Erdbeere

Aus RDK Labor
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englisch: Strawberry; französisch: Fraise; italienisch: Fragola.


Karl-August Wirth (1964)

RDK V, 984–993


RDK V, 985, Abb. 1. Montecassino, 9. Jh.
RDK V, 987, Abb. 2. Paris, 4. V. 15. Jh.
RDK V, 987, Abb. 3. Paris, A. 16. Jh.
RDK V, 989, Abb. 4. Matth. Merian d. Ä., 1619.
RDK V, 989, Abb. 5. Nürnberg 1687.

In der bildenden Kunst ist die E. – zumeist die Fragaria vesca – als in der Wildnis wachsendes Kraut, als Heilpflanze und als Gartenpflanze dargestellt worden; an diese Arten des Vorkommens und der Verwendung knüpfen die wenigen allegorischen Deutungen der E. an. Die meisten E.-Darstellungen, im besonderen die vielen in der Buchmalerei des ausgehenden MA, sind dekoratives Schmuckwerk (Abb. 2 und 3).

Erst seit dem späten MA verpflanzte man E. in Gärten; die Züchtung von E. wurde im 18. Jh. vornehmlich in England gefördert (Diderot, Encyclopédie Bd. 6, Paris 1757, S. 276ff.) und dort gelang auch die Zucht der ‚ersten modernen E.‘ (1826; vgl. Miles Hadfield, Gardening in Britain, London 1960, S. 284, Taf. 22).

I. Die E. als Heilpflanze, deren Darstellung b. z. Ende des MA

Als Heilpflanze war die E. schon der Antike bekannt (Plinius, Nat.hist. 15, 98: ed. Carolus Mayhoff Bd. 2, Lpz. 1875, S. 412; dagegen Heinr. Marzell, Unsere Heilpflanzen, ihre Gesch. und ihre Stellung in der Volkskde., Mchn. 1922, S. 65ff.). Für die volkstümliche Heilpraxis des MA und die frühesten E.-Darstellungen wurde die Berücksichtigung der E. in des Apuleius Barbarus pharmazeutischem Volksbuch „De herbarum medicaminibus“ bedeutsam: die in der Tradition dieses Werkes stehenden ma. Werke erwähnen die E. ziemlich regelmäßig; hingegen kommt sie bei Dioskurides und der an ihn anschließenden Literatur des MA nicht vor (s. Kräuterbuch; Claus Nissen, Die botanische Buchillustration, ihre Gesch. und Bibliographie, Stg. 1951, S. 17ff.). So ist die E. in der pharmazeutischen Literatur des MA nur gelegentlich genannt (z. B. Hildegard von Bingen, Physica I, 170: Migne, P. L. 197, Sp. 1194; Th. Bossert u. Willy F. Storck, Das ma. Hausbuch, Lpz. 1912, S. XII u. XXI), noch seltener abgebildet. Erst nachdem im Laufe der Zeit immer mehr Anwendungsmöglichkeiten der E. entdeckt wurden (vgl. die besonders umfangreichen Verzeichnisse bei Helmhard von Hohberg, Georgica curiosa, Nürnberg 1687, Bd. 1 S. 666f., Abb. 5, und Zedler Bd. 8 [1734], Sp. 1527–30), rechnete man die E. im 18. Jh. zu denjenigen „gemeinen heimischen Kräutern, so ... von den Apothekern und Kräuter-Weiber selbsten gesamlet, auch in allen Kräuter-Büchern abgemahlet und beschrieben werden“ (Mich. Bernh. Valentini, Museum museorum, Ffm. 1704, Bd. 1 S. 245). Über allegorische Deutung der E. auf Grund ihrer Verwendung als Heilpflanze s. unten II. C.

Die E. -Darstellungen in den Herbarien des frühen und hohen MA bieten ein bis zur Unkenntlichkeit stilisiertes Bild der Pflanze (Abb. 1). Erst im Verlauf des 14. Jh. kamen exaktere Abbildungen auf (auch außerhalb von Herbarien, z. B. in der Bauplastik und Tafelmalerei), doch blieben auch fortan daneben die älteren E.-Bilder in Gebrauch: im ersten gedruckten Kräuterbuch (Rom 1481) wurde die E. nach einer karolingischen Vorlage (Abb. 1) wiedergegeben (F. W. T. Hunger, The Herbal of Pseudo-Apuleius from the 9th-Cent. Ms. in the Abbey of Monte Cassino [Cod. Cassinensis 97] together with the First Printed Edition of Joh. Phil. de Lignamine [Roma 1481], Leiden 1935, Taf. 41). In Deutschland sind naturgetreue E.-Darstellungen in der Tafelmalerei (Grabower Altar des Meisters Bertram: [4] Taf. 7) und im Dekor illuminierter Hss. früher als in Herbarien zur Regel geworden (für diese vgl. das 1479 datierte Kräuterbuch des Vitus Auslasser in der Bayer. Staatsbibl. München, cod. lat. 5905; zur Hs.: [4] S. 85ff.). Während im ersten deutschen Kräuterbuch, dem 1484 bei Peter Schöffer in Mainz erschienenen „Herbarius“, die E. noch in starker Stilisierung wiedergegeben ist (Schramm, Frühdrucke Bd. 14, Abb. 101), hielt mit dem E.-Holzschnitt im ebenda 1485 verlegten „Gart der Gesundheyt“, Bl. 160v(ebd. Abb. 346), die exakte Reproduktion der Pflanze ihren Einzug in die Buchillustration. Die Wiedergabe der E. im Mainzer „Hortus sanitatis“ von 1491 (ebd. Bd. 15, Abb. 214) ist im Gegensinne wiederholt im „Liber de arte distillandi de Simplicibus“ des Hieronymus Brunschwig (Straßburg [Joh. Grüninger] 1500). Die zeichnerische Aufnahme einer E. nach der Natur in Baldungs Karlsruher Skizzenbuch (Bl. 40v; ed. Kurt Martin, Basel 1950, S. 64; Carl Koch, Die Zchgn. Hans Baldung Griens, Bln. 1941, Nr. 219) ist die erste erhaltene Naturstudie einer E. Im cod. icon. 34 der Münchner St.B., einem sehr umfangreichen (unveröffentlichten) Pflanzenbuch aus der M. 16. Jh., ist auf fol. 37v ein ungewöhnlich feines E.-Aquarell enthalten, dem Hinweise auf die Verwendungsmöglichkeiten von E. in der Heilkunde beigeschrieben sind.

Besonders sorgfältig sind die E.-Darstellungen in einigen französischen Stundenbüchern der Jahrzehnte um 1500, denen sehr umfangreiche Herbarien als Dekor gewissermaßen interpoliert sind; vgl. die Grandes Heures der Königin Anne de Bretagne (Paris, B. N., ms. lat. 9474; Abb. 3) und verwandte Hss. (Léopold Delisle, Les Grandes Heures de la reine Anne de Bretagne et l’atelier de Jean Bourdichon, Paris 1913, Taf. 47 u. 63; s. a. Raymond Limousin, Jean Bourdichon peintre et enlumineur, son atelier et son école, Lyon 1954).

II. Allegorie

A. Antike und ma. Literatur

In der antiken Mythologie spielt die E. keine Rolle; in der Bibel wird sie nicht, bei den Kirchenvätern nur ganz beiläufig genannt (Augustinus, Epist. 7, 6: Migne, P. L. 33, Sp. 70; danach zu berichtigen: [4] S. 19). Die sehr bescheidenen allegorischen Qualitäten der E. beruhen vornehmlich auf Erwähnungen der Pflanze in der antiken Literatur.

Wichtiger als Vergils Erwähnung (Eclogen 3, 92f.) sind Ovids Bemerkungen geworden: die ohne menschliches Zutun wachsende E. ist Speise der im Goldenen Zeitalter Lebenden (Metamorphosen 1, 104); zu den köstlichen Früchten, mit denen Polyphem die Liebe Galatheas belohnen will, gehören E. (ebd. 13, 816), die in der Wildnis wachsen, vielleicht auch als erotische Anspielung gemeint sind (vom Beerensammeln und Blumenpflücken wurde in der Antike wie im MA häufig in diesem Sinne gesprochen).

Durch Übersetzungen und moralisierende Bearbeitung der Metamorphosen Ovids waren diese Vorstellungen dem MA geläufig. Daneben bezeichnet die E. im Mittelalter aber auch Nichtiges und Geringes (vgl. die Stellennachweise für E. in den mhd. Wörterbüchern). Im E.-Lied des wilden Alexander ist das Sammeln von E. Ausdruck kindlicher Unbeschwertheit (Carl von Kraus, Dt. Liederdichter des 13. Jh., Tübingen 1952, Textbd. S. 12f., Kommentarbd., bearb. von Hugo Kuhn, S. 11: das Lied als geistliche Allegorie zu deuten).

Im späteren MA scheint sich in der Einschätzung der E. nichts geändert zu haben: die E. ist eine Gabe der Natur, Gewächs des (immerwährenden) Frühlings (der „aetas aurea“); Kinder und Liebende pflücken die Beeren. Bisweilen wurden, die herkömmlich mit E. verbundenen erotischen Vorstellungen sublimierend, die E. als Zeichen geistlicher Liebe verstanden: Heinrich Seuse berichtet im 11. Kap. seiner Selbstbiographie (H. S., Dt. Schriften, ed. Karl Bihlmeyer, Stg. 1907, S. 30ff.), ein „wolsingender knab“ sei durch das Fenster zu einem Jüngling gekommen „und bot dem jungling ein húbsches zeinli (= Körbchen), daz waz vol roter frúhten, und die waren glich roten zitigen erdbern“; er erklärt, „dis roten fruht hat dir din frúnt und din himelscher herr gesendet“, der Grund: „Ach wie hat er dich so recht liep.“

B. Darstellungen des Spät-MA u. d. 16. Jh.

Für eine ganze Reihe von E.-Darstellungen des Spätmittelalters und des 16. Jahrhunderts scheint die Absicht, erotische Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen, ausschlaggebend zu sein. Manchmal sind sie mit anderen Deutungsmöglichkeiten unlösbar verknüpft.

Das ist z. B. der Fall auf einem um 1480 von einem seeschwäbischen Maler geschaffenen Gem. im G. N. M. [4, Taf. 88f.], wo die E. auch als Maienpflanze verstanden werden kann (das Liebespaar im Grünen ist ja das bevorzugte Monatsbild des Mai; s. *Monatsbilder). Neben der erotischen Bedeutung hat die E. auf einem Bildteppich von etwa 1500 im Hist. Mus. Basel die Aufgabe, auf Wildnis und Einsamkeit hinzuweisen: in sie hat sich die ein Einhorn liebkosende Wildfrau begeben, nachdem sie – so die Beischrift – zuvor der Welt Freuden auskostete (van Marle, Iconographie Bd. 2, S. 441 Abb. 472; RDK IV 1533). Auch auf dem Bildteppich mit Darstellung von Charles d’Orléans und Maria von Cleve (als Hochzeitspaar?; Paris, Mus. des Arts Décoratifs: van Marle, Iconographie Bd. 1, S. 12 Abb. 9) hat die E., neben andere erotisch beziehungsreiche Motive gestellt, wohl nicht nur dekorative Bedeutung, zumal die E. auch sonst in Verbindung mit Schilderungen des Ehelebens vorkommt, so bei Darstellung der natürlichen Zeugung des Menschen im ms. 5206 der Pariser Bibl. de l’Arsenal, fol. 174 (Cat. des Mss. de la Bibl. de l’Arsenal Bd. 5, Paris 1889, S. 152ff.; Abb. 2). Bei den übergroßen E. in Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“ (Detailabb. bei Hans Rothe, Hier. Bosch. Garten der Lüste [= Piper-Bücherei 88], Mchn. 1955, Abb. 21 u. 22) ist die erotische Anspielung durch E.-Abbildungen so gut wie sicher (E. = venter muliebris?: D. Bax, Beschrijving en poging tot verklaring van het Tuin der Onkuisheiddrieluik van Jeroen Bosch, Verhandelingen der koninklijke Nederlandse Akad. van Wetenschappen, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks 63,2, 1956, 44f. u. ö.). Bei einer ganzen Reihe von Bildteppichen mit Schilderung von Minnethemen (z. B. Emil Major, Straßburger Bildteppiche aus gotischer Zeit, Basel 1942, Taf. 9), der Geschichte Davids und Bathsebas (ebd. Abb. 11) u. ä. Themen kommen E. an so betonter Stelle und in so auffälliger Vergrößerung vor, daß mit entsprechender Erklärung zu rechnen ist.

Diese Deutung der E. könnte auch verständlich machen, wie es zur Entstehung der 1295 im vatikanischen Schatzverzeichnis aufgeführten „xv Fragulae de auro“ kam (Du Cange Bd. 3, S. 389): sollten die goldenen E. als (Braut-?) Schmuck gefertigt worden sein? Ferner böte sie eine Erklärung für die E. als Attribut der hl. Dorothea auf einem Gem. Konrads von Soest im Westfäl. L. M. in Münster (Braun, Tracht u. Attr. Sp. 196); die Heiligenlegende liefert hierfür keine Handhabe, doch stünde Dorothea als Patronin der Neuvermählten (Dietrich Heinr. Kerler, Die Patronate der Hll., Ulm 1905, S. 21 u. 258) das E.-Attribut wohl an. Jedenfalls gehört die E. zu den auf allen mit Hochzeit irgendwie zusammenhängenden Geräten besonders beliebten „Schmuck“-Motiven (vgl. auch Marg. Braun-Ronsdorf, Waffen- und Kostümkde. 5, 1963, 10; s. a. *Hochzeitsteller, Hochzeitsschüssel usw.).

Gg. Flegel hat auf einem Gem. im Frankfurter Hist. Mus., ein Aquarell mit E.-Darstellungen aus einer Serie botanischer und zoologischer Abbildungen im Kk. Berlin (Inv.Nr. 7508) benutzend, die E. in naheliegender Bedeutung mit einem Weinglas und einer Tabakspfeife zusammen abgebildet (Wolfg. J. Müller, Der Maler G. F. und die Anfänge des Stillebens, Schriften des Hist. Mus. Ffm. 8, 1956, S. 121, Kat.Nr. 12).

Nach dem bevorzugten Platz ihres Wachstums zählt die E. zu den Pflanzen, die auf Wildnis und Einöde hinweisen. Spät-ma. Jagddarstellungen enthalten häufig Wiedergaben von E., selten jedoch so markante wie sie ein um 1490 in Straßburg geschaffener Jagdteppich im Kh. Mus. Wien zeigt (E. Major a.a.O. Abb. 12, zu einer Folge von Teppichen mit Jagd- und Minnebildern gehörig). Als Speise der in der Wildnis Lebenden finden sich E.-Darstellungen mehrfach auf Bildern von Einsiedlern; Lucas Cranach d. Ä. läßt auf dem 1504 dat. Gem. der „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ (Berlin [West], Gem.Gal.; Friedländer-Rosenberg Seite 29 Nr. 10/11) einen Engel dem Christkind eine E.-Pflanze mit Beeren reichen. Vgl. auch die themengleichen Bilder von H. Baldung Grien (Ausst.Kat. „H.B.G.“, Karlsruhe 1959, Nr. 24 u. 35) u. J. Wellens de Cock (?; Fot. Neth. Art Inst., L. no. 7758).

Eine Parallele zur Einschätzung der E. als Nahrung der Menschen im Goldenen Zeitalter ist die Darstellung der E. als Pflanze des Paradieses, deren Beeren den Stammeltern als Speise dienen. So hat Meister Bertram auf einer Tafel des Grabower Altares [4, Taf. 7] zur Illustration von 1. Mos. 1, 29 E. als exempla der Kräuter wiedergegeben (für die Deutung der E. als Dreifaltigkeitssymbol – wegen ihrer dreigeteilten Blätter angenommen – gibt es keine Belege).

Mehrfach erfolgte die Gleichsetzung von E. mit Pflanzen, die als at. Vorbilder Mariä verstanden wurden oder als fester Bestandteil der marianischen Pflanzensymbolik zu gelten haben (z. B. von L. Behling [4]); sie ist ungerechtfertigt, denn die E. wird in keiner der umfangreichen Zusammenstellungen von Pflanzenmetaphern für Maria genannt (Ad. Saher, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der dt. Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des MA, Linz 1893; nicht einmal die gängigen „Mariengärten“ des 19. Jh. erwähnen sie). Die vielen Darstellungen von E. auf spät-ma. Marienbildern (Beispiele bei [4]) können nur indirekt auf Maria bezogen werden: sie sind Gewächse im „Lustgart“ (= Paradies), der eine gebräuchliche marianische Metapher bildet (bezeichnend hierfür ist die Erwähnung der E. bei H. A. [Henry Aston?], Partheneia Sacra, o. O. Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.?, Rouen?] 1633, S. 10; s. a. [6], S. 234f., u. Praz S. 1). Vgl. im übrigen Hortus conclusus.

C. Ikonologien und Emblematik

Ikonologien und Emblembücher knüpfen an die spät-ma. Vorstellungen über die E. an und kodifizieren sie. In späteren Ausgaben von Cesare Ripas „Iconologia“ ist die E. als Attribut der Personifikationen des Goldenen Zeitalters und des Monats Mai aufgeführt (Ausg. Rom 16033, S. 136 [= Gold. Zeitalter]; Ausg. Venedig 1645, S. 396 [= Mai]).

In Emblembüchern ist die E. sehr selten erwähnt, selbst in solchen mit ausschließlich botanischen Icones (wie z. B. Camerarius) fehlt sie. Eine sehr gekünstelte emblematische Nutzanwendung pharmazeutischer Praxis enthält das 1646 abgeschlossene Werk „Der Fruchtbringenden Gesellschaft Nahmen, Vorhaben, Gemähide und Wörter“ (Abb. 4). Wie E.-Blüten und -Blätter als Hausmittel gegen Fieber dienen, soll das Bild der Pflanze den Betrachter, der in der Hitze der Untugend „weltzet sich und wuelet“, zu „solcher kuelung“ geneigt machen – wiederum ist die erotische Assoziation deutlich. – In einigen Emblembüchern findet man zum Lemma „Latet anguis in herba“ (Vergil, s. o. Sp. 986) die Darstellung einer Schlange im Gras; gelegentlich traten E. an die Stelle von Gräsern und Kräutern, so zuerst in den „Devises heroïques“ des Claude Paradin, Lyon 1551 (Praz S. 122f.; Ausg. Paris 1571, S. 76f.). Das Emblem warnt vor der Lektüre von Büchern, die durch ihre Argumente bestechen, der Seele aber schädlich sind (diese Deutung dürfte durch Isidor von Sevilla, Etymologiae 10, 154 angeregt worden sein); andere Auslegungen sehen in dem Emblem Hinweise auf die Gefahr, die von heuchlerischer Rede (Ge[o]ffrey Whitney, A Choice of Emblems, and other Devises, Leiden 1586, S. 24) und von weiblicher Schönheit (vgl. dazu [6]) ausgeht. In diesen Emblemen dient die E. als Bild für eine nur scheinbar gute Sache, die in Wahrheit jedoch eine Verderben bringende ist und deren Charakter durch die hinterhältig lauernde Schlange zum Ausdruck gebracht wird [6, S. 231]. Als Beispiel für diese Bedeutung der E. sei der bemalte Holzteller im V.A.M., Inv.Nr. 333 A–1898, um 1590, genannt: E.-Darstellungen sind von Inschriften begleitet, die vor dem Umgang mit Freudenmädchen warnen (Sprüche Salomons 5, 3 u. 29, 3; Jesus Sirach 9, 8; [6] S. 231, ebd. weitere Beispiele). – Selbst in dem „Lust- und Artzeney-Garten des Königl. Propheten Davids“ von Wolfg. Helmhard Frhr. von Hohberg (Regensburg 1675, S. 489), wo die E. als edle, gesunde und süße Frucht gepriesen wird, ist die Erinnerung an das Emblem Paradins nicht ganz verblaßt: die E. illustriert Ps. 138,7, „wann ich mitten in der angst wandele, so erquickestu mich“. – Fil. Picinelli sieht in der E. ein Bild des „Animus nobilis humili loco natus“ und fügt ein Ovid-Zitat als Lemma hinzu („Sylvestri nata sub umbra“; „Mondo simbolico“, Mailand 1653; latein. Ausg. Köln 1680, Buch 10, Kap. 18, 65, S. I, 622). In seiner Erklärung bringt er, gestützt auf Hoheslied 8, 5, das Emblem mit der „sponsa Dei“ in Zusammenhang und bezieht es auch auf Einsiedler und zurückgezogen lebende Fromme.

D. Romantik

In der Allegorie der Romantik erlangte die E. vermehrte Bedeutung. Zwar blieben Erwähnungen der E. in den Abecedarien der Blumensprache (vgl. dazu [J. D. Symansky], Selam oder die Sprache der Blumen, Bln. um 18202, S. 59–94) für die bildende Kunst bedeutungslos (Ausnahme: E. als eines der Pflanzensymbole für das Element Erde: Johanne Nathusius, Die Blumenwelt, nach ihrer dt. Namen Sinn und Deutung in Bilder geordnet, Lpz. 18692, S. 116, Taf. 22), doch schloß die Vorliebe des 19. Jh. für Pflanzenallegorien und kulturhistorische Betrachtung der Botanik die allegorische Deutung von E. in sich ein.

So wurde die E. als Sinnbild der „höchsten Güte“ gedeutet (Charlotte de Latour, La Langage des fleures, Paris 1820; verbesserte Übersetzung ins Deutsche: Bln. 1820). Henry Philipps hat diese Deutung begründet (Floral Emblems, London 1825, S. 234).

Da die literarische Überlieferung nur spärliche Anhaltspunkte für die allegorische Interpretation der E. bot, ging man dazu über, diesem Mangel durch romantische Erklärungen von E.-Darstellungen in der älteren Kunst abzuhelfen.

Frau von Genlis und der ihre „Botanique historique et litteraire“ ergänzende Übersetzer K. J. Stang (Die Botanik der Geschichte und Literatur, Bamberg und Würzburg 1813, 2. Teil S. 112f.) zählen die E. neben anderen wild wachsenden Pflanzen auf und gründen ihre Deutung allein auf E.-Darstellungen am Grabmal des 1442 gest. Juan (Sohn König Juans I. von Portugal): Juan habe die E. aus Verehrung für seinen Namenspatron, der sich in der Wüste von wilden E. ernährte, zu seinem Sinnbild erwählt (eine Abb. des Grabmals in der Cap. do Fundador des Klosters Batalha war nicht zu erreichen; über die Devise Juans fehlen nähere Angaben).

Der Beschreibung „Alt-dt. Gem. im Escurial“ durch Victor Aimé Huber (Kunst-Bl. 3, 1822, Nr. 16. S. 64) verdankt die E. ihre Deutung als Sinnbild der Eitelkeit: „In der Mitte (von Hier. Boschs „Garten der Lüste“, s. o.) wird die Eitelkeit der Welt in Gestalt einer E. dargestellt (!).“ Durch J. B. Friedreich [1] ging diese Erklärung in die Speziallitteratur ein.

Den Inhalt einer schwäbischen Marienlegende (Ernst Meier, Dt. Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stg. 1852, Bd. 1 S. 250) begrifflich zusammenfassend, bezeichnet A. von Perger die E. als Sinnbild der Verlockung und Weltlust (Dt. Pflanzensagen, Stg. u. Öhringen 1864, S. 165f.; vgl. auch Joh. Peter Hebels Gedicht „Der Knabe im Erdbeerschlag“). Von Perger übernahmen mehrere Autoren diese Interpretation der E. und nutzten sie zur Erklärung älterer E.-Darstellungen.

Auf dieselbe Legende geht auch die Einschätzung der E. als Speise der Seligen zurück [4, S. 19, 67 u. 120]; diese Deutung kleidet die Vorstellung von der E. als Paradiesespflanze in ein neues Gewand.

Wegen ihrer weißen Blüte wurde die E. als Symbol der Unschuld bezeichnet ([2] S. 270; [4] S. 19). Da hierfür keine Quellenzeugnisse vorhanden sind, wird man in der Auslegung eine willkürliche Übertragung von Vorstellungen aus der Farbsymbolik auf die Pflanzensymbolik zu sehen haben.

Zu den Abbildungen

1. Montecassino, Klosterbibl., cod. 97 (Sammelband mit medizinischen Traktaten), Ill. zu Apuleius Barbarus, „De herbarum medicaminibus“, Kap. 37. Federzchg., 11,5 × 14 cm (Ausschnitt). Italien, 9. Jh. Nach F. W. T. Hunger a.a.O. Taf. 40.

2. Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 5206 (Traktate von Jean Mansel), fol. 174, Zeugung des Menschen. Paris, 4. V. 15. Jh. Nach Henri Martin u. Phil. Lauer, Les principaux mss. à peintures de la Bibl. de l’Arsenal à Paris, Paris 1929, Taf. 76.

3. Paris, Priv.bes. (Edmond de Rothschild), Seite eines Stundenbuches. Tours, Werkstatt des Jean Bourdichon, A. 16. Jh. Nach L. Delisle a.a.O. (s. Sp. 586), Taf. 63.

4. Matth. Merian d. Ä., Emblem 28 aus „Der Fruchtbringenden Gesellschaft Nahmen, Vorhaben, Gemählde und Wörter“, Ffm. 1646. Kupferstich. Dat. 1619. Fot. Walter Glock, München.

5. Kupferstich-Ill. zu Wolfg. Helmhard von Hohberg, Georgica curiosa, Nürnberg 1687, Bd. 1 S. 667. Fot. Verf.

Literatur

1. J. B. Friedreich, Die Symbolik und Mythologie der Natur, Würzburg 1859, S. 220 § 57. – 2. E. Haig, The Floral Symbolism of the Great Masters, London 1913. – 2 a. Bächtold-Stäubli Bd. 2, Sp. 892–95 (H. Marzell). – 3. Elisabeth Wolffhardt, Beiträge zur Pflanzensymbolik, Zs. f. Kwiss. 8, 1954, 177–96. – 4. Lottlisa Behling, Die Pflanze in der ma. Tafelmalerei, Weimar 1957. – 5. Ernst u. Johanna Lehner, Folklore and Symbolism of Flowers, Plants and Trees, New York (1960), S. 126. – 6. Lawrence J. Ross, The Meaning of Strawberries in Shakespeare, Studies in the Renss. 7, 1960, 225–40.