Dornenkrönung Christi
englisch: Coronation with thorns; französisch: Couronnement d'épines; italienisch: Coronamento di spine, incoronazione di spine.
Elisabeth von Witzleben (1955)
RDK IV, 315–326
I. Schriftquellen, Abgrenzung
Die Evangelisten Matthäus (27, 27–30) und Markus (15, 16–19) berichten, daß Christus nach seiner Verurteilung zum Kreuzestod ins Richthaus des Landpflegers geführt, mit einem Purpurgewand bekleidet, mit einer Dornenkrone gekrönt, geschlagen und verhöhnt wurde; Johannes (19, 1–3) verlegt die D. vor die Schaustellung und Verurteilung Christi und läßt sie der Geißelung unmittelbar folgen. Die unterschiedliche Aussage der Schriftquellen ist für alleinstehende Darstellungen der D. ohne Bedeutung. Sie wirkte sich auf die bildende Kunst lediglich bei zyklischen Schilderungen der Passion Christi und bei solchen Werken aus, bei denen die verschiedenen Ereignisse der Verspottung Christi nicht scharf voneinander getrennt sind.
Unter D. wird im folgenden allein die Schilderung des Vorganges der D. Christi verstanden; Darstellungen des vom Volke verspotteten Christus bleiben, auch wenn dieser die Dornenkrone trägt, unberücksichtigt.
II. Frühchristliche Zeit und Hoch-MA
Solange die hellenistische Überlieferung lebendig war, erschien die schimpfliche Mißhandlung eines göttlichen Wesens unbegreiflich und der frühchristlichen Kunst nur in Ausnahmefällen darstellungswürdig, so z. B. in einem Sarkophagrelief des 4. Jh. in Rom, Lateranmus. Nr. 171 (Wilpert, Sarcofagi, S. 320, Taf. 146).
Das Relief schildert die D. in der knappsten Form, die möglich ist: ein Soldat tritt auf den frontal in Gewandung und Gebärde eines Philosophen dargestellten Christus zu und setzt ihm die als Kranz gebildete Dornenkrone aufs Haupt. Jeder weitere Hinweis auf Verspottung oder gar physisches Leiden fehlt. – Die Deutung eines Wandgemäldes der Praetextatkatakombe als D. (Wilpert, Katakomben I, Taf. 18) ist oftmals bestritten worden [1, S. 176 Anm. 235].
Seit ottonischer Zeit wurden Darstellungen der D. häufiger, ohne jedoch bis zum Ende des Hoch-MA einen festen Platz innerhalb der Passionszyklen gewinnen zu können. Byzanz und Italien verhielten sich weiterhin ablehnend: es kam lediglich zu einigen Darstellungen der Verspottung Christi, bei denen dieser mit einer Dornenkrone gekrönt ist. Eine Ausnahme macht die Szene eines gemalten Kreuzes im Mus. Nazionale in Pisa (Nr. 15), wo dem frontal zwischen zwei Figurengruppen stehenden Christus eine wie ein Korb aus Weidengeflecht anmutende Dornenkrone aufgesetzt wird (Sandberg-Vavalà, S. 244, Abb. 208). Für die Darstellungen der Verhöhnung Christi, die bisweilen auf dem Weg zur Kreuzigungsstätte geschildert ist, s. Verspottung Christi und Kreuztragung.
Die Ausbildung fester Typen blieb der nordischen Kunst vorbehalten. Von Anfang an sind zwei Typen zu unterscheiden: eine bis etwa 1300 häufiger anzutreffende Bildform zeigt Christus aufrecht stehend in vorwiegend frontaler Haltung; ihm wird die Dornenkrone von einem oder mehreren Schergen aufgesetzt, während andere ihn schmähen (A). Erst nach 1300 häufiger, dann aber regelmäßig, ist der zweite Typus (B), bei dem Christus auf einer Bank oder einem Thron sitzt; die Dornenkrone wird mit Hilfe von Stäben in die Stirne Christi gepreßt. Wie bei dem ersten Typus können auch beim zweiten Verspottende hinzukommen.
A) Das älteste derzeit bekannte ma. Beispiel dieses Typus’ befindet sich im Echternacher Codex aureus im G.N.M. (ehem. Gotha) und stammt aus dem 3. Jz. 11. Jh. (Abb. 1). Christus wird auf dem Weg nach Golgatha von einem Mann, der sich aus der Schar der ihn begleitenden Juden herauslöst, die Dornenkrone aufs Haupt gesetzt. Für diese Darstellung hatte der Miniator offenbar keine Vorlagen: die Komposition ist durch freie Ableitung aus Bildern des Egbertkodex entstanden (Alb. Boeckler, Das Goldene Evangelienbuch Heinrichs III., Bln. 1933, S. 54), die thematische Abwandlung zur D. wohl eine eigene Erfindung des Meisters. Im ebenfalls Echternacher Evangeliar Kaiser Heinrichs III. im Escorial (Ebd. Abb. 91) ist Christus in die Mitte einer symmetrischen Komposition gestellt, die sich vor einer Säulenhalle entfaltet; von beiden Seiten tritt je ein Mann auf Christus zu, um ihm die Dornenkrone aufzusetzen. Diese drei Figuren (zu denen im Escurialensis sich weitere hinzugesellen) bilden fortan den Kern der Darstellung, vgl. etwa Fulda Ms. Aa 35, fol. 81, 11. Jh. (Abb. 2), oder London, B. M., Add. ms. 17687, Würzburg (?) um 1240 [2, Abb. 929]. Gelegentlich, wie z. B. im Gebetbuch der hl. Hildegard von Bingen, † 1179 (München, St.B., Clm. 935: Max Hauttmann, Die K. des frühen MA, Bln. 1929, Abb. S. 661), finden sich im Vordergrund der Darstellungen zwei Christus durch ihre Anbetung verspottende Gestalten, deren Haltung (Proskynese) auf eine Übernahme aus östlichen Bildformen der Verspottung Christi schließen läßt. Die Wandmalerei hat die D. wohl zuerst in den Jonasgrotten (Auvergne) gestaltet; die im 11. Jh. entstandenen Fresken zeigen die D. in der bereits vom Lateranssarkophag her bekannten Zweifigurenkomposition (Marc Thibout in: Cah. arch. 2, 1947, 115–28, Taf. 18, 2). In den Passionszyklen der hoch-ma. Kathedralplastik fehlt die D. fast immer. Das Tympanon des Hauptportals der Straßburger Westfassade, das die D. in der üblichen Dreifiguren-Komposition des Typus A schildert (Otto Schmitt, Got. Skulpturen des Straßburger Münsters I, Ffm. 1924, Taf. 101), macht eine Ausnahme. Hier scheint die Unterscheidung zwischen D. und Verspottung erstmals innerhalb eines Zyklus durchgeführt. Eine Darstellung der D., bei der Christus nur eine Figur beigegeben ist, bietet das Fresko der Fairstead Church, Essex, 13. Jh. (E. W. Tristram, English Medieval Wall Painting II, Oxford 1950, Taf. 176). Weitere Beispiele bei [2, S. 127, Anm. 6].
Im 14. Jh. begegnet der Typus A nur mehr selten, z. B. in einer österreichischen Hs. von etwa 1330 in der Stadtbibl. Schaffhausen (Nr. A. 8 Fol. 258).
B) Dieser Typus ist zuerst in dem linken unteren Eckfeld der Aachener Goldenen Tafel anzutreffen (Hans Jantzen, Ottonische Kunst, Mchn. 1947, Abb. 63): Christus sitzt in der Bildmitte und hält ein Buch in seiner Linken. Ein vor ihm Kniender reicht ihm das Spottzepter und ein von rechts Herzutretender setzt ihm die Dornenkrone auf; umstritten ist die Deutung der anbetenden Figur (Spottender oder – nach Percy Ernst Schramm, Die dt. Kaiser u. Könige in Bildern ihrer Zeit I, Bln. u. Lpz. 1928, S. 88, Abb. 72 b – Stifterbild Kaiser Ottos III.?). Auch für Typus B wurde im 11. Jh. eine symmetrische Bildform geschaffen, bei der zwei Männer gemeinsam Christus mit der Dornenkrone krönen (Morgan Libr., Evangeliar aus St. Peter in Salzburg: Gg. Swarzenski, Salzburg, Abb. 49. – Entgegen der Angabe von F. Lehner, Ceská skola malírská XI. veku, Prag 1902, Taf. 24, ist auf der Miniatur des Wyschehrader Krönungsevangeliars mit der Inschrift „suscipit hic alapas vestis ludibria spinas“ die Verspottung Christi dargestellt). Die Christus durch ihre Akklamation Verspottenden sind ebenfalls bei Typus B anzutreffen.
Bis E. 13. Jh. blieben Darstellungen der D. mit dem sitzenden Christus Ausnahmen [2], deren Vorkommen sich fast nur auf Miniaturen beschränkt. Die Abgrenzung gegenüber Schilderungen der Verspottung Christi ist nicht immer streng durchzuführen (vgl. z. B. Liverpool, Free Public Mus., ms. 12 004, fol. 9 v, im 2. V. 13. Jh. in der Diözese Basel oder Konstanz entstanden: [2] Abb. 650). – Ein für die Folgezeit bedeutsames neues Motiv zeigt der um 1260 für ein Zisterzienserkloster der Diözese Basel geschriebene Psalter in Besançon, Bibl. municipale ms. 54, fol. 12 v (Abb. 3): neben dem auf einem niedrigen Thron sitzenden Christus stehen zwei Juden, die mittels Stäben die Dornenkrone in die Stirn Christi pressen. Dieses Motiv wurde durch Jahrhunderte beibehalten.
III. 1300-1550
Vom 14. Jahrhundert an stellte man die D. häufiger dar. Die meisten Schilderungen kamen mit wenigen Personen aus.
Als Beispiele seien genannt: Oberstammheim, Galluskapelle, Fresko (Stange I, Abb. 57); Schotten in Oberhessen, Flügelaltar (Ebd. II, Abb. 138); Passionale der Äbtissin Kunigunde (Ant. Matějček, Le Passionaire de l’abbesse Cunegonde, Prag 1922, Taf. 41); Schwäb. Gmünd, Hl. Kreuz, Tympanon des nördlichen Chorportals (Otto Schmitt, Das Heiligkreuzmünster in Schwäb. Gmünd, Stg. 1951, Taf. 35).
Bei allen diesen Werken sind es zwei Schergen, die Christus krönen. Im Gegensatz hierzu zeigt ein seeschwäbisches Relief des 1. V. 14. Jh. eine für seine Entstehungszeit außerordentlich vielfigurige Komposition (Bln.Mus. 42, 1920/21, 59ff.; 46, 1925, 9–13). In der Miniatur des Schlettstädter Heilsspiegels, Clm. 146 (Lutz-Perdrizet Taf. 41), hat zwar die Zahl der Anwesenden ebenfalls zugenommen, doch ist nur einer mit der D. beschäftigt.
Figurenzahl und Tätigkeit der Schergen erscheinen bedingt von der jeweiligen thematischen Auswahl des Passionszyklus: waren D. und Verspottung zu einem Bild zusammengezogen, so tritt nicht selten ein größerer Personenkreis auf, und die Männer sind mit verschiedenen Tätigkeiten befaßt. Erst im 15. Jh. und der r. H. 16. Jh. ist eine Vergrößerung des bei der D. anwesenden Personenkreises unabhängig von der Art des Passionszyklus zu beobachten. Auch in diesem Zeitraum, in dem die D. zu den am häufigsten dargestellten Passionsszenen gehörte, beschränkten sich die Darstellungen auf Variation des herkömmlichen Bildtypus’:
Meist sitzt Christus auf einer Steinbank, seltener auf einem Thron (Abb. 4); er wird den Gläubigen frontal oder im Dreiviertelprofil vorgestellt. Wenn die Hände Christi nicht über Kreuz zusammengebunden sind (Abb. 4), stützt er sich auf sie, um nicht zusammenzubrechen. Das Spottzepter (als Ast, Rohrstab, Binsenkolben oder Palmzweig gebildet) hält er in seiner Rechten, oder es wird ihm von einem Krieger, einem Anbetenden oder einem Knaben (Abb. 4) gereicht. Über seiner Kleidung, die aus dem üblichen Ärmelgewand oder dem Lendentuch bestehen kann, trägt Christus den Spottmantel. Vereinzelt schon im 13. Jh. (Fairstead Church), doch erst von 2. H. 15. Jh. an häufiger – eines der frühesten Beispiele in Deutschland dürfte der Bamberger Altar im B.N.M. sein (1429) –, entblößt das zurückgeschlagene Purpurgewand den mit Blut und Wunden bedeckten Körper Christi. Mit dem Aufpressen der Dornenkrone durch einen oder mehrere (oft gekreuzte) Stäbe sind zumeist zwei oder drei Figuren beschäftigt, die Christus im Halbkreis umstehen; nur ausnahmsweise besorgt ein einzelner, hinter Christus stehender Scherge die D. Weitere Schergen, die Christus schlagen, am Haar ziehen (vgl. Verspottung) oder ihn anspeien, können hinzutreten. Die alte Tradition der zu Seiten Christi Knienden lebt in den jetzt häufig nur auf einer Seite angeordneten Figuren fort, die Christus bespeien und durch ihre Anbetung verspotten. Allen diesen Schergen ist in spätgotischer Zeit eine zu Christi stillem Dulden in Gegensatz gebrachte Drastik der Bewegung und eine oft ans Karikaturhafte grenzende physiognomische Brutalität eigen. Inwieweit das geistliche Schauspiel (Entstehung der komischen Figur im Drama) auf Darstellungen der D. einwirkte, bedürfte noch genauer Untersuchung.
Seit dem 15. Jh. wurde es üblich, Pilatus mit Begleitern darzustellen (Abb. 6). Der Platz, den man ihm zuwies, ist verschieden und richtet sich meist nach den Eigentümlichkeiten der – ebenfalls seit A. 15. Jh. aufkommenden – architektonischen Kennzeichnung des Ortes der Handlung, des Praetoriums. Die Raumgestaltung reicht vom einfachen Versatzstück bis zur komplizierten Innenraumdarstellung. Geöffnete Türen und Fenster gewähren Ausblicke auf Landschaft und Straßenleben (Abb. 6), mitunter auch in andere Zimmer des Praetoriums, in denen sich weitere Passionsereignisse begeben (Geißelung, Ecce homo). Für die Gestaltung der architektonischen Motive kamen bisweilen Anregungen vom Bühnenbild des geistlichen Schauspiels (vgl. Alb. Rapp, Stud. über den Zusammenhang des geistlichen Theaters mit der bild. K. im ausgehenden MA, Diss. München 1932, Kallmünz 1936, S. 82f.). In der ganzen Spätgotik kam es aber auch zu Darstellungen der D. ohne nähere Raumangabe.
Eine Bereicherung der Darstellung brachten seit der 2. H. 15. Jh. Genreszenen: auf der linken unteren Bildecke eines um 1480–90 entstandenen fränkischen Tafelbildes im B.N.M. sitzt z. B. ein Knabe, der mit einem Hund spielt; der Meister der Karlsruher Passion hat um 1460 im Waldersbacher Altar (Karlsruhe, Kunsthalle) die D. in den Garten des Praetoriums verlegt, und Zuschauer nehmen von Altan und Gartenmauer aus am Geschehen teil. Obwohl diese Hinzufügungen den Bildaufbau in seinem Kern nicht veränderten, sind sie doch bedeutsam: sie lassen eine Abschwächung des Andachtsbildmäßigen (Schaustellung des Gepeinigten) erkennen und betonen demgegenüber die Schilderung des Geschehens. Diese neue Akzentuierung bildete eine der Voraussetzungen für die Dramatisierung des Vorganges in Darstellungen des 16. Jh. (Tizian, Gemälde in der A. Pin.).
Von besonderer Bedeutung für die Überlieferung des Themas waren graphische Gestaltungen der D. (für die Frühdrucke vgl. W. Achtnich, S. 38), in der Mehrzahl ganz schlichte, aus wenigen Personen aufgebaute Kompositionen (z. B. RDK III 1079, Abb. 2). Dasselbe gilt auch für plastische Darstellungen, wie etwa die Pfeilerfigur im Langhaus von St. Stephan in Wien, um 1450/60 (Abb. 5). Als im 16. Jh. die Passionsaltäre selten wurden, traten graphische Passionszyklen an ihre Stelle. Eine bedeutsame Abwandlung der bislang üblichen Bildformel schuf Dürer in der Kleinen Holzschnittpassion (Abb. 7) und in der Kupferstichpassion: Christus sitzt am Bildrand und ist im Profil dargestellt, hinter ihm ein Scherge, der mit einer langen Forke die Dornenkrone auf Christi Haupt drückt. Die Nachwirkungen von Dürers D. reichten bis ins 18. Jh. und sind auch zahlenmäßig ohne Parallele. Tizians Bilder der D. fanden, durch Stiche vermittelt, in den Niederlanden Nachfolge (s. IV).
IV. Nach 1550
Im Barock ist die D. ziemlich selten dargestellt worden; bei Caravaggio, Rembrandt, Velasquez, Murillo u. a. fehlt sie ebenso wie bei den Deutschen Liß, Willmann, Zick, Rottmayr usw. Selbst Passionszyklen, z. B. das Grüssauer Passionsbuch (Entwürfe von Mich. Willmann, vgl. Ernst Kloos, M. W., Breslau 1934, Abb. 36 bis 45), verzichteten häufig auf die Einbeziehung der D. Wo die D. während des 16.–18. Jh. in größeren graphischen Folgen vorkommt, ist zumeist die ma. Form des frontal in der Mitte sitzenden Christus gewahrt. Statt der gekreuzten Stäbe aber wird die Dornenkrone jetzt Christus oft von einem Schergen mit der Hand aufgesetzt (so auch bei van Dyck, s. u.) oder mit Hilfe nur eines Stabes, dessen sich ein oder zwei Schergen bedienen: Stich des Dom. Custos zu „Septem Christi effusiones sanguinis“ Augsburg 1597; Passion, von Joh. Stradanus, 1600; Augsburger Passionszyklen des 18. Jh. von Steudner, Klauber und Küssel; als Beispiele der Plastik seien genannt: Clausen, Wallfahrtskirche, Holzrelief des 18. Jh., sowie das Relief auf dem Denkmal in der Triester Straße in Wien X., der sog. Spinnerin am Kreuz, das allerdings durch Restauration beeinträchtigt ist. – Das Fortwirken von Bildformen der Dürerzeit fand besonders deutlichen Niederschlag in den Wiederholungen der Kompositionen Dürers (Bibl. Nov. Test., Ffm. 1551; Melch. Küssel, Zur Erweckung der Andacht usw., Augsburg 1703; u. a. m.) und Tizians (Stich von Jan Sadeler d. Ä. nach M. de Vos, 1582; auch Hans Mielich griff in seinem Passionsaltar in Ingolstadt, U. L. F., 1572 voll., Anregungen Tizians auf).
Selbständige Weiterbildungen sind u. a. von Lodovico Carracci, Rubens, van Dyck und Callot geschaffen worden.
Um 1595 schuf Lod. Carracci das heute in der Bologneser Pin. aufbewahrte Gemälde mit der D. als Gegenstück zur Geißelung (Heinr. Bodmer, L. C., Burg 1939, Taf. 40), bei dem Christus stärker als jemals zuvor in den Bewegungsstrom einbezogen ist. Nur in Frühwerken haben Rubens (Grasse, Hospital. Gem. um 1602; Oldenbourg, Abb. S. 2) und van Dyck (Gem. im K. F. M. und im Prado: Emil Schaeffer, van Dyck [= Kl. d. K. 13], Stg. u. Lpz. 1909, S. 35f.) die D. gestaltet. Von Callot sind mehrere Fassungen des Themas bekannt (Abb. 8; die Vorzeichnung zu dieser Radierung ist von Daniel Ternois im Album der Callot-Zeichnungen in Chatsworth aufgefunden worden: La Passion de Jacques Callot, La Revue des Arts 3, 1953, 107–114, Abb. 6).
V. Typologie
Die ma. Typologie sah die D. in verschiedenen a.t. Ereignissen vorgebildet. In der Bible moralisée ist der geblendete Simson, der vor den Philistern spielen muß (Richter 16, 25), der D. gegenübergestellt (Oxford, Bodl. Libr. ms. 270 b). Die Armenbibeln (RDK I 1079ff.) setzten außer der Blendung Simsons (Hans von der Gabelentz, Die Biblia pauperum und Apokalypse der Großherzogl. Bibl. zu Weimar, Straßburg 1912, Taf. 28) folgende Szenen in Parallele zur D.: die Schande Noahs (1. Mos. 9, 21f.; z. B. München, St. B. Clm. 23425, Regensburg um 1300: Cornell Taf. 23); König Asa läßt den Seher Hanani ins Gefängnis werfen (2. Chron. 16, 10; vgl. H. v. d. Gabelentz a.a.O.); Elisa wird von den Knaben von Beth-El verspottet (2. Kön. 2, 23f.; Timmers Nr. 531); Sacharja erhält den Auftrag, eine goldene Krone für den Hohenpriester Josua anzufertigen (Sach. 6, 9ff.), und Alcimus bringt dem König Demetrius eine goldene Krone (Buchberger 1, 227; 3, 200f.; A. Camesina und Gust. Heider, Die Biblia pauperum in einer Hs. d. 14. Jh. usw., Wien 1863, Taf. 5, 80); David und die Knechte des Königs Achis (1. Sam. 21, 11; Cornell S. 300ff..).
Im Heilsspiegel finden sich außerdem drei weitere antitypische Ereignisse: Apamene, die Geliebte des Königs Darius, nimmt diesem die Krone und setzt sie sich selbst auf (3. Esra 4, 29f.; RDK III 1080, Abb. 3); der Amoniterkönig Hanun beschimpft die Gesandten Davids (2. Sam. 10, 4; Lutz-Perdrizet Taf. 41f.); Simei verflucht David (2. Sam. 16, 5–8; Timmers Nr. 531).
Nach Molsdorf (Nr. 993) ist die Delphische Sibylle der D. zugeordnet (vgl. Dornenkrone, Sp. 309). – Für die D. des Hieronymus Bosch im Escorial hat Mela Escherich (Zs. f. Kg. 9, 1940, 188ff.) nachzuweisen versucht, daß die Darstellung durch Einfügen von Bildnissen und Wappen zu einer Satire auf politische Ereignisse der Zeit umgeprägt worden sei.
Zu den Abbildungen
1. Nürnberg, G.N.M. (ehem. Gotha), Echternacher Evangeliar, fol. 111 v, Ausschnitt. Echternach, 3. Jahrzehnt 11. Jh. Fot. Bayer. St. Bibl. München.
2. Fulda, Bibl., Ms. Aa 35, fol. 81 r, Kollektner. Weingarten, 1. Dr. 12. Jh. Fot. Bayer. St. Bibl. München.
3. Besançon, Bibl. mun., ms. 54, fol. 12 v, Psalter eines Zisterzienserklosters der Diözese Basel. Um 1260. Nach [2] Abb. 566.
4. Ehem. Berlin, Staatl. Museen. Gemälde auf Pappelholz, 30 × 23 cm. Böhmisch, um 1400. Fot. Mus.
5. Wien, St. Stephan, Wandfigur am 3. Mittelpfeiler des nördl. Seitenschiffs. H. etwa 180 cm. Um M. 15. Jh. Fot. Bundesdenkmalamt Wien P 1962.
6. Marx Reichlich, Außenseite eines Altarflügels aus Neustift b. Brixen. München, A. Pin. Holztafel, 124 × 79 cm. 1506. Fot. Mus.
7. Albrecht Dürer, Dornenkrönung aus der Kleinen Holzschnittpassion (B. 34). 12,6 × 9,7 cm. 1509 bis 1511. Nach O. Fischer, A. Dürer, sämtliche Holzschnitte, Berlin 1938, Abb. 104.
8. Jacques Callot, Dornenkrönung aus der Großen Passion (L. 284), unvollendet. 9,7 × 21 cm. Erschienen Lyon 1625. Nach J. Lieure, J. Callot, Paris 1927, Bd. II, Abb. 284.
Literatur
Zu II: 1. Elisabetta Lucchesi Palli, Die Passions- u. Endszenen Christi auf der Ciboriumssäule von S.Marco in Venedig, Prag 1942. – 2. H. Swarzenski, 13. Jh.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Witzleben, Elisabeth von , Dornenkrönung Christi, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1955), Sp. 315–326; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=93034> [04.04.2022]
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