Beichtstuhl (confessionale) (A. In der katholischen Kirche)

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englisch: Confessional (Roman Catholic); französisch: Confessional (catholique), confessionnal (catholique); italienisch: Confessionale (cattolico).


Edmund W. Braun-Troppau und Otto Schmitt (1938)

RDK II, 183–194


RDK II, 185, Abb. 1. Mailänder Stundenbuch, um 1416.
RDK II, 185, Abb. 2. St. Lorenzen ob Murau, 1607.
RDK II, 187, Abb. 3. Stromberg, 1. H. 17. Jh.
RDK II, 187, Abb. 4. Grauhof b. Goslar, M. 17. Jh.
RDK II, 187, Abb. 5. Coesfeld, 1706.
RDK II, 187, Abb. 6. München, St. Joh. Nepomuk, 1733.
RDK II, 187, Abb. 7. Zwiefalten, um 1750.
RDK II, 189, Abb. 8. Weltenburg, um 1735.
RDK II, 189, Abb. 9. Ullersdorf, um 1735.
RDK II, 189, Abb. 10. Ottobeuren, um 1750.
RDK II, 189, Abb. 11. Rot a. d. Rot, um 1785.
RDK II, 191, Abb. 12. Emanuel Eichel d. Ä., um 1740.
RDK II, 191, Abb. 13. Schlesien, um 1750. Troppau.

Zahlreiche ältere Darstellungen des Bußsakraments zeigen, daß dem MA. der B. in seiner heutigen Form unbekannt war; der beichthörende Geistliche saß vielmehr in einem sich von profanen Sitzmöbeln in nichts unterscheidenden Lehnstuhl, und vor oder neben ihm kniete der Beichtende (Mailänder Stundenbuch, Abb. 1, Sakramentsaltar des Roger van der Weyden in Antwerpen, Taufstein der Marienkirche in Reutlingen, Kanzeldeckel zu St. Stephan in Wien usw. Vgl. Sakramente). Auch die Beichtszene am Sakramentshaus von 1594 im Erfurter Dom zeigt noch diesen Typus. – In Deutschland haben sich sicher als B. anzusprechende Denkmäler des MA. oder des 16. Jh. in keinem Fall erhalten; die von Otte und anderen genannten angeblich spätgotischen B. in Obernkirchen (Inv. Reg.Bez. Kassel 3, Taf. 105) und in Königsberg (Dom) sind Zwei- bzw. Dreisitze und haben mit der Beichte ebensowenig zu tun wie eine zweiteilige Wandnische im Chor der Klosterkirche zu Lorch (Wttbg.). Bevorzugter Standort des B. war in Deutschland im späteren MA. der Raum hinter dem Hochaltar, weshalb die Rückseite des Altarretabels häufiger mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichtes oder ähnlichen Themen bemalt war (vgl. etwa St. Jakob in Rothenburg); doch wurde die Aufstellung an diesem Ort später untersagt [1 S. 44].

Die Geschichte des an einen festen Ort gebundenen B. in seiner heutigen Gestalt beginnt erst mit dem Konzil von Trient, dessen 14. Sitzung vom 25. November 1551 die Bedeutung des Bußsakraments nachdrücklich betonte. Angeregt durch den Hl. Karl Borromäus († 1584) wird in der Folge der B. mit Trennungswänden und Sprechgittern zwischen Priester und Beichtkind allgemein üblich, namentlich nachdem das Rituale Romanum (1614) eine entsprechende Vorschrift aufgenommen hatte („Habeat in Ecclesia sedem confessionalem ... quae sedes patenti, conspicuo, et apto Ecclesiae loco posita, crate perforata inter poenitentem et Sacerdotem sit instructa. Die jetzt gültige Fassung im C.J.C. can. 909 § 2). Im Norden fand der B. dieser Form seit rund 1600 im Gefolge der Gegenreformation Eingang (1598 wurde in der Jesuitenkirche, jetzt Pfarrkirche, zu Schweidnitz eine sella seu cathedra pro audiendis confitentibus aufgestellt; Zs. f. Gesch. Schlesiens 15, S. 563). Die ältesten erhaltenen B. in Deutschland gehen in den A. 17. Jh. zurück. Während die Zahl der Denkmäler zunächst noch gering ist, wächst sie in der 2. H. 17. Jh. rasch an, um im 18. Jh. einen geradezu ungeheuren Umfang anzunehmen.

In seiner entwickelten Form besteht der B. in einem dreiteiligen, nur nach vorn offenen Gehäuse. Der Mittelteil enthält eine Sitzbank für den Priester, in den Seitennischen ist je eine Kniebank für den Beichtenden angebracht. Gitter in den Zwischenwänden, die durch Schiebetüren geschlossen werden können, stellen die Verbindung zwischen dem Priester und dem Beichtenden dar. Im Laufe der Zeit wird der Priesterplatz vorn durch eine niedrige Tür oder durch einen Vorhang oder auch durch beides abgeschlossen. Vereinzelt werden schon im 18. Jh. auch vor den Seitennischen Türen mit durchbrochenen Füllungen, in neuerer Zeit auch wohl Glastüren angebracht.

Der älteste uns bekannte B. im Norden, in St. Lorenzen ob Murau in Steiermark (Abb. 2 [6]) besteht aus einem erhöhten offenen Lehnstuhl, an den sich auf einer Seite eine Kniebank anlehnt; eine Trennungswand fehlt noch und damit auch das Sprechgitter. Daß es sich wirklich um einen B. handelt, beweist die Inschrift an der Kniebank: Maria. Peichtet den Herrn deine Sünde, es ist gvt; Peichtet seiner Mvter, dan ihr parmherzigkeit weret ewigligk. Der Aufsatz der Kniebank enthält oben einen Schlitz zum Einwerfen des „Beichtgroschen“ [2 Sp. 103]. An der Rückwand des Priestersitzes die Jahreszahl 1607. – Ein nur wenig jüngerer B. in der Kreuzkirche zu Stromberg (Abb. 3) hat schon die symmetrisch-dreiteilige Anlage. Zwar entbehrt er noch des seitlichen und oberen Abschlusses, zeigt aber bereits eine durchlaufende Rückwand und zu beiden Seiten des Priestersitzes hohe Zwischenwände mit Sprechgittern und Schiebetüren. Der durchlaufende Sockel dient in den Seitennischen als Kniebank; zum Aufstützen der Arme sind hohe Kästen eingebaut. Einen ähnlichen Typus, doch mit betonten Seitenwangen, vertritt noch ein B. von 1696 in Heiligelinde in Ostpreußen (A. Ulbrich, Bildhauerkunst I, S. 46), und auch in späterer Zeit kommen nach oben offene B. immer wieder vor. Seit dem mittleren 17. Jh. bildet aber der überdachte B. die Regel. Wir nennen als verhältnismäßig frühe Beispiele die B. in Kloster Grauhof bei Goslar (Abb. 4) und in Stift Geras in Niederösterreich [5 S. 437]. Sie sind nunmehr seitlich und oben ganz geschlossen (die Tür vor dem Priestersitz ist in beiden Fällen modern) und nach architektonischen Gesichtspunkten durchgebildet. In Grauhof tragen schwere Außenwände, vor denen gewundene Säulen stehen, einen kräftigen, über alle drei Nischen durchlaufenden Architrav, den ein mächtiges Knorpelwerk-Ornament bekrönt. In Geras ist das Mittelstück leicht erhöht; alle drei Nischen öffnen sich in Rundbogen, über denen ein gebrochenes Gebälk liegt.

Seit dem Ausgang des 17. Jh. wird die rechteckige Kastenform des B. vielfach durch einen im Kern trapezförmigen Grundriß abgelöst (Abb. 5; 1706); die Seitenteile werden zu dreieckigen Nischen verkleinert und so dem Mittelstück, das seinen rechteckigen Grundriß beibehält, stärker untergeordnet. Neben künstlerischen Gründen (Barock!) dürften dabei auch praktische Erwägungen eine Rolle gespielt haben, da die neue Anordnung den Beichtenden gewissermaßen in eine diagonale Stellung und damit in bequemere Verbindung mit dem Priester bringt. Das 18. Jh. ersetzt die trapezförmige Grundform bald durch kurvig geführte Grundrisse von prächtigem Schwung. Der fast regelmäßig in seiner unteren Hälfte durch eine Tür geschlossene Priestersitz baucht sich nach vorn vor, die meist offenen und vielfach nicht oder nur knapp überdachten Seitennischen schwingen zurück (Abb. 10). Im Aufbau steigert sich die Höhe und der Reichtum des ornamentalen und figürlichen Schmuckes nach der Mitte zu. Erst im späteren 18. Jh. klingen Bewegung und Reichtum allmählich wieder ab (Abb. 11). – Neben der bevorzugten symmetrisch-dreiteiligen Form kommen in besonderen Fällen immer auch wieder einfachere Typen vor. Zweiteilige B. scheinen besonders in Sakristeien (wo die Schwerhörigen zu beichten pflegen) bevorzugt zu werden; Beispiele des 17. Jh. in St. Lambrecht (Steiermark) und in Tuntenhausen (B.-A. Rosenheim, 1647), aus dem 18. Jh. in Pfaffen-Schwabenheim (Rheinhessen), immer in geschickter Verbindung mit dem Sakristeimobiliar. Auch in Beyharting (Obb., c. 1670), Weltenburg (Abb. 8) und in Stift Melk finden sich zweiteilige B., hier mit schönen durchbrochenen Türen. Selbst der einteilige B. mit angelehnten offenen Kniebänken, doch mit Überdachung des Priestersitzes und Sprechgittern, kommt im 18. Jh. vor: in einer Ecke eingebaut in der Pfarrkirche zu Oberglogau (Schlesien), ganz im Sinn eines fürstlichen Prunkmöbels in Schloß Ullersdorf in Mähren (Abb. 9).

Viele Kirchen besitzen B. des 18. Jh. in größerer Zahl (bis zu 12), die durch wirksame Verbindung mit der Architektur (Einbau in Wandnischen, Abb. 8, Einbeziehung in die Stuckdekoration der Wände usw.) mitunter von großer Bedeutung für das Raumbild sind. Ungewöhnlich ist die architektonische Verbindung eines B. mit der Kanzel (1774 Clausen, Kr. Wittlich, Inv. Rheinprov. 12, IV S. 90), oder die Verquickung von Chorgestühl und B. (Münster bei Neuburg a. d. Donau). Ein Beispiel für Doppelbeichtstühle (zwei unmittelbar aneinandergereihte dreiteilige B.) in Waidhofen a. d. Thaya (Inv. Österreich 6, S. 161).

Nicht minder bedeutend als die Zahl der deutschen (und niederländischen) B. ist ihre Qualität. In der Regel sind sie von den gleichen Künstlern entworfen und von denselben Meistern ausgeführt, die auch die Altäre und Chorgestühle geschaffen haben. Die Mannigfaltigkeit der Lösungen ist so groß, daß wir darauf verzichten müssen, einzelne Beispiele zu nennen. Gelegentlich kommt es zu recht absonderlichen Lösungen wie etwa in Zwiefalten (Abb. 7), wo der Charakter einer Felsgrotte nachgeahmt ist und Palmbäume die drei Nischen einfassen. – Der riesige Bedarf an B. führte dazu, daß zahlreiche, bes. Augsburger Kupferstecher (Sal. Kleiner, J. C. Junck, die Hertel und die Klauber; J. J. Schübler in Nürnberg u. a.) Einzelblätter und ganze Folgen von Entwürfen für B. auf den Markt brachten (vgl. Kat. der Ornamentstichslg. des Kunstgewerbemus. Berlin). Einen gezeichneten Rokokoentwurf des Augsburger Kistlers Em. Eichel d. Ä. († 1752) besitzt die Staatl. Kunstbibl. Berlin (Abb. 12), einen etwas älteren und einfacheren das Schles. Denkmalarchiv in Breslau. Ein schönes Terrakottamodell schlesischer Herkunft im Landesmus. Troppau (Abb. 13).

Der bildliche Schmuck der B. des 18. Jh. ist von großer Mannigfaltigkeit. Nicht immer steht er inhaltlich in unmittelbarer Beziehung zum Sakrament der Buße, so etwa wenn auf zwölf B. die Statuen der Apostel aufgestellt (Abb. 11) oder wenn die Apostel in Reliefs oder Gemälden an oder über den B. angebracht werden. Dagegen beziehen sich eindeutig auf Reue, Buße und Vergebung Darstellungen wie der reuige Petrus (Abb. 8 und 12), der verlorene Sohn, der reuige Zöllner, der gute Schächer, Maria Magdalena (Abb. 13), Maria Egyptiaca, St. Hieronymus, der hl. Bruno einen Toten erweckend (Abb. 6), St. Joh. Nepomuk, der gute Hirte oder auch alttestamentliche Personen wie König David. Mit Vorliebe werden lächelnde und weinende Putten oder Puttenköpfe, Totenschädel oder Engel mit den zehn Geboten angebracht. Auf den vier schönen B., die der Tiroler F. X. Nißl 1774 für die Klosterkirche Fiecht bei Schwaz schuf, knien nahezu lebensgroße Figuren von Benediktinermönchen als Personifikationen der „Beichterfordernisse“ (Gewissenserforschung, Reue, Vorsatz, Genugtuung; vgl. Münchner Jb. N. F. 3, 1926, S. 149f.). In Buchau sind die acht B. von Heiligengruppen bekrönt, die man auf Dismas (den guten Schächer), St. Wilhelm(?), Aloysius, Nikolaus von der Flue, Magdalena, Maria Egyptiaca, die römische Matrone Paula (?) und Margarita von Cortona deutet (Inv.Württemberg, OA. Riedlingen, S. 66 und briefl. Mitt. des Stadtpfarrers Endrich in Buchau). Besonders reichen Schmuck tragen zwei B. des 18. Jh. im Dom zu Hildesheim (Inv. Hannover II, 4 Teil 1, S. 60 u. briefl. Mitt. von Prof. Dr. K. Algermissen, Hildesheim). Vor den Außenwänden sind Halb-, vor den Zwischenwänden Ganzfiguren angebracht: Göttl. Gnade und innere Einkehr, Gewissenserforschung und Buße am einen, Reue (mit Schlange, die in ein Herz beißt), Reinigung von der Sünde (Hände auf der Brust gekreuzt, zu Füßen Lamm und umgestürzte Krone), Buße (Frau in härenem Gewand und Ketten, Totenschädel) und Wiedergutmachung durch gute Werke (Brot und Krug). – Daneben liebte man es, die B. mit sinnreichen Sprüchen aus der hl. Schrift zu versehen; P. J. Geistberger hat eine Reihe derselben in den Christl. Kunstblättern (Bd. 46, Linz 1905) gesammelt und auch bei Atz-Beissel, Kirchl. Kunst in Wort und Bild, sind im Artikel „B.“ einige angeführt.

Zu den Abbildungen

1. Mailänder Stundenbuch, um 1416. Beichte und Kommunion. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.

2. St. Lorenzen ob Murau (Steiermark), B. von 1607. Nach [6].

3. Stromberg (Westfalen, Kreis Beckum), Kreuzkirche, 1. H. 17. Jh. Phot. Denkmalamt der Prov. Westfalen, Münster.

4. Grauhof b. Goslar, M. 17. Jh. Phot. H. Werle, Goslar.

5. Coesfeld (Westfalen), B. von 1706. Phot. Denkmalamt der Prov. Westfalen, Münster.

6. München, St. Johann Nepomuk, B. von E. Q. Asam, 1733. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.

7. Zwiefalten, B. um 1750. Phot. Landesamt f. Denkmalpflege, Stuttgart.

8. Weltenburg, Klosterkirche, B. in der Vorhalle, Marmor. Von Jak. Kürschner, um 1735. Phot. Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, München.

9. Ullersdorf (Mähren), Schloß, B. um 1735. Phot. Verf.

10. Ottobeuren, Klosterkirche, B. um 1750. Phot. Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart.

11. Rot a. d. Rot, Klosterkirche, B. um 1785. Phot. Landesamt für Denkmalpflege, Stuttgart.

12. Em. Eichel d. Ä. (1690–1752), Entwurf zu einem B. Berlin, Staatl. Kunstbibliothek. Phot. Paul Kleye, Berlin-Lichtenberg.

13. Troppau, Landesmuseum, Tonmodell eines B., um 1750. Phot. Mus.

Literatur

1. Jos. Braun, Liturg. Handlexikon, Regensburg 19242, S. 43f. 2. Buchberger 2, Sp. 96ff. 3. Otte I, S. 293. 4. Bergner S. 290. 5. Jos. Weingartner, Das kirchl. Kunstgewerbe der Neuzeit, Innsbruck 1927. 6. Jos. Graus, Eine Beichtstuhl-Inkunabel, Zs. f. christl. K. 18, 1905, Sp. 361ff.

Verweise