Beichtstuhl (confessionale) (B. In der protestantischen Kirche)

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englisch: Confessional (Protestant); französisch: Confessional (protestant), confessionnal (protestant); italienisch: Confessionale (protestante).


Alfred Wiesenhütter († 10. 4. 1936) (1938)

RDK II, 194–199


RDK II, 193, Abb. 1. Lukas Cranach d. Ä., Wittenberg, um 1547.
RDK II, 195, Abb. 2. Görlitz, Peterskirche, um 1694.
RDK II, 195, Abb. 3. Königsberg i. Pr., Dom, um 1690.
RDK II, 197, Abb. 4. Kittlitz, 18. Jh.
RDK II, 197, Abb. 5. Königsberg i. Pr., Haberberger Pfarrkirche, 18. Jh.
RDK II, 197, Abb. 6. Kittlitz, 18. Jh.
RDK II, 199, Abb. 7. Rostock, St. Nikolai, Moltkescher Beichtstuhl, 1741.

Der evangelische B. ist zu verstehen als Schöpfung der prot. Form der Beichte in ihrem Unterschied von der Ohrenbeichte (vgl. Sp. 183/84). Die reformierte Kirche ließ mit der Ohrenbeichte jede kirchliche Privat- oder Einzelbeichte fallen. Anders die lutherischen Kirchen. Die Privat- oder Einzelbeichte vor dem Empfang des Abendmahls hatte zwar nicht sakramentale Geltung, war aber kirchliche Pflicht. Diese kirchliche Pflicht ist im Laufe des 18., allgemein erst im 19. Jh. durch die gemeinsame „allgemeine“ Beichte ersetzt worden. Der Pietismus hat den B. als einen der vier „Kirchengötzen“ leidenschaftlich bekämpft und ist neben der Aufklärung einer der Totengräber der Einzelbeichte wie des B. geworden.

Vielerorts, namentlich in kleineren, ärmeren Gemeinden diente für den Zweck der Einzelbeichte eine der Bänke in der Nähe des Altars. Sitte wurde jedoch die Einrichtung eines besonderen B., in dem die Hochschätzung der Beichte und Absolution ihren monumentalen Ausdruck suchte. Zobel [2] weist allein in Schlesien (Abb. 2) 64 prot. B. nach, darunter befindet sich ein erst im Jahre 1842 gestifteter; in Ostpreußen (Abb. 3 und 5) lassen sich sogar über 100 B. feststellen [3 u. 4], der älteste von 1559 (Pillkallen), die jüngsten in Biedermeierformen (Steinbeck bei Königsberg, 1818); auch in Sachsen (Abb. 4 u. 6) gibt es zahlreiche B. – In den Stadtkirchen entsprach die Zahl der B. in der Regel der Zahl der amtierenden Geistlichen. In Breslau besitzen noch heute die Elisabeth- und die Magdalenenkirche je 5 B.

Im allgemeinen wird der B. im Altarraum aufgestellt. In seiner ausgebildeten Form wurde er häufig mit dem Aufgang zur Kanzel organisch verbunden. Er fand aber auch gelegentlich seinen Platz in der Sakristei. In Riemberg (Schlesien) und anderswo hat man aus diesem Grunde auf die Sakristeitür den reuigen Petrus gemalt.

Die Gestaltung des B. hat eine reiche Entwicklung durchgemacht. Verhältnismäßig einfach ist die Form eines Stuhles mit hoher Rücklehne und seitlichen Armstützen – das Beichtehören zog sich oft stundenlang hin – davor oder rings umlaufend eine Kniebank. Instruktiv ist die Darstellung auf dem Wittenberger Flügelaltar von Cranach (1547), die den die Schlüsselgewalt handhabenden Bugenhagen vorführt (Abb. 1). Der Reformator absolviert einen der Beichtenden, während er dem andern die Absolution versagt. – Der nächste Schritt ist die Anbringung eines von der Rücklehne vorkragenden Baldachins, der bei reicherer Ausführung von Vorderstützen getragen wird. Hier sitzt der Geistliche wie in einem offenen Gehäuse (Abb. 2-5). Zur Fernhaltung unerwünschter Störungen schloß man seit dem 17. Jh. den Sitz des Geistlichen mitunter durch Schiebegitter oder Glasfenster ab. In der Regel nimmt der Beichtende außerhalb des B. Platz, es kommt aber auch vor, daß er neben dem Geistlichen im B. sitzt (Abb. 6).

Neben den B. tritt, ebenfalls im 17. Jh., eine Art Beichtkammer, ein meist rechteckiges, allseitig geschlossenes, mit Fenstern oder Gittern und Türen versehenes Gehäuse, in dem der Geistliche und der Beichtende – vielfach, doch keineswegs immer durch eine Art Schalterwand getrennt – Platz fanden (Abb. 7). Aus Sachsen berichtet Franke [1]: „In der Regel hatten die evangelischen Beichtstühle eine Zwischenwand, die den ganzen Raum in zwei Teile teilte. Zu jedem dieser Räume führte eine Tür; durch die eine trat der Geistliche in den Beichtstuhl, durch die andere der Konfitent. Bisweilen ließ man jedoch diese Zwischenwand weg, behielt aber die beiden Türen bei.“ Diese Beichtkammer ist in allen Teilen Mittel- und Norddeutschlands verbreitet und im Barock durch bunte Bemalung und plastische Dekorationen zu wahren Prunkstücken gestaltet worden; in Norddeutschland ist sie in der Regel nicht unterteilt. – Der Beichtgroschen, gegen den die Opposition des 18. Jh. einen ihrer Hauptangriffe richtete, zog den Einbau von Geldkästchen nach sich. Es fehlte auch nicht an Vorrichtungen zum Zählen der Beichtenden durch einfache Tafeln, auf die die Zahlen mit Kreide geschrieben wurden, oder Zählbrettchen (Beichtbrett) zum Weiterstecken eines Pflöckchens.

Mit der architektonischen und dekorativen Ausgestaltung hielt die Ausbildung des Bilderkreises gleichen Schritt. Davon vermittelt die Beschreibung einiger hervorragender Beispiele aus der Blütezeit die beste Anschauung. Die Friedenskirche in Jauer besitzt drei B. von 1683 und einen vierten von 1708. 1. Stuhl: An der Vorderseite König David, der zum Himmel emporblickt und mit Seufzen bekennt: peccavi. Im Innern das Wort (lateinisch und deutsch): Sei du dein Verkläger, so wird Gott dein Verschoner (Augustin). 2. Stuhl: Einem auf den Knien liegenden Sünder reicht der Heiland eine Tafel mit den darauf geschriebenen Worten: Dir sind deine Sünden vergeben. 3. Stuhl: An der Vorderseite die große Sünderin (Lukas 7), die zu den Füßen Jesu liegt und diese küßt. Im Innern steht geschrieben: Gott hungert gleich nach der Verbrecher ihrem Seufzen und dürstet nach der Sünder Tränen. 4. Stuhl: An der Vorderseite Petrus, der seine Verleugnung bereut; im Innern: In den bitteren Tränen der Buße findet man die Süßigkeit eines guten Gewissens.

Großartige Beispiele sind zwei Görlitzer B. von 1694, denen sich ein dritter von 1717 zugesellt. Der B. rechts vom Altar zeigt als Vorderstütze des Baldachins den Zöllner, wie er an seine Brust schlägt, und den verlorenen Sohn. Über dem Eingang eine goldene Krone mit grünen Zweigen und Engel mit den Schlüsseln und einem Palmenzweige. Der B. auf der andern Seite des Altars (Abb. 2) zeigt als Träger des Baldachins den König David (zu seinen Füßen Harfe, Szepter und Krone) und den König Manasse, der an eine – jetzt nicht mehr vorhandene – Kugel angeschlossen ist. Beide Könige tragen Schrifttafeln mit der Bitte um Vergebung. Zwei B. in Marienwerder aus dem Anfang des 18. Jh. sind mit Lesepult, seitlichen Türen und geschweiften Baldachinen versehen, die von 4 Figuren getragen werden. Auf dem Baldachin des einen B. die Gestalt des guten Hirten, auf dem des andern Christus als Schmerzensmann. Die Füllungen tragen Reliefs: Christus in Gethsemane, die bußfertige Sünderin, Pharisäer und Zöllner, die Rückkehr des verlorenen Sohnes, die Buße König Davids, die Verleugnung des Petrus, den verlorenen Groschen, das blutflüssige Weib.

Zu den Abbildungen

1. Lukas Cranach d. Ä., Altar in der Stadtkirche zu Wittenberg, rechter Flügel, Ausschnitt, c. 1547 (vgl. RDK. I, Sp. 565/66, Abb. 2). Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.

2. Görlitz, Peterskirche, prot. Beichtstuhl, um 1694. Phot. Regierungsbaumeister a. D. Joh. Zobel.

3. Königsberg i. Pr., Dom, prot. Beichtstuhl von Isaac Riga, um 1690. Nach Ulbrich [3].

4. Kittlitz (Sachsen), prot. Beichtstuhl, 18. Jh. Phot. Sächs. Landesamt für Denkmalpflege, Dresden.

5. Königsberg i. Pr., Haberberger Pfarrkirche, prot. Beichtstuhl, 18. Jh. Nach Ulbrich [3].

6. Kittlitz (Sachsen), zweisitziger prot. Beichtstuhl, 18. Jh. Phot. Sächs. Landesamt f. Denkmalpflege, Dresden.

7. Rostock, St. Nikolai, Moltkescher Beichtstuhl, 1741 (darunter die Gruft des Stifters). Phot. Prof. R. Sedlmaier, Rostock.

Literatur

1. R. Franke, Gesch. der evang. Privatbeichte in Sachsen, Beitr. z. Sächs. Kirchengesch. XIX, 1906, S. 81ff. 2. Alfred Zobel, Beichtstühle in schlesischen evangelischen Kirchen, Evang. Kirchenblatt für Schlesien 1932, Nr. 31/32. 3. Anton Ulbrich, Gesch. der Bildhauerkunst in Ostpreußen, 2 Bde., Königsberg o. J. (1926-29). 4. Georg Stuhlfauth, Privatbeichte und prot. Beichtstühle in Ostpreußen, Monatsschrift f. Gottesdienst u. kirchl. Kunst 40, 1935, S. 231ff.

Verweise