Bedel

Aus RDK Labor
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englisch: Collection plate, alms dish; französisch: Plateau de quête, plateau à aumônes; italienisch: Cassetta per la questua.


Hans Wentzel (1938)

RDK II, 167–172


RDK II, 167, Abb. 1. 13. Jh. Stockholm.
RDK II, 167, Abb. 2. 1504, Bützow.
RDK II, 169, Abb. 3. M. 15. Jh., Süsel.
RDK II, 169, Abb. 4. E. 15. Jh., Schwerin.
RDK II, 169, Abb. 5. 16. Jh., Schlagsdorf.
RDK II, 171, Abb. 6. 18. Jh., Soest.

B. (Almosenbrett, Armenbrett, Bettelbrett, Sammelbrett, Almosenschaufel, Klappe; ndt. Bede, Bedel, Bedelt, Belt, Bedelbrede – so schon 1481 belegt [2] –, Brede, Bret, wohl auch tabula, s. Otte I, S. 383; schwed. kollekttavla, norw. almisse tavla) ist ein hölzernes tragbares Gerät zum Sammeln von Geldspenden der stehenden oder sitzenden Gemeinde in der Kirche, aber auch u. U. „alle Quartal vor der Kirche“ (Inv. Lübeck IV, 506). Eine Vorform ist der Klingelbeutel (über Zwischenformen vgl. [8, Abb. 4]); dem gleichen Zweck dienten der Kollektenteller und die Opferschüssel, die aber eine andere künstlerische Wurzel haben. – Das B. ist als fester Typus nur in den Ostseeländern ausgebildet als ein am Ende offenes schaufelartiges Kästchen, das zum Herumreichen an einem kurzen Handgriff (Abb. 1-5) oder einer bis 1,50 m langen Stange (Lübeck) befestigt ist; seltener ist die Schaufel zweigeteilt mit verschließbarem Geldbehälter am Griffende, der sich mit einer schlitzartigen Einziehung zur Schaufel öffnet, so in den B. im St.-Annen-Museum in Lübeck. Die bildliche Verzierung des B. befindet sich an der wandartig erhöhten Rückseite des Kästchens.

Zu den frühesten erhaltenen Beispielen gehört ein B. des 13. Jh. im Historischen Museum zu Stockholm, das unter einer Kleeblattarkade eine thronende Mutter Gottes, neben ihr das stehende Christuskind zeigt, das um den Apfel in der Hand der Mutter bittet (Abb. 1). Eine ganze Anzahl gotischer B. besitzt das Museum in Wisby; J. Roosval, Medeltida Konst i Gotlands Fornsal, Stockholm 19282, nennt 25 B. aus der Zeit von ca. 1250 bis 1500. Davon dürften Nr. 69 und 70 überhaupt den ältesten Typ des B. vertreten. Weitere in den Museen von Lund, Kopenhagen und Bergen (Norwegen). An Darstellungen kommen vor: die Muttergottes (Nr. 40 und 289), Christus und ein Apostel (Nr. 177), Apostel (Nr. 180, 285 und 312), der hl. Olaf (Nr. 223 und 288) und andere Heilige; ausnahmsweise ist die Darstellung gemalt (Nr. 314 mit Kreuzigung aus der Zeit um 1500). Auf deutschem Boden nennen wir die B. in Dischenhagen (Pommern, Kreis Cammin) mit einer Sitzfigur der Muttergottes aus dem 14. Jh. in späterer Montierung, mit der gleichen Darstellung in Neuburg in Mecklenburg, mit St. Georg in St. Marien, Danzig (um 1410 [8, Abb. 2]) und in Trent auf Rügen, mit der Anna selbdritt in Hanstorf (Inv. Mecklenburg-Schwerin III, 720) und Wulfersdorf (Ostprignitz), mit der Flucht nach Ägypten in Dallmin (Westprignitz), mit einem Sitzbischof vom E. 14. Jh. aus Bergedorf (Hamburg, Mus. f. Hbg. Gesch. [9]); weitere B. in Süsel (Ostholstein) mit der Figur eines Diakons (Abb. 3), in Steffenshagen (Mecklenburg) und im Museum in Schwerin aus Brüel mit den Statuetten des hl. Andreas und einer Heiligen (Abb. 4). Ungewöhnlich ist die Darstellung an einem B. aus Roebel in Mecklenburg, jetzt im Museum Schwerin, das über dem Geldkästchen eine von zwei Engeln getragene Monstranz mit der Hostie zeigt (Inv. Mecklenburg-Schwerin V, S. 510). Da auch an Gotteskästen gelegentlich der Leib Christi dargestellt wird, darf angenommen werden, daß das Relief schon ursprünglich für ein B. bestimmt war. Seltener sind Rückwände mit gemalten Darstellungen: ein gotisches B. aus Sieverstedt im Thaulow-Museum in Kiel [9, Abb. 1] zeigt den hl. Petrus. In Schweden lassen sich B. mit gemalten Rückwänden schon im 13. Jh. nachweisen (Roosval, a. a. O., Taf. 7). – Ein B. mit dem Namen „Rippenstößer“ war ehemals in Leer (Ostfriesland) in Gebrauch.

In spätgotischer Zeit wurden zum Schmuck der B. auch Goldschmiedearbeiten verwendet. Das schönste Beispiel besitzt die Marienkirche in Bützow (Mecklenburg) aus dem Jahre 1504 (Abb. 2). Auf einem Sockel steht eine silber-vergoldete Muttergottesstatuette mit Blumenkrone, in der ein Glöckchen hängt. Als Rückwand dient Gitterwerk, dessen Seitenpfosten die winzigen Figürchen des hl. Johannes und der hl. Elisabeth tragen, die zusammen mit Maria die Schutzpatrone der Kirche sind. Neben dem Sockel eine tüllenartige Hülse, wohl für eine Kerze. Das Kästchen für die Geldstücke, die „Schaufel“, ist wie in vielen anderen Fällen erneuert.

Der protestantische Kult übernimmt ohne Änderung die Form des mittelalterlichen B., verwendet aber statt der im Mittelalter vorherrschenden Marien- und Heiligen-Darstellungen mit Vorliebe Statuetten von Evangelisten und Aposteln als Schmuck: in Schlagsdorf (Mecklenburg-Strelitz) ein B. wohl noch des 16. Jh. mit dem Evangelisten Lukas, der auf dem Öchslein sitzt (Abb. 5), aus St. Georgsberg ein B. mit dem hl. Georg (Ratzeburg, Lauenbg. Landesmus.); aus dem 17. Jh. ein B. in Oldesloe (Holstein) mit Petrus und Paulus, den Patronen der Kirche (vielleicht nach einem gotischen B. gearbeitet, das ein Inventar von 1489 nennt [3]); an der Rückwand ein Glöckchen, wie es an Klingelbeuteln üblich ist. Ein B. mit der Gestalt der „Armut“ (vielleicht ein nacktes Christkind) aus St. Nikolai im Mus. Prenzlau. Sechs B. im St. Annen-Museum in Lübeck aus dem 16. und 17. Jh. haben im Gegensatz zu dem üblichen Typus eine gemalte Rückwand, etwa mit dem hl. Laurentius für die Pestkranken. Sie wurden von den dazu erwählten Diakonen herumgetragen. – In Südschweden kommen entsprechend der Ikonographie des Almosenstocks (RDK I, 388ff.) und der Almosentafel auch B. mit dem armen Lazarus vor (Ederstad 1667, Fridlevstad 1682 u.a.), mit einer Almosenspende in Messingtreibarbeit von 1671 ein B. in Lund (Kulturen); entsprechend ein englisches B. von 1626 mit der Inschrift „Remenber the Poore“ in Epping Upland Church [10, Abb. 37] und das einfache B. in Gristow (Pommern, 1621) mit „Gewet, so wert iuw gegewen“.

Neue Formen werden im Barock hauptsächlich in Westfalen geprägt; sie verwischen den älteren Typus, indem sie dem B. eine breite, flache Taschenform geben, die am Ansatz des Stiels offen ist; durch zwei seitliche Führungsleisten wird die Geldspende in den unteren beutelartigen Teil geleitet. Die angebrachte plastische Verzierung ist dementsprechend nicht wie bei dem nordischen rechteckigen Kästchen eine aufrechtstehende Rückwandfigur, sondern ein Relief auf dem taschenartigen Oberteil: entweder in Puttenumrahmung eine Muttergottes im Strahlenglanz (Soest, Wiesenkirche, Abb. Inv. Westfalen, S. 132) oder medaillonförmig Johannes der Täufer mit Kreuzesfahne und Lamm (Sassendorf, Inv. Westfalen, Kreis Soest, S. 72) oder der hl. Thomas mit der Lanze (Soest, St. Thomas) oder mit herzförmigem Ausschnitt für das Einlegen des Geldes (Soest, Wiesenkirche, St. Georg den Drachen tötend, in Rokokoformen; Abb. 6). Das zuletzt genannte wird für gewöhnlich in einer an der Nordwand der Kirche angebrachten Tafel des 18. Jh. eingelassen – unter der Inschrift „Gebet, so wird Euch gegeben“ und dient somit auch als Almosenstock.

Ausnahmsweise sehr reich ist das B. von Hans Gudewerth d. J. im Thaulow-Museum in Kiel [9 Abb. 2]. Die schönsten Rokoko-B. sind die beiden Sammellöffel von Joh. Sam. Schwarz in Gransee von 1776 (Inv. Brandenburg I, 3, Abb. 45). Einfacher die B. in Neustadt (Holstein) und aus Curslack (Hamburg, Mus. f. Hbg. Gesch.). Ungewöhnlich ist die Form eines B. in Ulsnis in Angeln ohne figürliche Ausschmückung mit durchbrochener Rückwand, die als Tragbügel dient, wohl aus der Zeit um 1770 ([4] Abb. 3); ähnliche Rokokoformen nur auf Gotland (s. Inv. I, Abb. 444); vgl. auch das B. in Schönwerder (Brandenburg [8 Abb. 3]). – Noch heute in Gebrauch sind B. in Form von schmucklosen Stangenkästen in Steiermark und Kärnten, zahlreiche in den Museen von Klagenfurt, Innsbruck, Graz; ein mit Holzschnitten des 15. Jh. beklebtes hat A. Weixlgärtner [6] veröffentlicht.

Zu den Abbildungen

1. Stockholm, Hist. Mus. B. aus Everlöw in Schonen, 13. Jh. Holz, Länge 27 cm. Phot. Mus.

2. Bützow (Mecklenburg), Marienkirche. B. mit silbergetriebener vergoldeter Muttergottes von 1504, Höhe 23,5 cm. Die Holzschaufel erneuert. Marburger Photo.

3. Süsel (Schleswig-Holstein), B. aus der M. 15. Jh. Holz. Phot. Provinzialkonservator der Provinz Schleswig-Holstein, Kiel.

4. Schwerin, Landesmuseum, B. aus Brüel, E. 15. Jh., Holz. Phot. Mus.

5. Schlagsdorf (Mecklenburg), B. des 16. Jh. Holz, Länge 20 cm. Phot. Oberkirchenrat Krüger-Haye, Neu-Strelitz.

6. Soest, Wiesenkirche. B. aus Holz, Höhe 33 cm. 18. Jh. Phot. Provinzialkonservator von Westfalen, Münster.

Literatur

1. Bergner, S. 368. 2. F. Crull, Der Belt in der Kirche zu Bützow. Zs. f. christl. K. 2, 1889, Sp. 393. 3. Al. Schnütgen, Romanisches Opferbrett im Nationalmuseum zu Stockholm, Zs. f. christl. K. 11, 1898, Sp. 143. 4. R. Haupt, Noch ein paar Bettelbretter, Zs. f. christl. K. 12, 1899, Sp. 75. 5. Heinrich Frauberger, Über alte Kultusgegenstände in Synagoge und Haus. Mitt. der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler III IV, Frankfurt a. M. 1903. 6. Arpad Weixlgärtner, Ungedruckte Graphik, Jb. Kaiserhaus 1911, S. 276. 7. Joh. Warncke, Über Klingelbeutel, Vaterstädtische Blätter 1917 18, Lübeck 1918, S. 90ff. 8. H. Wentzel, Almosengeräte aus der Provinz Brandenburg, Brandenburger Land 1936, S. 7. 9. Ders., Schleswig-Holsteinische Bettelbretter und andere Almosengeräte, Die Heimat 46, 1936, S. 140. 10. Fred Roe, Ancient church chests and chairs, London 1929.