Christus als Kaufmann

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englisch: Christ as pedlar; französisch: Christ marchand; italienisch: Cristo mercante.


Wolfgang Stammler (1953)

RDK III, 669–673


RDK III, 671, Abb. 1. Basel, 1491.
RDK III, 671, Abb. 2. Holzschnitt, um 1470-75.

1. Gestützt auf das Gleichnis Mt. 13, 45ff. (Iterum simile est regnum caelorum homini negotiatori quaerenti bonas margaritas. Inventa autem una pretiosa margarita abiit et vendidit omnia, quae habebat, et emit eam) ist im Mittelalter Christus öfter in der Rolle eines Kaufmanns verwendet worden. In der mystischen „Rede von den Fünfzehn Graden“, die um 1300 vielleicht in Köln entstanden ist, kommt und geht Christus der Kaufmann, bringt Gold, Silber und Edelsteine mit, das ist Trost für die Seelen, die glauben, er sei ihnen ferne [4]. Oder ein anderes Beispiel: Im Berliner mgo. 19, im 15. Jh. im Elsaß geschrieben, befindet sich auf Bl. 86 a–b ein Gedicht, in dem wiederum das Jesuskind als Händler erscheint; es beginnt mit den Versen: „Jhesus liebes kindelin, wasz brinst in dinem kerbelin? Ich bring garn, gent mir das gelt. Mine mutter ist gar arm in der welt.“ Geiler von Kaisersberg gebraucht das Bild in seiner Predigtsammlung „Schiff der Poenitenz“ (1514), S. 219ff. Gern wird das Motiv im Barock verwendet; nur zwei Beispiele: bei dem Jesuitenpater Hieremias Drexel in: „Caelum Beatorum Civitas“ (München 1635) I S. 46 (deutsch: „Der Himmel, die ewige Bleibstatt aller Seligen“, Würzburg 1662, S. 479), und bei Andreas Strobl in: „Ovum Paschale Novum“ (1694), S. 485.

2. Besonders weit verbreitet war im Mittelalter eine kleine erbauliche Geschichte, die auch als „Christus mit den Sieben Laden“ bezeichnet wird.

Der Inhalt ist kurz folgender: Ein reicher Kaufmann hört die Predigt vom Evangelium: Wer Christus nachfolgen will, der verschenke all sein Gut. Davon ergriffen, handelt er danach und begibt sich als Einsiedler in die Wildnis. Doch läßt er sich durch den Teufel verleiten, wieder zu seinem früheren Stand zurückzukehren, um Geld und Gut zu gewinnen. Auf dem Wege zur Stadt begegnet ihm ein Kaufmann mit seinem Wagen, auf dem er sieben Laden mit sich führt. Diese bergen erlesene Kostbarkeiten (Gegenüberstellung mit den sieben Seligkeiten). Christus – das ist der reisende Kaufmann – bietet diese sieben Laden als seine Waren nacheinander dem Flüchtling zum Kauf an. Jede Lade wird in ihrer Beziehung zum religiösen und menschlichen Leben mystisch ausgedeutet, ebenso der dafür geforderte Kaufpreis. Durch diese Erläuterungen sieht sich der ehemalige Einsiedler veranlaßt, seine Rückkehr in die Welt aufzugeben und wieder in die Einsamkeit zu gehen.

Diese kleine Geschichte gehört mit in den großen Kreis der mystischen Exempel, die seit dem 14. Jh. in Predigten und Erbauungsschriften mannigfach auftauchten und in mehr oder weniger veränderten Fassungen über das ganze deutsche Sprachgebiet wanderten. Auch unser Exempel existiert in zwei Fassungen, von denen die längere in eine Art Rahmenerzählung hineingestellt ist. Wahrscheinlich ist es um 1400 in Straßburg oder im Elsaß entstanden [3].

Der Traktat läßt sich in mindestens 25 Hss., einem Wiegendruck und acht Drucken des 16. Jh. nachweisen (Aufzählung bei [6] nicht ganz vollständig). In mehreren Hss. sind ihm, wie nicht selten bei diesem mystischen Erzählungsgut [2], getuschte Federzeichnungen beigegeben, die, oft rührend unbeholfen, den Verlauf der Handlung und die Bedeutung des Warenangebotes unterstreichen sollen. Auch die Drucke sind mit Holzschnitten verziert. Gleich die Inkunabel (Basel 1491, Amerbach; Abb. 1) weist acht Holzschnitte auf, die zweifellos nach einer derartigen illustrierten Handschrift angefertigt worden sind ([3]; Schramm, Frühdrucke 21, 592 u. 599). Die späteren Drucke zeichnen sich wenigstens durch einen Titelholzschnitt aus, den sie sämtlich in gleicher Art wiederholen.

Die Zeichnungen zu diesem Traktat gehören in den Kreis der mystischen Bildkunst. Sie versuchen, mit Stift und Farbe den beabsichtigten asketischen Eindruck auf das Gemüt des Lesers oder vor allem der Leserin zu verstärken. Künstlerisch nicht hochstehend, offenbaren sie doch die Seele des spät-m.a. Menschen, der auch mit diesen bildlichen Mitteln Gott näherzukommen suchte.

In einigen Neujahrsblättern findet man das Christkind als fahrenden Kaufmann, z. B. auf einem schwäbischen Einblattholzschnitt von 1470–75 (Abb. 2). Der Torwächter fragt: „wer ist vor dem tor?“, das Christkind antwortet: „es ist ih bringet guot ior.“

Zu den Abbildungen

1. Holzschnitt aus „Von siben kostlichen geistlichen laden“, Basel, Johann Amerbach, 1491. Die 2. Lade mit dem „mächtigen Land“, das Christus um einen Erdknollen feilbietet. Nach Bodenseebuch 17, 1930, S. 82.

2. Holzschnitt mit Neujahrsglückwunsch, schwäbisch um 1470–75. Nach Paul Heitz, Primitive Holzschnitte, Straßburg (1913), Nr. 16.

Literatur

1. Albert Bachmann und Samuel Singer, Deutsche Volksbücher (= Publikationen des Stuttgarter Litterarischen Vereins Bd. 185), Tübingen 1889, S. 247ff. (Nachdruck der Legende von den 7 Laden nach einer Züricher Hs.). – 2. Romuald Banz, Christus und die minnende Seele, Breslau 1908, S. 223ff. – 3. R. Frauenfelder, Christus als Kaufmann, eine Legende aus dem Kreise spät-m.a. Gottesfreunde, in: Das Bodenseebuch 17, 1930, S. 78ff. – 4. J. B. Schoemann, Die Rede von den fünfzehn Graden, Berlin 1930, S. 13. – 5. A. Spamer, Das kleine Andachtsbild, München 1930, S. 45 und Tafel 187. – 6. Wieland Schmidt, Christus und die sieben Laden, in: Festschrift Eugen Stollreither zum 75. Geb., Erlangen 1950, S. 261ff.

Verweise