Circe

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englisch: Circe; französisch: Circé; italienisch: Circe.


Edmund W. Braun (1953)

RDK III, 777–788


RDK III, 779, Abb. 1. Boccaccio, Ulm 1473.
RDK III, 779, Abb. 2. Br. Anton Pelchinger, 1459, München.
RDK III, 781, Abb. 3. Danzig, 1. H. 15. Jh.
RDK III, 781, Abb. 4. Melchior Küsel, 1681.
RDK III, 783, Abb. 5. Ehem. Wien, E. 15. Jh.
RDK III, 785, Abb. 6. Joh. Wilh. Baur, 1641.

C., Tochter des Sonnengottes Helios und der Okeanostochter Perse, Beherrscherin der Insel Aiaia, Göttin und eine der großen Zauberinnen der griechischen Mythologie, ist der Antike aus mehreren Sagen bekannt [1; 2]. In der abendländischen Kunst waren jedoch nur die in der Odyssee enthaltene Verwandlung der Gefährten des Odysseus und die durch Ovid überlieferte Liebesgeschichte der C. und des Picus von Bedeutung. Nur wenige Darstellungen der Zauberin an sich gibt es daneben noch.

A. Circe und Odysseus

I. Quelle

Homer erzählt im 10. Gesang, V. 135–399, wie Odysseus und seine Gefährten an der Insel der C. anlegen, wie C. die Gefährten – mit Ausnahme des Eurylochos – in Schweine verwandelt, und wie Odysseus, durch Eurylochos herbeigeholt, von Hermes die Wunderpflanze Moly erhält, die ihn gegen die Verzauberung schützt; wie endlich Odysseus, nach der mißlungenen Verwandlung, C. mit dem Schwert bedroht und von ihr die Rückverwandlung der Genossen erzwingt; er bleibt dann mit diesen für ein Jahr auf ihrer Insel. – Eine spätere Überlieferung verlegt den Schauplatz der Sage ins westliche Mittelmeer und ändert diese insofern, als sie von einer Verwandlung in Wölfe, Löwen, Esel, Schweine, Gänse und andere Tiere oder in Menschen mit dergleichen Tierköpfen spricht. Dies letztere Motiv wurde dann seit 6. Jh. v. C. für die antiken Darstellungen wirksam (vgl. [1; 2] sowie die Beschreibung der 1848 gefundenen Fresken der Villa am Esquilin, jetzt in der Bibl. Vaticana, bei W. Helbig, Führer durch die Slg. klass. Altertümer in Rom I, Leipzig 19123, S. 264).

II. Spätmittelalteriche Darstellungen

a) Boccaccio

Das spätere MA hat die Erzählung und ihre bildliche Darstellung wieder aufgegriffen. Schon Dante hatte sie im Inferno (26, 91) und Purgatorio (14, 12) erwähnt. – Im Ovide moralisé ist sie mit mehreren Bildern vertreten, die sich z. T. auf Vergil (Aeneis 7, 5ff.) beziehen: so enthält der Pariser Ovid (Bibl. de l’Arsenal, Ms. 5069, französ. 14. Jh.), nach dem Besuch des Glaucus bei C. und der Reise des Aeneas nach Circeji, auf fol. 204 v die Verwandlung der Gefährten des Odysseus durch C. in Tiere und auf fol. 205 v deren Rückverwandlung in Menschen. Daran schließt sich noch ein Bild von der Verwandlung des Picus. – Odysseus und C. treten als Begleitfiguren des Carro d’Amore in Petrarcas Trionfi auf (P. Schubring, Cassoni, Leipzig 1923, Textbd. S. 21; 29; 272, Nr. 213). Die wichtigste Anregung für Deutschland ging aber von Boccaccio aus, der in sein Werk über die berühmten Frauen des Altertums die Verwandlungsszene mit aufnahm. Als das Buch 1473 bei Johannes Zainer in Ulm erstmalig lateinisch und deutsch in Druck erschien (Schramm, Frühdrucke 5, Abb. 15–97), wurde auch der C.-Mythus durch einen Holzschnitt mit der markantesten Szene illustriert (Abb. 1). Er zeigt die Verwandlung der Gefährten in Wesen mit Menschenleib und den Köpfen von Löwe, Fuchs, Ochse und Schwein. In ihrer Mitte steht unangefochten der Held, über ihm die Beischrift VLIXES; links die reich gekleidete C., die vergebens ihre Macht an ihm erprobt. Der Zeichner dieses, in seiner realistischen Wiedergabe sehr bedeutenden Holzschnittes ist unbekannt. Die Boccaccio-Ausgabe, die Anton Sorg 1479 in Augsburg besorgte, verwendete diesen Entwurf im Gegensinne, ohne sich sklavisch an die Vorlage zu halten (Schramm a. a. O. Abb. 431). Spätere Boccaccioausgaben (Augsburg 1545; Frankfurt/M. 1566) enthalten keine Bilder zum C.-Mythus mehr.

Dem Bildtypus des Ulmer Boccaccio folgt eine einmalige Wiedergabe der Verzauberungsszene in bunter Seidenstickerei auf einem Chormantel, der sich in der Danziger Marienkirche befand (W. Mannowsky, Der Danziger Paramentenschatz I, Berlin 1931, Farbtaf. I und S. 18f.– Abb. 3). Die Stickereien des Gewandes, die aus der 1. H. 15. Jh. stammen, tragen Szenen aus der Legende der hl. Maria Magdalena. In der ersten Darstellung wird die Heilige, die einen Spiegel in der Rechten hält, von den bösen Lüsten in Gestalt von Menschen mit Tierköpfen (Löwe, Esel, Bär, Hund, Schwein, Hahn) hart bedrängt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier ein verlorengegangener, auch für die Holzschnitte wirksamer Archetypus der C.-Erzählung als Vorbild gedient hat.

b) Defensorium

Die Verwandlung der Gefährten des Odysseus wird weiterhin unter die unerhörten Geschehnisse gerechnet, die als typologische Beweismittel für die unbefleckte Empfängnis im Defensorium des Franz von Retz dienen müssen. So kommt es, daß wir C. als Mariensymbol auch in den Hss., Blockbüchern und Drucken dieses Werkes antreffen (Molsdorf Nr. 880ff., hier Nr. 914). Der Verfasser des Defensorium kann sich dabei auf Augustinus’ Gottesstaat, 18, 17, berufen.

Im Blockbuch des Regensburgers Johannes Eysenhut von 1471 (J. v. Schlosser in: Jb. Kaiserh. 23, 1902, Taf. XXII) sitzt C. mit Beschwörungsgeste am Ufer des Meeres, auf dem in einem Schiff der König Odysseus steht, das Zauberkraut in der erhobenen Rechten; im Schiff die in mannigfaltige Tiere verwandelten Genossen. Die Unterschrift lautet: „Carminibus si circe homines vertisse claret / Cur Ihesum Christum ex se virgo non generaret?“, dazu die Quellenangabe. Ein sehr viel primitiverer Holzschnitt in dem 1470 erschienenen Blockbuch des Dinkelsbühlers Friedrich Walther (Ebd. S. 290 Abb. 5) zeigt zwar den gleichen Text, aber bei der Illustration ist dem Zeichner offenbar eine Verwechslung des Sirenenabenteuers mit dem C.-Abenteuer unterlaufen (auf diese Möglichkeit deutet ja schon der lateinische Vers hin): denn er gibt weder die Verwandlung noch die Wunderpflanze wieder, vielmehr schwimmt C., als gekröntes Meerweibchen, im Wasser, während vor ihr im Schiff der Held sich die Ohren zuhält; hinter ihm wird ein Begleiter sichtbar. Dagegen findet sich die Auffassung Eysenhuts bereits auf der kolorierten Federzeichnung in einer Hs. des Defensorium in München, die der Tegernseer Bruder Anton Pelchinger 1459 ausgemalt hat (Clm. 18077, fol. 50 r; Abb. 2), sowie auf einem Medaillon des Miniaturblattes im Kh. Mus. Wien (Schlosser a. a. O. Taf. XVI, rechts oben); Beischrift: „In pecudes verbis homines hec mutat et herbis / Verterunt Graecos in bruta carmina circes“. Der Defensoriumdruck des G. Reyser in Würzburg, um 1480, zeigt die gleiche Szene, doch hält C., die in eine Kappe mit Eselsohren gekleidet ist, hier den im Schiff Befindlichen einen Deckelbecher mit dem Zaubertrunk entgegen (Ebd. S. 291), wohl eine ikonographische Weiterbildung unter Benutzung literarischer Quellen. Der begleitende deutsche Text lautet hier: „Mochte machen der Circen list / uß menschen thyres schyn / Mochte sich dan nit iesus crist / fugen by ein jungfrauw fyn?“ (so auch der Defensoriumdruck der Gebr. Johann und Konrad Hist in Speyer, um 1485, vgl. Schramm, Frühdrucke 16, Abb. 649).

c) Livre d’Othéa

Einem anderen Kulturkreis gehören die C.-Bilder aus französisch-niederländischen Miniaturwerkstätten und aus Italien an. Die zahlreichen Hss. des 15. Jh. haben ja stets mit Vorliebe antikische Darstellungen in ihren Blättern geschildert. So erscheint die Verwandlung der Gefährten des Odysseus durch C. in dem vielgestaltigen Kreis der Illustrationen des „Livre d’Othéa“ der französischen Dichterin Christine de Pisan (um 1400). In einer Hs. in Paris (B. N. ms. fr. 606) ist der Augenblick der Verzauberung dargestellt: C., gekrönt auf erhöhtem Thron, reckt den Stab gegen die 5 vor ihr stehenden Männer (Lucie Schaefer in: Marburger Jb. 10, 1937. S. 173 Abb. 79; ähnlich London, B. M. ms. Harley 4431, ebd. S. 141). Eine Wiederholung der Hs. in der Erlanger Univ. Bibl. (Kat. E. Lutze u. E. Kyriss VI, 1936, S. XIX u. 235) ist eine Arbeit des Willem Vrelout in Brügge, um 1460. Der ikonographische Befund wurde hier in einen Innenraum übertragen. Die Fremden trinken aus Bechern ihren Trank, zwei sind bereits in Schweine verwandelt; Eurylochos steht am Tor: hier also ein Zurückgehen auf die Urfassung.

d) Schedel

Kurz nach den Blockbüchern des Defensorium tritt die C.-Erzählung auch in Hartmann Schedels Weltchronik auf (1493–94): hier allein in ihrer Wertung als historisches Ereignis. Die Holzschnitte des Werks gehen urkundlich auf Zeichnungen von Mich. Wolgemut und Wilh. Pleydenwurf zurück (Schramm, Frühdrucke 17, Abb. 448). Der Bildtypus entspricht etwa dem in Clm. 18077 (Abb. 2), ist aber reicher und lebendiger. C. ist eine Begleiterin beigegeben, die vor einem Tisch mit Schüssel, Besteck und Becher sitzt; Beischriften: „Cyrcis“ und „Ulixes“.

III. Renaissance-Darstellungen

a) Ovid

1538 erschien bei Alex. Weißenhorn in Augsburg die von Simon Schaidenreißer besorgte deutsche Prosaübersetzung der Odyssee, die Hans Sachs für seine Gedichte und Spiele viel benutzte („Comedi Circes“ u. a., vgl. Werke III 402ff., IV 232ff., XII 64ff.); sie enthielt jedoch kein Bild zur C.-Erzählung. Dagegen gehört die Darstellung der Verzauberung zum festen Bestand der Illustrationen zu Ovids Metamorphosen, in denen die Fabel wiederkehrt (XIV 248–307). Bernard Salomon versah die Lyoner Ausgaben von 1557 (frz.) und 1559 (ital.) mit einer ausgezeichneten Illustration dieser Szene (fol. 184). In einer großen Säulenhalle bietet C. den Fremden den Trank, von dem einige bereits teilweise oder ganz verwandelt sind, während Eurylochos im Hintergrund entflieht. Diese Komposition übernahm dann Virgil Solis für die 1563 in Frankfurt erschienene lateinisch-deutsche Ovidausgabe des Joh. Posthius aus Germersheim (fol. 165), die zahlreiche Nachdrucke, aber auch Kopien durch andere Holzschneider erlebte (z. B. den Leipziger Ovid von 1590).

Eine Neubelebung, wenn auch keine ikonographische Bereicherung, fand die Szene erst durch die Ovidradierungen des Joh. Wilh. Baur (Querfolio, zuerst Wien 1641), von denen allerdings nur eine die C.-Odysseus-Szene wiedergibt (fol. 135), während die 3 übrigen den C.-Picus-Mythus behandeln (s. Sp. 786f.). Baur gibt einen feierlichen Empfang der bewaffneten Mannen durch die thronende C.; aus dem Garten dringt eine Meute wilder Tiere auf sie ein. Mit denselben Mitteln, aber ohne Baurs Stimmungsgehalt, gibt die bekannteste französische Ovidausgabe des 17. Jh. mit den Bildern von Jean Le Pautre († 1681) den Empfang der Fremden (M. D. Henkel, Illustr. Ovidausgaben, Vorträge Bibl. Warburg 1926–27, S. 133 und 135).

b) Vergil

Virgil Solis hat in einer Folge von Einzelfiguren berühmter Frauen auch die Gestalt der C., ohne besondere Charakterisierung, wiedergegeben (B. IX 257–93). Dagegen hat Jost Amman in seinem Wappenbuch, Frankfurt bei Sigm. Feyerabend 1579, auf fol. 191 die Darstellung gebracht, wie die links stehende nackte C. dem rechts stehenden Odysseus eine Trinkschale reicht. – In der Ausgabe von 1589 ist C. sitzend wiedergegeben (Faksimile-Ausg. München 1881, Abb. S. 89). – In den Fabulae des Hyginus, die seit A. 16. Jh. gedruckt wurden, tritt der C.-Mythus ebenfalls auf. – Hans Kels hat unter seinen Brettsteinen in Wien auch einen mit der Darstellung der Verwandlung: die vier Verzauberten tragen auf ihren menschlichen Leibern die Köpfe vom Hirsch, Löwen, Esel und der Gans (Jb. Kaiserh. 3, 1885, S. 61 u. Taf. VII). – Bartol. Spranger widmete dem C.-Mythus zwei bedeutende Gemälde (Wien, Kh. Mus.). Sie entsprechen den homerischen Vorlagen wenig: das eine (teilt Odysseus dar, umgeben von den verwandelten Freunden, die Göttin zur Entzauberung derselben zwingend; das andere zeigt den zärtlichen Abschied des Odysseus von C. (Jb. Kaiserh. 28, 1907, 122f.).

Einige Male tritt das C.-Motiv in der italienischen Kunst bereits in der 1. H. 15. Jh. auf, vor allem in der Cassonemalerei. Petrarcas Carro d’Amore wurde schon genannt. Das Festmahl des Odysseus bei C. im Beisein seiner verzauberten Krieger erscheint auf einer Truhe des Didomeisters (P. Schubring, Cassoni, S. 275 Nr. 245–48 und Taf. 54). Breit angelegt ist das C.-Abenteuer auf zwei Truhen der gleichen Werkstatt (Ebd. S. 276f. Nr. 255 und Taf. 56). Ferner sind aus der Werkstatt Signorellis zwei Bilder zur Odyssee bekannt geworden, die ebenfalls das C.-Motiv mit wiedergeben (Ebd. S. 144).

Eine der frühesten italienischen Renaissancedarstellungen ist ein kleines Bronzerelief, ehem. in der Slg. Spitzer (Aukt. Kat. Paris 1893 Nr. 1611), später in der Slg. Benda, Wien, das damals Peter Vischer zugeschrieben wurde (Abb. 5). Nach L. Planiscig (Riccio, Wien 1927, S. 89 Abb. 77) ist es das Werk eines Paduaners vom E. 15. Jh. Doch ist die ikonographische Deutung nicht einfach. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Circe. Doch besteht noch die Möglichkeit, daß hier die Göttin Opis, „Coniunx Saturni, Mater deorum“, gemeint sei, wie sie auf einem Stich des Caraglio, um 1526, nach einem Bild von Rosso heißt. Auch hier ist eine nackte Frau, die ihre Brüste mit den Händen hält, dargestellt, während zu ihren Füßen Tiere stehen.

Bartsch verzeichnet einige graphische Blätter mit C.; meist steht sie im Profil nach rechts gegen das Schiff gewendet, in dem die Krieger aus Ithaka sitzen. Nach Bartsch soll eine Zeichnung von Parmesan zugrunde liegen (B. XVI S. 339. 6. – B. XII 110f.). Daß Parmigianino das C.-Motiv beschäftigt hat, geht aus zwei Handzeichnungen der Uffizien hervor, die L. Fröhlich-Bum (Parmigianino, Wien 1921, Abb. 86, 88 und S. 99) abbildet und die Studien zu den später von Bonasone und Fantuzzi gestochenen Blättern bilden. Eine von Fröhlich-Bum veröffentlichte Federzeichnung des gleichen Meisters in Stuttgarter Privatbesitz zeigt ebenfalls einen flüchtigen Entwurf zu einer bewegten C.-Figur (Old Master Drawings 9, 1935, Taf. 54).

Große Bedeutung hatte der von Primaticcio entworfene Freskenzyklus zur Odyssee, den Niccolo dell’Abbate im Schloß Fontainebleau malte. Wir kennen den verlorenen Zyklus von 58 Bildern, von denen im 18. Jh. noch 38 vorhanden waren, aus den 1633 erschienenen Folioradierungen von Th. van Thulden. Nach ihm flach der Augsburger Stecher Melchior Küsel 1681 seine Odysseefolge in Kleinquart. Das Abenteuer bei C. wird von Primaticcio und seinen Nachfolgern in 4 Phasen wiedergegeben: der Empfang der Schiffsmannschaft (Küsel Blatt 17), die Verwandlung (Blatt 18. – Abb. 4), der Abschied des Odysseus (Blatt 19) und seine Wiederkehr nach dem Besuch in der Unterwelt (Blatt 25).

Auch die Maler der italienischen Majolika-Botegen hatten C.-Bilder unter ihren Vorlagen. Eine Urbino-Schüssel des Xanto Avelli von Rovigo im Louvre, datiert 1533, zeigt den mit dem Schwert auf C. eindringenden Odysseus (J. Chompret, Repertoire de la majolique italienne II, Paris [1949], Abb. 974).

Im „Argonauticon“ des Valerius Flaccus (VII, 194ff.) wird erzählt, wie Venus in Gestalt der Circe deren Nichte Medea erscheint, um ihr in ihrer Liebe zu Jason zu helfen; Wickhoff hat diese Szene auf Giorgiones „Himmlische und irdische Liebe“ bezogen (Jb. d. preuß. K.slgn. 16, 1895, 42).

Die künstlerisch vollendetste und psychologisch wie geistig ansprechendste Darstellung hat C. in zwei Bildern des Dosso Dossi gefunden: das eine ehem. in der Slg. Benson in London, das andere in der Gall. Borghese in Rom (Venturi IX 3, S. 937 und 939). Der Eindruck magischer Geheimnisse und tiefer Harmonie, der über dem Beisammensein der Zauberin mit den Tieren liegt, verbindet diese Bilder mit einem etwas früheren Gemälde in der National Gallery in Washington, das Giovanni Bellini oder dem jungen Giorgione zugeschrieben wird; es zeigt den Sänger Orpheus, ins Geigenspiel versunken, neben der nackten C. inmitten vielerlei Tiere, die die Zauberin mit ausgestrecktem Stabe bannt (G. F. Hartlaub, Zauber des Spiegels, München [1951], Abb. 126).

Die Vorliebe des späten 18. Jh. für derartige Themen hat auch noch Neuschöpfungen der C.-Erzählung gezeitigt, darunter eine graziöse Grisaille des Wiener Malers Franz Siegrist aus Altbreisach, die sich früher in der Slg. Frz. Trau in Wien befand. – Eine Häufung phantastisch-mantischer Motive bietet ein Aubusson-Teppich von Oudry mit den „Gärten der C.“: eine exotisch wuchernde Architektur, von gespenstigen Tieren belebt, in deren Mitte der leere Thron der Zauberin steht (Cicerone 17, 1925, Abb. geg. S. 406).

B. Circe und Picus

Ovid läßt (Met. XIV 320–434) eine der Dienerinnen der C. die Geschichte von der Verwandlung des ausonischen Königs Picus erzählen. C. hat sich in den schönen Jüngling, den Sohn Saturns, heftig verliebt, wird aber von Picus zurückgewiesen, der die Nymphe Canens liebt. Aus Rache verfolgt sie ihn auf der Bärenjagd und verwandelt ihn in einen Specht (= ficus). Seine zu Hilfe eilenden Diener werden von C. in allerlei Getier verwandelt.

Diese Szene findet in den illustrierten Ovidausgaben stets eine reiche Bebilderung. Schon der Ovide moralisé enthält sie (Paris, Bibl. de l’Arsenal, Ms. 5069, fol. 205 v). Der früheste Holzschnitt, in der Venezianer Ausgabe des Zoane Rosso von 1497, ist bereits eine sehr gelungene Komposition (M. D. Henkel, Illustr. Ovidausgaben, Vortr. Bibl. Warburg 1926/27, S. 66ff.): Picus zu Pferde entflieht der nacheilenden C. Die markanteste Darstellung findet sich dann in dem – von Virgil Solis kopierten – Holzschnitt des Bernard Salomon in der Lyoneser Ausgabe von Posthius, 1557, auf Bl. 166.

Eine ausführliche Schilderung findet die Sage auch in einem Bild von Luca Giordano, das sich im Hzg.-Ant.-Ulr.-Mus. in Braunschweig befindet (Kat. H. Riegel, 1900, Nr. 500). Sie geht insofern über Salomon hinaus, als sie die Verwandlung der Diener im Hintergrunde mit darstellt. Auch das in zahlreichen Auflagen, Varianten und Übersetzungen bekannte, vielbenutzte Emblembuch des Andreas Alciatus hat das C.-Motiv in seine Folge mit aufgenommen. Die Frankfurter Ausgabe von 1580 bringt, allerdings ohne Bild, in lateinischen und deutschen Versen eine Erzählung des Liebesabenteuers der C. und des Picus unter der Überschrift: „Vor den Huren soll man sich hüten“ (S. 56, Emblema 85). Aber die Lyoneser Ausgabe von 1578 hatte schon den Holzstock von Salomon aus dem Ovid mit übernommen.

Die 150 Ovidradierungen von Joh. Wilh. Baur, die 1641 erschienen, bringen drei Bilder zu unserer Erzählung: auf Bl. 136 rast Picus zu Pferde nach links einem Eber nach, ihm folgt dichtauf C. in einer Wolke, um ihn zurückzuhalten. Bl. 137 (Abb. 6) zeigt dann die Verzauberung des Königs: im Zauberkreis steht er, schon mit dem Kopf des Spechts, und die wolkenumhüllte Zauberin umkreist ihn in wildem Lauf; mantische Symbole liegen am Boden. Auf Bl. 138 endlich bedrängen die Diener des Picus die in ihrer Mitte stehende C.; mit erhobenen Waffen verlangen sie stürmisch die Rückverzauberung ihres Herrn, während links in Höllenwolken Drachen und Teufel erscheinen, die sich C. zu ihrem Schutz herbeigerufen hat.

Zu den Abbildungen

1. Circe verwandelt die Gefährten des Odysseus. Holzschnitt aus Boccaccios Buch von den berühmten Frauen. Ulm, Johann Zainer (1473). Phot. G.N.M.

2. Bruder Anton Pelchinger, illustrierte Hs. des Defensorium. München, St.Bibl., Clm. 18 077. fol. 50 r. Kolorierte Federzeichnung. 1459. Phot. RDK.

3. Danzig, Paramentenschatz der Marienkirche. Maria Magdalena inmitten der bösen Lüste, farbige Stickerei auf einem Chormantel, 1. H. 15. Jh. Nach W. Mannowsky I, Berlin 1931, Farbtaf. I.

4. Melchior Küsel (1626 – um 1683) nach Primaticcio. Blatt 18 der Odysseefolge, Kupferstich. 1681. Phot. G.N.M.

5. Ehem. Slg. Benda, Wien. Circe füttert Bär und Hirsch, Bronzerelief 21,7 × 11,7 cm. Paduanisch Ende 15. Jh. Phot. unbekannt.

6. Joh. Wilh. Baur (um 1600–1640), Circe verwandelt Picus, Blatt 137 der Ovidfolge. Kupferstich. Erschienen 1641. Phot. St. Graph. Slg. München.

Literatur

1. Roscher II, 1, 1193–1204 (Seeliger). – 2. Pauly-Wissowa XI 501–505 (Bethe).

Verweise