Erdpech
englisch: Bitumen; französisch: Bitume; italienisch: Asfalto.
Richard Baumann (1965)
RDK V, 1105–1107
I. Begriff, Namen und Eigenschaften
Das E. ist ein natürliches oder künstliches Gemisch von Verdunstungsresten des Erdöls und porösem Gestein. Je nach dem Fundort sind seine Eigenschaften etwas verschieden. Es ist schwarz oder schwarzbraun, stark glänzend, undurchsichtig und bricht muschelförmig; sein Härtegrad ist 2, in erwärmtem Zustand ist es knetbar. Die bekanntesten heutigen Vorkommen liegen in Pitch Lake (Pechsee) auf Trinidad, in Venezuela, auf Kuba und im Vorderen Orient; von dorther kam das E. in historischer Zeit zumeist, doch gab es auch Fundstätten in Italien und Norddeutschland [1; 2].
Das E. wird heute allgemein mit seinem urspr. Namen Asphalt (von griech. ἄσϕαλτος) genannt, der lat. Name war bitumen. Seltenere Bezeichnungen sind Erdharz, Bergpech und – im Volksmund – Judenpech wegen seiner Herkunft aus Palästina.
II. Verwendung
Schon im Altertum waren die reichen oberirdischen Vorkommen des E. im Zweistromland und vor allem am Toten Meer bekannt. Das E. wurde, wie auch heute noch, von den Ägyptern, Babyloniern und Assyrern in der Baukunst zum Abdichten und Isolieren verwendet, da es ziemlich widerstandsfähig gegen chemische Einflüsse ist. Der größte Teil des gefundenen E. wurde jedoch in Ägypten zum Einbalsamieren der Leichen benutzt.
Bereits im 10. Jh. v. Chr. war das E. unter den Namen mum und mom bekannt. Besonders kostbares E. von bestimmten Bergen in Persien hatte die Bezeichnung mumjaj; dieses Wort wurde schließlich auf die mit E. behandelten Leichen übertragen. – Daneben verwendete man schon im Altertum das E. zu Heilkuren, wie heute noch zahlreiche aus bituminösem Schiefer u. a. Mineralien gewonnene Produkte (Ichthyol, Thalassol) in der Medizin gebraucht werden. Das Wissen um die Heilwirkung des E. war mit anderen medizinisch-pharmazeutischen Erkenntnissen über die Griechen und Römer westwärts gewandert. E.-Dämpfe dienten in der Antike und in der ma. Volksmedizin als Mittel zur Vertreibung böser Geister und zur Heilung Besessener. Im griechischen Kult war E. neben Schwefel ein beliebtes Reinigungsmittel. Doch noch während des ganzen MA galt das E. im Abendland als ein begehrter – und schwer zu beschaffender – Stoff.
Im Mittelalter kam das E. vorwiegend durch Pilger in das Abendland. Es war üblich, daß Pilger von dem aufgesuchten Ort Besonderheiten mitbrachten; bei den Pilgern, die aus dem Heiligen Land kamen, war bald neben die üblichen Pilgerzeichen (s. a. RDK I 658 und III 1359–61) die Pilgermuschel getreten, die mit E. gefüllt und später auch aus E. gearbeitet war (Abb. 1). Die Bearbeitung war verhältnismäßig leicht, weil E. sich sowohl, nach Eintauchen in heißes Wasser, kneten als auch mit dem Schnitzmesser bearbeiten läßt. Auch zur Nachbildung berühmter *Gnadenbilder wurde E. in ma. wie in nach-ma. Zeit verwendet (Abb. 2).
In der Neuzeit war die Brauchbarkeit des E. für die Baukunst und den Straßenbau bekannt. L. B. Alberti erwähnt es mehrfach, besonders empfiehlt er es als Rostschutzmittel für die Dübel im Quadermauerwerk (Buch III Kap. 11; ed. Max Theuer, Wien u. Lpz. 1912, S. 148). Außerdem fand E. als Schutzanstrich für unter Erdniveau liegende Mauerteile, für Estriche u. dgl. Verwendung [3; 5]. Es diente ferner zur Bereitung des europäischen schwarzen *Lacks (Bruno Bucher, Reallex. d. Kgw., Wien 1884, S. 15).
Im 19. Jh. benutzte man E. in der Asphaltmalerei (s. Maltechnik). Die aus E. hergestellte braune Farbe wurde u. a. zum Lasieren verwendet; wegen des starken Nachdunkeins der Farbe hat sich diese Technik nicht bewährt und verschwand bald wieder. Ein weiteres Anwendungsgebiet des E. ist die Asphaltsteinzeichnung (s. RDK I 1146f.).
Zu den Abbildungen
1. Pilgerzeichen aus Erdpech. Nürnberg, G.N.M., Inv.Nr. 285, 286 u. 831. 15.–17. Jh. Fot. Mus.
2. Pilgerandenken, Kopie des Gnadenbildes in N. D. de Foy bei Dinant. Erdpech, 17,4 cm h.; aus zwei einzeln gegossenen Hälften zusammengefügt. Hamburg, Mus. f. K. u. Gew., Inv.Nr. 1923.13. 17. Jh. Fot. Mus. (Nr. 4153).
Literatur
Zu I: 1. Jul. Marcusson, Die natürlichen und künstlichen Asphalte. Ihre Gewinnung, Verwendung, Zusammensetzung und Untersuchung, Lpz. 19312. – 2. Herbert Abraham, Asphalte und verwandte Stoffe. Dt. Bearb. Ernst Brühl, Halle a. d. S. 1939.
Zu II: 3. Oscar Mothes, Ill. Bau-Lexikon Bd. 1, Lpz. 18814, S. 164–69. – 4. Adolph Franz, Die kirchlichen Benediktionen im MA, Freiburg i. Br. 1909, Bd. 2. – 5. Lex. d. Baukunst 1, S. 193–96. – 6. Otto Martin, Der dt. Naturasphalt und seine Verwendung im Bauwesen, Bln. 1940.
Siehe auch Gagat
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Baumann, Richard , Erdpech, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V (1965), Sp. 1105–1107; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88792> [04.04.2022]
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