Europa (Mythologie)

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englisch: Europa (Mythology); französisch: Europe (Mythologie); italienisch: Europa (Mitologia).


Friedrich Kobler (1970)

RDK VI, 366–416


RDK V, 1065, Abb. 35. Rom, 2. V. 13. Jh.
RDK V, 1129, Abb. 16. Claes Jansz. Visscher (Verleger), A. 17. Jh.
RDK V, 1155, Abb. 29. Joh. Rud. Byss, 1717, Pommersfelden.
RDK V, 1165, Abb. 36. Pieter van der Borght, M. 18. Jh., Wien.
RDK VI, 367, Abb. 1. Paris, 2. V. 14. Jh.
RDK VI, 367, Abb. 2. Lyon, 2. H. 14. Jh.
RDK VI, 369, Abb. 3 a. Gotha, 2. H. 14. Jh.
RDK VI, 369, Abb. 3 b. Gotha, 2. H. 14. Jh.
RDK VI, 371, Abb. 4. Priv.bes., um 1440.
RDK VI, 371, Abb. 5. Dresden, 2. H. 15. Jh.
RDK VI, 373, Abb. 6. London, um 1470-80.
RDK VI, 375, Abb. 7. Monogrammist ia, 1497.
RDK VI, 375, Abb. 8 a. Venedig 1499.
RDK VI, 377, Abb. 8 b. Venedig 1499.
RDK VI, 377, Abb. 8 c. Venedig 1499.
RDK VI, 379, Abb. 9. Berlin, A. 16. Jh. (?).
RDK VI, 379, Abb. 10. Monogrammist PVL, um 1520, Leipzig.
RDK VI, 381, Abb. 11. Nürnberg, um 1530 (?).
RDK VI, 383, Abb. 12. Monogrammist IK, 1539.
RDK VI, 383, Abb. 13. München, 1. H. 16. Jh.
RDK VI, 385, Abb. 14. Frankfurt a. M., M. 16. Jh.
RDK VI, 387, Abb. 15. Bernard Salomon, 1557.
RDK VI, 387, Abb. 16. Leipzig 1582.
RDK VI, 389, Abb. 17. Paolo Veronese, um 1580, Venedig.
RDK VI, 389, Abb. 18. Caspar Fraisinger, 1596, Berlin.
RDK VI, 391, Abb. 19. Matthäus Merian, 1619.
RDK VI, 393, Abb. 20. Joh. König, 1621 (oder 1624), Moskau.
RDK VI, 393, Abb. 21. P. P. Rubens, 1637-38, Richmond, Va.
RDK VI, 395, Abb. 22. Joh. Wilh. Baur, 1641.
RDK VI, 395, Abb. 23. Dresden, Ende 17. Jh.
RDK VI, 397, Abb. 24. Pietro Santo Bartoli, Ende 17. Jh., Windsor.
RDK VI, 397, Abb. 25. Elias Räntz, 1699-1705, Bayreuth.
RDK VI, 399, Abb. 26. Monogrammist SGS, 1708, München.
RDK VI, 401, Abb. 27. Joh. Jakob Gebhard, 1714ff., Weißenstein bei Pommersfelden.
RDK VI, 403, Abb. 28. Joh. Conrad Seekatz, 2. Dr. 18. Jh., Priv.bes.
RDK VI, 405, Abb. 29. Chrn. Benjamin Rauschner, 1767, Frankfurt a. M.
RDK VI, 405, Abb. 30. Braunschweig, um 1770.
RDK VI, 407, Abb. 31. Benjamin West, 1770, Raleigh, North Carolina.
RDK VI, 407, Abb. 32. (Chrn. Gottlieb?) Geyser, 1784.
RDK VI, 409, Abb. 33. Karl Blechen, um 1810, Berlin.
RDK VI, 411, Abb. 34. Wien 1834.
RDK VI, 413, Abb. 35. Bonaventura Genelli, 1857-59, München.

I. Der Mythus und seine Quellen

E. (zum Wort: Gg. Pfligersdorffer, in: RAC Bd. 6 Sp. 964f.; RDK V 1113) war die Tochter des Königs Phönix oder Agenor von Phönizien und Schwester des Kadmus. Jupiter verliebte sich in das Mädchen. Er ließ durch Merkur die Herde des Königs zur Küste treiben und mischte sich in Gestalt eines schneeweißen, sanften Stiers darunter. E. überwand ihre Furcht, begann mit ihm zu spielen und bekränzte ihn. Als sie sich arglos auf seinen Rücken setzte, sprang er auf und trug sie, die sich an einem Horn festhielt, über das Meer nach Kreta. Dort zeugte er in seiner ursprünglichen Gestalt zwei oder drei Söhne mit ihr, Minos, Rhadamantys und/oder Sarpedon.

Der Mythus wird in zahlreichen Varianten überliefert. Er findet schon früh Erwähnung, so bei Homer (Ilias XIV, 321f.), bei Hesiod (Fragm. 141: Reinhold Merkelbach und M. L. West, Fragmenta Hesiodea, Oxford 1967, S. 68f.), bei Bakchylides (Bruno Snell, Bacchylidis carmina cum fragmentis, Lpz. 1949, S. 79 [f. 10]). – Eine umfangreiche Sammlung einschlägiger Textstellen bei [5], S. 11–51, und [17].

Die für das MA wichtigsten lateinischen Quellen sind die Metamorphosen des Ovid (II, 836 bis 875 [meist = Fabel 17]; VI, 103–107 [Arachnefabel: Arachne hat auf ihrer Wirkerei u. a. die E.-Fabel dargestellt]), daneben – seltener – auch dessen Fasti (V, 603–618), sowie Horaz (Carmina III, 27, 25–76). Hinzu treten die mythographische Tradition (vor allem Laktanz: Hugo Magnus, Metamorphosen, Bln. 1914, S. 641), die Götterkritik (s. u. II. 1) und die rationalistische Erklärung des E.-Mythus (s. u. II. 2), die sich in den verschiedensten Textzusammenhängen finden. Am Ende des MA wurden zusätzlich Hygin (H. J. Rose, Hygini Fabulae, Leiden 1934, S. 124f. [= Fabel 178]), Lukian (Dialogi marini 15; editio princeps Florenz 1496) und Moschos (Winfried Bühler, Die E. des M., Wiesbaden 1960; editio princeps Venedig 1495) in größerem Umfang bekannt.

II. Literarisches Fortleben des Mythus

1. Kritik

Im Rahmen der antiken philosophischen Götterkritik, die sich mit den „Jovis adulteria“ befaßte, wird das E.-Thema erstmals bei Varro faßbar [8, Sp. 981f.]. Christliche Autoren greifen auf deren Argumente in ihrer Auseinandersetzung mit dem heidnischen Götterglauben zurück.

Tertullian nennt die E.-Fabel mehrmals (Apologeticum 21, 8: Corp. Christ. Ser. Lat. Bd. 1, S. 124; De Carne Christi IV, 7: ebd. Bd. 2, S. 880), desgleichen Gregor von Nazianz (Carmina I, II, II, Vers 500: Migne, P. G. 37, Sp. 618; I, II, X, Vers 841: ebd. Sp. 740; II, II, VII, Vers 96: ebd. Sp. 1558). Prudentius, Contra Symmachum I, 59ff. und 74ff. erwähnt E. (Corp. Christ. Ser. Lat. Bd. 126, S. 187f.). Augustinus kommt im Gottesstaat IV, 27 darauf zu sprechen (ebd. Bd. 47, S. 121.25f.). – Weitere antik-heidnische und -christliche Autoren bei [8], Sp. 982f.

Die negative Wertung der E.-Fabel wird im MA gelegentlich aufgegriffen.

Wolfhere von Hildesheim (in der Vorrede zur „Vita Godehardi Episcopi prior“, vor 1038 begonnen) warnt, recht unvermittelt, vor dem heidnischen Irrglauben und erwähnt dabei den E.-Mythus (Mon. Germ. Script. XI, S. 170.17). In der „Vita et passio sanctae Christinae“ des Alphanus von Salerno († 1085) dient die E.-Fabel als Argument gegen den heidnischen Glauben (Migne, P. L. 147, Sp. 1273). Auch bei Rudolf von Ems († vor 1254) wird im „Barlaam und Josaphat“, Vers 9945–75 und 10 023ff. durch Hinweis auf die E.-Fabel der Glaube der Griechen widerlegt (hrsg. Franz Pfeiffer, Lpz. 1843 [Neudruck Bln. 1965], Sp. 250 und 252).

2. Rationalistische Erklärung

Rationalistische Erklärung des E.-Mythus findet sich schon bei Herodot: Kreter hätten aus Rache für die Verschleppung der Io E. auf einem Schiff entführt (Historiae I, 2 und 1, 4: ed. Carolus Hude, Oxford 19603, Bd. 1). Jupiter gilt bei dieser Deutung meist nicht als Gott, sondern als (zweiter) König von Kreta. Die Deutung selbst wird in zwei Richtungen weitergeführt. Der Stier wurde entweder als Schiffszeichen erklärt (erstmals bei Lykophron, 3. Jh. v. Chr. faßbar: [5] S. 14 Nr. 53 und S. 42) oder man nahm an, ein Kreter namens „Tauros“ sei am Raub beteiligt gewesen (so erstmals Palaiphatos, 4. Jh. v. Chr.?: ebd. S. 13 Nr. 35). Beide Interpretationen sind in der Folgezeit häufig (die antiken Belegstellen bei [8], Sp. 981-984).

Abweichungen sind selten. So berichtet Tertullian, Ad Nationes II, 17f., daß der Preis eines Rindes der Anlaß für die Verwandlungsfabel gewesen sei (Corp. Christ. Ser. Lat. Bd. 1, S. 67). Vereinzelt bleibt auch der Name Xanthos für den kretischen König bei Augustinus, De civitate Dei XVIII, 12 (ebd. Bd. 48, S. 602f. Zeile 21–29).

3. Chronikalische Einordnung

Chronikalische Einordnung der E.-Erzählung erfolgt bei Hieronymus, Eusebii Pamphili Chronici Canones ... an fünf verschiedenen Stellen (hrsg. Johannes Knight Fotheringham, London 1923, S. 10, 71.7.26, 75.6, 83.16, 87.5), mit der Deutung des Stiers als Schiffsbild. Bei Augustinus findet der Raub der E. zur Zeit eines Herkules statt, der nicht der Bezwinger des Antäus ist (s. o. II. 2). Joannes Malalas, Chronographia II, 30f. beschreibt den Überfall des kretischen Königs „Tauros“, der neben anderen Gefangenen auch E. mit sich wegführte (Migne, P. G. 97, Sp. 97–100); daß auch hier E. und Herkules zusammen vorkommen, läßt auf ältere Überlieferung schließen. – Auf Augustinus beruft sich Ranulph Higden († 1364) im Polychronikon (II, 15: hrsg. Churchill Babington [= Script. rerum britannicarum medii aevi, 41], London 1865, Bd. 1 S. 340f.); auch er bezeichnet den Stier als Schiffsbild.

4. Astromythus

Das Bestreben, Sternbilder mit Gestalten des Mythus zu verbinden, erreichte mit den „Catasterismi“ des Eratosthenes (284–204) einen gewissen Abschluß. In ihnen wurde der Stier des Zodiakus als Stier der E. interpretiert (Catasterismus XIV: hrsg. Carl Robert, Eratosthenis catasterismorum reliquiae, Bln. 1878 [Neudruck Bln. 1963], S. 106; ermöglicht durch eine Variante des E.-Mythus, nach welcher der Stier nicht der verwandelte Jupiter, sondern sein Bote war, der nach Erfüllung des Auftrags unter die Sterne versetzt worden war: [17] S. 13f.).

Diese in der Antike verbreitete Gleichsetzung – sie findet sich etwa bei Ovid, Fasti V, 617 – lebte im MA vor allem in den Scholien zu Arat weiter; vgl. „Germanici Caesaris Aratea cum scholiis“ (hrsg. Alfred Breysig, Bln. 1867, S. 32 V. 536–539, S. 74.12ff., S. 135.4ff. 18f.) und „Commentariorum in Aratum Reliquiae“ (hrsg. Ernst Maass, Bln. 1898 [Neudruck Bln. 1958], S. 211, 251: „Aratus latinus“ des Anonymus II, Scholien).

Honorius Augustodunensis, De imagine mundi I, 93 (Migne, P. L. 172, Sp. 142) und der Mythographus III, 15.2 (Alexander Neckam?, Alberich von London?; Gg. Heinr.Bode, Scriptores rerum mythicarum latini tres, Celle 1834, S. 253) greifen den Astromythus auf. Durch Petrarca (Gleichsetzung des Tierkreiszeichens „taurus“ mit dem Stier der E. in seinem 1338 begonnenen Epos „Africa“ III, 115–117: hrsg. Nicola Festa, Florenz 1926, S. 56) kennt auch die Neuzeit diese Identifizierung (Natale Conti, Mythologiae VIII, 23: zuerst Venedig 1551; Padua 1616, S. 481–484). – Der Astromythus, der aber zu keiner Zeit ausschließlich Gültigkeit besaß (vgl. z. B. Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale XV, 35: Ausg. Douai 1624 [Neudruck Graz 1964], Sp. 1113), scheint erst in der Renss. Bildwirksamkeit gewonnen zu haben.

5. Erdteilnahme

Der Erdteilname Europa ist bereits bei Hippias von Elis mit der mythologischen Gestalt der E. verbunden; Hippias gibt allen Erdteilen die Namen von Töchtern des Oceanus, unter denen eine Europa erscheint. Ovid leitet den Erdteilnamen von der Tochter des Agenor her (Fasti V, 618). Die ma. Etymologien lassen sich bei Erklärung des Erdteilnamens die E.-Fabel selten entgehen (s. RDK V 1113).

6. Mythographische und enzyklopädische Tradition

Die mythographische und enzyklopädische Tradition gründet sich vornehmlich auf die „Mitologiae“ des Fulgentius (hrsg. Rud. Helm, Lpz. 1898, S. 31) und auf Isidor von Sevilla (Etym. VIII, 11, 35). Beide deuten den Stier als Schiffsbild (so auch der Mythographus II [Nr. 198]: G. H. Bode a.a.O. [Sp. 371], S. 140; die Fabel selbst ebd. S. 100 Nr. 76 und 77).

Vom Hoch-MA an vermitteln auch die Göttergenealogien die Kenntnis des E.-Stoffes.

Vgl. den Mythographus I (Buch II Nr. 148 und III Nr. 204: ebd. S. 47 und 64.38f.) und die provençalische Göttergenealogie im Brit. Mus., Egerton Ms. 1500, wahrscheinlich kurz nach 1313 (Verz. astrol. Hss., Bd. 3,1 S. 145). Am einflußreichsten war Boccaccio, Genealogia deorum gentilium, um 1371/72, wo II, 62 und XI, 26 Eusebius und Augustinus zitiert und drei Jupiter unterschieden werden (hrsg. Vincenzo Romano [= Scrittori d’Italia, 200], Bari 1951, S. 107f. und 563f.; editio princeps 1475).

In der Mythographie der Renss. und später ist das E.-Thema auffallend selten.

Vincenzo Cartaris „Imagini delli Dei de gl’Antichi“ enthalten den E.-Mythus nicht. Anzutreffen ist die Fabel bei Natale Conti a.a.O. (Sp. 371) und bei Franciscus Pomey, Pantheum Mythicum ..., Utrecht 16975, S. 14 unter „Jovis facinora“; beide enthalten die Stier-Interpretation als Schiffszeichen. Auch Benjamin Hederichs „Gründliches mythologisches Lexicon ...“ (durchgesehen von Joh. Joachim Schwabe), Lpz. 1770, Sp. 1078, überliefert diese Deutung, dazu die andere aus der Antike bekannte vom Räuber „Taurus“, der E. entführte (ebenso [P. Rigord S.J.], Connoissance de la Mythologie, par Demandes & par Résponses, Paris 17747, S. 231). Im Klassizismus sind regelmäßig beide Erklärungen referiert.

7. Ovidtradition

Ovids Metamorphosen waren mindestens seit dem 12. Jh. Schullektüre und ein Lesebuch für Gebildete; sie fanden zahlreiche Bearbeitungen und Übersetzungen (a) sowie Auslegungen (b). Der E.-Mythus gehört jedoch nicht zum Grundstock der Ovidiana und Ps.-Ovidiana.

Über Ovid im MA siehe RDK V 1393, unter II; hinzuweisen ist insbesondere auf Fausto Ghisalberti, Mediaeval Biographies of Ovid, Warburg Journ. 9, 1946, 10–59; Bernh. Bischoff, Eine ma. Ovidlegende, Hist. Jb. 71, 1952, 268–273; Franco Munari, Ovid im MA, Zürich 1960.

a. Das E.-Gedicht des Matthäus von Vendôme ist verschollen (Max Manitius, Gesch. der lat. Lit. des MA, Bd. 3, Mchn. 1931, S. 738). Ein Anonymus des 12. Jh. schildert den Wettgesang dreier Mädchen, deren letzte die E.-Sage vorträgt und den Preis erhält (De tribus puellis: hrsg. Rich. Jahnke, Comoediae Horatianae tres, Lpz. 1891, S. 91–102). Albrechts von Halberstadt dichterische Metamorphosen-Übersetzung (1210–17) ist – wenn auch in sprachlich erneuertem Wortlaut – durch Georg Wickram, II, 26, überliefert (Karl Bartsch, Albrecht von Halberstadt und Ovid im MA, Quedlinburg und Lpz. 1861; der Wickram-Text: G. W.s Werke, hrsg. Johs. Bolte, Bd. 7, Tübingen 1905, S. 113–116). Im 14. Jh. bringt ein Anonymus die ausgeschmückte Nacherzählung von Ovids E.-Fabel in Italienisch (Natalino Sapegno, Il Trecento. Storia letteraria d’Italia, Mailand 19603, S. 626). Bei Geoffrey Chaucer, The Book of Troilus and Criseyde (um 1380, in der Nachfolge von Boccaccios „Filostrato“) beschwört Troilus Jupiter bei seiner Liebe zu E. (III, 722–742: hrsg. Robert Kilburn Root, Princeton, v. J. 19524, S. 177).

Für das 17. Jh. sei Giovan Battista Marino, La Sampogna (1620) mit einem langen Passus über E. genannt (Giov. Getto, Opere scelte di G. B. M. e di Marinisti, Bd. 1, Turin 1962, S. 309–325).

b. Auch die Auslegungen von Ovid enthalten die rationalistische Erklärung des Stiers als Schiffsbild; vgl. Arnulf von Orleans, Ende 12. Jh., und Johannes de Garlandia, Integumenta Ovidii, um 1234 (hrsg. F. Ghisalberti, Messina und Mailand 1933, S. 47.151f. und Anm.). Johannes de Virgilio, um 1322/23, tradiert sie an zwei Stellen seines Metamorphosen-Kommentars (II, 14 und VI, 6: hrsg. F. Ghisalberti, Il Giornale Dantesco 34 = N. Ser. 4, 1931 [1933], 51und 69).

Noch die Metamorphosen-Ausg. der Renss. bringen die Interpretation, so Nicolo di Agustini, De Ovidio le Metamorphosi, Mailand 1538, Bl. 24v, unter Berufung auf Fulgentius; auch Karel van Mander, Wttlegghingh op den Metamorphosis ..., Haarlem 1604, Bl. 21. Johann Jakob Sandrart, P. Ovidii Nasonis Metamorphosis ..., 1. Teil, Nürnberg 1698, S. 41f., hat beide Deutungen: Seeräuber bringen E. ihrem König Jupiter auf einem Schiff mit dem Stierbild; nach anderen hätte der Schiffshauptmann „Taurus“ geheißen.

8. Moralisationen

Die Moralisation der Metamorphosen Ovids tritt vom 14. Jh. an neben die rationalistische Auslegung.

Zwischen 1316 und 1328 entstand (in Burgund?) der anonyme „Ovide moralisé“ (hrsg. Charles de Boer, Verhandelingen der kgl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam, Afdeeling Letterkde., Nieuwe Reeks, deel 15, 1915; zum Datum: Jos. Engels, Etudes sur l’Ovide moralisé, Groeningen 1945, S. 48): wie Jupiter in Stiergestalt nach Sidon kam, so ist Christus in menschlicher Gestalt in die Welt gekommen, um die Menschen in den Himmel zu führen und das Paradies zu verleihen (Ch. de Boer a.a.O. S. 276–280, V. 4937–5138). – Um 1342 folgte der in mehreren Fassungen überlieferte „Ovidius moralizatus“ des Petrus Berchorius (= Reductorium morale XV; vgl. F. Ghisalberti, Studj romanzi 23, 1933, 109f.; für die Paris 1509 unter dem Namen Thomas Walleys gedruckte Fassung vgl. D. van Nes und Jos. Engels [= Werkmateriaal uitgeven door het Inst. voor Laat Latijn der Rijksuniv. 2], Utrecht 1962, S. 60–62 [= Fabel 73]): über den „Ovide moralisé“ hinausführend, wird E. mit der anima parallelisiert, die der Mensch gewordene Gott in den Himmel führt; einzelne Eigenschaften des Stiers werden ausgedeutet, etwa „sine ruga et macula“ als „honestas“, „albissimus“ als „castitas“. – Der für René von Anjou 1466/67 von einem normannischen Mönch geschriebene „Ovide moralisé en prose“ hält sich an dieses Vorbild: Die Meerfahrt steht hier für Himmelfahrt, die Gottes menschliche Natur ins Paradies trägt (hrsg. Ch. de Boer, Amsterdam 1954, S. 109ff.). Ein spätma. Zusatz zum „Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae“ des Franz von Retz (RDK III 1215) sieht in Jupiters Verwandlung einen Beweis für die Realität des Wunderbaren.

9. Boccaccio

Boccaccio schildert schon vor der „Genealogia“ die E.-Fabel in „De casibus virorum illustrium“ (um 1360 bzw. 1373–74: hrsg. Hieronymus Ziegler, Augsburg [Philipp Ulhard] 1544, S. 10 [De Cadmo rege Thebanorum]; Faks. der Ausg. Paris 1520, hrsg. Louis Brewer Hall, Gainesville 1962, S. 30) und in „De claris mulieribus“ (um 1362 (?): Ausg. Bern Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Apiarius] 1539, Bl. 7r-v; zu den verschiedenen Textredaktionen: Vittorio Zaccaria, in: „Studi sul Boccaccio“, Bd. 1, Florenz 1963, S. 253 bis 332).

Von hier übernahm Christine de Pisan um 1405 die Erzählung in ihre „Cité des dames“, wo E. unter den tugendhaften Frauen erscheint (A. Jeanroy, Boccaccio et Christine de Pisan, Romania 48, 1922, 93–105). Laurent de Premierfait übertrug in dem um 1409 voll. Werk „Des cas des nobles hommes et femmes“, das im Auftrag des Hzg. von Berry geschrieben ist, Boccaccio ins Französische (vgl. Florence A. Smith, Revue de littérature comparée 14, 1934, 512–526). John Lydgate brachte die Erzählung im „Fall of Princes“ I, V. 1842–76 und 2413–15 (hrsg. Henry Bergen, Teil 1, Washington 1923, S. 51f. und 66; geschrieben zwischen 1431 und 1438/39); hier ist Jupiter König von Kreta.

10. Ekphrasis

Vom 15. Jh. an ist in Beschreibungen der bildnerischen Ausschmückung fiktiver Bauwerke auch das E.-Thema nachzuweisen.

Filarete schildert in seinem wohl 1464 abgeschlossenen Traktat eine E.-Darstellung in der Säulenhalle eines Palastes, zusammen mit weiteren mythologischen Szenen (Filarete’s Treatise on Architecture, hrsg. John R. Spencer, New Haven und London 1965, Bd. 2 fol. 67v; eine weitere Erwähnung ebd. fol. 180). In der etwa gleichzeitigen „Hypnerotomachia Poliphili“ des Francesco Colonna (gedruckt Venedig 1499) ist ein mit dem E.-Thema geschmückter Eingang beschrieben (hrsg. Giov. Pozzi und Lucia A. Ciapponi, Padua 1964, Bd. 1 S. 52; zur Datierung ebd. Bd. 2 S. 4–9). An anderer Stelle wird das E.-Thema mit einer Triumphdarstellung verbunden: der erste der vier Triumphzüge der Liebe ist E. gewidmet (ebd. Bd. 1 S. 150–155). – Ein E.-Relief am Eingangstor zum Palast der Venus schildert Polizian in den „Stanze cominciate per la giostra di Giuliano de’Medici“ I, 105 und 106 (hrsg. Vincenzo Pernicione, Turin 1954, S. 50).

=== 11. In der Emblematik und Ikonologie ist das E.-Thema selten. Wo es vorkommt, folgt es meist Valeriano.

E. bedeutet bei Valeriano die anima (diese Gleichsetzung hat nichts mit der Moralisation des 14. Jh. zu tun), die der Stier (= Körper) durch das Meer (= diese Welt) fortträgt; sie blickt zurück auf das von ihr verlassene Land (= Schöpfer Gott); der „circulus Platonicus“ veranlaßt sie – ihrem eigentlichen Sinn, die menschlichen Dinge zu erkennen, entgegen – zur Betrachtung Gottes zurückzukehren (Bl. 435 [sic]; Ausg. Venedig 1604, S. 631).

Dieser Auslegung folgen die „Emblemata partim Ethica et Phisica: partim vero Historica & Hieroglyphica“ des Nikolaus Reusner (Ffm. 1581, III, Emblem 39: Sursum corda; Arthur Henkel und Albr. Schöne, Emblemata, Stg. 1967, Sp. 1727f.) und Karel van Mander a.a.O. (Sp. 373), Bl. 21. – Vor 1618 wird im „Thronus Cupidinis“ (Landwehr S. 79 Nr. 233 a) E. als Hintergrundszene aufgenommen im Emblem 24 (Amor mit Chamäleon: Mario Praz, Studi sul concettismo, Florenz 1946, S. 151).

In einigen Ausg. der Ikonologie des Ces. Ripa, zuerst in der von Giov. Zaratino Castellini besorgten Ed. Venedig 1645 (Bd. 2 S. 418f.), wird im Anschluß an Valeriano die E.-Fabel unter „mondo“ aufgenommen (so noch in der Ausg. Ces. Orlandis, Bd. 4, Perugia 1766, S. 159–161).

III. Bildliche Darstellungen

A. Antike

Der E.-Mythus wurde in den bildenden Künsten von der Wende des 7. zum 6. Jh. v. Chr. an häufig behandelt. Werke der griechischen und römischen Kunst aus dem Bereich der Bildhauerei und des Bronzegusses, der weißgrundigen, schwarz- und rotfigurigen Vasenmalerei, der Wandmalerei und Mosaikkunst, Terrakotten, Reliefvasen, Schildbänder, Bronzespiegel, geschnittene Steine und Münzen brachten hauptsächlich die Szene der Entführung zur Darstellung, daneben – wohl seit dem 4. Jh. v. Chr. – E. mit Freundinnen und Stier am Gestade. Wiedergaben der E. auf Kreta scheinen nur als Münzbilder vorzukommen (zum Problem ihrer Deutung: Martin P. Nilsson, Gesch. der griech. Religion, Bd. 1, Mchn. 19673, S. 211 und 323, Taf. 27,3.4; [17] S. 49f.).

Die breite antike Bildtradition der E.-Darstellung brach in der Spätantike ab.

B. Byzanz

Nur im Osten wurden offenbar antike Vorlagen weiterbenutzt oder wieder aufgegriffen ([22] S. 40f.; [17] S. 66f.).

Eine Elfenbeintafel, Ägypten (?), A. 6. Jh., zeigt im unteren Abschnitt des Mittelfeldes E. liebkosend neben dem Stier, drei Eroten und eine Männerbüste vor einer Scheibe, wahrscheinlich den Planeten Jupiter; da im oberen Abschnitt die Dioskuren dargestellt sind, handelt es sich bei der nur angedeuteten E.-Szene wohl um eine Wiedergabe des Tierkreiszeichens Stier (Triest, Mus. civ. di Storia e Arte; Erika Simon, Nonnos und das Elfenbeinkästchen aus Veroli, Jb. des Dt. arch. Inst. 79, 1964, 279–336, bes. S. 289ff. und Abb. 7).

Byzantinische Elfenbeinplatten mit der Entführung der E., Ende 10.–A. 11. Jh. („Veroli-Kästchen“ und Elfenbeintafel, beide im Vict. Alb. Mus. London: John Beckwith, The Veroli Casket, London 1962, Taf. 2 und Abb. 5 [nicht dagegen Taf. 16: E. Simon a.a.O. S. 305]), stellen wahrscheinlich ebenfalls das Sternbild Stier dar (ebd. S. 295ff.; ein die E.-Darstellung selbst nicht betreffender Einwand bei [17], S. 72). Details wie das segelartige Blähen des Gewandes gehen vielleicht auf den Text von Moschos zurück (Kurt Weitzmann, Greek Mythology in Byz. Art [= Stud. in Ms. Illum., 4], Princeton, N. J. 1951, S. 185; zum Gewandmotiv vgl. auch Charles H. Morgan, Art Studies 6, 1928, 163–171; Jean Babelon, Le voile d’E., Rev. arch. VIième sér. 20, 1942/43, 125–140; dagegen [17], S. 59).

Die Deutung eines Reliefs auf dem (verlorenen) silbergetriebenen byz. Reliquienkasten des Halleschen Heiltums auf E. (so Kurt Weitzmann, Abendländische Kopien byz. Rosettenkästchen, Zs. f. Kg. 3, 1934, 94) dürfte wegen der beiden Kentauren kaum zutreffen.

C. MA

1. Kenntnis antiker E.-Darstellungen

Über etwaige Kenntnis antiker E.-Darstellungen im abendländischen MA sind wir nicht unterrichtet; inwieweit sie aus einigen typengleichen Darstellungen erschlossen werden darf, ist offen.

Die Beschreibung eines ehernen Stiers am Hadriansmausoleum in „De mirabilibus urbis Romae“ des Magisters Gregor, um 1200 (hrsg. Roberto Valentini und Gius. Zucchetti, Codice topografico della Città di Roma, Bd. 3, Rom 1946, S. 145) als Stier der E. könnte auch auf die literarisch überlieferte E.-Bronzeplastik des Pythagoras von Regium zurückgehen (Varro, De lingua latina V, 31: The Loeb Classical Libr., London und Cambridge, Mass. 1938, S. 28 und 30); die – etwas älteren – „Mirabilia“ erwähnen nur einen „taurus“ (Valentini und Zucchetti a.a.O., S. 46).

Die scheinbar auf dem Stier reitende Erde (RDK V 1085) des um 1200 entstandenen Engelberger Reliquienkreuzes (RDK IV 1268, Abb. 4 b; Otto Homburger, Berner Zs. für Gesch. und Heimatkde. 3, 1941, 226), die von südital. *Exsultetrollen abzuleiten ist, und die einen Stier reitende Erde eines röm. Tafelbildes des 2. V. 13. Jh. in der Pin. Vat. (RDK V 1065/66, Abb. 35) gleichen formal antiken E.-Darstellungen; die Ableitung von diesen ist aber fraglich. Irrig ist die Deutung der auf einem Seestier reitenden Frau am Portalgewände der Kath. von Trau, um 1240, als E. (Cvito Fisković, Bilješke o Radovanu i njegovim učenicima, Prilozi povijesti umjestnosti u Dalmaciji 8, 1954, 15, Abb. 3).

2. Ill. in den Moralisationen

Die frühesten erhaltenen E.-Darstellungen sind Miniaturen des 14. Jh. zu Moralisationen der Metamorphosen Ovids (die Metamorphosen selbst wurden im MA nicht illustriert: Seznec [1940], S. 143). Die Hss. enthalten, entsprechend der Auslegung, die Szene der Entführung über das Meer. Es sind von Anfang an drei Typen zu unterscheiden, die reiche Nachfolge fanden, ohne jedoch „kanonische“ Gültigkeit zu gewinnen; in der Folgezeit wurden sie häufig vermischt.

Typ a zeigt E. von einem – fast immer – weißen – Stier eilends über das Meer getragen, sich umblickend und an einem Horn festhaltend: Arsenal-Bibl. Paris, ms. 5069, fol. 27 [= Min. Nr. 58], 2. V. 14. Jh. (Abb. 1; fol. 27v folgt die Kreuztragung).

Bei Typ b blicken die am baumbestandenen Ufer zurückgebliebenen Gefährtinnen der auf dem Stier über das Wasser reitenden E. nach: Bibl. munic. Lyon, ms. 742, fol. 40 (franz., 2. H. 14. Jh.: Abb. 2).

Typ c zeigt in kontinuierender Darstellung verschiedene Phasen des Geschehens. So schildert die ital. Ovidius moralizatus-Hs. der L.Bibl. Gotha, Membr. I. 98, 2. H. 14. Jh., auf fol. 16v (Abb. 3 a) links die Gefährtinnen am Brunnen, rechts E. beim Schmücken des Stiers, auf fol. 17 (Abb. 3 b) das Besteigen des Stiers – formal antiken Darstellungen der stiertötenden Nike nahe –, die Entführung über das Meer, in starker Verkürzung von rückwärts gesehen, und Jupiter mit E. als Liebespaar unter einem Baum (vgl. Plinius, Historia naturalis XII, 11 [„platanus“]: hrsg. Carolus Maihoff, Bd. 2, Lpz. 1875, S. 281f.).

3. Ill. in der Boccaccio-Tradition

Eine jüngere Gruppe bilden die Illustrationen zu Texten, die in der Boccaccio-Tradition stehen; sie entsprechen der rationalistischen Deutung des E.-Mythus im Text und sind auf das ausgehende MA beschränkt. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit könnte man sie vielleicht als Typ d bezeichnen.

Die franz. Hs. des Brit. Mus. London, Royal Ms. 20 C. V., M. 15. Jh., zeigt fol. 19 (unter dem Sternbild Stier?: [22] S. 9) Jupiter im Schiff, nach E. fassend, der eine Dienerin gestenreich zur Seite stehen will. Im Holzschnitt der Boccaccio-Übersetzung Heinrich Steinhöwels (Ulm, Joh. Zainer, 1473) ist anstelle der Dienerin Merkur um E. mitbemüht; er erscheint auch in der Szene links, faßt die Hirtin E. (mit Wurfschaufel) überredend am linken Arm (Lilli Fischel, Bilderfolgen im frühen Buchdruck, Konstanz und Stg. 1963, S. 33, Abb. 14f.). – Das Hs.-Fragment von Lydgates „Fall of Princes“, M. 15. Jh., im Brit. Mus. London, Sloane Ms. 2452, enthält fol. 7 eine Min. mit dem Liebespaar im Schiff, im Vordergrund die auf dem Stier (beschriftet LORD) reitende E. (Verz. astrol. Hss. Bd. 3, S. 246, Taf. 45 Abb. 119). – Die Min. einer franz. Hs. von Boccaccios „De claris mulieribus“ der Sächsischen L.Bibl. Dresden, Ms. F 171 b, 2. H. 15. Jh., zeigt fol. 15v E. neben einem weißen Stier im Schiff stehend (Abb. 5; Bruck, S. 332ff. Nr. 136). Eine franz. Übersetzung von Ovids Metamorphosen im Brit. Mus. London enthält fol. 40v eine Miniatur mit Jupiter und E. nebeneinander in einer Halle thronend (Flandern, um 1470–80, Abb. 6; Verz. astrol. Hss. Bd. 3, S. 213–-215).

Holzschnitt-Ill. des 16. Jh. behalten die rationalistische Deutung bei. In der Berner Boccaccio-Ausg. von 1539 (s. Sp. 375), Bl. 7, faßt ein reich gekleideter Mann (Merkur?) die Hirtin E. an der Hand und weist mit der Linken auf das am Ufer liegende Schiff mit Stierfahne, in dessen Mitte ein Gekrönter (Jupiter?) sitzt (Abb. 12). Die Steinhöwel-Übersetzung von „De claris mulieribus“ unter dem Titel „Ein schoen Hystori Buch von den fürnembsten Weibern ...“, Ffm. (Martin Lechler) 1566, enthält Bl. 21v einen Holzschnitt mit der Entführung der E.: sie wird aus einem Boot, in dem ein alter Mann gestikuliert, in ein danebenliegendes zweites Boot gehoben (Bl. 82v illustriert der gleiche Holzschnitt die Entführung der Helena).

Auch Ovide moralisé-Hss. des 15. Jh. enthalten gelegentlich Miniaturen mit der rationalistisch gedeuteten E.-Fabel, so Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 137, fol. 27v mit dem geflügelten Jupiter, der E. von ihren Gefährtinnen weg auf ein vor Anker liegendes Schiff schleppt.

D. 15. Jh.

Von diesem Jh. an erscheint das E.-Thema auch in anderen Zusammenhängen. Die meisten Darstellungen entstanden – wie auch später – in Italien. Vom venezian. Buchholzschnitt des späten 15. Jh. gingen richtungsweisende Impulse aus (s. E. 1). Die Verbindlichkeit der Typen blieb den Zeitraum hindurch gewahrt.

Im Norden bestand diese Bindung an die Typen nicht. Im „Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae“, Regensburg 1471 (RDK III 1215), zeigt der Holzschnitt E. vor dem lagernden, sie liebkosenden Stier [23, Abb. Nr. 4]. – In Dürers Federzchg. W. 87 von 1495, dem Typ b nahe, kniet E. auf dem schwimmenden Stier, den ein Zug von Delphinreitern, Mischwesen und „Engels“-Köpfen begleitet; im Vordergrund steht ein Satyrnpaar im Schilf, am rückwärtigen Ufer klagen die zahlreichen Gefährtinnen (Wien, Albertina: Erwin Panofsky, Wiener Jb. 1 (= 15), 1921/22, 45ff.; [18] S. 273f., Abb. 59).

1. Der Typ a erscheint in Italien in dem durch Miniaturen des Leonardo da Besozzo überlieferten Weltalterzyklus im Pal. Orsini in Rom, vor 1432 (W. A. Simpson, Warburg Journ. 29, 1966, 135–159; La critica d’arte 2, 1937, Taf. 160 Abb. 3), an Filaretes Bronzetür von St. Peter in Rom, um 1433–45 (Michele Lazzaroni und Ant. Muñoz, F. ..., Rom 1908, S. 37 Fig. 19 unten), auf einem Kupferstich des Nicoletto da Modena, um 1500 (Hind, Ital. Engr., Bd. 5, S. 130 Nr. 79, Bd. 6 Taf. 681 c). Die unbekleidete E. auf der Titelseite von Petrarcas „Rime“ in der Bibl. civ. Triest ist als Gemmen-Imitation gegeben (Rom, um 1500: Tommaro de Marinis, in: „Hommage to a Bookman. Essays ... for Hans P. Kraus...“, Bln. [1967], S. 115f.).

In der Miniatur der neapolitan. Hs. von Strabos Geographia, 1487, in der Österr. Nat.Bibl. Wien, cod. 3, fol. 1, ist E. in der Haltung der sich auf den Stier setzenden E. des Typs c gegeben (Beschr. Verz. Österr. Bd. 8, 6, 4, S. 40ff. Nr. 28, Taf. 14; Tammaro de Marinis, La Bibl. Napoletana dei Re d’Aragona, Mailand 1952, Bd. 2 S. 154, Bd. 4 Taf. 232). Eine andere Pose der E. zeigt der Kupferstich des Meisters IB mit dem Vogel: die nackte E. liegt nach Art einer Nereide ausgestreckt auf dem Stierrücken und umhalst das Tier (Hind, Ital. Engr., Bd. 5, S. 257 Nr. 8, Bd. 7 Taf. 839). Auf einem glasierten Tonrelief des Agostino di Duccio, 3. Dr. 15. Jh., ehem. Slg. Lanckoronski, Wien, lagert E. rücklings mit überkreuzten Beinen auf dem Stier, ein Horn fassend, während der Stier ihre entblößte Brust leckt (Andy Pointner, Die Werke des florent. Bildhauers A. d’Antonio di D. [= Zur Kg. des Auslandes, H. 68], Straßburg 1909, S. 193f., Taf. 21 a). Eine Zchg. des Filippino Lippi in den Uffizien Florenz, um 1490, stimmt weitgehend damit überein (Alfred Scharf, F. L., Wien 1935, S. 122 Nr. 198). Ein Tondo auf fol. 1 im ersten Band des Missale Colonna der John Rylands Libr. Manchester zeigt E. rücklings sitzend, einen Arm in ein Stierhorn gehängt, aufwärts blickend, mit wehendem Schleier (ital., um 1500: Montagne Rhodes James, A Descriptive Cat. of the Latin Mss. in the J. R. Libr. at M., Manchester ... 1921, Bd. 1, S. 878 Nr. 32, Bd. 2 Taf. 70 [linke Randleiste oben]).

2. Typ b findet in der Cassonemalerei Verwendung: Siena, um 1440 (Abb. 4; [22] S. 20f.); Umkreis des Giov. di Paolo, 2. H. 15. Jh. (Paris, Mus. Jacquemart-André: Schubring, Cassoni, Bd. 1, S. 325f. Nr. 453; Art Bull. 30, 1948, Abb. 1 vor S. 67; zur Deutung Erwin Panofsky, ebd. S. 242–244).

3. Der Typ c, bei dem zur Darstellung der sich auf den Stier setzenden E. häufig die Formulierung einer stiertötenden Nike verwendet wird (vgl. Abb. 3 b), ist gewählt bei einem Franc. di Giorgio zugeschr. Cassone im Mus. du Louvre, Paris, um 1470–75: von rechts nach links folgen aufeinander Besteigung des Stiers, Entführung über das Meer, mit einem Delphin als Begleiter, und Jupiter und E. auf Kreta (Allen Stuart Weller, F. di G., 1439–1501, Chicago 1943, S. 118ff., Abb. 39–41). – Auch die Holzschnitte mit dem Triumphwagen der E. in der „Hypnerotomachia Poliphili“, Venedig 1499, gehören dem Typ c an (Abb. 8 a–c); auf den Seitenwangen des Wagens stehen Bekränzung des Stiers (vgl. Abb. 3 a) und Entführung über das Meer (diese nach Typ b); lebhaftes Agieren der überraschten Gefährtinnen und das Sich-Zurückwenden der E. kennzeichnen diese in der Folgezeit einflußreiche Darstellung (vgl. dazu Anthony Blunt, Warburg Journ. 1, 1937, 117–137); die auf dem Stier thronende E. der Wagenbekrönung folgt wieder der Form der stiertötenden Nike.

Gleichsam aus dem Typ c isoliert ist die auf dem Stier thronende, von ihren Gefährtinnen umgebene E. auf dem E.-Teppich in Berlin (oberital., Ende 15. Jh.: Frieda Schottmüller, Jb. d. preuß. K.slgn. 37, 1916, 146–154, Abb. 1).

E. Neuzeit

Seit dem Ende des 15. Jh. erscheinen illustrierte Ausgaben der Metamorphosen Ovids (1). Von der gleichen Zeit an ist auch die Kenntnis antiker E.-Darstellungen nachzuweisen (2). Die Buchillustrationen zur Fabel übten – vor allem im 16. und frühen 17. Jh. – großen Einfluß auf die E.-Darstellungen (3) aus, während die Kenntnis der antiken Denkmäler nur eine untergeordnete Rolle spielte.

1. Ill. Ausg. der Metamorphosen

Unter den illustrierten Ausgaben der Metamorphosen enthält erstmals die in der ital. Übersetzung Venedig (Zoane Rosso) 1497 erschienene Edition einen Holzschnitt zur E.-Fabel (Abb. 7).

Der Holzschnitt stellt in enger Anlehnung an den Text Ovids die Hauptmomente in einem Bild nebeneinander (Typ c): links oben gibt Jupiter Merkur den Auftrag, links unten steht Merkur schalmeispielend neben der Herde, in der Mitte helfen zwei Gefährtinnen der E. auf den ruhenden Stier, rechts schreitet dieser, in Verkürzung von rückwärts gesehen, ans Gestade (vgl. Abb. 3 b, dort Entführung über das Meer), rechts im Hintergrund wird die Entführung über das Meer (nach Typ a) geschildert (Bl. c 3v: Prince d’Essling, Les livres à figures Vénitiens de la fin du XVe s. et du commencement du XVIe, Bd. 1, Florenz und Paris 1909, S. 220–227 Nr. 223; [22] S. 23ff.; zum Problem des Künstlers: Carlo Enrico Rava, L’arte 52, 1951/52, 33–38). In diesem Holzschnitt, der in ital. und franz. Ausg. des 16. Jh. häufig kopiert wurde, ist zum ersten Mal ein anderer Typ (a) in den Typ c integriert.

Die franz. Ovid-Übersetzung Paris (Denys Janot) 1539 mit ihren antikisierenden Holzschnitten löst die der Ausg. Venedig 1497 ab; der Illustrator verwendete dabei Typ b, den er durch zwei Kränze windende kauernde Mädchen im Vordergrund erweiterte ([22] S. 35; der Holzschnitt hängt [wie?] mit einer vielleicht oberital., üblicherweise Bertoldo di Giovanni zugeschr. Plakette des frühen 16. Jh. zusammen, die seitenverkehrt die gleiche Formulierung aufweist: Abb. 9).

Typ b ist auch Grundlage für die Ausg. Lyon 1556 (Guillaume Rouille), mit Holzschnitten eines Anonymus, und 1557 (Jan de Tournes), mit Holzschnitten von Bernard Salomon (Abb. 15; [19] S. 75ff.). Die Illustrationen in diesen Ausg. waren auf lange Zeit einflußreich. Kopien nach Salomon erschienen in den Niederlanden und in Deutschland bis um M. 17. Jh. und wurden ihrerseits kopiert [19, S. 87]. Größte Wirkung hatten die (seitenverkehrenden) Kopien von Virgil Solis in der Ausg. Ffm. (Siegmund Feyerabend) 1563, die noch 1652 wiederholt wurden [19, S. 95]. Der anonyme Holzschneider (Christoph Murer?) der Ausg. Lpz. (Steinmann) 1582 schaltete freier mit der Vorlage (Abb. 16). Antonio Tempesta, dessen Illustrationen, vor 1598, sonst vielfach die von Bernard Salomon als Vorbild ablösten, blieb bei E. ihm verpflichtet.

Eine Neuerung bedeuten die Kupferstiche des Giacomo Franco nach F. Turchi in der Ausg. Venedig (Bern. Giunti) 1584: die Erzählungen eines jeden Buches werden auf je einem vorgeschalteten Blatt vereint [19, S. 96]. Kopien danach erschienen bis um M. 17. Jh., vgl. etwa die Stiche von Matthäus Merian, Ffm. (Joh. Theodor de Bry) 1619 (Abb. 19), die ihrerseits noch 1638 und 1643 in Rouen kopiert wurden [19, S. 99]. Die Radierungen von Salomon Savery nach Zchgn. von Franz Cleyn (Klein) für die engl. Ovid-Ubersetzung Oxford 1632 ahmen das Schema nach [19, S. 99f.].

Im 17. und 18. Jh. traten andere Möglichkeiten dazu. Die Radierung von Joh. Wilh. Baur, 1639 (erschienen Wien 1641), zeigt den ins Wasser watenden Stier mit E. (Abb. 22; Vorzchg. in der Liechtensteinschen Bibl.: Erika Tietze-Conrat, Mitt. der Ges. für vervielfältigende K., Wien 1918, 25ff.; Kopien danach von Melchior Küsel, Augsburg 1681, und Abraham Aubry, Nürnberg 1688: [19] S. 131).

Sébastien Le Clerc griff im Kupferstich der Ausg. Paris 1676 eine in der Malerei inzwischen selbständig gewordene Szene des Typs c auf: E. setzt sich mit Hilfe einer Gefährtin auf den ruhenden Stier. – Für die Ausg. Brüssel (F. Foppens) 1677, S. 74 wurde als Ill. der Fabel E. beim Füttern des Stiers dargestellt [22, S. 14 Anm. 4]; ein um 1623 entstandener Stich von Magdalena de Passe zur Kadmus-Fabel (Metamorphosen III, 1–34) der gleichen Ausg. zeigt S. 77 die auf dem schreitenden, von einem Eroten geführten Stier thronende E. im Kreis ihrer Gefährtinnen, dazu im Hintergrund die Entführung über das Meer (in der Formulierung des Typs b); am Himmel schweben blumenstreuende Eroten ([19] S. 118ff.; Henry Reitlinger, Gaz. des B.-A. 87 [27], 1945, 23: vielleicht nach Adrian van de Venne). – Auf dem Stich des Chrn. Engelhardt nach Zchg. von Johann Jakob Sandrart für die Ovidausg. Nürnberg 1698, nach S. 40, ist ein kleiner Amor heftig bemüht, die neben dem Stier stehende E. zum Aufsteigen zu bewegen (vgl. Abb. 26).

2. Antikenkenntnis

Die Kenntnis antiker E.-Darstellungen läßt sich seit dem Ende des 15. Jh. sicher nachweisen.

Ob in einer Frieszchg. des 15. Jh. vom Hadrianstempel in Cyzicus, Kleinasien, auch E. wiedergegeben ist, erscheint fraglich (Bernard Ashmole, Warburg Journ. 19, 1956, 188, Taf. 38 a).

Die um 1488 im Goldenen Haus des Nero begonnenen Grabungen haben Fresken mit der E.-Fabel zutage gebracht. Die „volta dorata“, die u. a. E. auf dem Stier zeigt, war, wie Grafitti belegen, 1495 sicher bekannt; das Deckenschema eines weiteren Saales der „Domus aurea“ mit einem E.-Fresko ist im Skizzenbuch des Escorial, um 1491 (?), wiedergegeben (Herm. Egger, Codex Escorialensis, Wien 1906, S. 151). Francisco d’Ollanda hielt die gesamte „volta dorata“ in einer kolorierten Zchg., um 1538–39, fest (diese und weitere Kopien bei F. Weege, Das Goldene Haus des Nero, Jb. des kaiserl. dt. arch. Inst. 28, 1913, 127–244, Taf. 4–22; vgl. auch Nicole Dacos, Boll. d’arte VIa ser. 51, 1966, 43–49).

Reliefs mit Darstellungen einer E. werden in der 2. H. 16. Jh. erwähnt. Die im Hause des Giulio Porcaro bei S. M. sopra Minerva 1562 genannte E. ist nicht mehr vorhanden (Ulisse Aldroandi, in: Lucio Mauro, Le antichità della Città di Roma ... apresso tutte le statue antiche ..., Venedig 1562, S. 243). Das 1587 beschriebene, in Lorch, O.Ö. befindliche, heute gleichfalls verlorene Relief mit der Meerfahrt der E. könnte ein Grabstein in der Art des in St. Peter im Sanntal gefundenen Reliefs gewesen sein (Stephanus Vinandus Pighius, Hercules Prodicius ..., Antwerpen 1587, S. 211; vgl. Josip Klemenc, E. iz šempetra, in: „Tkalčićev zbornik“, Bd. 2, Agram 1958, S. 17–22, mit Abb.).

Stiche nach Zchgn. des Pietro Santo Bartoli († 1700) tradieren eine Reihe von antiken E.-Darstellungen: Pietro Bellori, „Picturae antiquae cryptarum Romanarum et Sepulcri Nasonum“, Rom 1738 (ital. Ausg. Rom 1706), enthält je eine Darstellung aus der „Domus aurea“ (Supplement Taf. V; vgl. Abb. 24) und aus dem Grabmal der Nasonier an der Via Flaminia (Taf. 17), außerdem das Ende 17. Jh. in Palästrina entdeckte Mosaik des Pal. Barberini in Rom (Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland im L.Mus. Oldenburg i. O.). Letzteres erscheint auch in einem Stich in Giov. Giustino Ciampini, „Vetera monimenta ...“, Bd. 1, Rom 1690, Taf. 33.

Antike Vasen mit Darstellungen der E. sind spätestens seit dem frühen 19. Jh. bekannt, wurden jedoch erst verhältnismäßig spät in Reproduktionen bekanntgemacht (so eine 1811 auf Ägina gefundene Schale in der Antikenslg. München bei Charles Robert Cockerell, The Temples of Jupiter Panhellenius at Aegina, and of Apollo Epicurius at Bassae near Phigaleia in Arcadia, London 1860, Taf. 12, 2). Die Lithographie einer Schale mit einer E. bei Ch. Lenormant und J. de Witte, Élite des mon. céramographiques, Paris 1844, Taf. 27, kopierte Jean Auguste Dominique Ingres 1865 als Aquarell (Cambridge, Mass., Fogg Mus. of Arts: Agnes Mongan, Gaz. des B.-A. 86 [26], 1944, 410ff., Abb. 20f.).

Andere antike Bildwerke hielt man irrtümlich ebenfalls für Darstellungen der E.

Der Bildhauer Flaminio Vacca erwähnt 1594 das in einer Grotte unter dem Kapitolsplatz in Rom befindliche Mithrasrelief als „la favola di Giove, ed E. ... sopra il Toro“ (F. Vacca, Memorie di varie antichità ..., in Antonio Nibby [Hrsg.], Roma antica di Famiano Nardini ..., Bd. 4, Rom 18204, S. 12; vgl. auch Corp. Inscriptionum Lat., Bd. 6, 1, Bln. 1876, S. 128).

Stierreiterinnen wurden im 17. und 18. Jh. als E. aufgefaßt, so 1664 eine Gemme mit Amphitrite auf dem Seestier im Cabinet du Roi (Ernest Babelon, Cat. des Camées antiques et modernes de la Bibl. Nat., Paris 1897, S. 407). Die auf einem Bock durchs Wasser reitende nackte Frau auf einer Gemme wurde 1743 von J. C. Schläger als E. bezeichnet (nach [9], S. 52). Joh. Joachim Winckelmann benannte 1760 eine auf dem Seestier reitende Frau auf einer Gemme ebenfalls als E. (nach ebd.).

3. Darstellungen außerhalb der Metamorphosen

Darstellungen der E.-Fabel außerhalb der Metamorphosen-Illustration sind vor allem in der ital. Malerei häufig, im 18. Jh. auch in der franz.; nördlich der Alpen überwiegen Darstellungen im Kunstgewerbe.

a. Typ a kommt in der Neuzeit nicht allzuoft vor, im 16. Jh. offenbar häufiger als später.

Nördlich der Alpen entstandene Beispiele sind: Hans Leonhard Schäufeleins Zchg. in Cheltenham, 1. Jz. 16. Jh. (Friedr. Winkler, Die Zchgn. Hans Süss von Kulmbachs und H. L. S., Bln. 1942, S. 139 Nr. 5), ein Brüsseler Wandteppich, um 1530 (?) (Abb. 11), ein Stich von Jacques Androuet Ducerceau, 1576 (Kaminbild in Schloß Madrid, Paris: Les plus excellents bastiments de France, hrsg. von Hippolyte Destailleur, Bd. 1, Paris 1868), und ein Holzschnitt von Jost Amman im „Wapen- und Stammbuch ...“, Frankfurt 15893 (zuerst 1579?; Liebhaber-Bibl. alter Illustrationen in Facs.-Reprn., Bd. 3, Mchn. 1881, S. 123; eine Wiederholung unter „Neptun“, S. 167). Für das 17. Jh. sei ein Gem. von Michael Willmann in der Gal. Schwerin, 1679, genannt (Erich Kloss, M. W., Breslau 1934, S. 175 Nr. 270, Abb. 58), für das 18. Jh. eine Zchg. von Heinrich Füßli, 1794 (London, Vict. Alb. Mus.: Nicolas Powell, The Drawings of Henry Fuseli, London 1951, Taf. 29). Eine Zchg. von Tobias Sergel, Ende 18. Jh., zeigt den schwimmenden Stier, der E. die entblößte Brust leckt (zu diesem Motiv vgl. Sp. 381; Ragnar Josephson, Sergels fantasi, Stockholm 1956, Abb. 224). – Ein Beispiel für das 19. Jh.: Abb. 34.

Daß auf dem Holzschnitt zur Hieroglyphica des Valeriano, Basel 1575, der Typ a Anwendung gefunden hat, entspricht der Interpretation der Fabel im Text (s. Sp. 376).

Erweiterungen des Typs bestehen in der Zufügung von Eroten, Meergottheiten oder Fluß- und Windgöttern.

So gibt eine Zchg. Dürers (?) in Lemberg (W. 216), A. 16. Jh., über dem im seichten Wasser schreitenden Stier einen trompeteblasenden Amor. Auf einer Plakette von Valerio Belli (um 1468–1546) ist neben dem Stier ein schwimmender Amor zu sehen (Exemplar in den Staatl. Mus. Bln.: Kat. Bange 1922, S. 113 Nr. 843, Taf. 71). Die Zchg. eines franz. Manieristen, M. 16. Jh., zeigt auf Phantasie-Delphinen reitende Amoretten, die E. auf dem Stier begleiten (Graphik und Handzchgn. älterer und neuerer Meister, C. G. Boerner, Neue Lagerliste Nr. 26, Ddf. 1959, S. 120 Nr. 507, Abb. S. 121). In Guido Renis 1635 entstandenem Gem. in London, Slg. Denis Mahon, zielt ein bogenschießender Amor auf E. (Cesare Gnudi und Gian Carlo Cavalli, G. R., Florenz 1955, S. 87f. Nr. 82, Taf. 146).

Ein Jacob Jordaens (oder Gérard Seghers) zugeschr. Gem. im Hzg. Ant. Ulr.-Mus. Braunschweig, gegen M. 17. Jh., zeigt E. in einem Triumphzug von Tritonen, Nereiden und Eroten unter Führung Neptuns; neben E. schwebt Venus (vgl. die Beschreibungen von Moschos und Lukian; R.-A. d’Hulst, De Tekeningen van J. J. [= Verhdln. van de kgl. Vlaamse Acad. voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België, Kl. der Schone Kunsten, Verhdl. 10], Brüssel 1956, S. 33f., Abb. 5). Noch figurenreicher stellte Antoine Coypel (1661–1722) den Triumph der E. dar: Neptun und Amphitrite fahren auf einem Muschelwagen vor E., Venus folgt in einem Muschelgefährt; Tritonen, Nereiden, Eroten und Psychen, schwebend und im Wasser, begleiten den Zug (Paris, Mus. du Louvre, Cabinet des Éstampes: Kat. Jean Guiffrey und Pierre Marcel, Inventaire général des dessins du Mus. du Louvre et du Mus. de Versailles, École française, Bd. 4, Paris 1909, S. 51 Nr. 3034, Abb. S. 50). Auf einer etwa gleichzeitigen Zchg. von Michel II. Corneille (1641–1708) ziehen Tritonen mit Muschelhörnern vor E. her, Putten – einer mit Fackel – schweben über ihr (ebd. Bd. 3, S. 80f. Nr. 2323, mit Abb.). Angelo Viva, 1798, reduzierte die Begleitung der E. auf zwei Nereiden mit Fledermausflügeln (Neapel, Park der Villa Comunale: Arduino Colasanti, Le fontane d’Italia, Mailand und Rom 1926, Taf. 299).

Karl Blechen stellte in einer Zchg. in der Nat.Gal. Bln., um 1810, zwei schwebende Windgötter dar, die ein ausgebreitetes Segel halten; im Schilfufer des Vordergrundes lagern zwei Fluß(?)götter (Abb. 33; [Paul Ortwin Rave], K. B., Bln. 1940, S. 214f. Nr. 569, dazu Nr. 566–568 Einzelstudien).

b. Typ b kommt durch die Verwendung in der Metamorphosen-Ill. größeres Gewicht zu als Typ a. Erweiterungen sind früher als bei Typ a zu beobachten. Die meisten Beispiele sind italienische.

Ein Gerolamo da Santacroce zugeschr. Gem., A. 16. Jh., stimmt weitgehend mit einem der E.-Holzschnitte der Hypnerotomachia (Abb. 8 b) überein (Gius. Fiocco, L’arte 19, 1916, 190f., Abb. 21; [22] S. 36). Giorgione benutzte den Holzschnitt für ein Tafelbild (in einer Kopie von David Teniers d. J. überliefert: Ausst.Kat. „Giorgione and His Circle“, Baltimore, Johns Hopkins Univ., 1942, Nr. 19, Taf. 19; [22] S. 36f.). Peruzzis E.-Fresko in der Sala del Fregio der Farnesina in Rom, 1509–11, zeigt zusätzlich Merkur mit der Viehherde (Fritz Saxl, Lectures, London 1957, Bd. 1 S. 193, Bd. 2 Taf. 126 a; Christoph Luitpold Frommel, Baldassare P. als Maler und Zeichner [= Beih. zum Röm. Jb. für Kg. 11, 1967/68], Wien und Mchn. 1968, S. 62).

Eine der E.-Ill. Lyon 1557 weitgehend entsprechende Formulierung zeigt eine getriebene Sturmhaube in der Waffenslg. des Kh. Mus. in Wien, die mit Kaiser Karl V. in Verbindung gebracht wird (Augsburg [?], M. 16. Jh. [?]: Ausst.Kat. „Aufgang der Neuzeit“, Nürnberg, Germ. Nat.Mus., 1952, S. 123, Nr. M 250). Derselbe Holzschnitt ist auch benutzt bei einem franz. Seidenteppich, um 1560–70 (The Metrop. Mus. of Art Bull. 15, 1956/57, 168f., mit Abb.), einem gestickten Fensterbehang der Elisabeth Shrewsbury (1520–1608) in Hardwick Hall (George Wingfield Digby, Elizabethan Embroidery, London [1963], S. 111f., Abb. 59 A) und einem Gem. aus dem Umkreis des Karel van Mander, Ende 16. Jh. (Federico Zeri, La Gall. Pallavicini in Roma, Florenz [1959], S. 171 Nr. 291, Abb. 291). Auf einer Zchg. in der Art Rottenhammers ist die Zahl der Gefährtinnen auf sechs erhöht; zusätzlich ist die Viehherde dargestellt (Paris, Mus. du Louvre, Cabinet des Éstampes: Louis Demonts, Inventaire général des dessins des écoles du Nord, Écoles allemande et suisse, Bd. 2, Paris 1938, S. 123 Nr. 677 mit Abb.; mit vier Gefährtinnen: Abb. 18). In Rembrandts Gem., 1632, steht am Ufer ein vierspänniger Prunkwagen (New York, Slg. Paul Klotz: Horst Gerson, R. Paintings, Amsterdam 1968, S. 214 Nr. 62, Abb. S. 215; eine Zchg. Rembrandts, um 1635, folgt dem Typ b ohne Erweiterungen: Werner Sumowski, Pantheon 22, 1964, 236, Abb. 5).

Früh und zahlreich sind Erweiterungen des Typs b in der ital. Malerei.

Schwebende Eroten, die ihre Pfeile auf E. richten, zeigt ein Gem. von Beccafumi in der Slg. Guarini del Taja, Siena; der Stier wird von einem Amor mit Fackel geführt (um 1512 [?]: Donato Sanminiatelli, Domenico B., Mailand [1967], S. 76, Taf. 3).

In Tizians Gem. im Isabella Stewart Gardner Mus., Boston, um 1559–62, begleitet außerdem ein auf einem Fisch reitender Amor E., die rücklings auf dem Stier liegt (Franc. Valcanover, Tutta la pittura di T., Mailand 1960, Bd. 2 S. 44, Taf. 88; ähnlich Abb. 29). Rubens kopierte Tizian (Madrid, Prado, um 1628–29: Wolfg. Stechow, R. and the Classical Tradition, Cambridge, Mass. 1968, S. 42, Abb. 28). Nach der Rubenskopie fertigte van Dyck ein Aquarell; Reynolds besaß eine andere Kopie nach Tizian; Watteau kopierte die Landschaft für sein Gem. der Entführung der E. nach dem Original, das 1727 in der Slg. Orléans in Paris hing (Text zu einer span. [?] Kopie des 17. Jh. nach Tizian in der Wallace Coll. London: Cat. „Pictures and Drawings“, London 192815, S. 292f. Nr. 5).

Maarten de Vos stellte in seinem Gem., um 1590, im Hintergrund einen Tempel dar (vgl. Nigidius Figulus, fragm. 90: hrsg. A. Svoboda, Wien 1889, S. 111: E. spielte mit ihren Gefährtinnen im Tempel des Äskulap); am Strand lagert ein Flußgott; Merkur schwebt über der Viehherde (Bilbao, Mus. de Bellas Artes: B. H. M. Mutsaers, in: „Album discipulorum“, Fs. J. G. van Gelder, Utrecht 1963, S. 63–65, mit Taf.).

Ein Gem. des Gius. Cesari gen. Cavaliere d’Arpino in der Gall. Borghese in Rom, um 1635–40, ordnet über dem Stier den auf dem Adler reitenden Amor an, der einen Pfeil auf E. anlegt (Paolo della Pergola, Gall. Borghese, I Dipinti [= Cat. dei Mus. e Gall. d’Italia], Bd. 2, Rom 1959, S. 61f. Nr. 88, Abb. 88).

Auf einem Gem. von Mattia Preti (1613–1699) sind die Gefährtinnen dem Stier ins Wasser gefolgt, um ihn zurückzuhalten (Rom, Gall. Pallavicini: F. Zeri a.a.O. S. 198f., Nr. und Abb. 345). Ein Gem. von Franc. Albani in der Gall. Pitti Florenz, nach 1630, zeigt Merkur über E. schwebend; den Stier umgeben zahlreiche fliegende oder schwimmende Eroten, einer von ihnen trägt eine Fackel; vor dem Stier schwebt ein Adler (Ausst.Kat. „L’ideale classico del Seicento in Italia e la pittura di paesaggio“, Bologna 1962, S. 146 Nr. 50, Taf. 50). Auf Francesco Zuccarellis (1702–1788) aufwendigem Gem. führen Eroten den Stier oder tummeln sich in einem Baum (Venedig, Accademia: Ausst. Mchn., Rokoko, S. 113 Nr. 241, Taf. 10).

Im deutschen Kunstgewerbe sind andere Formen der Erweiterung gewählt worden.

Christoph Lenckers gegen 1613 (?) entstandenes sog. „E.-Becken“ zeigt die vom Stier entführte E. ganz im Hintergrund; im Vordergrund stehen und lagern die zahlreichen Gefährtinnen der E. und Merkur, vorn in der Mitte spannen zwei Knaben einen Bogen; auf einer Wolkenbank ist die Szene der Umarmung dargestellt, daneben der Adler (Wien, Kh. Mus.: Kat. Kris, Goldschmiedearbeiten, erster Teil, 1932, S. 47f. Nr. 77, Taf. 49). Die zugehörige Kanne, wohl in Form einer E. auf dem Stier, ist verloren; sie dürfte jedoch derjenigen des „E.-Beckens“ von Johs. Lencker in den Fürstenberg. Slgn. Donaueschingen, kurz nach 1620, entsprochen haben, da das Becken selbst mit dem in Wien weitgehend übereinstimmt (Ausst.Kat. „Augsburger Barock“, Augsburg 1968, S. 332 Nr. 481, Abb. 292f.; zu Vorlagen für die Kanne: Hans Rob. Weihrauch, in: „Stud. zur Gesch. der europ. Plastik“, Fs. Theodor Müller, Mchn. 1965, S. 276ff.; weitere Silberarbeiten bei Otto von Falke, Pantheon 1, 1928, 17). – Auf dem getriebenen Silberrelief einer Prunkschale („Lochan“) in der Schatzkammer des Moskauer Kreml, dt., M. 17. Jh., ist die Meerfahrt der E. – mit den klagenden Gefährtinnen im Hintergrund – zugleich die Darstellung der Ankunft auf Kreta, wo eine Schar von Nymphen den Strand füllt (Geschenk des Hamburger Senats an den Zaren: David Douglas Duncan, Der Kreml, Ddf. 1960, Abb. S. 96).

Die Triumphfahrt der E. über das Meer nach Typ b scheint Künstler des Nordens besonders interessiert zu haben.

Eine Federzchg. von Karel van Mander, dat. 1589, zeigt Neptun auf dem Muschel wagen und auf Muschelhörnern blasende Tritonen; über dem Stier schwebt Merkur; im Vordergrund umarmen sich Paare von Nereiden und Tritonen (Oud Holland 68, 1953, 133 Abb. 7; ähnlich ein Stich des Zacharias Dolendo nach van Mander: Hollstein, Dutch Fl. Engr., Bd. 5, S. 263 mit Abb.). Auf einem Gem. von Noël-Nicolas Coypel (1628–1707) begleiten Neptun und Amphitrite im Muschelwagen, Tritonen, Nereiden und Eroten den Stier mit E. (Philadelphia Mus. of Art: Michel Benisovich, The Art Quarterly 19, 1956, 294 Abb. 6). – Eng an die Schilderung bei Moschos hielt sich Bonaventura Genelli in seinem Gem. für den Gf. Schack; auf einem Felsen rechts im Hintergrund sind die Personifikationen der vier Elemente hinzugefügt (Abb. 35).

c. Darstellungen der E.-Fabel im Typ c sind relativ selten (a’). Veroneses Gem. im Dogenpalast Venedig nimmt in der Geschichte des Typs eine entscheidende Stelle ein (b’).

Die kontinuierende Darstellung ermöglichte es, weitere Szenen der Fabel ins Bild zu bringen. Die Betonung bald dieses, bald jenes Vorgangs konnte dazu führen, daß die anderen Ereignisse in den Hintergrund gedrängt oder eliminiert wurden.

a’. Unter den mehrszenigen Darstellungen überwiegen Beispiele aus der Graphik.

Als deutsches (? oder niederländisches ?) Beispiel ist der Kupferstich des Meisters PVL, um 1520, zu nennen, der – im Hochformat – rechts oben den Auftrag Jupiters an Merkur wiedergibt, links oben die Bekränzung des Stiers, im Vordergrund als Hauptszene die Entführung über das Meer, mit klagenden Gefährtinnen, und im Hintergrund das Liebespaar Jupiter und E. auf Kreta (Vorzchg. im Mus. in Leipzig: Abb. 10; Paul Wescher, Old Master Drawings 5, 1930/31, 39f.). – Zchgn. Parmigianinos, welche die auf dem Stier thronende, von Gefährtinnen umgebene E. und den mit E. zum Strand schreitenden Stier zeigen, werden auf Fresken für die Rocca in Fontanellato, um 1520, bezogen; die Zusammenstellung ist ungewöhnlich und läßt auf einen umfangreicheren Zyklus schließen (Arthur Ewart Popham, Master Drawings 1, 1963, Taf. 3 und 7).

Bezugnahme auf Lukian und Moschos ist bei Schilderung der triumphalen Meerfahrt der E. in Italien im 16. Jh. mehrfach zu belegen. Fragmente eines E.-Zyklus von Bernardino Luini aus den Stanzen der Casa Rabia in Mailand, 1522, zeigen u. a. den in Begleitung von Tritonen vor E. im Muschelwagen einherfahrenden Neptun; das Schlußbild (?) ist eine Darstellung der Venus, die die verlassene E. tröstet und ihr Amor zuführt (vgl. Horaz, Carmina III, 27, V. 66–75; Bln. [Ost], Staatl. Mus.: Angela Ottino della Chiesa, B. L., Novara 1956, S. 113f., Abb. 67–72). Ein Kupferstich von Giulio Bonasone, 1546 (B. 109), ist zum Teil orientiert am Holzschnitt Venedig 1497: im Vordergrund links ist E. im Begriff, sich auf den Stier zu setzen (Nike-Formulierung); rechts sitzt Merkur, die Syrinx blasend, unter der Viehherde; die Hintergrundszene der Entführung über das Meer zeigt Neptun auf dem Muschelwagen als Begleitung der E. (auf dem Stich ist Raffael als Inventor genannt).

Des öfteren ist die Beschränkung auf zwei Szenen anzutreffen.

Eine Majolikaschüssel von Castel Durante, um 1525–30, zeigt im Vordergrund die nackte E. auf dem bekränzten, lagernden, weißen Stier, im Hintergrund den Stier, der mit E. in Kreta an Land geht (Arezzo, Mus. civ.: Dedalo 7, 1926/27, Taf. vor S. 5; weitere ähnliche Beispiele: Apollo 26, 1937, 251– 57, Abb. 6 [Nike-Formulierung]; Ausst.Kat. „Exposition de la coll. Lehman de New York“, Paris 1957, Nr. 258, Taf. 98). – Girolamo Mocetto († 1531) schilderte auf einem Plafond im Anschluß an die Holzschnitte der Hypnerotomachia im Vordergrund die Stierbesteigung, im Hintergrund die Meerfahrt der E. (Paris, Mus. Jacquemart-André: Schubring, Cassoni Bd. 1, S. 169, 396 Nr. 781; Bd. 2 Taf. 164 Mitte; Seznec [1961], S. 130). Um Nereiden bereichert ist die Entführungsszene im Fresko der Gartenloggia der Villa Belcaro bei Siena, um 1535 (?) von Schülern des Peruzzi (Pietro Toesca, Affreschi decorativi di Italia fino al sec. XIX, Mailand 1917, Taf. 110; Ch. L. Frommel a.a.O. [s. Sp. 391], S. 147).

Seit dem Ende des 16. Jh. kommt diese Form der kontinuierenden Darstellung kaum noch vor. Genannt seien eine Zchg. von Hans Bol, um 1580 (Heinr. Gerh. Franz, Jb. des kh. Inst. der Univ. Graz 1, 1965, 49, Abb. 166 [Stichvorzchg.]), eine Guasch von Joh. König (Puschkin-Mus. Moskau: Abb. 20). Hendrick Goltzius stellte in einer Zchg., um 1590, das Liebespaar Jupiter und E. auf Kreta dar und fügte im Hintergrund den Stier mit E. auf dem Rücken hinzu (Ffm., Städelsches K.Inst.: Emil Karel Josef Reznicek, Die Zchgn. von H. G., Utrecht 1961, Bd. 1, S. 290f. Nr. 135, Bd. 2 Abb. 125). Ein Gem. von Hendrik van Balen, gegen 1620, zeigt die auf dem Stier sitzende E. beim Bekränzen des Tieres; im Hintergrund ist die Entführung über das Meer dargestellt (Vaduz, Slg. Liechtenstein: Ingrid Jost, Nederlands kh. Jb. 14, 1963, 122 Abb. 26; eine Kopie in Berlin-Grunewald: ebd. S. 125 Anm. 126). In einem Cornelis van Poelenburg (1586–1667) zugeschr. Gem. sind links die mit dem weißen Stier spielenden Mädchen wiedergegeben, rechts die Entführung der E. über das Meer (Verst.Kat. Rud. Lepke, Bln., Kat.Nr. 2011, 30.4. 1929, S. 24 Nr. 79).

Einzelne Szenen, die aus kontinuierenden Darstellungen der E.-Fabel herausgelöst sind, kommen häufig vor.

Der Zeus-Stier naht E. und ihren Gefährtinnen: Diese in Zyklen gelegentlich geschilderte Szene – so im Pal. Fava in Bologna, um 1583–84 von den Carracci (Anna Ottani, Gli affreschi dei C. in Pal. Fava, Bologna 1966, Taf. 1) – ist als selbständige Darstellung überaus selten. Als Beispiel sei das von (Christian Gottlieb?) Geyser nach (Daniel Nikolaus?) Chodowiecki radierte Titelblatt zu Joh. Kaspar Manso, Bion und Moschus, Gotha 1784, genannt (Abb. 32).

E. bekränzt den Stier: Dieses Motiv gibt ein Kupferstich von Benedetto Montagna (um 1480 bis 1558; Spätwerk) wieder; die Dienerin hinter E. plaudert mit dem rechts von der Viehherde stehenden Merkur (Hind, Ital. Engr., Bd. 5, S. 186 Nr. 42, Bd. 7 Taf. 764). Ein Deckengem. in der Gall. Estense, Modena, Schiavone (oder dem jungen Tintoretto) zugeschr., zeigt die Szene in Untersicht (Rodolfo Pallucchini, La giovanezza del Tintoretto, Mailand 1950, S. 78–80, Abb. 85).

E. setzt sich auf den Stier: Eine Zchg. von Correggio (1489–1534) gibt diese Szene wieder (A. E. Popham und Johs. Wilde, The Ital. Drawings of the XV and XVI Centuries ... at Windsor Castle, London 1949, S. 213 Nr. 250, Abb. 57). In einer Zchg. von Primaticcio umgeben drei Gefährtinnen mit Kränzen E. (Paris, Mus. du Louvre, Cabinet des Éstampes: Jean Adhémar, Le dessin français au XVIe s., Lausanne 1954, S. 127, Taf. 24; Nachstich des Meisters L. D.). Auf einem Email des 16. Jh. von Léonard Limousin in der Slg. Boy, Paris, ist eine Gefährtin E. behilflich (Emile Molinier und Frantz Marcon, Exposition rétrospective de l’art français des origines à 1800 [Exposition universelle de 1900], Paris o. J., S. 93 mit Abb.). – Eine Variante ist die Darstellung der auf dem lagernden Stier thronenden E.; sie wurde gewählt von Hans Kels für einen Brettstein, 1537 (Wien, Kh. Mus.: Kat. Schlosser, Kleinplastik, 1910, Bd. 2, S. 7, Taf. 14), und von Antonio Vassilacchi gen. L’Aliense (1556–1628) für ein Fresko in der Villa Capodilista in Montecchia bei Selvazzano (Giorgia Boccassini, Arte Veneta 12, 1958, 112, Abb. 114).

E. reitet auf dem Stier: Bei einer Andrea Riccio zugeschr. Bronzegruppe ist E. im Begriff, auf den mit zurückgeworfenem Kopf brüllenden Stier loszuschlagen (Jolán Balogh, Wiener Jb. 5 (= 19), 1928, 209–218, Abb. 1). – Ein Majolikateller von Castel Durante in Berlin, um 1525, zeigt die auf dem schreitenden Stier liegende nackte E. (vgl. den Stich des Meisters IB mit dem Vogel [Sp. 381]; Amtliche Ber. aus den kgl. K.slgn. 39, 1917/18, S. 9 Abb. 4; [22] S. 60, auch S. 30f.). Im Kaisersaal von Schloß Bučovice, Mähren (1566–87), sind Stuckfiguren Kaiser Karls V. als Türkensieger und der reitenden E. (= der vor den Türken errettete Erdteil?) angebracht (Zdeněk Wirth und Jaroslav Benda, Burgen und Schlösser der Tschechoslowakei, Prag 1954, Abb. B-206). Eine ital. Bronzegruppe im Mus. Correr Venedig, Ende 16. Jh., zeigt den Stier, wie er zum Sprung ansetzt; die nackte E. kniet auf dem Rücken des Tieres, einen Arm nach vorn oben ausgestreckt, den Blick erhoben (Leo Planiscig, Piccoli bronzi ital. del Rinascimento, Mailand 1930, S. 37f., Taf. 165 Fig. 286). Bei einer etwa gleichzeitigen Bronzegruppe im Mus. Naz. Florenz lehnt sich E. zurück, breitet die Arme aus und blickt aufwärts (Elisabeth Dhanens, Jean Boulogne, Brüssel 1956, S. 203, Abb. 127: vielleicht auf Jean Boulogne zurückgehend). Eine franz. Bronzegruppe des 17. Jh. im Grünen Gewölbe Dresden zeigt die auf dem sich erhebenden bekränzten Stier thronende E. (Abb. 23; ein zweites Exemplar: Apollo 80, 1964, Nr. 30 [= Augusth.], S. X; vgl. auch Abb. 13). Gabriel Loser benutzte für die Intarsien der Wandschränke im Manuskripteraum der St. Galler Stiftsbibliothek, um 1765 (?), Stiche in Jacobus Gronovius, „Thesaurus Graecarum antiquitatum“, Leiden 1697–1702, als Vorlage; E. hält in den ausgebreiteten Armen ein sich blähendes schmales Tuch (Inv. Schweiz 45, S. 313f., Abb. 259f.). – In einer Zchg. stellte Paolo Farinaio (1524 bis 1606) E. dar, die von einer Gefährtin gestützt wird; über E. schwebt ein Amor mit Bogen, neben dem Stier steht Merkur (Wien, Albertina: Kat. Bd. 1 [Alfred Stix und L. Fröhlich-Bum, Die Zchgn. der venezian. Schule], S. 87f. Nr. 164 mit Abb.). E. in Begleitung ihrer Gefährtinnen zeigen auch mehrere Gem. von Claude Lorrain (Marcel Röthlisberger, C. L., The Paintings, London 1961, Bd. 1 S. 276f. [Nr. 111], 325ff. [Nr. 136], 342 [Nr. 144]; Bd. 2 Abb. 193, 228, 239, 276); ähnlich ist ein Gem. von Antoine Pesne (um 1750: Ekhart Berckenhagen, in: A. P., Bln. 1958, S. 200 Nr. 454, Abb. 237).

b’. Veroneses Gem. im Dogenpalast zu Venedig, um 1580 (Abb. 17), greift zurück auf die Formulierung der Ovidausgabe Venedig 1497 (Abb. 7). In der Hauptszene sind zwei Motive verbunden: E., die sich auf den Stier setzt, und die auf dem Tier thronende E.; rechts sieht man – wesentlich kleiner – den ans Gestade schreitenden Stier, dem ein Liebesgott mit Fackel vorangeht, im Hintergrund den Beginn der Meerfahrt (Guido Piovene und Remigio Marini, L’opera completa del V., Mailand [1968], S. 118 Nr. 185 a; Varianten unter Nr. 185 b und c; eine andere, weniger einflußreiche Fassung des Themas – ohne Eroten – war wohl Vorderseite eines Cassone Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann., Slg. Rasini]: ebd. S. 106 Nr. 101; Ausst. Kat. „Paolo V.“, Venedig 1939, S. 150f. Nr. 64, mit Abb.).

Veroneses Gem. hat nicht dazu geführt, daß Typ c in der Folgezeit wieder aufgegriffen wurde. Sein Einfluß besteht im wesentlichen in der Anregung, die auf dem Stier thronende E. und den Beginn der Meerfahrt (der Moment, in dem der Stier mit der geraubten E. das Wasser erreicht hat) häufiger als eigene Szenen zu schildern.

E. setzt sich auf den Stier: Dieses Thema zeigt ein Gem. der Veronese-Werkstatt in der Gem.Gal. Dresden, das vor der Erwerbung durch August III. 1743 von Giov. Batt. Tiepolo kopiert worden ist (Michael Levey, Burl. Mag. 102, 1960, 250–57; Ant. Morassi, A Complete Cat. of the Paintings of G. B. T., London 1962, Abb. 243). Auf Hendrik van Balens Gem. im Mus. von Valenciennes, 1618, erscheinen neben E. Eroten mit Blumen und Blumenkorb (Ausst.Kat. „K.werke aus dem besetzten N-Frankreich“, Valenciennes 1918, S. 39 Nr. 16, Abb. S. 133). In einem Gem. von Gasparo Dinanzi (1689–1767) bekränzt Amor den Stier, der E. den Fuß küßt (Abb. Weltkunst 24, 1954, Nr. 13 S. 23).

E. thront auf dem Stier: Aus Veroneses Gem. wurde weitaus häufiger die Szene der auf dem Stier thronenden E. herausgelesen. Ein Franc. Albani zugeschr. Gem. in Boston, Mus. of Fine Arts, kurz nach 1616 (?), zeigt, wie E. zusammen mit zahlreichen Gefährtinnen den Stier bekränzt (vgl. den Vergil-Cento 14, V. 20: Franz Bücheier und Alexander Riese, Anthologia Lat., Bd. 1,1, Lpz. 18942 [Neudruck Amsterdam 1964], S. 49); links reiten Eroten auf einem Bock (William George Constable, Gaz. des B.-A. 85 [23], 1943, 223, 221 Abb. 3). In einem Gem. von Bernardo Cavallino (1622–52) hält Amor die Zügel des Stiers (Liverpool, Walker Art Gall., Cat. „Foreign Schools“, Text, Liverpool 1963, S. 46f., Tafeln, Liverpool 1966, S. 67 Nr. 2771). Auf einem Gem. von Simon Vouet werden der Stier und E. von den Gefährtinnen bekränzt (Paris, Priv.slg.: William R. Crelly, The Painting of S. V., New Haven und London 1962, S. 126, 206 Nr. 122, Abb. 173; Nachstich von Michel Dorigny, 1642). Auf Poussins Zchg. für ein als Fragment erhaltenes Gem. in Cahors (Anthony Blunt, The Paintings of Nicolas P., London 1966, S. 111f. Nr. 153: 1649–50) bekränzen die Gefährtinnen der E. den Stier, über dem Amor auf einem Adler und Merkur schweben (Stockholm, Mus.: Walter Friedländer und A. Blunt, The Drawings of Nicolas P., London 1953, Teil 3, Taf. 137 Nr. 166). In Cignanis Gem. im Pal. del Giardino in Parma, um 1680, wird E. von ihren Gefährtinnen bekränzt; ein geflügelter Knabe reitet auf einer Ziege (Syra Vitelli Boscaroli, C. C, Bologna 1953, S. 101, Abb. 23). In Jacob Jordaens Gem., 1643, thront E. nackt auf dem Stier; rechts sind Merkur und die Viehherde dargestellt, in den Lüften reitet Amor auf dem Adler (Mus. Lille: R.-A. d’Hulst a.a.O. [s. Sp. 389], S. 151, Abb. 90). François Boucher bettete in seinem Gem., um 1734 (?), die Szene in eine tropische Landschaft (Wallace Coll. London: Herm. Voss, Burl. Mag. 95, 1953, 81–93, Abb. 51, 53; im 18. Jh. hing eine Kopie nach Veronese in der Slg. Orleans). Ein 1747 dat. Gem. von Boucher zeigt die Szene am Strand; vom Meer her sind Tritonen und Nereiden zur Huldigung erschienen; über E. schwebt ein Reigen von Eroten, aus den Wolken links blickt der Jupiteradler (Paris, Mus. du Louvre: Haldan Macfall, B. [Sonder-Nr. des „Connoisseur“], London 1908, Abb. S. 19; vgl. auch die Tischplatte mit Darstellung der E. nach Boucher: Abb. 30). Auf einem Gem. von Jacopo Amigoni in den Slgn. des Gymnasiums zum Grauen Kloster Berlin, 2. V. 18. Jh., tritt Amor als „Lenker“ des Stiers auf (Herm. Voss, Jb. preuß. K.slgn. 39, 1918, 158, Abb. 6).

Deutsche Beispiele zeigen meist einen geringeren Aufwand an Repertoire. So schildert Joh. Jakob Gebhard in einem der ab 1714 entstandenen Fresken in der unteren Galerie des Treppenhauses von Schloß Weißenstein bei Pommersfelden die auf dem Stier thronende E. zusammen mit zwei Gefährtinnen (Abb. 27). Peter Wagners Skulpturengruppe im Hof garten Würzburg, 1777, zeigt E. mit drei Freundinnen (Inv. Bayern, Ufr. 12, S. 488, 495 Abb. 386). Joh. Conrad Seekatz (1719–68) fügte in seinem Gemälde in Privatbesitz eine größere Zahl von Eroten hinzu; über E. erscheint in Wolken der Jupiteradler (Abb. 28).

Neben diesen Schilderungen hat es auch immer auf E. und den Stier beschränkte Darstellungen gegeben. Als Beispiel sei eine Kreidezchg. von Joh. Tobias Sergel genannt (R. Josephson a.a.O. [s. Sp. 388], Abb. 220).

In der Porzellankunst hat die von Joh. Joach. Kaendler 1764 geschaffene Meißener E.-Gruppe (Aukt.Kat. Köln, K.haus am Dom, Auktion 21, 17. bis 20. 2. 1965, Taf. 28 Nr. 685) zahlreiche Nachfolge gefunden, so in der Manufaktur Kassel, 1769 (Ludwig von Döry, Fayencen und Porzellan aus hessischen Manufakturen, Hanau 1964, Taf. 88). In Neapel entstand (zur Zeit Kg. Ferdinands IV., 1771 bis 1804) die Gruppe der auf dem Stier thronenden E., die eine Psyche neben sich hat (Luigi Mosca, Napoli e l’arte ceramica dal XIII al XX sec., Neapel 1963, Abb. nach S. 80). Die Berliner E.-Gruppe von Joh. Gg. Müller, um 1785, geht auf Séb. Le Clerc zurück (Ausst.Kat. „Jubiläumsausst. des Kgwb.mus. Bln. ... zum 200jähr. Bestehen der Staatl. Porzellan-Manufaktur Bln.“, Bln. 1963, Nr. 90, mit Abb.). Eine Gruppe der Manufaktur Derby, 3. V. 18. Jh., zeigt den seinen Kopf zur E. wendenden bekränzten Stier (Abb. Weltkunst 23, 1953, Nr. 7, S. 17).

E. läßt den Stier bekränzen: Für dieses seltener auftretende Thema sei als Beispiel ein Gem. von Franc. Zuccarelli genannt; über dem Stier und E. schweben blumenstreuende Eroten um eine Wolke (Ausst.Kat. „Aspetti della pittura in Lombardia e nel Veneto nel ’700“, Mailand [Gilberto Algranti] 1968, Nr. 25 mit Abb.).

Beginn der Meerfahrt (der Moment, in dem der Stier mit der geraubten E. das Wasser erreicht): Bei Mattia Preti, um 1635–50, versuchen die Gefährtinnen der E. vergebens, den Stier zu halten (Rom, Gall. Pallavicini: F. Zeri a.a.O. [s. Sp. 392], S. 198f., Nr. und Abb. 345). Auf einem Gem. von Dirck Bleker, 1643, trabt der Stier durch das seichte Wasser, neben ihm je eine Gefährtin der E. (Staatl. Gem.-Gal. Kassel: Kat. 1958, S. 33, Nr. 280 mit Abb.). Meist (?) aber bleiben die Gespielinnen am Ufer zurück, so auf einem Gem. von Luca Giordano; im Meer schwimmen Najaden, über dem Stier schweben Liebesgötter mit Blumen, Pfeil und Bogen (München, Bayer. Staatsgem.slgn.: Oreste Ferrari und Gius. Scavizzi, L. G., Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. 1966], Bd. 2 S. 117f.). Auf einem Gem. von Gius. Cesari gen. Cavaliere d’Arpino, mit ähnlicher Szenerie, hat Amor den Pfeil auf den Jupiteradler angelegt (Paolo della Pergola a.a.O. [s. Sp. 392], S. 61f. Nr. 88 [Spätwerk]). Eine Zchg. von Jacob Jordaens in der Ermitage Leningrad, um 1660, zeigt Eroten – einer mit Fackel – und Zephir (vgl. Lukian), rechts am Strand fünf Gefährtinnen, zum Teil mit erstaunt-zufriedenem Blick (aus Slg. Graf Brühl: Ausst.Kat. „Jordaens“, Ottawa 1968/69, Nr. 270, Abb. S. 386). Auf einem schwäbischen Deckelhumpen aus Rhinozeroshorn, im Hzg. Ant. Ulr.-Mus. Braunschweig, Ende 17. Jh., ist der Stier mit E. mit einem Vorderfuß im Wasser; neben den Gespielinnen steht ein nackter Knabe (Amor?; Chrn. Scherer, Die Braunschweiger Elfenbeinslg., Lpz. 1931, S. 120f. Nr. 377, Taf. 63; Deckelbekrönung: Neptun). Gianantonio Guardi zugeschr. wird eine Federzchg. mit dem Stier am Strand sowie Gefährtinnen der E. und Eroten als Begleitung (Gius. Fiocco, Arte Veneta 6, 1952, 101, 105 Abb. 102). Auf einem Gem. von Paolo Vincenzo Bonomini (1756–1839) watet der Stier mit E. zur Verwunderung der Gefährtinnen vom Gestade weg ins Meer (Roberto Bassi Rathgeb, Riv. d’arte 22, 1940, 245, Abb. 1). Bei einem gemalten Dosendeckel des 18. Jh. sitzt E. auf dem im Wasser stehenden Stier, der von Putten gehalten wird; dahinter, ebenfalls im Wasser, stehen die klagenden Gefährtinnen (München, Bayer. Nat.Mus.: Kat. Berliner, Elfenbein, S. 126 Nr. 693, Taf. 215).

E. auf Kreta: Das – als selbständiges Bild – überaus seltene Thema (vergleiche jedoch Sp. 397 Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.]) schilderte Benjamin West auf einem Gem. in Raleigh, North Carolina Mus. of Art, 1770: Venus und Amor nahen sich der trauernd dasitzenden E.; im Hintergrund fliegt der Jupiteradler über dem sich umblickenden, bekränzten Stier (Abb. 31).

F. Ikonologie

Darstellungen der E.-Fabel finden sich in Bildprogrammen und als Pendants. In Programmen sind sie entweder mit anderen antiken Themen (1) oder Bildern mit Themen aus den Metamorphosen Ovids (2) zusammengestellt; letztere konnten auch unter dem Aspekt der Götterliebschaften (3) oder des Frauenraubes (4) ausgewählt werden, wozu die Arachne-Fabel (7) die Berechtigung geben mochte. Die Entführung über das Meer war Anlaß, die E.-Fabel an Brunnen (5) darzustellen. Häufig gibt E. mit dem Stier den Erdteil Europa wieder (9), selten das Tierkreiszeichen Stier (6). Sonstige Zusammenstellungen (8) sind in ihren Begründungen noch unklar.

1. Antikes Thema

Als antikes Thema erscheinen Darstellungen der E.-Fabel in vielen Zusammenhängen; sie sind gleichsam Dokumentation einer auf die Antike ausgerichteten Bildung.

Die Versuche, für die Darstellungen auf der Bronzetür Filaretes an St. Peter in Rom, unter denen sich eine E. befindet, die christliche Moralisation der Metamorphosen als Erklärung heranzuziehen [22, S. 18f.], haben bisher nicht überzeugt (s. Helen Roeder, Warburg Journ. 10, 1947, 152).

Pintoricchios Deckenfresken für den Pal. del Magnifico in Siena, um 1509, zeigen Triumphdarstellungen von antiken Göttern und Herrschern, ferner mythologische Szenen und Personen, darunter die Entführung der E. (Giov. Carandente, I trionfi nel primo Rinascimento, Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.] 1963, S. 105 Abb. 98; Harry B. Wehle, The Metrop. Mus. of Art, A Cat. of Ital., Spanish and Byz. Paintings, New York 1940, S. 109–112). In der Gartenloggia der Villa Madama in Rom, 1519–23 (?) von Bald. Peruzzi und Werkstatt, erscheint die E.-Fabel unter anderen Themen der antiken Mythologie (William Ernest Greenwood, The Villa Madama Rome, New York 1928, Taf. 8; Ch. L. Frommel a.a.O. [s. Sp. 391], S. 101f.). Der Plafond von Girolamo Mocetto im Mus. Jacquemart-André Paris, aus einem venezian. Palast, enthält ovidische Mythen (Narziß, Myrrha und Adonis, Entführung der E.), dazu Mucius Scaevola sowie olympische Götter, Triumphdarstellungen, Tugenden u. a. (s. Sp. 397). Das E.-Fresko in der Gartenloggia der Villa Belcaro bei Siena erscheint im Rahmen von Darstellungen der olympischen Götter, von Metamorphosen und anderem (s. Sp. 397). Im Pal. Fava in Bologna gibt es neben einem Jasonzimmer und einem Äneaszimmer auch ein E.-Zimmer mit Gem. der Carracci, um 1583–84 (A. Ottani a.a.O. [s. Sp. 399], Taf. 1–6). Im 19. Jh. führte das antiquarische Interesse zu der E.-Darstellung unter den Deckenbildern für die Antikensäle des Alten Museums Berlin (Entw. von Friedr. Schinkel, um 1830: Volker Plagemann, Das dt. K.mus., 1790–1870, Mchn. 1967, Abb. 66).

2. Metamorphosenzyklen

Metamorphosenzyklen sind vor allem in Raumausstattungen von (für) Villen anzutreffen.

Als Beispiel sei das E.-Fresko in der Sala del Fregio der Farnesina in Rom, 1509–11 von Bald. Peruzzi, genannt (Ch. L. Frommel a.a.O. [s. Sp. 391], S. 61ff.; Egon Verbeyen, Correggio’s Amori di Giove, Warburg Journ. 29, 1966, 181). – Giorgiones E., Teil eines umfangreichen Tafelbilderzyklus vorwiegend mit Themen aus den Metamorphosen, war vermutlich für eine Raumausstattung bestimmt (Carlo Ridolfi, Le maraviglie dell’arte [1648], hrsg. von Detlev von Hadeln, Bd. 1, Bln. 1914, S. 98). – Bernardo Luinis E.-Zyklus aus den Stanzen der Casa Rabia in Mailand, 1522, umfaßte mehrere Bilder (im 18. Jh. ist von „favole Ovidiane“ die Rede: Carlo Torre, Il ritratto di Milano ..., Mailand 17142, S. 138; Serviliano Latuada, Descrizione di Milano, Bd. 4, Mailand 1738, S. 91f.). – Einem Metamorphosenzyklus gehört das Schiavone zugeschr. Deckengem. in der Gall. Estense in Modena an (s. Sp. 399). – Die ursprüngliche Anordnung von Tizians „poesie“ nach Ovid, unter denen sich das E.-Bild befindet, sowie die Einheitlichkeit des Programms sind ungewiß (Philip Hendy, Cat. of the Exhibited Paintings and Drawings. The Isabella Stewart Gardner Mus., Boston 1931, S. 370–375). Auch der von Rubens 1637–38 entw. Metamorphosenzyklus für die Villa von Torre de la Parada bei Madrid enthält die Entführung der E. (Ausst.Kat. „Ésquisses de Rubens“, Brüssel 1937, Nr. 113; Museo del Prado, Cat. de las pinturas, Madrid 1963, S. 594 Nr. 2457; Ausführung durch Erasmus Quellinus: ebd. S. 522 Nr. 1628). – Ein Metamorphosenzyklus von Simon Vouet, der die Entführung der E. mit einschließt, ist in einer Wandteppichserie überliefert (W. R. Crelly a.a.O. [s. Sp. 402], S. 266f.). – Carlo Cignani fügte 1680 den Deckengem. von Agostino Carracci, 1601, im Pal. del Giardino in Parma Gem. mit Bacchus und Ariadne, Venus und Amor und Entführung der E. hinzu (dazu einige kleinere Bilder: Amors Kampf mit Pan, Amor auf Adler, Amor auf Weltkugel, Apoll und Daphne; S. Vitelli Boscaroli a.a.O. [s. Sp. 402], S. 101). – Eine Reihe Gem. von Antoine Coypel (1661–1722) im Stadtmus. Lyon bildet mit Bacchus und Ariadne, Parisurteil, Entführung der E. sowie Diana und Aktäon einen (so vollständigen?) Metamorphosenzyklus (Cat. sommaire des Mus. de la Ville de Lyon, Lyon o. J., S. 55 Nr. 266–269). Als Beispiel eines Metamorphosenzyklus in der Graphik sind Montagnas Kupferstiche zu erwähnen (s. Sp. 399).

Beispiele aus dem Kunstgewerbe sind selten. Zur E.-Schale des Léonard Limousin (s. Sp. 399) gehört als Pendant eine Schale mit der Niobefabel. Die sog. Sturmhaube Kaiser Karls V. in Wien (s. Sp. 392) zeigt auf dem Kamm einen Triumphzug von Mars und Venus, auf der Glocke zwei Szenen aus der Geschichte des Äneas, Pyramus und Thisbe, die Schmiede des Vulkan, Perseus und die Medusa und die Entführung der E. Zum Fensterbehang in Hardwick Hall (s. Sp. 392) gehören möglicherweise Behänge, die den Sturz des Phaeton sowie Diana und Aktäon zeigen. Der Seidenteppich in New York (s. Sp. 392) schildert neben der Entführung der E. Diana und Aktäon, Jupiter und Semele, Salmacis und Hermaphrodit und den Tod der Thisbe. Ein Kästchen in der Schatzkammer der Residenz München, Königsberg, um 1640, weist Reliefschnitte aus Meerschaum mit Szenen aus den Metamorphosen, darunter die Entführung der E., auf (Hans Thoma, Schatzkammer der Residenz Mchn., Kat., Mchn. 1958, S. 196 Nr. 483). Eine Elfenbeinschüssel im Grünen Gewölbe Dresden, wohl 17. Jh., zeigt in der Mitte Perseus, der die Medusa enthauptet, als Reliefs des Randes weitere Szenen aus den Metamorphosen, dabei die E.-Szene (Sponsel Bd. 4, S. 152, Taf. 56).

3. Götterliebschaften

Als Götterliebschaft ist das Thema der Entführung der E. von Jupiter her zu interpretieren.

In der Hypnerotomachia (s. Sp. 382) sind die Triumphzüge der E., der Leda, der Danae und der Semele mit Holzschnitten illustriert. – Die Titelseite zu Petrarcas Rime (s. Sp. 381) zeigt außer E. Leda und den Schwan sowie Herkules mit Dejanira und Nessus zu seiten des Triumphwagens Amors. – Das Stuckrelief mit der Entführung der E. im Pal. del Te in Mantua, zwischen 1525 und 1535 nach Entw. von Giulio Romano, ist zusammen mit dem Raub der Proserpina durch Pluto, dem Raub der Amymone durch Neptun und der Hochzeit Merkurs mit der Tochter des Dryops (?) in der Sala delle Aquile, dem Schlafgemach des Hzgs. Federigo II., angeordnet (Frederick Hartt, G. R., New Haven 1958, S. 123–126, 297, Abb. 222 und 224). Im Pal. Ducale zu Mantua gab (gibt?) es in einem Raum neben Darstellungen der Leda, der Danae und der Ägina auch eine E. (E. Verheyen a.a.O. [s. Sp. 407], S. 185 Anm. 131). – Das E.-Fresko im Treppenhaus des Schlosses Weißenstein bei Pommersfelden (Abb. 27) gehört zu einem Zyklus der Liebschaften Jupiters; ihm entspricht in der zweiten Galerie des Treppenhauses ein Herkules-Zyklus (Heinr. Kreisel, Das Schloß zu P., Mchn. 1953, S. 27f.).

Die Entführung der E. kann auch negativ bewertet sein.

Auf einem Gem. von Perugino mit den Tugenden und Lastern („Triumph der Keuschheit“), 1504 für Isabella d’Este geschaffen, erscheint der E. entführende Jupiter als Feind der Keuschheit (Paris, Mus. du Louvre: Seznec [1961], S. 109; E. Verheyen a.a.O. S. 181). Die Medaillons in der Galerie des Pal. Farnese in Rom, darunter ein Raub der E., nach 1600 von Annibale Carracci, sind nach Bellori Laster und böse Wirkungen irdischer Liebe (John Rupert Martin, The Farnese Gall., Princeton, N. J. 1965, Abb. 53; vgl. dazu die Bespr. von Donald Posner, Art Bull. 48, 1966, 109–112; ferner – wohl kaum zutreffend – Emanuela Quaranta, Influenze probabili del „Politilo“ sugli affreschi dei Caracci in Pal. Farnese, Florenz 1957, S. 11).

4. Raptusdarstellungen

Unter den Raptus-Darstellungen – s. Frauenraub – ist das E.-Thema verhältnismäßig selten.

Giov. Paolo Lomazzo weist in seinem „Trattato dell’arte de la pittura“, Mailand 1584 (Neudruck Hildesheim 1968), S. 356 (sic) im Kapitel „Compositione di rapimenti“ auf die Schilderung der Gespielinnen der E. bei Achilles Tatius.

Der E.-Teppich in Berlin zeigt neben Szenen aus der E.-Fabel den Raub der Proserpina und Herkules tötet Lichas; aus dieser Thematik ist auf eine Bestimmung des Teppichs als Hochzeitsgeschenk geschlossen worden (F. Schottmüller a.a.O. [s. Sp. 383], S. 151). Einen Raptus-Zyklus bilden die vier Gem. von Mattia Preti aus der Casa Colonna mit Ganymed, Proserpina, Endymion (verschollen) und E. (Rom, Gall. Pallavicini: s. Sp. 393). Luca Giordano stellte in einem Bildpaar den Raub der E. und den Raub der Helena, 1686, zusammen (Hartford, Wadsworth Atheneum: Ferrari und Scavizzi a.a.O. [s. Sp. 404], S. 145). Ein anderer Zyklus von Luca Giordano umfaßte den Raub der Dejanira und den Raub der E., dazu eine Darstellung der Galatea (ehem. Slg. del Rosso, Florenz: ebd. S. 330). Der E.-Gruppe von Peter Wagner im Hofgarten Würzburg steht als Pendant ein Raub der Proserpina gegenüber (s. Sp. 402f.).

5. Brunnen

Die Darstellung der E.-Fabel an Brunnen beruht wohl auf der Assoziation des Wassers mit dem Meer, über das E. entführt wurde.

Der Stadtbrunnen von Friesach, 1563, stellt E. neben Poseidon, Bad der Diana und Aktäon, Amphitrite, Andromeda, bezieht aber auch (Halb-) Götterliebschaften und Frauenraub mit ein (Leda und der Schwan, Herkules und Dejanira; Hades raubt Proserpina: Thomas Zedrosser, Die Stadt Friesach in Kärnten, Klagenfurt 1953, S. 155–158). Jean Boulognes Oceanusbrunnen in den Boboligärten Florenz, 1567–75, trägt Reliefs mit dem Triumphzug Neptuns, der Geburt der Venus und der Entführung der E. (E. Dhanens a.a.O. [s. Sp. 400], S. 167ff., Abb. 79). Am Markgrafenbrunnen in Bayreuth, 1699–1705 von Elias Räntz nach Entw. von Leonh. Dientzenhofer, ist „der Fürst (= die in der Mitte aufgestellte Reiterstatue des Markgf. Christian Ernst) ... selbst der gute Quell, aus dem nach den 4 Erdteilen die Flüsse ... fließen“ (Erich Bachmann, Neues Schloß Bayreuth, Mchn. 1957, S. 32f.); die mit dem Erdteil Europa gleichgesetzte Saale wird durch die auf dem Stier reitende E. personifiziert (Abb. 25).

Die Verbindung mit dem Wasser war wohl auch der Anlaß, das E.-Relief von Pierre Étienne Monnot, 1720, in das (erweiterte) Programm des Marmorbades in der Karlsaue von Kassel aufzunehmen (Heinz Biehn, Die Karlsaue in Kassel, Mchn. und Bln. 1963, S. 8ff.).

6. Sternbildinterpretationen

Darstellungen der E. sind im Rahmen der Sternbild-Interpretationen selten.

In der Sala di Galatea der Farnesina in Rom, von Bald. Peruzzi zum Teil nach Raffael, sind Jupiter und das Sternbild „Taurus“ mit E. Teil von Agostino Chigis Horoskop (1510–11; F. Saxl a.a.O. [s. Sp. 391], Bd. 1 S. 196f., Bd. 2 Taf. 130 a). Fresken in der Sala di Mappamondo in Caprarola, 1574 von Raffaelino da Reggio, zeigen als Bilder des Zodiakus je einen Astromythus; beim Sternbild „Taurus“ ist die Entführung der E. geschildert (Leopoldo Sebastianini, Descrizzione e relazione istorica del Nobilissimo, e Real Pal. di Caprarola, Rom 1741, S. 92; vgl. auch Stud) romanzi 35, 1935, 130f.; Voss, Spätrenss., Bd. 2, S. 555 Abb. 222). – Aus den an den Säulenbasen der E.-Darstellung des Meisters PVL angebrachten Widderköpfen – der Widder ist als Tierkreiszeichen Jupiter zugeordnet – ist geschlossen worden, daß das Blatt zu einem Planetenzyklus gehören könnte (Abb. 10; [22] S. 32 mit Anm. 1).

7. Arachne-Fabel

Auch das Arachne-Thema konnte Anlaß sein, die E.-Fabel darzustellen.

So erscheint E. in einem Herm. Postumus zugeschr. Fresko, 1540–43, im Arachne-Zimmer der Stadtresidenz Landshut (Egon Verheyen, Zs. d. Dt. Ver. f. Kw. 20, 1966, 85–96, Abb. 10). – Einzelbilder des Arachne-Themas können die E.-Fabel auf dem von Arachne gewebten Teppich zeigen, so Gem. von Rubens (1637–38 für Torre de la Parada: Abb. 21; Ausst.Kat. „Le siècle de R.“, Brüssel 1965, Nr. 233) und von Velazquez („Las Hilanderas“: Diego Angulo Iñiguez, Archivio español de arte 21, 1948, 1–19, Taf. 2).

Das Fragment einer ital. Leinendecke im Mus. für K.handwerk Frankfurt a. M., M. 16. Jh., zeigt auf der Schmalseite die Liebschaften Jupiters, darunter die Entführung der E., und erscheint so ganz real als Gewebe der Arachne (Abb. 14).

8. Andere Vorkommen

Das E.-Thema erscheint, vor allem im 17. und 18. Jh., auch in anderen Zusammenstellungen.

So zeigt der Brüsseler Fortunateppich in Madrid, um 1520, E. unter den vom Glück Begünstigten (Elías Tormo Monzó und Francisco Javier Sanchez Cantón, Los tapices de la Casa del Rey N. S., Madrid 1919, S. 52f., Taf. 19; eine abkürzende Wiederholung: Abb. 11). – Luca Giordanos Entführung der E., in den Bayer. Staatsgem.slgn. München (Sp. 404), wird durch zwei Äneasbilder ergänzt.

Das Gem. von Charles de la Fosse in engl. Priv.bes. hat als Pendant „Venus findet den schlafenden Mars“ (um 1689–92: Margret Stuffmann, Gaz. des B.-A. 106 [64], 1964, 105 Nr. 38 a und 38). – Venus und Vulkan ist das Gegenstück zu einem Gem. von Jean-Bapt. Marie Pierre (1713–89) mit der Entführung der E. (Hermannstadt, Bruckenthalisches Mus.: Führer durch die Gem.gal., hrsg. v. E. Csaki, Hermannstadt 19096, S. 276 Nr. 893).

Eine vor allem im 18. Jh. anzutreffende Zusammenordnung ist die mit dem Bacchusknaben. Das Pendant zum Raub der E. von Amigoni in den Slgn. des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin ist die Geburt des Bacchusknaben (s. Sp. 402). Zur Entführung der E. von François Boucher in der Wallace Coll. London gehört das Bild „Merkur bringt den Bacchusknaben zu den Nymphen“ (H. Voss a.a.O. [s. Sp. 402], Abb. 52, 54).

Das Gegenstück zum E.-Gem. des Joh. Conrad Seekatz in Privatbesitz ist Pan und Syrinx (Abb. 28; Ausst.Kat. „German Art 1400–1800“, Manchester, Art Gall., 1961, Nr. 220 und 226).

9. Erdteil

Für Darstellungen des Erdteils Europa wurde des öfteren die mythologische Gestalt der E. – meist nach Typ a – gewählt.

Auf einem Titelblatt London 1577 ist der Stier mit E. dargestellt, der neben einem von Königin Elisabeth von England gesteuerten Schiff mit Namen ΕΥΡΩΠΗ schwimmt (Francis A. Yates, Warburg Journ. 10, 1947, 47f., Taf. 16 c). Als Allegorie des Erdteils reitet E. auf dem Stier, das Wappen der in der Liga von Cambrai zusammengeschlossenen Mächte in der Hand, gegen Venezia mit dem Markuslöwen: Gem. von Palma il Giovane in der Sala dei Pregadi des Pal. Ducale in Venedig, um 1585–95 (Foto Alinari, Florenz, 2° 13574). Der Stier als Attribut der auf ihm reitenden E. als Erdteilallegorie ist verwendet von C. Visscher für einen Stich seiner Erdteilfolge vom A. 17. Jh. (RDK V 1130, Abb. 16). Joh. Rud. Byss griff 1717 im Gewölbefresko des Treppenhauses von Schloß Weißenstein bei Pommersfelden auf die rationalistische Deutung des E.-Mythus zurück: das Schiff hinter der sitzenden Erdteilallegorie trägt einen Stierkopf (RDK V 1155f., Abb. 29). Giov. Bau. Tiepolo stellte im Treppenhaus der Residenz Würzburg, 1753, den Erdteil Europa durch die auf dem Stier thronende E. dar (Max H. von Freeden und Carl Lamb, Das Meisterwerk des G. B. T., Die Fresken der Würzburger Residenz, Mchn. 1956, Taf. 117; ähnlich die Erdteilallegorie auf einem Teppich in Wien, M. 18. Jh.: RDK V 1165f., Abb. 36).

Zu den Abbildungen

1. Paris, Arsenal-Bibl., ms. 5069 (Ovide moralisé), fol. 27, Meerfahrt der E. Frankreich (Paris ?), 2. V. 14. Jh. Fot. Bibl. Nat., Paris.

2. Lyon, Bibl. munic., ms. 742 (Ovide moralisé), fol. 40, Entführung der E. Frankreich, 2. H. 14. Jh. Nach [18], S. 274 Abb. 58.

3 a und b. Gotha, L.Bibl., Membr. I. 98 (Ovidius moralizatus), fol. 16v und 17, Gespielinnen der E. am Brunnen, E. bekränzt den Stier (a); E. setzt sich auf den Stier, Meerfahrt der E., E. und Jupiter auf Kreta (b). Oberitalien, 2. H. 14. Jh. Fot. Bibl.

4. Unbek. Priv.bes., Entführung der E. Gem. auf Holz, 35 × 42 cm, von einem Cassone. Siena, um 1440. Fot. Kh. Inst. Univ. Bonn.

5. Dresden, Sächs. L.Bibl., ms. F 171 b (Boccaccio, De claris mulieribus), fol. 15v, E. und der Stier auf einem Schiff. 4,5 × 4 cm. Frankreich, 2. H. 15. Jh. Fot. Bibl.

6. London, Brit. Mus., Ms. Royal 17 E. IV. (franz. Übersetzung von Ovids Metamorphosen), fol. 40v, Jupiter und E. 10,5 × 8,4 cm. Flämisch, um 1470–80. Fot. Bibl.

7. Monogrammist ía (Ausf.), E.-Fabel. Holzschnitt-Ill. (9,1 × 14,5 cm) zur ital. Metamorphosen-Übersetzung Venedig (Zoane Rosso) 1497, Bl. c 3v. Fot. Sansoni, Florenz.

8 a–c. Holzschnitt-Ill. (a: 8,6 × 12,8 cm; b: 7,2 × 12,4 cm; c: 10,2 × 13 cm) in Franc. Colonna, Hypnerotomachia Poliphili, Venedig (Aldus Manutius) 1499, Bl. k 4 und k 5v: Gesamtansicht (c), Seitenansicht (a) und Seitenwange (b) des Wagens vom Triumph der E. Nach G. Pozzi und L. A. Ciapponi a.a.O. [s. Sp. 375], S. 151 und 154.

9. Berlin, Stiftung preuß. Kulturbes., Staatl. Mus., Skulpturenabt., Inv.Nr. 1131, Plakette mit Entführung der E. Bronze, Dm. 5,4 cm. Oberitalien (?), A. 16 Jh. (?). Fot. Mus.

10. Monogrammist PVL, E.-Fabel. Federzchg., 35,5 × 24,7 cm. Dt. oder niederländ., um 1520. Leipzig, Mus. der bild. Künste, Inv.Nr. NJ. 385. Fot. Mus.

11. Nürnberg, Germ. Nat.Mus., Wirkteppich mit Wappen Ottheinrichs von der Pfalz, Apollo, Aeolus, Schiff des Äneas, Cäsar im Boot, Romulus und Remus, Melantho, E. mit dem Stier, Arion. 3,78 × 1,78 m. Brüssel (?), um 1530 (?). Fot. Mus.

12. Monogrammist IK, Entführung der E. Holzschnitt-Ill. (7,7 × 14,3 cm) in Boccaccio, De claris mulieribus, Bern (Mathias Apiarius) 1539, Bl. 7. Nach dem Orig.

13. München, Bayer. Nat.Mus., Inv.Nr. R 6956, E. auf dem Stier. Marmor, 41 × 43 cm. Oberitalien (?), 1. H. 16. Jh. Fot. Mus.

14. Frankfurt a. M., Mus. für K.handwerk, Inv.Nr. St. 115, Fragment einer Leinendecke mit den Liebschaften Jupiters. 61 × 91 cm (Ausschnitt; Gesamtabb.: Schütte–Müller-Christensen, Abb. 331). Italien (Venedig ?), M. 16. Jh. Fot. Mus.

15. Bernard Salomon, Holzschnitt-Ill. (4,2 × 5 cm) zur E.-Fabel der Metamorphosen-Ausg. Lyon 1557. Fot. H. R. Hanke, Bonn.

16. Holzschnitt-Ill. (5,2 × 7,1 cm) zur E.-Fabel der Metamorphosen-Ausg. Leipzig (Steinmann) 1582, S. 118. Nach dem Orig.

17. Paolo Veronese, Entführung der E. Gem. auf Lwd., 2,40 × 3,03 m. Venedig, Pal. Ducale. Um 1580. Fot. Hanfstaengl, Mchn.

18. Caspar Fraisinger, Entführung der E. Federzchg. auf blauem Papier mit Weißhöhungen, 20,5 × 32,1 cm. Signiert, dat. (15)96. Bln., Stiftung preuß. Kulturbes., Staatl. Mus., Kk., Inv.Nr. 7151. Fot. Mus.

19. Matth. Merian, Kupferstich-Ill. (13,6 × 8,7 cm) zum 2. Buch der Metamorphosen-Ausg. Frankfurt 1619, nach S. 28. Fot. Rijksmus., Amsterdam.

20. Joh. König, Entführung der E. Guasch auf Pergament (auf Kupfer aufgezogen), 23,5 × 35 cm. Signiert, dat. 1621 (oder 1624). Moskau, Staatl. A. S. Puschkin-Mus. der bild. Künste. Fot. Mus.

21. Peter Paul Rubens, Bestrafung der Arachne durch Athena. Entw. für Gem., Holz, 26,5 × 39 cm. Richmond, Virginia Mus. of Fine Arts, Inv.Nr. 58–18. 1627–38. Fot. Mus.

22. Joh. Wilh. Baur, Radierung (14,5 × 20,3 cm) zur E.-Fabel der Metamorphosen, Wien 1641. Entw. 1639. Fot. Staatl. Graph. Slg., Mchn.

23. Dresden, Grünes Gewölbe, Inv.Nr. IX. 45, E. auf dem Stier. Bronze, 25,5 cm h. Frankreich, Ende 17. Jh. Fot. Mus.

24. Pietro Santo Bartoli, Details einer Stuckdecke im Goldenen Haus des Nero in Rom mit Wiedergabe einer E. auf dem Stier. Federzchg. (Vorzchg. für einen Stich?). Windsor Castle, Kgl.Bibl., (Sammelband) 175 (A 22), fol. 19v. Nach F. Weege, Jb. des kaiserl. dt. arch. Inst. 28, 1913, 211 Abb. 60.

25. Elias Räntz (nach Entw. von Leonh. Dientzenhofer), E. auf dem Stier. Detail vom Markgrafenbrunnen Bayreuth (Gesamtabb.: RDK III 1277f., Abb. 9). Sandstein, Maße unbekannt. 1699–1705. Fot. Heinz R. Hanke, Bonn.

26. Monogrammist SGS, E. und der Stier am Strand. Feder- und Kreidezchg., z.T. laviert, 13,8 × 18,3 cm. Kopie nach Chr. Engelhardts Kupferstich zur Metamorphosen-Ausg. Nürnberg 1698. Dat. 1708. Mchn., Staatl. Graph. Slg., Inv.Nr. 8996. Fot. Slg.

27. Joh. Jakob Gebhard, E. auf dem Stier. Deckenfresko in der unteren Galerie des Treppenhauses von Schloß Weißenstein bei Pommersfelden. 1714ff. Fot. H. R. Hanke, Bonn.

28. Joh. Conrad Seekatz (1719–68), E. thront auf dem Stier. Gem. auf Lwd., ca. 37 × 50 cm. Privat.bes. Fot. Art Gall. Manchester.

29. Christian Benjamin Rauschner, Entführung der E. Wachsrelief, mit Originalrahmen 38,5 × 30,5 cm. Frankfurt a.M., Mus. für K.handwerk, Inv.Nr. 12 717. Signiert, 1767 dat. Fot. Mus.

30. Braunschweig, Städt. Mus., Tischplatte mit E. auf dem Stier und Wappen von Brüning. Papiermaché, farbig bemalt, 62 × 87 cm. Braunschweig, Stobwassersche Manufaktur, um 1770. Fot. Mus.

31. Benjamin West, Venus tröstet E. Gem. auf Lwd., ca. 72 × 92 cm. Raleigh, North Carolina Mus. of Art. Signiert und dat. 1770. Nach Ausst.Kat. „Man, glory, jest and riddle“, San Francisco 1964/65, Nr. 229.

32. (Daniel Nikolaus?) Chodowiecki (Entw.) und (Christian Gottlieb ?) Geyser (Ausf.), Titelblatt zu Joh. Kaspar Manso, Bion und Moschus, Gotha 1784. Radierung, Dm. 6,5 cm. Nach dem Original.

33. Karl Blechen, Entführung der E. Sepiazchg. auf hellbraunem Papier mit Weißhöhung, 12,7 × 19,2 cm. Bln., Staatl. Mus., Nat.Gal., Inv.Nr. N.G. 496. Um 1810. Fot. Mus.

34. Linz, Stadtmus., Entführung der E. Karte eines Spiels mit franz. Farben („Szenen aus der Literatur“) mit Bild zu G. A. Bürger, Prinzessin E. (1771–76). 9,1 × 5,4 cm. Wien (Max Uffenheim) 1834. Fot. D. Hoffmann, Bielefeld.

35. Bonaventura Genelli, Triumph der E. Gem. auf Lwd. 1,06 × 3,15 m. Mchn., Bayer. Staatsgem.slgn., Inv.Nr. 11 547. Signiert, 1857–59. Fot. Mus.

Literatur

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Benutzt wurden Vorarbeiten von Volker Plagemann, Aachen (Kap. II), und die Materialsammlung von Heinz R. Hanke †, Bonn (Kap. III).

Verweise