangen (z. B. [12] S. 60–64). Als geschichtlich Gewordenes gehören liturg. F. ebenso wie Meßgewänder, Kerzen, besonderes Abendmahlsgerät, gottesdienstliche Musik und die mit ihnen verbundenen Feste, heiligen Stätten und Räume zweifellos zu den zeremoniellen Adiaphora [10, S. 99, 102]. Die theologischen Theorien der Zeit unterbauen dies, teilweise sehr genau differenzierend. So unterscheidet Martin Chemnitz in seiner Auseinandersetzung mit dem Trienter Konzil (Examen Concilii Tridentini, Ffm. 1565–73) unter den „ceremoniae Missae“ vier Arten: göttlich gebotene; gute und fromme; superstitiöse und gottlose; „adiaphorae“. Letztere („ut vestitus, vasa, ornamenta, verba, ritus, quaeque verbo Dei non repugnant“) werden in den lutherischen Kirchen („in Ecclesiis nostris“) zumeist in christlicher Freiheit gehalten (Secunda pars, locus VI, sectio IV, cap. V, canon VII: [13] S. 415). Und bald darauf definiert die Konkordienformel (1580) in Art. X von Zeremonien, die nach Gottes Wort weder geboten noch verboten sind („indifferentes, adiaphora“), daß jede Gemeinde die Freiheit habe, sie zu ordnen nach Gesichtspunkten der Nützlichkeit und der Erbauung. Falsch ist es, sie unter Zwang einzuführen oder abzuschaffen oder ihren Gebrauch zu hindern. Der Standardtheologe der lutherischen Orthodoxie, Johannes Gerhard (1582–1637), unterscheidet bei der Eucharistiefeier vier Arten von Zeremonien: 1) von Christus eingesetzte, 2) zum heilsamen Empfang des Sakraments notwendige, 3) „adiaphorische“, die zweckmäßigerweise und nützlich gebraucht werden können. Zu letzteren gehören goldene und silberne Geräte, das Schmücken des Altars mit Decken, das Tragen von Gewändern, Lampen, Kerzen, gregorianischer Gesang, Musik und Orgeln. Als vierte Art sind unnütze oder ablenkende genannt (loc. XXI, cap. 26: [14] Bd. 5 S. 248f.). Damit war auch die Verwendung der liturg. F. im Sinne der dritten Kategorie freigestellt, aber gleichzeitig theologisch relativiert. Genaue Vorschriften erübrigten sich. Bemerkungen in Kirchenordnungen und Visitationsanordnungen zeigen die Befolgung der theol. Theorien (vgl. z. B. [2] Bd. 3, 1909, S. 342, 363, 461; Bd. 4, 1911, S. 149).
Bekanntlich sind im heutigen dt. Protestantismus liturg. F. im wesentlichen auf Behänge von Altar, Kanzel und Lesepult (eventuell auch Taufstein) beschränkt. Gerade von dieser Praxis hören wir aber im Reformations-Jh. so gut wie nichts, während die farbigen Meßgewänder der Liturgen bei den Lutheranern eine Selbstverständlichkeit waren und blieben. Von Altardecken ist zumeist nur ganz allgemein die Rede. Sie sollen den Charakter des Mahles und der Tischgemeinschaft unterstreichen und in würdigem Zustande sein. Vermutlich ist die Entwicklung von de-tempore-farbiger Altar-, Kanzel-, Taufstein- und Pultbekleidung zunächst im Zusammenhang mit einer noch immer reicheren Ausstattung der Gottesdienste durch Gewänder zu sehen. Zweifellos ist teilweise aber schon im 16. Jh. ein Schwinden der farbigen Meßgewänder an manchen Orten zu verzeichnen, was teilweise mit den Kosten für die Neuanschaffung von abgenutzten Kaseln zusammenhängen mag. Wahrscheinlich wurden dann dafür wenigstens die einfacheren und billigeren gegenständlichen Bekleidungen erhalten und gepflegt, wie es sich vereinzelt schon im 16. Jh. abzeichnete (vgl. die Visitationsmaßnahme in Römhild, s. Sp. 126) und wie wir es noch für das 18. Jh. etwa den Bemerkungen Chrn. Gerbers entnehmen können. Die F. des Kirchenjahres wurden vom Liturgen auf die liturg. Stätten verlagert, traten also den Rückzug von den Personen auf die Sachen an. Ein genauer Zeitpunkt dafür läßt sich nicht angeben. Ein weiterer Grund für die Entwicklung farbiger Altar- und Kanzelparamente könnte die Tatsache sein, daß das Besteigen der Kanzel (wie auch in der röm.-kath. Kirche) in Meßgewändern im allgemeinen nicht üblich war, sondern daß im weißen Chorhemd, in der Albe oder in der schwarzen Predigerschaube gepredigt wurde. Das dafür nötige Wechseln der Gewänder innerhalb des Ganzen des „Hauptgottesdienstes“, das auch bei den Lutheranern gebräuchlich war, mag ebenfalls zum Abkommen der farbigen Kaseln beigetragen haben, weil es unbequem war oder nicht mehr verstanden und geschätzt und schließlich aufgegeben wurde. Jedenfalls ist es verständlich, daß dann andererseits die Kanzel als der Platz der im Gottesdienst zentralen Wortverkündigung Paramentenbehänge in den liturg. F. erhielt.
Die Reformation in den skandinavischen Ländern ging in engstem Zusammenhang mit dem dt. Luthertum vor sich. Das gilt auch von Kirchen- und Gottesdienstordnungen. Wie der dt. Norden hielt auch das skandinavische Luthertum an traditionellen Formen des Rituals und an den Adiaphora fest, ja es bewahrte zeremonielle Elemente noch konservativer als das lutherische Deutschland. Dazu gehören Meßgewänder und wohl grundsätzlich auch der vorhandene Kanon der liturg. F. Man wird hier keine nennenswerten Unterschiede zu den dt. Verhältnissen im 16. und 17. Jh. erwarten können, soweit nicht lokale oder regionale Traditionen eine Rolle spielen.
Ähnlich liegen in vieler Hinsicht die Verhältnisse in der englischen Reformation, die sich von der kontinentalen von Anfang an höchstens durch ein stärkeres Haften an der altkirchlichen Ordnung von Gottesdienst und Kirchenamt und durch ein national-kath. Selbstverständnis der sich formierenden Staatskirche unterschied. Die konstitutive Urkunde anglikanischer Frömmigkeit, das Book of Common Prayer (1549, 1552, 1559, 1604 und 1662), enthält allerdings keine Vorschriften über die Verwendung bestimmter, kirchenjahreszeitlich wechselnder F. beim Gottesdienst, sondern nur über das weiße Leinentuch als Altarbekleidung. Auch hier wird man die stillschweigende Fortsetzung ma. Gewohnheiten voraussetzen dürfen, besonders beim Tragen der Meßgewänder und der hier sehr beliebt gebliebenen Pluvialien. Alte Inv. geben einen Eindruck von den Vorräten farbiger Gewänder und Behänge und zeigen dabei einen gefächerten Bestand. Grundsätzlich wird in der Reformationszeit und in den folgenden Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und Puritanern immer wieder die Tatsache bzw. der Gebrauch und Sinn von Gewändern, Altardecken, Kanzel- und Pultbekleidung bejaht oder verneint. Aber dabei ist ziemlich wenig und nur unspezifisch von F. die Rede, bzw. es ist dahinter kein System erkennbar.
In dem Eintreten der Traditionalisten und Ritualisten für die kirchlichen Gewänder wird zunächst immer wieder der Kampf zwischen Schwarz und Weiß erkennbar, des weiteren die Frage, ob auch Chormäntel (Pluvialien), Kaseln und Levitengewänder neben dem Chorhemd getragen werden sollen. Der weiße Chorrock (surplice) setzt sich für Predigt und Kommunion zunächst gegenüber der schwarzen Robe (gown) durch, wie überhaupt der Eindruck entsteht, daß an dem festlichen Weiß sehr viel gelegen ist. Es werden sogar weiße Pferde mit weißen Decken für reitende Geistliche gefordert [15, S. 132 Nr. 263, S. 133 Nr. 265, S. 136 Nr. 270]. Weiße Chorhemden gelten als das übliche liturg. Habit für Sonn- und Feiertage [15, S. 385 Nr. 672].
Sonst werden über die F. der Gewänder (Pluvialien, Kaseln, Dalmatiken) in den knappen Erwähnungen (z. B. [15] S. 143 Nr. 285, S. 139 Nr. 277) keine Vorschriften ersichtlich. Ist dabei Tradition oder Freiheit im Verfahren vorausgesetzt? Die Bestände erlaubten anscheinend teilweise wenige Variationen. Ein Verz. von 1560 führt Pluvialien in Rot, Blau und Grün, andere Gewänder in Rot und Blau auf [15, S. 147 Nr. 294], eines von 1562 Pluvialien in Purpur, Blau und Karmesinrot, ein Meßgewand in Blau [15, S. 148 Nr. 296]. Die Kirchen waren anscheinend teilweise recht sparsam mit Gewändern ausgestattet. So wird ein rotes Pluviale erwähnt [15, S. 379 Nr. 653], oder ein schwarz-goldenes (1634: [15] S. 384 Nr. 669). 1714 wurde bei der Königskrönung ein purpurnes Pluviale verwendet [15, S. 169 Nr. 352]. Die Rot-Töne scheinen hiernach als Ausdruck des Festlich-Freudigen und der Repräsentation geschätzt worden zu sein. Ein ähnlicher Eindruck ergibt sich bei Erwähnungen von Altarbekleidungen, sonstigen Behängen, Kanzel- und Pultdecken und Teppichen als Inv. besonders von Kathedralen, Schloßkapellen und bedeutenden Kirchen. Neben Purpur, Violett [15, S. 10 Nr. 24, S. 19f. Nr. 39, S. 25 Nr. 54] und Purpur-Gold [15, S. 29 Nr. 64] erfahren wir von der roten Auskleidung der Kirche bei einer Bischofsweihe [15, S. 145 Nr. 291], von gelben und roten Altardecken [15, S. 147 Nr. 294], von Karmesin- und Purpurdecken für den Hochaltar (1634: [15] S. 384 Nr. 669) und von roten Kanzeldecken [15, S. 148 Nr. 296]. Dann ist öfters von goldfarbenen Behängen oder Altardecken die Rede [15, S. 14 Nr. 35, S. 19f. Nr. 39, S. 27 Nr. 59, S. 385 Nr. 670] oder von gold und silberfarbigen [15, S. 23 Nr. 47], von weißleinenen [15, S. 21 Nr. 41], von weißen oder blauen Altar- und Kanzel- bzw. Pultbekleidungen (1667: [15] S. 191 Nr. 395). Weiter werden grüne Pult-, Altar- und Kanzeldecken, Kissen und Teppiche für Werktage genannt [15, S. 28 Nr. 61], oder auch grün-goldene [15, S. 27 Nr. 56]. Schwarze Drapierungen der Kirchen waren für Trauergottesdienste anscheinend üblich [15, S. 98 Nr. 210]. Die häufige Erwähnung von Purpur, Rot, Gold und Violett weist möglicherweise auf kgl. Symbol- und Hoheits-F. hin, wie sie sich in Königskirchen und -kapellen und für den Gebrauch von Bischöfen ergaben. Das Gesamtbild unterscheidet sich offenbar prinzipiell nicht sehr von dem des kontinentalen Luthertums der Zeit. Eine genaue Funktionsverteilung für die einzelnen F. ist schwierig. Auffällig ist das reichliche Vorkommen von Blau, das vielleicht in manchen Fällen Königs-F. ist, sonst aber wohl, wie öfter in den früheren Jhh., die Funktion von Violett erfüllt (als dunklere F. für Bußsymbolik). Auch in Deutschland ist im 16. Jh. und später mehrfach Blau anstelle von Violett festzustellen. Es ist allerdings denkbar, daß man gelegentlich für Violett infolge mangelnder sprachlicher Differenzierung einfach „Blau“ sagte. Die anglokath. ritualistische („hochkirchliche“) Richtung im England des 19. Jh. hat sich dann enger an den nachma. F.-Kanon des röm. Ritus angeschlossen, wie das der kontinentale Protestantismus weithin schließlich auch tat.
3. 17. und 18. Jh. in Dtld., Schwarz als liturg. Universalfarbe
Auch für das 17. Jh. gilt, daß im Luthertum Deutschlands die liturg. F. der Kirchenjahreszeiten „nach Vermögen für Altar, Kanzel und Taufstein stillschweigend beibehalten“ wurden (P. Graff [16], Bd. 1 S. 106). Weithin trifft dieses Urteil auch noch für die Gewänder der Geistlichen zu. Die Bestände an farbigen Meßgewändern sind jedenfalls noch groß.
In Torgau werden 1671 Kaseln in allen liturg. F. verzeichnet: Violbraun mit Silber und einem Marienbild, Bräunlich mit Silber und dem Bild des Apostels Paulus (beides ursprünglich Violett oder Purpurfarben?), Leibfarben (– Rosa?) mit Silber und dem Bild des Apostels Paulus, Golden, Gelbgolden, Grünsamten, Rot, Rotsamten, Schwarzsamten [8, S. 52]. Das sind wohl teils noch spätma. Bestände. Über kirchenjahreszeitliche Verwendung der Gewand-F. erfahren wir aus dem Küsterbuch von St. Nicolai in Leipzig für die Jahre 1619–1662, wobei die Zusammenordnung mit gestickten oder applizierten Bildern interessant ist: Advent Grün mit Einzug Christi, Neujahr Gold, Dreikönige Rot-Gold, Mariä Lichtmeß und Mariä Verkündigung Weiß, Fastensonntage Schwarz mit Kruzifix, Ostertage mit Kruzifix (wohl Weiß oder Rot), Quasimodogeniti Weiß, Himmelfahrt Gold, Pfingsten Braun-Rot, Johannis Rot-Gold, Mariä Heimsuchung Rot mit Maria und Kind, Sonntage im (jahreszeitlichen?) Wechsel Grün, Rot, Dunkelrot, Violbraun [8, S. 47]. Hier scheint lokale Tradition im Spiele zu sein. Bemerkenswert ist die thematische Beziehung der Bilder zum Festinhalt (Einzug in Jerusalem, der Gekreuzigte als das Osterlamm, Maria). Das für den Advent auffällige Grün könnte an die Palmzweige beim Einzug Christi erinnern wollen. Im ganzen ist der Anschluß an die Tradition deutlich. Auffällige Abweichungen bieten Angaben der Dresdener Hofdiarien über den Gottesdienst in der dortigen Hofkirche, die ja bis zum Verzicht der sächsischen Kurfürsten auf den Vorsitz im Corpus Evangelicorum E. 17. Jh. gleichsam das tonangebende gottesdienstliche Zentrum des dt. Luthertums und einer sorgsamen Pflege der liturg. Einzelheiten war. Rot wird 1664 und 1667 an Pfingsten verwendet, aber auch 1672 zur Weihnachtszeit; Grün 1673 zu Pfingsten; Violbraun 1665 an Mariä Verkündigung und an den Ostertagen (!); Schwarz 1665, 1668 und 1673 in der Karwoche [17, S. 157f.]. E. Schmidt schließt daraus: „Tatsächlich scheint auch in der Wahl der F. für die Paramente keine ans Kirchenjahr gebundene Symbolik berücksichtigt worden zu sein.“ Er sieht nur das Bedürfnis nach „prunkvoller“ Ausgestaltung des Gottesdienstes (ebd.). Das dürfte nur partiell zutreffen. Rot ist häufig als Ersatz für Weiß als F. der Hoch- und Christus-Feste anzutreffen. Grün hatte an Pfingsten als Natur-F. einen sinnvollen Platz und wurde vielleicht einem Ergänzungs- und Ersatzbedürfnis entsprechend verwendet: Denn die Kirchen wurden gerade im Luthertum zu manchen Zeiten und Gelegenheiten mit frischem Grün in Form von (Mai-)Bäumen und Zweigen reichlich geschmückt, wie wir aus zahlreichen Berichten über diese oft getadelte und sogar verbotene Sitte wissen (vgl. [16] Bd. 2 S. 68f.; Bd. 1 S. 105; [20] S. 352; [21] S. 28). Vielleicht lag auch eine lokale Tradition zugrunde. 1730 trug der Pfarrer bei der Weihe der neuen Kirche von Dresden-Friedrichstadt eine grüne Kasel [8, S. 64], also wiederum an einem Fest der Kirche (für das Rot nach allgemeiner Überlieferung, wie an Pfingsten, verwendet werden könnte). Der F.-Kanon war offensichtlich nach wie vor noch nicht fest und spiegelt die liturg. Bewegungsfreiheit des Spät-MA.
Ansonsten wurden durch die Aufklärung schon früh Meßgewänder, weiße Talare (= Alben?) und Chorhemden als „papistisch“ diffamiert [8, S. 68]. In Wirklichkeit war das Abkommen der liturg. F. offensichtlich vorwiegend eine Verfalls- und Ermüdungserscheinung, die mit Unlust, Sparsamkeit, Armut, vor allem in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege, mit der Kultivierung des „Einfachen“ in den Gemeinden und zunehmenden Einflüssen des Reformiertentums und der theol. Aufgeklärtheit seit dem 18.Jh. zusammenhing, hilfsweise aber mit dem Antipapismus oder mit geschmacklichen Grundsätzen (Polemik gegen „grellfarbige bestickte Kaseln“ 1788: [8] S. 74) gerechtfertigt wurde. Auch obrigkeitliche Reformvorstellungen und Gebote flossen ein. Vor der Weihe von St. Sebastian in Berlin-Köpenik am 14. 7. 1696 wurde durch Kurf. Friedrich III. die Anwendung von Zeremonien und Gewändern (Kaseln, Chorhemden) ausdrücklich untersagt [8, S. 56f.]. Der Fürst war reformiert. Verhältnismäßig schnell scheint sich die Auffassung vom „papistischen“ Charakter von gottesdienstlichen Gewändern und F. durchgesetzt zu haben. Bei dem Gottesdienst-Theoretiker Caspar Calvör werden 1705 die fünf F. Weiß, Rot, Grün, Violett und Schwarz für Altar- und Klerikerparamente deutlich als röm.-kath. Eigenheit aufgefaßt und – das Schwarz ausgenommen! – von den Hebräern abgeleitet [18, S. 505]. Die Kaseln seien ursprünglich nur weiß gewesen [18, S. 512]. Nach Entfernung der Alben und Kaseln aus dem Meßgottesdienst haben heute die meisten Protestanten „pallia aut tunicae talares“. Sie sind von schwarzer F., die sowohl bei den heiligen Gewändern wie beim sonstigen Kirchenschmuck („uti in vestibus sacris sic in reliquo ornatu ecclesiastico“ !) sich vor den anderen bei den Protestanten bewährt hat [18, S. 515]. Um diese Zeit also bahnt sich erst – wohl anknüpfend an reformierte Gepflogenheiten, an den Zeitgeschmack und an pietistischen Kult des Einfachen – die Bevorzugung des Schwarz als liturg. Universal - F. an.
Schwarz war nun zweifellos eine beliebte Fest-, Würde- und Repräsentations-F. der Barockzeit geworden, sowohl in der Kleidung wie auch in der Raumausstattung (etwa durch die Verwendung von Ebenholz und schwarzen Anstrichen in Verbindung mit Gold oder Silber, gerade auch in der Dekoration der Altäre und des Kirchenraumes, und zwar nicht nur im Protestantismus). In bürgerlichen Kreisen verband sich damit standesbewußte und gepflegte Seriosität nach dem Vorbild schwarz gekleideter Gelehrter und Beamter. Die Alltagstracht der Geistlichen war schwarz. Man hat weiter an die Verarmung durch den Dreißigjährigen Krieg erinnert, die die Beschränkung der Kirchenausstattung und die Notwendigkeit einer Allzweck-F. herbeiführte. Weiter wurde vermutet, daß Schwarz als liturg. General-F. bereits ein von der Reformation übernommenes Erbe des Spät-MA sei. Es habe sich deshalb schon von Anfang an leicht eingebürgert, weil dem Spät-MA durch die zahllosen, häufig täglich, in schwarzen Kaseln zelebrierten Totenmessen diese „Farbe“ fast als normales liturg. Kolorit geläufig war, was ganz besonders für Luthers Orden, die Augustiner-Eremiten, zutreffe (E. Seybold in [8] S. 112). Für Totengottesdienste wurden übrigens auch im Luthertum noch im 18. Jh. schwarze Kaseln gestiftet (Beispiel von 1713: [8] S. 61). Diese Argumentation überzeugt indes nicht. Denn im 16. Jh. war zweifellos das Schwarz im Luthertum noch nicht dominierend. Tatsächlich dürften neben den praktischen, wirtschaftlichen, geschmacklichen, kulturellen und allgemein zeitgeschichtlichen wohl auch psychologische Gründe für die entstehende kirchliche Bevorzugung von Schwarz maßgebend gewesen sein. Schon im 17. Jh. bahnte sich ein Stimmungsumschwung im religiösen Bewußtsein an, wie er in Kirchenliedern und in der Andachtsliteratur zum Ausdruck kommt. Eine individuelle, ja subjektive Passionsfrömmigkeit stellte den leidenden und sterbenden Christus mehr als den auferstandenen in den Mittelpunkt. Die Fastenzeit erhielt als „Passionszeit“ einen neuen Akzent und trat im Kirchenjahr zunehmend hervor. Der Pietismus betonte diese Linie. Damit legten sich wohl auch der Verzicht auf bunte und die Bevorzugung dunkler Buß- und Trauer-F. nahe, zumal da das dem Feier-Stil und der Statuspflege der Zeit entgegenkam.
Trotzdem hielten sich die Farben, zumindest für Altar-, Kanzel- und Taufsteinbekleidung, in weiten Bereichen des Luthertums viel länger, als man aus den Bemerkungen von Kritikern und Gegnern erschließen kann (vgl. [21] S. 30). So erfahren wir um 1730 von dem pietistisch beeinflußten Liturgiehistoriker Chrn. Gerber, daß das gemeine Volk an äußeren Dingen wie Meßgewändern, Altar- und Kanzelschmuck hänge, daß viele Kirchen, besonders in großen Städten, genug davon haben, daß dennoch stiftungsfreudige Leute, die ein gutes Werk tun wollen, noch mehr davon machen lassen und den Kirchen schenken, obwohl es Kirchen gibt, die bis zu zehn Meßgewändern haben [19, S. 115 und 458]. Sie meinen, „es sey was herrliches, wenn alle hohe Fest-Tage, item an Buß-Tagen u. s. f. Altar, Cantzel und Tauff-Stein anders könnten bekleidet werden“ [19, S. 21f.], obwohl man das Geld besser den Armen geben würde. Hier ist also das Bedürfnis nach jahreszeitlichem Wechsel der F. in den Gemeinden noch offenkundig, ebenso Ansätze zu einer grundsätzlichen ethischen Kritik daran. Nach Calvör gibt es in den ev. Kirchen eine doppelte Altarbekleidung, ein Leinentuch und darunter eine Decke aus Stoff, Seide, bestickt usw., ähnlich wie in den röm., wo dafür die fünf den liturg. Gewändern entsprechenden F. verwendet werden [18, S. 122]. Man kann daraus schließen, daß auch im Luthertum analog noch diese F. in Gebrauch waren. Im übrigen war neben dem immer mehr sich durchsetzenden uniformierenden Schwarz als normale liturg. Allgemein-F. für Sonntags- und Festgottesdienste das Weiß dem 18. Jh. zunächst noch völlig vertraut, besonders durch die Chorhemden, die Alben mit oder ohne Kaseln und die Ministrantenbekleidung (vgl. u. a. [8] S. 62). In der Kleidung des Täuflings, der Braut, manchmal auch der weiblichen Abendmahlsgäste reicht es bis ins volkstümliche Brauchtum hinüber. Bei der Herrnhuter Abendmahlsfeier wurde ein weißer Talar als farbliches Distinctivum verwendet, wie August Gottlieb Spangenberg noch 1786 berichtet [6, S. 150]. Das ist möglicherweise nicht nur Konservierung älterer Traditionen, sondern bewußter Gegensatz gegen die düster-feierliche schwarze Repräsentations-F. Die Herrnhutische Passionsfrömmigkeit und Mystik hat denn auch einen freudigen Zug. Weiße Talare und weiße Hauben mit farbigen Bändern und weißen Umhängen für die weiblichen Gemeindemitglieder („Schwestern“) erhielten sich bis zur Gegenwart.
In den Rand- und Außengebieten des dt. Luthertums blieb die Verwendung von farbigen Gewändern und Paramenten offenbar bis ins 19. Jh. hinein konstanter als in den Binnenländern. In Ostpreußen und Kurland wurden Meßgewänder und Chorröcke getragen, letztere in weißer F. Der jahreszeitliche Wechsel der F. der Kaseln war begrenzt, da nach den Inv. nur wenige Kirchen verschiedenfarbige besaßen [23, S. 84]. Anweisungen darüber in den Kirchenordnungen sind spärlich [23, S. 80]. Genaueres wissen wir aus Siebenbürgen, wo die Vorschriften für die kirchenjahreszeitliche Bekleidung von Altar, Kanzel und Taufstein besagen: 1.Advent Rot; 2.–4. Advent „ordinarius“ (Violett? Grün?); Invocavit bis Judica (1.–5. Fastensonntag) Schwarz, aber Laetare Rot; Palmarum Grün; „festo viridium“ (Gründonnerstag) Grün; Karfreitag Schwarz; Ostern, Himmelfahrt, Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung Rot; Pfingsten Weiß; Trinitatis Grün [24, S. 210f.]. In diesem interessanten, abwechslungsreichen Rhythmus ist das Hervortreten der alten Fest-F. Rot und die Zurückdrängung von Weiß bemerkenswert, ebenso das Fehlen von Violett, das für die Buß- und Passionszeit durch Schwarz ersetzt wird, ferner die Beziehung einzelner Feste zu Grün. Die Abweichungen vom alten F.-Kanon haben ihre eigene Logik. Das Schwarz erhält ein starkes Gewicht im liturg. Jahr. Anders ist es in Siebenbürgens Hauptort Hermannstadt (Sibiu) mit den Kaseln. Die F. der dort bis M. 19. Jh. gebräuchlichen Meßgewänder sind im Jahre 1764 folgende: An höheren und Hoch-Festen und an deren Vorabend goldgewirktes Pluviale, goldenes Meßgewand bzw. Diakons-„Tuniken“ und Albe; an Sonntagen und Mittwochen je nach Jahreszeit zum Abendmahlsgottesdienst ein weißes, grünes oder rotes Meßgewand; an Bußtagen ein violettes Gewand, an Karfreitagen ein rotes Pluviale (wohl wegen der Blutfarbe?: [24] S. 211).
Aber die noch beibehaltenen liturg. F. wichen, wenn bei notwendigen Neuanschaffungen die Kostenfrage und die innere Einstellung in Verbindung mit der zunehmenden Auflösung des Kirchenjahres in den Vordergrund traten [16, Bd. 2 S. 69]. Nicht nur äußere Umstände und innere Einstellung pietistischer oder aufgeklärter Zeitgenossen, sondern auch standardisierende und legalisierende Maßnahmen auf dem Verordnungswege, wie z. B. in Ansbach schon 1714 ein Verbot des Konsistoriums ([2] Bd. 11, 1961, S. 292 Anm. 36, wo auch Lit.) und in Preußen das kgl. Edikt von 1733, das die Meßgewänder abschaffte, beschleunigten das Vordringen der schwarzen F., die sich als eine Art von offizieller Staats- und Würde-F. von den Roben und von der alltäglichen Standeskleidung der Geistlichen her auch für das allgemeine liturg. Kolorit durchsetzte. Alles andere galt seitdem als „katholisch“ [9, S. 318f.]. In Nürnberg wurde erst seit dem 11. 11. 1810 auf die bis dahin üblichen Meßgewänder und weißen Chorhemden verzichtet [2, Bd. 11, 1961, S. 44 Anm. 1]. Schließlich mußte die Verwendung von Schwarz sogar als Minimum gegenüber Willkür, Verwilderungserscheinungen und weitergehenden Profanierungs- und Säkularisierungstendenzen angeordnet werden, in Preußen endgültig durch kgl. Kabinettsorder vom 20. 3. 1811 und durch Konsistorialverfügung vom 31. 1. 1817, die sich gegen die Verweltlichung und Willkür in der Amtstracht und gegen die Verwendung privater bzw. bürgerlicher Kleidung bei Amtshandlungen wandten und den schwarzen Talar verbindlich einführten, wobei die Beibehaltung bestehender und gebräuchlicher altkirchlicher liturg. Kleidung zugestanden wurde [25, S. 40f.].
4. Restauration und Reform im 19. Jh.
Damit war eine Standard-F. für das 19. Jh. und zugleich ein Ausgangspunkt für neue Überlegungen gesetzt. Die liturg. F. stehen im frühen 19. Jh. auch im Bereiche des traditionellen Luthertums zunächst noch völlig im Hintergrund. Die fünf überlieferten F. gelten als kath. Zubehör zur Kleidung des zelebrierenden Meßpriesters, Rot als Sinnbild der Liebe, Blau der Buße, Schwarz der Trauer [26, S. 102]. Farbige Kanzelbekleidung wird nicht erwähnt [26, S. 82], aber in der Fastenzeit werden auch in den ev. Kirchen Kanzel und Altar schwarz behängt [26, S. 29]. Ob das den Gebrauch anderer F. voraussetzt, ist hiernach offen. Zwei Jzz. später verlautet jedoch aus dem gleichen kirchlichen Bereich, daß zwar „keine bestimmte Regel“ für die F. bestehe, daß aber „die alte Ordnung der liturg. F.“ unbedenklich zu verwenden sei: Weiß, Rot, Grün, Violett (nicht Blau, wie es oft mißverstehend in kath. und ev. Kirchen gewählt werde) und Schwarz. Hier ist also der Sinn der F. schon durchreflektiert. Die Verteilung auf das Kirchenjahr wird, analog etwa der röm. Gewohnheit, in herkömmlicher Weise angegeben [27, S. 51f.]. Aus praktischen Gründen wird man sich jedoch meist mit Rot (Feste), Grün (Alltag) und Schwarz (Trauer) begnügen müssen [27, S. 53]. Folgende Sinngebung ist vorgesehen: Weiß ist F. der Engel und der Heiligen (einschließlich Luthers!), Rot des Blutes, des Feuers und der Kirche, Violett der feierlich-ernsten Sammlung und Vorbereitung, Schwarz der Trauer und Demütigung, während Grün als in der Natur verbreitetste F. das frische Alltagskleid der Erde darstellt [27, S. 52]. Nur reine, keine gebrochenen F. sollen verwendet werden [27, S. 53]. Einfacher ist wieder das Bild bei dem damals einflußreichen lutherischen Theologen Th. Kliefoth: Die Verwendung farbiger Paramente für Altar und Kanzel sei ursprünglich freigestellt gewesen. Die gebräuchliche lange farbige Altardecke (Rot oder Grün) werde am Karfreitag durch eine schwarze ersetzt [28, S. 137f.].
Interessant aber ist, daß die lutherischen Auswanderer, vornehmlich aus Sachsen, die in St. Louis (Missouri) die Stammgemeinde der späteren bedeutenden und starken lutherisch-orthodoxen „Missouri-Synode“ bildeten, 1837 die vor 40 Jahren (also um 1800!) übliche liturg. Tracht wieder herstellten, die verschiedenfarbig „wie noch jetzt bei der Kirchendekoration“ gewesen sei: für Ostern Rot (vgl. den oben angeführten Siebenbürger Brauch, Sp. 134f.), für Pfingsten Grün (wie in der Hofkirche in Dresden im 17. Jh., s. Sp. 131), für Weihnachten Blau (ein Novum; Erinnerung an das adventliche Violett? oder als F. des Himmelszeltes? der Gottesmutter?; [8] S. 89). Im Zuge der restaurativ-reformerischen Tendenzen bei der Erneuerung des Gottesdienstes etwa um die M. 19. Jh. hat sich Wilh. Löhe (1808–1872) in Bayern für die Wiederherstellung folgenden alten F.-Kanons eingesetzt: Weiß (Herren- und Marienfeste, Bekennerfeste, Totenfeier kleiner Kinder als Zeichen der Unschuld), Rot (Pfingsten als Feier der Liebe, Apostel- und Märtyrertage), Schwarz (Karfreitag, Fastenzeit bis Gründonnerstag als Vorbereitung des Todes Christi, Adventszeit, Fasttage, Totengottesdienst), Grün (F. der Hoffnung für alle gewöhnlichen Sonn- und Feiertage), Blau (später an Stelle von Schwarz für die Advents- und Septuagesimalzeit, Vigilfeiern, Quatember außer Pfingsten, Tag der Unschuldigen Kinder; [29] S. 17 und 64f.). Das Interesse an der Kirchenausstattung mit liturg. Textilien (und damit an den liturg. F.) zeigt die Begründung von „Paramentenvereinen“ seit dem 19. Jh. [30, S. 149] und das Aufkommen von entsprechenden Werkstätten (z. B. in Diakonissenhäusern, die sich der Pflege der Gottesdienste und des liturg. Schmucks besonders annahmen) und schließlich von eigenen Industrien. Schon W. Löhe hatte um 1857–58 für Neuendettelsau den Plan eines Paramentenvereins der Diakonissen [29, S. 39ff.].
Trotzdem bleibt eines auffällig: daß gerade im Protestantismus im volkstümlichen religiösen Bewußtsein das Schwarz als eine für religiöse Zwecke besonders geeignete F. bevorzugt wurde (Kleidung der Geistlichen, der Kirchgänger, besonders zum Abendmahl, Einbanddecken für Bibeln, Gesang-, Gebet- und liturg. Bücher), neben die das Violett als eigentümliche offizielle Kirchen-F. tritt, die als Altarbekleidung lange dominierte (ähnlich wie in England), soweit nicht die F. gewechselt wurden, und die etwa in den neuzeitlichen Kirchenfahnen (violettes Kreuz auf weißem Grund) repräsentativ für die Kirche wurde. Im akademischen Ornat und im Besatz von kirchlichen Talaren erscheint Violett bis zur Gegenwart als distinktive F. der Theologen. Rationale Gründe dafür dürfte es kaum geben.
Im lutherischen Skandinavien, besonders in Schweden, entsprechen die Verhältnisse in der Neuzeit etwa denen in Deutschland, nur daß sich hier die farbigen Meßgewänder länger unangefochten gehalten und im 19.–20. Jh. wieder stark durchgesetzt haben.
Literatur
Wegen des Fehlens spezieller monographischer Behandlungen wurden neben allgemeiner Lit. Quellen und Werke von Quellenwert verwendet.
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Verweise
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