Fabricius
englisch: Fabricius; französisch: Fabricius; italienisch: Fabrizio.
Max Denzler (1971)
RDK VI, 834–846
I. Person und Anekdote
Gaius Fabricius (= F.) Luscinus („Einäugiger“; s. im näheren Alois Walde und Joh. Bapt. Hofmann, Lat. etymologisches Wb. Bd. 1, Hdbg. 19383, S. 838f. unter „luscus“), aus plebeischer Familie, war in den Jahren 282 und 278 v. Chr. Konsul, 275 Zensor. Im Kriege stand er u. a. König Pyrrhus von Epirus gegenüber. Als geschichtliche Persönlichkeit höchstens in Umrissen erkennbar, wurde er – gleich seinem Zeitgenossen Manius Curius Dentatus – ein durch die Anekdote berühmtes, volkstümliches, ja sprichwörtliches Muster altrömischer Tugend und Sittenstrenge, eine Lieblingsfigur Ciceros (Paradoxa stoicorum 50: „ne semper Curios et Fabricios loquamur“), des Philosophen Seneca und aller Rhetorik; s. auch August Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Lpz. 1890 (Neudruck Hildesheim 1965), S. 129 Nr. 625.
Folgende – z.T. mit Varianten überlieferte – Erzählungen seien von ihm vermerkt:
A. Unbestechlichkeit
Als F. nach seinem ersten Konsulat an der Spitze einer Gesandtschaft zu Pyrrhus kam, bot ihm der König reiche Schätze an (Plutarch, Vitae parallelae, Pyrrhus 20, 1f. = Moralia 195 B, 2). F. wies das Anerbieten zurück: er lobe sich seine Armut mehr als den Reichtum und die Furcht der Tyrannen (Appian, Hist. Romana, Samnitica 10, 13: ed. P. Viereck und A. G. Roos Bd. 1, Lpz. 1939, S. 41).
Schon im Altertum floß diese Anekdote mit der von Curius erzählten (s. RDK III 879f.) derart zusammen, daß vielgelesene Autoren berichteten, F. habe ein solches Angebot (auch) von den Samniten erhalten und abgelehnt (Valerius Maximus IV, 3 [De abstinentia et continentia], 6; Gellius, Noctes Atticae I, 14 [unter Berufung auf Iulius Hyginus, De vita rebusque inlustrium virorum]; Servius zu Aeneis VI, 844); sogar das Motiv des Rübenmahls am Herde wurde auf F. bezogen (z. B. Seneca, Dialogi I [De providentia], 3, 6; Augustinus, Epist. 104, II, 6: Corp. Script. Eccl. Lat. Bd. 34 b, S. 586; Rutilius Namatianus, De reditu suo I 558: Minor Latin Poets, ed. J. Wight Duff und Arn. M. Duff [= Loeb Classic. Libr.], London und Cambridge, Mass. 1934, S. 812).
Diese Erzählung(en) machte(n) F. zu einem Beispiel der Unbestechlichkeit, aber auch zum Vorbild ehrenvoller Armut:
„Patientia paupertatis ornatus“ heißt er bei Cicero, De lege agraria II, 64; „so arm wie mächtig“, „parvoque potentem“ nennt ihn Vergil, Aeneis VI, 843f.; Lukan, Pharsalia X, 151f. führt ihn zusammen mit Curius als die „nomina pauperis aevi“ der römischen Geschichte an. Bei Seneca a.a.O. 3, 4 erscheint er unter den exempla der unbeugsamsten, aufrechtesten Männer, die das Schicksal am liebsten auf die Probe stellt: „ignem experitur in Mucio, paupertatem in Fabricio, exilium in Rutilio, tormenta in Regulo, venenum in Socrate, mortem in Catone“. – In der Spätantike konnte auch das Verhalten der Christen an seinem Beispiel gemessen werden: F. habe sich zur Armut bekannt „pro conservanda gloria Romanorum“, der Christ verzichte um eines viel höheren Gutes willen, „pro obtinenda societate angelorum“, auf die irdischen (Augustinus, De civitate dei V, 18: Corp. Chr. Ser. Lat. Bd. 47, S. 153f.).
B. Unerschrockenheit
Als F. seine Verachtung des Reichtums dem Pyrrhus bewiesen hatte, suchte ihn dieser – laut einer nur aus Plutarch bekannten Nachricht (Pyrrhus 20, 2f. = Moralia 195 B, 2) – durch Schreck zu beeinflussen. Während eines Gesprächs beider wurde dem Befehl des Königs gemäß hinter F. ein Vorhang weggezogen; es erschien der größte der Elefanten, erhob seinen Rüssel über dem Kopf des Römers und ließ seine furchtbare Stimme ertönen. F. aber – unerschrocken – wandte sich um und sagte zum König lächelnd: „Du hast mir weder gestern durch dein Gold Eindruck gemacht noch heute durch dein Tier.“
C. Ächtung des Verrats
Als F. zum zweitenmal Konsul war, erbot sich ihm ein Verräter aus dem Lager des Pyrrhus – die antiken Quellen nennen ihn Timochares aus Ambracia oder Nicias oder bezeichnen ihn nur als Arzt des Königs oder als Überläufer –, Pyrrhus durch Gift zu töten. Einhellig wird berichtet, das Anerbieten sei verworfen und der König von der ihm drohenden Gefahr verständigt worden, sei es, daß dies F. selbst (und sein Mitkonsul) veranlaßte, sei es, daß auf seine Meldung der Senat den Feind warnte, „memor urbem a filio Martis conditam armis bella, non venenis gerere debere“ (Valerius Maximus VI, 5 [De iustitia], 1 Abs. 4).
Nach einigen Zeugnissen wurde die Person des Verräters dem Pyrrhus verschwiegen (so Valerius Maximus a.a.O.; Seneca, Epist. 120, 6; Gellius III, 8, 1–4; s. auch Livius XXXIX, 51, 11), nach anderen ihm mitgeteilt (z. B. Livius XXXXII, 47, 6; Plutarch, Pyrrhus 21, 1–3 = Moralia 195 B, 4f.; Gellius III, 8, 5–8), nach weiteren der Schuldige dem König ausgeliefert (so Cicero, De officiis I, 40, III, 86; Livius, Periocha XIII: Wilh. Weissenborn und Herm. Johs. Müller, Liv., Bd. 10 Teil 2, Bln. 19623, S. 129; Eutropius, Breviarium ab urbe condita II, 14, 1: Mon. Germ. Auct. ant. Bd. 2, S. 34, 36). Vergleiche mit dem Falisker Schulmeister bei Livius XXIV, 45, 3, XXXXII, 47, 6.
Auch hier wurde das Verhalten des F. zum Vorbild erhoben. Cicero rühmt es als „maximum exemplum iustitiae in hostem“ (De officiis I, 40) und vergleicht „Fabricius iustus“ mit dem Athener Aristides (ebd. III, 16.87); s. auch Seneca a.a.O. (Sp. 836): „Eiusdem animi fuit, auro non vinci, veneno non vincere“. Im selben Zusammenhang erwähnt Eutropius a.a.O. II, 14, 2 (S. 36) die angebliche Äußerung des Pyrrhus, das sei F., „qui difficilius ab honestate quam sol a cursu suo averti potest“.
II. Nachleben
Die Rezeption des antiken Begriffs der Viri illustres in den letzten Jhh. des MA ließ auch das vom Altertum überlieferte Bild des F. als Beispiel römischer Größe und römischer Tugenden wieder bedeutsam und nachahmenswert erscheinen.
Bereits Johannes von Salisbury (um 1115 bis 1180) schildert das exemplarische Verhalten dieses Tugendhelden: Policraticus V, 7 (Quae mala vel bona subiectis proveniant de moribus principum); ed. Clemens C. J. W ebb, Oxford 1909, Bd. 1 S. 311f. – Dante nennt ihn – nächst Maria, die arm im Stall den Heiland geboren hat – unter den Beispielen der avarizia entgegengesetzter Tugenden: „O buon Fabrizio, / con povertà volesti anzi virtute / che gran ricchezza posseder con vizio“ (Purgatorio XX, 25–27) und führt Convivio IV, 5, 13 den Entschluß des Heiden zur Armut auf „divina inspirazione“ zurück. – Petrarca zeigt F. in der Schar berühmter Römer, der „gente di ferro e di valore armata“ (Trionfo della Fama I, Vers 28): „un Curio ed un Fabrizio assai piu belli / con la lor povertà che Mida o Crasso / con l’oro, onde a virtù furon ribelli“ (ebd. Vers 55–57); in „De viris illustribus vitae“ preist er die „ditissima viri paupertas“ (ed. Luigi Razzolini Bd. 1, Bologna 1874, S. 144) und die gerechte Strafe, die F. dem verräterischen Ansinnen des „regius minister“ folgen ließ (ebd. S. 146).
Dieser Ton wurde in den nächsten und späteren Jahrhunderten festgehalten; er ist noch im 18. Jh. vernehmbar.
III. Darstellungen
A. Antike
Während seines ersten Konsulats hatte F. die Stadt Thurii in Unteritalien von den belagernden Lukanern und Bruttiern befreit (vgl. hierzu Valerius Maximus I, 8 [De miraculis], 6); zum Dank errichtete ihm die Stadt eine Statue in Rom (Plinius, Naturalis historia 34, 20; Olof Vessberg, Stud. zur Kg. der röm. Republik [= Acta Inst. Romani Regni Sueciae, 8], Lund und Lpz. 1941, Textbd. S. 23 Nr. 70, S. 93).
B. MA und Neuzeit
1. Bildnisse
Bildnisse des F. gab es in historischen Zyklen seit dem 14. Jh. (eine Zusammenstellung solcher Zyklen bei Bernh. Degenhart und Annegr. Schmitt, Corp. der ital. Zchgn. 1300–1450, Teil I Bd. 2, Bln. 1968, S. 619f. Anm. 25).
a. F. als vir illistris
In der nicht erhaltenen Weltalterdarstellung des Pal. Orsini in Monte Giordano zu Rom stand er zwischen seinen Zeitgenossen Pyrrhus und Ptolemaeus II Philadelphus (W. G. Simpson, Warburg Journ. 29, 1966, 154f.); ebenso die Kopie des Leonardo da Besozzo in dem 1436 bis 1442, alsbald nach den Fresken, geschaffenen Cod. der Slg. Crespi-Morbio, Mailand (Heinr. Brockhaus in: „Ges. Stud. zur Kg. Festgabe für Ant. Springer“, Lpz. 1885, S. 56, XI B 3; Abb. 3).
In einem Zyklus römischer Viri illustres ist F. neben Curius in der Sala dei Giganti des Pal. Trinci zu Foligno dargestellt (um 1424); der dazu gehörige, bei Mario Salmi, Boll. d’arte 13, 1919, 177 mitgeteilte Titulus rühmt die Unbestechlichkeit, die der Bedürfnislose Pyrrhus gegenüber gezeigt habe, aber auch gegenüber den Samniten (insoweit liegt Valerius Maximus IV, 3, 6 zugrunde), sowie das Verhalten gegen den Verräter – hier „magister“ genannt – aus dem Lager des Königs; der Titel entspricht Anthologia Lat. I, 2, Nr. 838: A. Messini, Riv. d’arte 24, 1942, 93f. – Im großen Saal des Pal. Carrara zu Padua wurde 1367–79 ein Zyklus berühmter Männer gemalt und nachdem er verbrannt war, von 1539/40 an durch einen neuen ersetzt. In beiden wurde F. dargestellt, das zweitemal in antikischer Feldherrntracht mit kurzem Schwert, neben Cincinnatus (Abb. 4 a) und – vielleicht anders als in der ersten Fassung (s. Theodor E. Mommsen, Art Bull. 34, 1952, 103) – von Curius getrennt; die lat. Eulogia (ebd. Abb. 33 gegenüber S. 103) schließt sich in ihrer ersten Hälfte wörtlich an Kap. 20, 1–3 der Pyrrhus-Vita des Plutarch an; vgl. im übrigen Sp. 821. – In der Stadtresidenz zu Landshut befindet sich unter den die Gestalt der Fama umgebenden Halbfiguren von Viri illustres der um 1542 von Hans Bocksberger d. Ä. geschaffenen Deckenmalereien des Italienischen Saales ein Bild des F. (Max Goering, Münchner Jb. N. F. 7, 1930, 279 [vgl. Abb. 8]; Hans Thoma, Stadtresidenz L., Amtl. Führer, Mchn. 1938, S. 72).
Ein Holzschnitt in Hartmann Schedels Weltchronik, Nürnberg 1493, Bl. 76v, zeigt F. unter „römischen Ratsherren“; die Halbfigur, der in der lat. Ausgabe sein Name beigeschrieben ist, wurde in der dt. durch Wiederholung einer anderen ersetzt. Der Text rühmt die Beharrlichkeit, mit der F. den Verlockungen des Feindes widerstanden habe: „Darumb sprach Pirrhus: diser ist schwerlicher von seiner frümkeit dann die sunn von irm lawff zebringen.“
b. F. als Beispiel der Paupertas und der Justitita
Als Vorbild des Bekenntnisses zur Armut von den Schatten der avari im Purgatorio angerufen (vgl. Sp. 837), erscheint F. in einer der aus den letzten Jzz. 14. Jh. stammenden Ill. einer Bologneser (?) Hs. der Divina Comedia, des Cod. Altonensis, der einzigen, die die im Text angeführten Tugend- und Lasterbeispiele im Bilde vorstellt (Abb. 1; vgl. Peter Brieger, Millard Meiss, Charles S. Singleton, Illum. Mss. of the Divine Comedy [= Bollingen Ser., 81], Princeton, N. J. 1969, Textbd. S. 172 [zu Purg. XX]): F., in ganzer Figur und langem Gewand, wendet sich redend einer Gruppe der Büßer zu.
Als Repräsentant der Gerechtigkeit ist F. in der Anticappella des Pal. Pubblico in Siena dargestellt (Wandfresken des Taddeo di Bartolo, 1407–14; Nicolai Rubinstein, Warburg Journ.21, 1958, 190ff.), im Verein mit Cicero, Cato Uticensis, Scipio Nasica, mit Curius, Appius Claudius Caecus und Gaius (?) Mucius Scaevola (Aldo Cairola und Enzo Carli, Il Pal. Pubbl. di Siena, Rom 1963, S. 191); bei ihm – wie bei Curius – wird der Ruhm der Unbestechlichkeit die Aufnahme in das „Gerechtigkeitsbild“ bewirkt haben.
Ein „Ballet“: „Die Triumphirende Liebe, umgeben mit den Sieghafften Tugenden“, das bei der Vermählung des Hzgs. Christian Ludwig von Braunschweig und Lüneburg am 12. 10. 1653 in Celle aufgeführt wurde, schloß nach der Vertreibung der Laster mit einem Tanz von zwölf römischen Helden, darunter F., dessen „Großmächtigkeit, in Verachtung Gold und Geldes“ in alle Welt erschollen sei (Druck – mit Kupferstichen – Lüneburg 1653 [?]: Ernest Vinet, Bibliogr. méth. et rais. des beaux-arts I, Paris 1874 [Neudruck Hildesheim 1967], S. 92 Nr. 716; Kat. Orn. Bln., S. 511f. Nr. 4122; vgl. ferner Ernst Hauswedell, Hamburg, „Die Kgl. Ernst August Fideicommiss-Bibl. 1. Teil“, Aukt. 174 [15. und 16.6. 1970], Nr. 1217: „Hamburg [um 1653]“).
2. Szenen
In den – seltenen – Hss. und Ausgaben des Valerius Maximus, deren Ill. im Text behandelte Themen und Vorgänge wiedergeben, kommt in der Regel auf jedes der neun Bücher eine einzige solche Darstellung; F. betreffende wurden dabei nicht ermittelt. Doch enthält z. B. auch der franz. Valerius in London, Brit. Mus., Harl. 4374, 4375, auf seinen neun großen szenenreichen Min. nichts Einschlägiges (vgl. George F. Warner, V. M. Min. of the School of Jean Fouquet, London 1907, S. 7–9). Bei den nicht minder raren szenischen Darstellungen zu Plutarchtexten waren die Nachforschungen gleichfalls erfolglos.
Fehlt es demnach an einer solchen Bilderquelle ganz, so sind Einzelbeispiele – zumal eindeutige –, verglichen mit gewissen andern römischen Historien, jedenfalls nicht zahlreich.
Zu I. A. und B. (Unbestechlichkeit und Unerschrockenheit) .
Bei Darstellungen des Ablehnens von Geschenken liegt der Anlaß zu Unsicherheit und Verwechslung bereits in den antiken Schriften (s. Sp. 834f.). Ob es Curius oder F. ist, der das Dargebotene verschmäht, und ob ein Anerbieten an F. von Pyrrhus oder den Samniten ausgegangen ist, läßt sich im einzelnen Fall nur auf Grund bestimmter Umstände oder Zusammenhänge der Darstellung, von Beischriften, zuverlässig überlieferten Bildtiteln oder dergleichen entscheiden.
Daß F. gemeint ist, der die Reichtümer gerade des Pyrrhus zurückweist, ist unzweifelhaft bei Bildern, die zugleich die Drohung mit dem Elefanten zeigen.
So verbindet im Pal. Carrara zu Padua (Sp. 838ff.) eine – ohnehin dem Bildnis des F. zugeordnete – Grisaille das Wegtragen der verschmähten Geschenke mit der Elefantenszene und bringt überdies das Sp. 836 erwähnte Plutarchzitat (Abb. 4 b). – Nur angedeutet sind die beiden fatti in einem Augsburger Kupferstich des Jak. Gottl. Thelott (1708–60) – nach Entw. von Joh. Wolfg. Baumgartner (1712 bis 1761) –, mit F. und Pyrrhus in der Mitte, den Schätzen, auf die des Königs Zepter weist, und dem Elefanten im Hintergrund, vorne Personifikationen der treuen Vaterlandsliebe, die den Trug des lockenden Reichtums durchschaut, und der Tapferkeit; auch hier würde schon die beigefügte Legende jeden Zweifel ausschließen (Abb. 7).
Glaubhaft bezeugt ist der Titel eines Gem. von Louis Lagrenée d. Ä., ausgest. im Pariser Salon 1777: „Fabricius accompagné de sa famille, refuse les présents que Pyrrhus lui envoie“ (Libourne Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.]; Gabriele Sprigath, Themen aus der Geschichte der röm. Republik in der franz. Mal. des 18. Jh. ..., Diss. Mchn. 1968, S. 396 Nr. 24; Abb. 8) und wohl auch der einer Zchg. von Jean-Michel Moreau d. J., ausgest. im Pariser Salon 1783: „Fabricius recevant des Députés (welche?) au moment qu’il fait cuire des légumes“ (ebd. S. 406 Nr. 40; Emmanuel Bocher, J.-M. Moreau le J. [= Les gravures françaises du 18e s., 6], Paris 1882, S. 687).
Ob bei dem um 1706 entstandenen Rübenmahl von Sebastiano Ricci in Florenz, Pal. Marucelli, die in neuerer Literatur vertretene Bezeichnung F. die ursprüngliche ist, ist ungewiß (Abb.: Dedalo 5, 1924– 1925, 294; s. auch Joachim von Derschau, S. R., Hdbg. 1922, S. 77, 79).
Ein Gem. des Januarius Zick (1730–97), Nürnberg, Germ. Nat.Mus. (Kat. der Gem. des 17. und 18. Jh. [1934], S. 78 Nr. 1298 [hier unzutreffend „Camillus“ genannt]; Eberhard Lutze, Mal. des dt. Barock und Rokoko [= Bilderbücher des Germ. Nat.Mus., H. 2], Nürnberg 1934, Bild 89), wird RDK III 881 als „Curius“ bezeichnet, bei [2] als der die Schätze des Pyrrhus – oder der Samniten? – zurückweisende F.; die drei Möglichkeiten werden – trotz des dargestellten Rübenmahls – offenbleiben müssen. – Die bei [2] erwähnten drei ital. Gem. des 17. Jh., anscheinend ein und dasselbe Thema behandelnd („Tentazione di un filosofo“?), lassen sich schwerlich auf F. beziehen, die dem Rosso Fiorentino zugeschr. mythologische (?) Zchg. (ebd.) ersichtlich nicht.
Die Unerschrockenheit des F. als Einzelszene bildet den Gegenstand eines Gem., das Ferdinand Bol für die Bürgermeisterkammer des Amsterdamer Rathauses geschaffen hat (dat. 1656) und das – mit zwei anderen, gleichzeitig entstandenen römischen Historien (s. Sp. 828f.) – noch in diesem Raum sich befindet (Hans Schneider, Jb. der preuß. K.slgn. 47, 1926, 73ff., Abb. 5). Von Bols ebd. Abb. 1–4 gezeigten Entwürfen ist der früheste die Zchg. in Mchn., Staatl. Graph. Slg., Inv.Nr. 1749 (Abb. 6), die aus dem Bericht des Plutarch das Wesentliche knapp und eindrucksvoll hervorhebt. Eine zweite Zchg., ebendort, Inv.Nr. 1748, wiederholt die Hauptgruppe mit erweiterter Szenerie und vermehrter Assistenz (ebd. Abb. 1). Dem ausgeführten Gem. steht die Ölskizze in Braunschweig, Hzg. Ant. Ulr.-Mus. am nächsten (ebd. Abb. 3; Hzg. Ant. Ulr.-Mus., Verz. der Gem., Braunschweig 1969, S. 35, Nr. 248). – Johan van Gool, De Nieuwe Schouburg der Nederlantsche Kunstschilders ..., Teil 2, Den Haag 1751, S. 203, erwähnt ein Gem. des Louis Fabritius Dubourg (1693–1775), „den grootmoedigen Romein Fabricius, tonende zynen onverschrokken moet aen Pirrus“, „te Zwolle, by den Heer Rietberg“; über den genannten Besitzer und den Verbleib des Bildes ist nichts bekannt.
Die bei [2] angeführte, aus dem 17. Jh. stammende Radierung des Giov. Franc. Venturini – Vorzchg. von Giov. Batt. Galestruzzi nach Polidoro da Caravaggio – zeigt eine im ganzen ungedeutete Szene, in der gefangene Barbaren vor bekränzten Elefanten (in einem Triumphzug) vorkommen (vielleicht zu der bei Michel Huber, Cat. rais. du Cabinet d’estampes de feu Monsieur Winckler, II [L’école ital.], Lpz. 1803, Nr. 3441 verzeichneten Reihe gehörig; Exemplar der Radierung in Mchn., Staatl. Graph. Slg., Inv.Nr. 1069).
Zu I. C. (Ächtung des Verrats).
Eine Hs. der ital. Übersetzung von Petrarcas Viri illustres, Darmstadt, L.Bibl., cod. 101, besitzt in Oberitalien gegen 1400 entstandene Grisaillen, denen wohl Darstellungen der urspr. Dekoration im großen Saal des Paduaner Pal. Carrara (s. Sp. 838ff.) zugrunde lagen (Julius von Schlosser, Jb. Kaiserh. 16, 1895, 185; Th. E. Mommsen a.a.O. [Sp. 840], S. 108); eine der Min. (Abb. 2) zeigt in einem Bilde das Anerbieten der Vergiftung und den Verräter, der – ein zweiter Schulmeister von Falerii – gebunden dem König ausgeliefert wird.– In einer zu Augsburg (Heinr. Steiner) erschienenen dt. Ausg. von Cicero, De officiis (1537; erstmals 1531) stellt ein Holzschnitt (Bl. 83) den verräterischen „flüchtigen“ mit dem von Bewaffneten umgebenen F. vor dessen Feldherrnzelt im Gespräch dar: „Herr ob ich des belonung hab / Mit gifft des feinds hilff ich euch ab“. „Ins schwert, und nit vergiffte weer / Hat hoffnung unser Römisch heer (s. Valerius Maximus VI, 5, 1 Abs. 4 [Sp. 836]) / Darumb du Ions gewarten sölst / Von dem, den du vergifften wölst.“ – Ein zweiteiliges Kaminfresko von Jörg Breu d. J. im Haus Annastraße 15 (früher D 215) zu Augsburg (dat. 1544; 1944 zerst. [s. Ausst.Kat. „Augsburger Renss.“, Augsburg 1955, S. 27, vor Nr. 87]) zeigte auf der einen Seite den Verräter – „Nicias“ – vor F., auf der anderen um Gnade flehend vor Pyrrhus; Albert Haemmerle, Vjhh. zur K. und Gesch. Augsburgs 1, 1935, 196–98 mit Abb.
Daß der Senat das Ansinnen des „Arztes“ zurückwies und den Feind Roms sogar warnte, nennen die „Fiori di virtù“ (um 1320; s. RDK V 1615f.) – ohne F. zu erwähnen – als Beispiel der „magnanimitas“ (unter Berufung auf Cicero; vgl. De officiis I, 152: Teil der „honestas“), zusammen mit dem Falken, der kein faules Fleisch frißt und sich nicht mit kleinen Vögeln abgibt: Ausg. Florenz 1491 und 1498, Kap. 29 (die von 1498 in einer Faks.-Ed. Florenz 1949, die frühere in engl. Übers. mit Einl. von Lessing
J. Rosenwald, Philadelphia 1953); der in beiden Ausg. vorhandene Holzschnitt zeigt den Arzt vor dem Senat sowie den Falken, der einen großen Vogel im Fluge schlägt (Abb. ebd.).
3. Emblemeatik
In der Emblematik spielt F., der Bedürfnislose und Unbestechliche, eine Rolle.
Achille Bocchi, Symbolicae Quaestiones ..., Bologna 1555 – mit Kupferstichen von Giulio Bonasone (B., Neue Ausg. Bd. 15, Lpz. 1867, S. 158–67) –, widmet ihm das Symbol 30 (S. 60f.) unter dem Lemma: „Non multa possidens, sed imperans sibi dicendus est ditissimus“ und zeigt in der Ikon (B., S. 160 Nr. 207) Gesandte, die dem vor seinem Zelt sitzenden Feldherrn Gefäße mit Geldstücken anbieten. Der folgende Text, gleichfalls in jambischen Senaren, schließt sich an Gellius I, 14 an, spricht jedoch allgemein von hostes, nicht von den Samniten, deren Erwähnung er dem nächsten, auf Curius bezüglichen Emblem vorbehält.
Unter den von Gabriel Weyer und anderen gemalten „Sinnbildern“ im großen Saal des Nürnberger Rathauses (s. Christoph Gottlieb von Murr, Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in des H. R. Reichs freyen Stadt N. ..., Nürnberg 1778, S. 393f.; zur Datierung Christian von Heusinger, Niederdeutsche Beitr. zur Kg. 9, 1970, 164) war eine Gerechtigkeitsdarstellung, die auf die Unbestechlichkeit des F. Bezug nahm. – Die „Emblemata Politica in aula magna Curiae Noribergensis depicta ...“, Nürnberg 1640 bei Wolf Endter (1. Ausg. 1617), mit jambischen Senaren von G. Rem und Kupferstichen von Peter Isselburg (Abb. 5), vielleicht nach Vorlagen von Gabriel Weyer (s. Thieme-Becker, Bd. 35 S. 478), zeigen diese oder eine entsprechende Darstellung als Nr. 26 unter dem Lemma „Ne corrumpar“: das Bild eines Mannes, der auf einem erhöhten Stuhl mit hoher Rückenlehne sitzt und die Hände vor das Gesicht hält; vor ihm kniet ein Mann mit bittend erhobenen Händen, und neben diesem stehen metallene Gefäße und ein Sack voll Münzen. Der dt. Text lautet: „Fabritius wird hochgeacht / Weil er all Gschenck vnd Gab veracht / Vnd jedermann gehalten gleich / Es sey gewest Arm oder Reich. Ein weiser Mann nach Geld nicht tracht / Sondern allein die Tugend acht.“ Die beiden mittleren Zeilen haben nichts mit der F.Überlieferung zu tun und weichen auch von den lat. Versen ab. Zusammen mit der Ikon mahnen sie die Inhaber von Ämtern, ohne Ansehen der Person zu entscheiden. – Die im Jahre 1629 zu Nürnberg ohne Bilder erschienenen „Emblemata Curialia auctiora operâ Jani Chunradi Rhumell philosophi medici“ enthalten – wieder als Nr. 26 und unter dem Lemma „Ne corrumpar“ – folgendes Epigramm: „Fabricii totum per didita Gloria mundum / Oblatas ausus quod sibi temnere opes: / Non ita vir sapiens signati est aeris amator / Virtutem ut numis posthabuisse velit.“
Zu den Abbildungen
1. Hamburg-Altona, Gymnasium Christianeum, cod. n. 2 Aa. 5/7 (Dante, Divina Comedia), fol. 73 (Ausschnitt), F. als Vertreter der Paupertas. Bologna (?), E. 14. Jh. Nach Dante Alighieri, Div. Com. Cod. Altonensis, ed. Hans Haupt, Bln. 1965, Faks.-Bd.
2. Darmstadt, L.Bibl., cod. 101 (ital. Übersetzung von Petrarca, De viris illustribus), fol. 18, der Verräter vor F. und seine Auslieferung an Pyrrhus. Oberitalien, gegen 1400. Fot. Bibl.
3. Leonardo da Besozzo, F. zwischen Pyrrhus und Ptolemaeus II Philadelphus. Mailand, Cod. der Slg. Crespi-Morbio, fol. 11v (Ausschnitt). Zw. 1436 und 1442. Fot. Mario Perotti, Mailand.
4 a und b. Domenico Campagnola und Stefano dall’ Arzere, F. neben Cincinnatus (a); Geschenke und Elefant des Pyrrhus. Wandgem. im Pal. Carrara, Padua. Begonnen 1539/40. Fot. Lux, Padua.
5. Peter Isselburg, der Unbestechliche. Kupferstich-Ill. (13 × 9 cm) zu „Emblemata Politica ...“ (s. Sp. 845), 1640. Fot. RDK.
6. Ferdinand Bol, F. und der Elefant des Pyrrhus. Zchg., 39,5 × 33,2 cm. Mchn., Staatl. Graph. Slg., Inv.Nr. 1749. Gegen 1656. Fot. Slg.
7. Joh. Wolfg. Baumgartner (Entw.) und Jak. Gottl. Thelott (Ausf.), Geschenke und Elefant des Pyrrhus. Kupferstich, 32,4 × 21,8 cm. Vor 1761. Fot. Karl H. Paulmann, Bln.
8. Louis Lagrenée d. Ä., F. weist die von Pyrrhus gesandten Geschenke zurück. Gem. a. Lwd., 3,45 × 2,84 m. Libourne (Gironde), Mus. munic. Sign. und dat. 1777. Fot. Bonny, Libourne, Nr. 18/24.
Literatur
1. Pauly-Wissowa, Bd. 6, Sp. 1931 bis 1938 (Friedr. Münzer). – 2. Pigler II, S. 376f.
Verweise
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