Begine, Beginenhof

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englisch: Beguine, beguinage; französisch: Béguine, béguinage; italienisch: Beghina, beghinaggio.


Elisabeth Hohmann (1938)

RDK II, 181–183


B. sind Mitglieder einer seit 1228 als selbständig anerkannten religiösen Frauengenossenschaft, die aber nicht als geistlicher Orden anzusprechen ist. Sie besteht heute nur noch in Belgien. Der Ursprung der B. ist umstritten. Die Legenden von der Gründung durch die hl. Begga († 694) wie durch die böhmische Königin Beatrice und ihre Töchter Ghiselgundis und Narazarena (Be = ghi = na) sind unhaltbar. Ebenso wird die Gründung durch den Lütticher Priester Lambert de Beghe († 1177), der seinen Anhängerinnen in Lüttich auf seinen ausgedehnten Gütern eine Stätte schuf, wo sie unter seiner Leitung in Weltentsagung und Keuschheit leben konnten, in Frage gestellt. Nach neuester Forschung (Greven [4. 5]) sind die B. wahrscheinlicher aus der allgemeinen Abzweigung frommer Frauenvereinigungen von den Prämonstratenserinnen und Zisterzienserinnen, die den Zustrom nicht mehr aufzunehmen vermochten, hervorgegangen. Ihr Ursprungsort ist auch wohl nicht in Lüttich, sondern im Kreise der sel. Maria von Oignies († 1213) zu Nivelles zu suchen, wo sich kurz vor 1200 der B.konvent von S. Seymhre bildete. Im 13. Jh. kamen sie z. T. unter die Leitung der Bettelorden und assimilierten sich deren dritten Orden, den Tertiariern. Im 14. Jh. erhoben sich vielfach grundlose Anklagen gegen die B. wegen angeblicher mystisch-pantheistischer Ketzereien, die zu blutigen Verfolgungen und zeitweiliger Aufhebung der Genossenschaften führten. Seitdem wurde der Zugang von Angehörigen der höheren Stände seltener; allmählich nahmen ihre Konvente den noch heute bestehenden Charakter von Versorgungsanstalten und Armenhäusern an.

Die Ordensregel der B. verlangt ein Leben in Weltentsagung, frommer Beschaulichkeit und Keuschheit, doch ohne Klausur und Ordensgelübde; ein Rücktritt in die Welt steht der B. jederzeit frei. Zu gemeinschaftlichem Leben sind die B. im B.konvent zusammengeschlossen. Neben täglich dreimaligem Kirchenbesuch und frommer Beschaulichkeit übten sie vor allem Kranken-, Alters- und Waisenpflege und beschäftigten sich mit Handarbeiten (Genter Spitzen), von deren Verkauf sie lebten, während die Wohlhabenden auf eigene Kosten lebten. Jeder B.konvent untersteht der Leitung einer Meisterin, der „Grande Dame“. Früher gab es außer den eigentlichen B. und Novizen noch Damen von Stand („groot-juffer“), welche außer ihrer Wohnung im B.hofe nichts mit diesem zu tun hatten, auch in keiner Weise gebunden waren.

Die Kleidung der B., im Laufe der Jahrhunderte kleinen Änderungen unterworfen, ist noch heute in den verschiedensten Orten unterschiedlich. Sie besteht aus einer schlichten Jacke mit langen Ärmeln und weitem Rock, beides von schwarzer Farbe, und breit deckender Schürze. Die Genter B. legen Sonn- und Festtags ein Kleid von dunkelblauer Farbe an. Die Kopfbedeckung ist eine einfache weißleinene Haube, welche mit zwei Bändern unter dem Kinn befestigt wird. Als Straßentracht wird darüber ein ebenfalls aus Leinen bestehendes großes Tuch getragen, das kunstgerecht wie eine weite Haube gelegt wird, eine Erinnerung an die Frauentracht der Gründungszeit. Weiter gehört zur Kopfbedeckung die „Faille“, ein mehrere Meter großes viereckiges Tuch aus Wolle oder Seide, von meist schwarzer Farbe (in einigen Konventen jedoch aus weißem Leinen), das lang herunterhängend über den Kopf gelegt wird.

Der Einfluß der B. auf die Kunst- bzw. Baugeschichte beschränkt sich auf die Bildung des Beginenhofes. Zu einem vollständigen B.hof gehört eine Kirche mit einem Pfarrer, eines oder mehrere Häuser („Klöster“, in denen die Novizen in Einzelzellen wohnen) sowie eine Anzahl von Einzelhäuschen (Klausen oder Eremitagen, in denen die älteren, langjährigen Insassen in gesonderten kleinen Wohnungen leben), ein Spital und evtl. Wirtschaftsgebäude. Der B.hof ist von einer Mauer umgeben und bildet so einen abgeschlossenen Bezirk. (Einer der größten B.höfe in Gent hatte eine große und eine kleine Kirche, 18 Häuser und 400 Eremitagen, d. h. Platz für ca. 800 B.) Die Kirchen der B.konvente sind meist sehr einfach und nähern sich dem Typ der Bettelordenskirchen. Das Zentrum des Beginentums war stets das heutige Königreich Belgien, wo noch jetzt 20 B.höfe mit über 1300 Insassen bestehen. Von Südflandern verbreiteten sich die B. rasch nach den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Böhmen, Polen. Die Bildung des B.hofes bleibt jedoch auf das Entstehungsland beschränkt.

In Deutschland waren die B. offenbar meistens an die Bettelorden angeschlossen (z. B. hatte Stralsund je ein B.haus bei den Franziskanern und bei den Dominikanern [21]). Es bildeten sich vorwiegend kleine B.konvente oder Einzelhäuser, die in der Stadt zerstreut lagen. So gab es im MA. in Köln 141, in Straßburg 60, in Frankfurt 47 derartige B.häuser. Anscheinend waren sie am Rhein besonders zahlreich, doch sind B.häuser in vielen deutschen Städten nachgewiesen [2].

Die einzelnen Vereinigungen haben allerorts ein stark hervortretendes lokales Gepräge, es fehlt eine einheitliche Organisation. So entstehen die verschiedensten Bezeichnungen: gewillige oder arme Schwestern, Seelnonnen, Klausnerinnen, blaue Nonnen, Kapuzinerinnen; ebenso heißen ihre Wohnstätten auch Einungen, Maidehäuser, Seelhäuser, Regelhäuser, Klausen.

Gelegentlich erinnern noch heute die Namen der Kirchen (z. B. Duisburg) oder Straßen (Duisburg, Wesel, Braunschweig) an die B. An einzelnen Orten haben sie sich als „Schwesternhäuser“ und Altersheime bis in die Gegenwart erhalten (Essen, Bamberg, St. Annenhaus in Stralsund).

Es sei hier noch kurz auf die gleichartigen Männerkonvente der Begarden hingewiesen, deren ersten wir um 1230 begegnen. Ihr Gewerbe besteht in Weberei oder Brauerei, hauptsächlich aber leben sie vom Betteln. Die Reformationszeit überdauerten nur die dem Franziskanerorden angegliederten Genossenschaften.

Literatur

1. Buchberger 2, Sp. 89ff. 2. Heimbucher 2, S. 637ff. 3. Herzog-Hauck 2, S. 516ff. – In [1–3] die ältere Literatur. – 4. Jos. Greven, Die Anfänge des Beginenwesens, Münster 1912. 5. Ders., Der Ursprung des Beginenweiens, Hist. Jb. 35, separat Münster 1914. 6. H. Grundmann, Zur Gesch. d. Beginen im 13. Jh., Arch. f. Kulturgesch. 21, 1930, S. 296ff. 7. L. J. M. Philippen, De Begijnhoven, Antwerpen 1918.

8. J. W. Rost, Die Beginen im ehem. Fürstentum Würzburg, Würzburg 1846. 9. C. Schmidt, Die Straßburger Beginenhäuser, Alsatia Jg. 1858–61, S. 81ff. 10. J. Heidemann, Die Beginenhäuser Wesels, Zs. d. berg. Gesch.Vereins 4, 1868, S. 85ff. 11. Wigger, Urkundl. Mitt. über die Beginen- und Begardenhäuser zu Rostock, Jb. d. Ver. f. meckl. Gesch. und Altertumskunde 47, 1882, S. 1ff. 12. J. Heidemann, Die Beginenkonvente Essens, Beitr. z. Gesch. von ... Essen, H. 9, 1886. 13. K. Keibel, Gesch. d. oberdeutschen Minoritenprovinz, Würzburg 1886, S. 11ff., 220ff. 14. P. Flade, Zur Waldenser- und Beginengesch. d. sächs. Lande, Beitr. z. sächs. Kirchengesch. H. 13, 1898, S. 215ff. 15. G. Liebe, Das Beginenwesen der sächs.-thür. Lande, Arch. f. Kulturgesch. 1, 1901, S. 35ff. 16. W. E. Schwarz, Stud. z. Gesch. d. Augustinerinnen Marienthal gen. Niesing zu Münster, Zs. f. vaterl. Gesch. und Altertumskunde Westfalens 72, 1914, S. 47ff. 17. F. Schröder, Die Beginen in Goch, Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein 75, S. 1ff. 18. G. Meier, Die B. in der Schweiz, Zs. f. Schweizer Kirchengesch. 9, 1915, S. 23ff., 119ff. 19. Jos. Asen, Die Beginen in Köln, Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein 111ff., 1927ff. 20. R. Hoornaert, Le Beguinage de Bruges, Brügge 1930. 21. F. Adler, Die Beginen in Stralsund, Monatsbl. d. Ges. f. Pomm. Gesch. u. Altertumskunde 50, 1936, S. 68ff.

Verweise