Dusing
englisch: Dusing, low worn belt (worn by men); französisch: Dusing, ceinture basse; italienisch: Dusing, cintura portata in basso.
Paul Post (1955)
RDK IV, 635–640
I. Begriff und Benennung
Unter D. wird allgemein jene spätmittelalterliche Gürtelform verstanden, die sich durch ihre Breite und wuchtige Beschläge aus Edelmetall auszeichnet, und für die ihre tiefe Lage um die Hüften eigentümlich ist. An dieser Vorstellung wird auch hier unbedenklich festgehalten, obwohl der Name Dusing und seine Varianten (dubsing, duchsing, dupfing, duyvink, tsusinke) erst erheblich später nachweisbar sind als das Aufkommen der gekennzeichneten Gürtelform. Dies geschieht in der Erkenntnis, daß Kostümbenennungen nicht selten erst lange nach Entstehen von neuen Gebilden auftauchen und sich dabei an nebensächliche Eigentümlichkeiten des Objekts knüpfen, wie es auch beim D. der Fall zu sein scheint.
Der Name klingt nämlich nach Weiß [2] in der Stammsilbe seiner mannigfachen Abwandlungen an das mittelhochdeutsche „dus, dos, thus“ an, das Geräusch bedeutet, und spielt damit auf das Geklirr an, das der Metallgürtel mit seinen nicht seltenen Anhängseln und Glöckchen bei jeder Bewegung verursachte. Nun erging freilich bereits 1343 zu Nürnberg ein Verbot gegen das Tragen von Glocken und Schellen [2]; zu den Jahren 1370 und 1376 berichtet ferner die Göttinger Chronik von „klingenden goldenen und silbernen Gürteln“ bei festlichen Gelegenheiten [2]. Aber die einstweilen früheste Benennung der Gürtel bringt erst der folgende Vermerk der Limburger Chronik zum Jahr 1389, und zwar anscheinend als etwas Neues: „Item in diese selben geziden gingen frauwen, jungfrauwen und manne, edile und unedile mit tapperten (langen Obergewändern) und hatten die mitten gegordet, di gortel hiß man dusinge ...“ (Die Limburger Chronik des Tilman Elhen von Wolfhagen, 1. Ausg. v. Arthur Wyss, 1883; P. Post, Das Kostüm und die ritterliche Kriegstracht im deutschen MA, Berlin 1928/39, Taf. 106 d, 6).
Von da ab ist die Benennung D. in Vermächtnissen von goldenen und silbernen Gürteln innerhalb des niederdeutschen Sprachgebiets fast laufend bis 1410 anzutreffen, etwa als „voregult gordel an klocken“, „dusing mit klocken“, „jacken dusing“ [1]; fast möchte man daher vermuten, daß der Name D. niederdeutschen Ursprungs ist, wofür auch die Endsilbe zu sprechen scheint. Am Höhepunkt seiner Verwendung, um die Wende zum 15. Jh., trat mit einer gewissen Entartung anscheinend auch eine Begriffserweiterung des Namens D. ein. Eine Lübecker Chronik berichtet in dieser Zeit von einem Grafen Albrecht, der „hadde enen dusingk an seinem halse, de em wende (reichte) to den versen“ (Chronik des Lübecker Dominikaners Hermann Korner, Wien, Nat.Bibl., Papier-Hs. m 3048). Hier handelt es sich offenbar um ein schärpenartiges Gebilde. Zum letzten Mal begegnet der Name D. noch 1470 in Verbindung mit einem offenbar ganz anders gearteten silberbeschlagenen Frauengürtel, der bald darauf verboten wurde [2].
II. Ursprung, Geltungszeit, Gestalt und Ausstattung
Ursprung, Geltungszeit, Gestaltung. Die frühesten Daten für das Aufkommen des D. liefern wie so oft literarische Zeugnisse. So erfahren wir zum ersten Mal vom Tieferverlegen eines freilich noch schmalen Gürtels, der außerdem wahrscheinlich, wie damals noch allgemein, unter dem Obergewand liegt, aus der Chronik eines Anonymus Leeb zum Jahr 1322: „Auch die Gürtel änderten sie, denn sie trugen ein Band von ganz schmalen Riemen und sehr tief, nämlich über dem Hosengurt (super bracile)“ (Alw. Schultz, Dt. Leben im 14. u. 15. Jh., Wien 1892, S. 204f.). Das Tragen von aufwendigen, metallenen Gürteln, also regulären D., rügt 1337 die Kölner Synode wie folgt: „Einige ... gürten sich überdies mit mannigfach verzierten Gürteln aus Gold und Silber, an die sie kostbare Taschen oder Beutel hängen und ähnlich verzierte Stoßmesser, ...“ (Ebd.). Ist in diesen beiden frühen Fällen vom männlichen Zivilgewand die Rede, so nimmt der D. doch wahrscheinlich seinen Ausgang von der Kriegstracht, und zwar als Element des in der 1. H. 14. Jh. sich entwickelnden neuen Harnischsystems aus Platten. Als Rumpfpanzerung bildete sich eine bis zur Hüfte reichende plattengefütterte Jacke heraus, an deren unterem Saum der D. als integrierender Bestandteil kraft seiner Lage und seines Gewichts die ganze Panzerung beschwert und am Körper festhält. Am ausgereiften Plattenrock in der 2. H. 14. Jh. ist diese Funktion augenscheinlich, aber bereits am Standbild des Kurfürsten von der Pfalz in Mainz, um 1318 (s. Sp. 115, Abb. 3), bereitet sich die Tiefenlage des allerdings noch schmalen Gurts vor. Auch nachdem der D. mit dem Ausreifen des Plattenharnisches und mit der Einführung des Harnischschurzes am Ende 14. Jh. seine eigentliche Funktion eingebüßt hat, wird er aus Tradition bis ins 1. Jahrzehnt des 15. Jh. beibehalten. Am ritterlichen D. pflegt (lets der Dolch zu hängen, oftmals auch das Schwert.
Der D., von Haus aus dem Ritterstand vorbehalten und vom Adel auch im Zivilgewand getragen, „bürgert“ sich, wie der zitierte Erlaß der Kölner Synode von 1337 bekundet, schon frühzeitig allgemein ein, zunächst vermutlich auf den höheren Bürgerstand beschränkt (Abb. 1); doch in der Zeit seiner üppigsten Entfaltung E. 14. Jh. scheint es da laut angeführtem Bericht aus der Limburger Chronik von 1389 keine Schranken mehr zu geben; sein Gebrauch wird jetzt auch auf die weibliche Kleidung ausgedehnt. Seine Herrschaft überschreitet unerschüttert die Jahrhundertwende (Abb. 2 u. 3), und noch 1417 wird vom Gefolge eines sächsischen Herzogs auf dem Konstanzer Konzil berichtet, daß es „magnis balteis argenteis cum campanellis“ paradierte, „genannt die Staatsgürtel“ [1].
Die einstweilen letzte nachweisliche bildliche Darstellung liefert der Grabstein des Claus Hofmair mit dem Todesdatum 1427 (P. Post, a. a. O., Taf. 106f., 11). Am Zivilgewand trägt der D. Geldtasche, Besteck und wohl auch den Dolch, gern vorn in die Mitte gerückt (Abb. 1).
Von der künstlerischen Gestaltung des D. geben die bildlichen Darstellungen mangels erhaltener Exemplare nur eine schwache Vorstellung. Denn die Gürtelbeschläge vom Coesfelder Dolch, um 1330 (s. Sp. 116, Abb. 4/5), bilden ja erst den bescheidenen Auftakt. Einen besseren Begriff von der Feinheit der Goldschmiedearbeit lieferte vielleicht der gleichfalls frühe Dolchgurt des Tuszlafundes im ehem. Berliner Zeughaus (P. Post, Ein ma. Wehrgehänge im Zeughaus, Berliner Museen 45, 1924, 35ff.). Die schweren Glieder des D. (Abb. 1) boten ja noch weit mehr Gelegenheit zu künstlerischer Gestaltung; so scheint beispielsweise am Wildunger Altar (Abb. 3) der Gürtelbeschlag als Mauerkranz gebildet zu sein.
Das Nationalmuseum in Kopenhagen bewahrt Gürtelfragmente mit kreisrunden Schnallen, rosettenförmigen, durchlochten Beschlägen und Schellen, alles von vergoldetem Kupfer; sie stammen aus einem im Hafen von Køge auf Seeland gesunkenen Schiff und mögen zu einer Lieferung von D. gehört haben. Poul Nørlund erwähnt den Fund kurz in seiner Geschichte der Kleidertrachten im Altertum und MA und datiert ihn ins 15. Jh. (Nordisk Kultur 15, Stockholm 1941).
Zu den Abbildungen
1. Ulm, Münster, Stifterbild des Bürgermeisters Kraft vom Grundsteinlegungsrelief. 1377. Fot. August Raichle, Ulm.
2. München, B.N.M., MA 1155, hl. Georg. Lindenholz, 134 cm h. Südostdeutsch, um 1400. Fot. Mus.
3. Konrad von Soest, Anbetung der Könige. Tafel des Altars in der Wildunger Stadtpfarrkirche. 1403/04. Fot. Marburg 131 912.
Literatur
1. Dreyer, Anmerkungen von der in hiesigen Gegenden üblich gewesenen Dusinge-Tracht, Hannöversches Magazin 26, 1789, S. 1281. – 2. Hermann Weiß, Kostümkunde, I. Abt., Stg. 1872.
Verweise
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