Damaststahl
englisch: Steal (Damaskus steal), Damaskus steal; französisch: Acier damassé; italienisch: Acciaio damaschino.
Paul Post (1953)
RDK III, 1007–1014
I. Begriff, Bezeichnung, Gliederung
D. stellt eine hochwertige Stahlverbindung besonderer Art mit Eisen dar. Aus D. geschmiedete Klingen vereinen die Schärfe des spröden Stahls mit der Biegsamkeit von Weicheisen, ohne dabei die durch Vermengung der beiden, im Farbton verschiedenen Metalle entstehende Struktur einzubüßen. Diese tritt vielmehr, durch Ätzen hervorgerufen, an der polierten Oberfläche in mannigfaltiger, ansprechender Musterung zutage und bildet ein Hauptkennzeichen des D.
Sein Name knüpft sich ursprünglich an die seit dem ausgehenden Mittelalter aus dem Orient nach Europa eingeführten Klingen der beschriebenen Art, allgemein hergeleitet von der Stadt Damaskus als angeblichem Ursprungsort. Tatsächlich war Damaskus in der Hauptsache lediglich der Handelsort dieser vornehmlich aus Indien und Persien stammenden hochbegehrten Ware. Ohne daß das streng gewahrte Geheimnis ihrer Herstellung bis heute völlig gelüftet ist, handelt es sich hier nach vorherrschender Meinung bei der Gewinnung des D. ursprünglich um ein Gußverfahren, den sog. Tiegelguß.
Die neuere Forschung hat, gegründet auf Funde und Quellen, ergeben, daß völlig unabhängig vom Orient im Abendland, ja vielleicht früher, D. von gleicher, wenn nicht höherer Güte gewonnen wurde, und zwar im Unterschied zum Orient im Schweiß- und Schmiedeverfahren; früheste Schwertfunde von D. reichen bis in die späte Römerzeit zurück (römische Schwerter des Nydamfundes bei Kiel, 1. H. 3. Jh.). Vorwegnehmend hat man auch diese Technik wegen der großen Verwandtschaft im Prinzip und in der Wirkung als D. benannt, und zwar zum Unterschied als abendländischen D., nachweisbar in Funden bis ins 11. Jh.
Von diesem frühen abendländischen ist streng zu unterscheiden und getrennt zu behandeln der moderne europäische, dem orientalischen Import nacheifernde, wesensverschiedene D. des 17. und 18. Jh.
II. Der frühe abendländische D.
Der frühe abendländische D. Ausgangspunkt der Erkenntnis bildet ein von Cassiodor überlieferter, viel gedeuteter Dankbrief des Ostgotenkönigs Theoderich d. Gr. um 520 an den Varägerfürsten Thrasamund für eine Schwertsendung (Var. lib. 5, Epistel 1), von deren eingehender Beschreibung es u. a. rühmend heißt: „... harum (spatae) media pulchris alveis excavata quibusdam videntur crispari posse vermiculis: ubi tantae varietatis umbra conludit, ut intextum magis credas variis coloribus lucidum metallum ...“ In der sinnvollsten, neuesten Übersetzung bei Heinrich Kelleter [2], der den ganzen Brief abdruckt, lautet die Stelle: „Ihre (der Schwerter) schön gebauschte mittlere Aushöhlung (gemeint der Hohlschliff der Klingenmitte, die sog. Blutrinne) kann einem Gekräusel von Würmlein verglichen werden, wobei ein so farbiges Schattenspiel entsteht, daß das ineinander verwobene Metall in abgestuften Farben erscheint ...“ Kelleter [2] lokalisiert die Varäger in Niederdeutschland, vermutlich dem alten Thüringen. Sollte seine Deutung einer noch früheren dichterischen Stelle um 400 bei Claudian, dem Hofdichter Stilichos, zutreffen, so würde sie das Vorkommen von D. bereits bei den am Rhein siedelnden Sigambrern erweisen (M.G. A.A. torn. X. 197. 21. 220ff.). Zu der zitierten Beschreibung der sog. „wurmbunten“ Klingen, wie sie auch sonst in der frühmittelalterlichen Dichtung, etwa dem Beowulf (8. Jh.) rühmend genannt werden (warm-fâ), liefern zahlreiche früh-m.a. Schwerter, wie das Wikinger-Schwert Abb. 1 aus dem 7.–8. Jh. mit dem Gekräusel in der Blutrinne die beste Illustration. Über das bei diesen Schwertern angewandte Schweißverfahren unterrichtet ein neuerdings von Zeki Validi-Bonn mitgeteilter etwa gleichzeitiger Bericht des Arabers Bīrūnī [5], folgendermaßen interpretiert: „Sie (die rus = Wikinger) hätten für die Stelle der Blutrinne ein Gewebe erfunden, das aus langen Drähten von beiden Sorten des Eisens, nämlich Stahl und Weicheisen, bestünde. Beim Zusammenschweißen hätten sich dann merkwürdige und elegante Dinge ergeben, wie sie auch (im Unterschied zur orientalischen willkürlichen Musterung, Anm. des Verf.) beabsichtigt wären.“ Neben dem „wurmbunten“ (Abb. 2 und 3) begegnet auch ein grätenförmiges Muster wie bei einem anderen Wikingerschwert des ehem. Berliner Zeughauses, einem Seinefund aus dem Nachlaß von Victor Gay (Abb. Gay, S. 23).
Die hohe Wertschätzung des abendländischen D. und ihre Ausfuhr tief in den Orient bis nach Konstantinopel und Bagdad bezeugen andere arabische Berichte [3; 5]; vor allem erfahren wir hier von ihrer Herkunft, vorzugsweise aus Skandinavien und von den „Franken“. So heißt es in einem 921 verfaßten arabischen Gesandtschaftsbericht von den Schwertern der Russen (Wäringer): „Ihre Schwerter von fränkischer Arbeit sind breit und mit Wellenmuster.“ Kelleter [2] nimmt für die Erzeugung dieser „fränkischen“ Klingen das bergische Land, insbesondere das alte Solingen in Anspruch, wo seit dem 10. Jh. hofwirtschaftliche Schleif- und Polierstätten nachweisbar sind.
Bei dem Schwert Abb. 1 zeigt der Querschnitt, daß einem einheitlichen Eisenkern a nur eine schwache D.-Schicht b beiderseits aufgeschweißt ist (Abb. 3); die Schneiden sind von einheitlichem Stahl. Das D.-Verfahren hat hier also nur noch eine dekorative Bedeutung und befindet sich im Stadium der Entartung. Das alte Damastverfahren wird augenscheinlich durch vollkommenere Stahlbereitung verdrängt, bis schließlich auch seine dekorative Verwendung in Vergessenheit gerät. Das 11. Jh. kennt keinerlei wurmbunte Klingen mehr.
III. Der moderne europäische D.
Der moderne europäische D. Eine ähnliche Entwicklung wie oben gezeigt nimmt offenbar auch der orientalische D. im Laufe seines im ausgehenden MA einsetzenden Imports nach Europa. Nichts kennzeichnet diese Tendenz deutlicher als die etwa seit dem ausgehenden 17. Jh. vorherrschende Einfuhr orientalischer Damastläufe für Luxusjagdbüchsen und -pistolen zum Zweck rein dekorativer Wirkung. Und hier setzt denn auch – von sehr vereinzelt begegnenden Säbelklingen aus europäischen D. abgesehen – der insbesondere von Deutschland aufgenommene Wettbewerb mit dem Orient ein. Das frühste datierte Beispiel deutschen D.s liefert – allerdings ein Ausnahmefall und technisches Kuriosum – der Lauf eines Prunkgeschützes im ehem. Berliner Zeughaus, geschmiedet von Joh. Sebastian Hauschka, dem braunschweigischen Hofbüchsenmacher, 1736 für Herzog August Wilhelm (Zs. f. hist. Waff. u. Kostümkde. N.F. 3, 1929/31, 188). Aus der gleichen Zeit etwa stammen die frühsten nachweisbaren deutschen damaszierten Büchsenläufe (Abb. 4) [7]. Für das beim modernen europäischen D. angewandte höchst aufwandreiche und umständliche Verfahren liefert ein in Berlin 1770 erschienener Leitfaden des Metallhandwerks aus zünftiger Feder die genaue Beschreibung (F. N. Sprengel, Messing- und Eisenarbeiter, fortgesetzt von O. L. Hartwig, Fünfte Sammlung, Berlin 1770). Beachtlicherweise handelt es sich hier augenscheinlich um das gleiche oder zum mindesten sehr verwandte Schmiede- und Schweißverfahren wie beim alten abendländischen. Dank ihrer Ausführlichkeit ist die hier auszugsweise wiedergegebene Beschreibung daher zugleich rückschließend geeignet, die Vorstellung vom alten Verfahren zu erweitern und zu ergänzen; bezeichnend ist außerdem, daß lediglich vom Schmieden von Läufen die Rede ist, das Damaszieren von Klingen also nicht mehr in Frage kommt.
Die entscheidende Stelle lautet:
„Gewöhnlich nimmt der Roh-Schmied auf den Fabriken zu den Platinen eines solchen Laufes zugleich graues (hartes) und weißes (weiches) Eisen und Stahl, legt die dünnen Stangen dieser Metalle nach der Länge zusammen und windet sie nach dem Zusammenschweißen. Das gewundene Stück (Anm. d. Verf.: man findet Läufe mit der Bezeichnung „GEWUNDENE LAEUF“) Metall schmiedet er wieder platt, schlägt es zusammen, windet es von neuem und wiederholt diese Arbeit einige Mal, ehe er hieraus eine Platine (Werkstück für den Lauf. Anm. d. Verf.) schmiedet. Weit feiner ist aber die Damascierung, oder mit dem Büchsenmacher zu reden, der Damast, wenn das ganze Rohr aus aufgewickeltem Draht zusammengeschweißt ist. Man nimmt einen alten Flintenlauf und umwickelt ihn etwa nach der halben Länge des künftigen damascierten Rohres mit feinem, ausgeglühten Draht, denn die Verwicklung dehnt sich, wie leicht zu erachten, bey dem Zusammenschweißen aus. Auf jede Lage werden nach der Länge einige stärkere Enden Draht gelegt, damit die Lagen nicht auseinander fallen. Eine Person wickelt den Draht um den Dorn und eine andere staucht ihn mit einem Stempel fest gegen den Dorn an. Diese Arbeit wird so lange fortgesetzt, bis der umwickelte Dorn mit dem Draht etwa so dick ist als der Schenkel eines ausgewachsenen Mannes. Man übergibt alsdann die Verwickelung des Drahtes einem geschickten Rohrschmied auf der Gewehrfabrik, der den Draht bis zur Schweißhitze bringt und ihn erst auf einem starken, zuletzt aber auf einem kalibermäßigen Dorn zusammenschweißt. Der Draht muß aber wenigstens 20mal in die Gluth gebracht werden, ehe er sich völlig zusammenschweißen läßt. Allein die wenigsten Rohrschmiede verstehen das Schweißen eines solchen Rohrs.
Die geringste Damascierung entsteht, wenn man um einen schwachen Lauf, der eine Hülse heißt, Draht wickelt, oder um ihn eine dünne Platine von der ersten Damascierung schlägt und beides auf das Rohr anschweißt.
Allein die Adern des damascierten Rohrs fallen erst dann in die Augen, wenn das Rohr gebeizt ist. Man bedeckt es daher in einem hölzernen Trog völlig mit Essig, Vitriol und Scheidewasser, und läßt es in dieser Beize solange stehen, bis sich die Adern zeigen.“
Es sind also drei verschiedene Verfahren zu unterscheiden, von denen das zweite und feinste dem beschriebenen Flechtdamast aus Drähten des frühen D. entspricht. Auch die Anwendung des ersten Verfahrens aus gewundenen Stäben wird allgemein für die Frühzeit angenommen. Außer Betracht bleibt hier der moderne unechte, durch geätzte Muster vorgetäuschte D.
Das im älteren Sprachgebrauch begegnende damaszieren (damasculieren) von Waffen und Eisengeräten hat mit D. nichts zu tun und ist gleichbedeutend mit Tauschieren.
Zu den Abbildungen
1. und 2. Ehem. Berlin, Zeughaus, Inv. Nr. 31.20. Schwert, sog. Spatha, mit „wurmbunter“ Klinge. Von der Havelinsel Lutze bei Brandenburg. Vermutlich Wikingerschwert, 7.–8. Jh. (Abb. 1 Gesamtansicht, Abb. 2 Ausschnitt). Phot. Mus.
3. Ehem. Berlin (wie Abb. 1 und 2). Querschnitt der Klinge. Nach Zeichnung von Fritz Rohde, [4] Abb. 3, S. 39.
4. Wien, Waffenslg. des Kh. Mus., Inv. Nr. 182/183. Batterieschloß-Büchsenpaar mit gezogenem Damastlauf und graviertem Schloß mit Jagddarstellungen. Gefertigt vom Wiener Büchsenmacher Felix Meier, um 1720–30. Phot. Hans Schedelmann.
Literatur
1. Ludw. Beck, Geschichte des Eisens, Braunschweig 1884. – 2. Heinr. Kelleter,
Geschichte der Familie J. H. Henckel mit einer Gesch. der Solinger Industrie, Solingen 1924, S. 9ff. – 3. Wsewolod Arendt, Über die „wurmbunten“ Klingen, Zs. f. Hist. Waffen- u. Kostümkde. N.F. 3, 1929/31, 296–98. – 4. Fritz Rohde, Schmiedetechnik der wurmbunten Klingen des 8.–9. Jh., Ebd. N.F. 4, 1932/34, 38–40. – 5. Zeki Validi, Die Schwerter der Germanen nach arabischen Berichten vom 9. bis 11. Jh., Zs. d. Dt. Morgenländ. Ges. B 90 (N.F. 13), 1936, 19ff. – 6. Wilh. Hassenstein, Damaszener-Klingen. Zs. f. Hist. Waffen- u. Kostümkde. N.F. 6, 1937/39, 10–15; 129–32. – 7. Hans Schedelmann, Die Wiener Büchsenmacher und Büchsenschäfter (= 2. Beiheft der Zs. f. Hist. Waffen- u. Kostümkde.), Berlin 1944, S. 77.
Empfohlene Zitierweise: Post, Paul , Damaststahl, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1953), Sp. 1007–1014; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=92657> [05.04.2022]
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