Bacchus
englisch: Bacchus; französisch: Bacchus; italienisch: Bacco.
Max Goering (1937)
RDK I, 1330–1339
Bacchus (griech. Βάϰχος, Dionysos). Antiker Gott, dessen ursprüngliche Bedeutung ungeklärt ist. Der B.-Kult kam aus Thrakien nach Griechenland. In Attika wurde B. zum Gott des Weins, offenbar bedingt durch die ursprüngliche Kultform, die Bacchanalien, bei denen Wein eine wesentliche Rolle spielte. Auf den antiken Darstellungen ist B. gewöhnlich als Gott des Weines aufgefaßt. B. wird einzeln oder mit anderen Göttern dargestellt, im Triumph des B., in den Bacchanalien, als Personifikation des Herbstes oder nur des Oktobers. Aus den Themen der B.-Mythe wurden in späteren Darstellungen besonders „Geburt des B.“ in Verbindung mit der Geschichte der Semele, „Erziehung B.s bei den Nymphen in Nysa“, „Zug des B. aus Indien mit Mänaden und anderem Gefolge“, „B.s Beziehungen zu Ariadne“ bevorzugt. Auch die Szenen des „Opfers an B.“ sind zu nennen.
Nach den bei allen ähnlichen Themen üblichen Ausstrahlungen der Spätantike in frühchristlicher Zeit kommen B.-Darstellungen im Mittelalter nur ganz vereinzelt vor, wenn auch in der literarischen Produktion antikische Vorstellungen gelegentlich wieder auftauchen. So wird in dem Vagantengedicht des 12. Jh. „Phyllis und Flora“ B. als Anführer der Chöre der Jünglinge und Jungfrauen, Nymphen, Faune und Satyrn im Hain Amors genannt (vgl. Wolfg. Golther, Die deutsche Dichtung im Mittelalter, Stuttgart 1912, S. 139f.). Die wenigen Beispiele der bildenden Kunst sind nicht als Selbstzweck sondern als Buchminiaturen, als textbedingte Illustrationen gegeben. Immerhin kann an ihnen die – wenn auch sehr beiläufige – Darstellungsform in der Vorrenaissancezeit erkannt werden. Lexikale Werke wie die in ursprünglicher Fassung karolingische Enzyklopädie des Rhabanus Maurus in späteren illustrierten Abschriften kommen in erster Linie in Betracht. Der B.-Typus wandelt sich hier von der Handschrift in Montecassino um 1023 (vgl. [7 Abb. Taf. I, 1] und [9 S. 258]) bis zu einer Abschrift von 1430 (Bibl. Vaticana, Cod. Vat. Pal. lat. 291, Abb. [9 S. 262]) nur unbedeutend im Sinn des allgemeinen Stilwandels. B. wird stehend mit einem Becher in der erhobenen Hand gezeigt. Die Weinlaubbekränzung der älteren Fassung ist 1430 fortgelassen. Eine ikonographisch wesentlich reichere B.-Darstellung erscheint in einer oberitalienischen Handschrift des früheren 15. Jh., dem Fulgentius Metaforalis Reg. lat. 1290 der Bibl. Vaticana: Nackter, reitender B., weinlaubbekränzt mit Pokal unter Rebstock, von mehreren Tieren begleitet (Abb. 1). In der ikonographischen Bereicherung ist schon der Beginn der italienischen Renaissance zu spüren.
Erst im weiteren Verlauf der Renaissance beginnt dann – parallel mit der Aufnahme anderer Themen der antiken Mythologie – größere Verbreitung der B.-Darstellungen, die von da an aus der textbegleitenden illustrativen Form befreit als Selbstzweck in verschiedenen Fassungen auftreten. Von Italien hergeleitet haben B.-Darstellungen im 16. Jh. ihren Einzug in den germanischen Kunstkreis gehalten. Eines der frühsten deutschen Beispiele selbständiger Fassungen des B.-Themas ist ein Holzschnitt von Hans Baldung-Grien um 1510 (Abb. Max Geisberg, Einblattholzschnitte Nr. 117). B. liegt trunken vor einem Faß, von Putten umgeben. Eine ähnliche Szene hat Peter Flötner 1526 gezeichnet (Erlangen, Univ.-Bibl.): B. sitzend, an ein Faß gelehnt, neben ihm ein hölzerner Humpen. Ein andermal hat Flötner als Schmuck für einen Pokal B. auf Prachtbett sitzend gegeben (Abb. K. Lange, P. Flötner Taf. III). Joh. Bocksberger d. Ä. hat 1542 in den Kassetten der Decke des Göttersaals in Landshut, Stadtresidenz, Einzelbilder der Götter gemalt. B., weinlaubbekränzt, auf dem Schoß ein Pantherfell, liegt auf Wolke, eine Traube über sich haltend (Abb. M. Goering, Die Malerfamilie Bocksberger, Münchner Jb. N. F. 7, 1930, S. 199). Der geläufigste Typus deutscher B.-Darstellungen im späteren 16. Jh. ist B. auf einem Faß sitzend, zumeist von weiteren Gestalten wie Putten, Satyrn usw. umgeben, seltener allein. In dieser Fassung ist das B.-Thema von den Bacchanal-Darstellungen des 16. Jh. schwer zu trennen. Eine deutsche Federzeichnung des 16. Jh. (München, Graph. Slg., Inv. Nr. 15 270) stellt B. auf Faß, von Putten bedient, dar. In ähnlicher Weise hat Melchior Bocksberger B., ins Monumentale übersetzt, um 1560 auf einem Deckenbild des ehem. Lusthauses der Münchner Residenz vorgeführt (Sp. 1321/22 Abb. 1). Auf einem Bronzewandbrunnen, süddeutsch um 1570, im Berliner Schloßmus. erscheint B. in Zwergengestalt, auf Faß reitend (Simon Meller, Deutsche Bronzestatuetten der Renaissance Taf. 81). Ähnlich ist der B.-Knabe E. 16. Jh. als Giebelfigur des Stuttgarter Fruchtkastens (Sp. 275/76 Abb. 3) verwendet worden. Ein Stich des Nürnberger Goldschmieds Jonas Silber von 1582 (Nagler, Monogr. IV, Nr. 405, 14 und 22; Abb. in The Bulletin of the Metropolitan-Mus. of Art New York 31, 1936, S. 241) zeigt B. auf Faß thronend in Landschaft. Daniel Lindtmayer hat 1589 B. auf Faß thronend, neben dem ein trunkener Mann liegt, auf einem Stammbuchblatt dargestellt (Feder, aquarelliert, München, Graph. Slg.). Eine Federzeichnung des Anton Mozart von 1603 gibt den trinkenden B. als Kind auf einem Faß (München, Graph. Slg.). Noch auf einem späteren Gemälde von Rubens (gegen 1640, Petersburg, Eremitage) erscheint der rebenbekränzte B., auf einem Faß sitzend. Im weiteren Verlauf des Barock hat die Darstellung des B. auf dem Faß Maler und Graphiker weniger häufig beschäftigt. Einen wichtigeren Platz hat sie aber in der Ausschmückung kunstgewerblicher Gegenstände, vor allem von Trinkgläsern, bis weit ins 18. Jh. behauptet. Ein holländischer Glaspokal vom E. 17. Jh. zeigt B. auf einem Faß reitend zwischen Weinreben (Rob. Schmidt, Europäisches Glas, Die Slg. Buckley, Taf. 63). Auf einem Potsdamer Glaspokal um 1720–35 findet sich B. als Knabe auf Faß neben rebenbewachsenem Baum (Rob. Schmidt, Brandenburgische Gläser Taf. 30/3).
Die Grenze zwischen „B. auf Faß mit Assistenzfiguren“ und Bacchanalien ist nicht immer leicht zu ziehen. Noch enger berühren sich die Darstellungen von „Triumph des B.“ und „Bacchuszug“ mit dem Bacchanal. Ein Hauptbeispiel für den „Triumph des B.“ ist der Stich des Meisters I.B. (Gg. Pencz) von 1528 (B. 19). B. thront auf einem Triumphwagen, von antikischen Gestalten mit Trophäen und von Satyrn mit Weingefäßen begleitet. Der Stich schließt sich an Dürers „Triumph Kaiser Maximilians“ an. – Bacchuszüge finden sich in der deutschen Kunst des 16.–18. Jh. häufig. Sie lehnen sich zum großen Teil direkt an italienische Vorbilder an, die frühsten an Mantegna, die späteren vor allem an Tizian und im weiteren Verlauf auch an barocke Vorbilder (vgl. Bacchanal). Besonders beliebt sind solche Bacchuszüge auf Elfenbeinhumpen und in anderen Elfenbeinarbeiten des 17. und 18. Jh. (viele Beispiele besonders in München, Nat.-Mus., vgl. Kat. Berliner), auf Gläsern und anderen Erzeugnissen des Kunstgewerbes. Ein charakteristisches Beispiel des späten 18. Jh. ist ein Biskuit der Wiener Porzellanmanufaktur, 1781 von Anton Grassi gefertigt. B., in der erhobenen Hand einen Pokal haltend, liegt auf einem Panther, von Nymphen umgeben, die eine Herme Silens mit Trauben schmücken (Wien, Barockmus., Kat. 19342, Abb. S. 140).
Im allgemeinen geben die besprochenen Szenen B. als Personifikation des Weins, begleitet von Gestalten, die die Anwendung und die Wirkung des Weins illustrieren. Nach und nach kommen zu den reinen Weinszenen zwei Begleitumstände hinzu, die Erotik als Wirkung und schließlich die Musik als Begleitung des Trinkens (vgl. Bacchanal). Eine abstrakte Allegorie dieser Dreiheit gibt ein Stich von Johann I. Sadeler nach Jodocus de Winghe vom E. 16. Jh. (Abb. 2). B., Füllhorn und Pokal haltend, thront auf Faß vor einer Kelter. Vor ihm sitzt Amor mit Fackel, Bogen und Pfeil als Symbol der Liebe und die Muse der Musik. B. wird gelegentlich auch allein als Symbol des Trinkens gezeigt, so auf einer deutsch-böhmischen Emailmalerei M. 17. Jh., die B. an der Kredenz zeigt (Stuttgart, Landesgewerbe-Mus., Bericht 1913, Abb. 19). Offenbar von Michelangelos trunkenem B. mit Satyrknaben von 1497 (Florenz, Bargello) hergeleitet, wird B. in der deutschen Plastik des 17. und 18. Jh. zum beliebten Motiv. Am Beginn des 17. Jh. steht Elsheimers Federzeichnung „B. und Satyrknaben“ (Frankfurt a. M., Städel; H. Weizsäcker, Berlin 1936, Taf. 59), die Weizsäcker auf direkte Anlehnung an antike Vorbilder zurückführt. B. als Einzelfigur von Reben begränzt, hat Balthasar Permoser zusammen mit Statuen Apollos und der Flora für den Park von Schloß Mirabell in Salzburg geschassen (Frühwerke, Wien, Barockmus., Kat. 19342, Abb. S. 212). Der Werkstatt des gleichen Künstlers entstammt ein rebenbekränzter und -umgürteter B. mit Satyrknaben um 1720–25, der zusammen mit Statuen der Venus, der Diana u. a. im Schloßpark zu Schwerin steht (Michalski, Permoser Abb. 78). Die Zusammenstellung von B.-Statuen mit Venusfiguren als Gegenstücke ist im Spätbarock besonders beliebt. Zwei solcher Paare besitzt das Nat.-Mus. in München in Elfenbeinstatuetten von Ignaz Elhafen. Das einemal (Kat. Berliner Nr. 423, um 1708) erscheint B. allein, einen Pokal erhebend, das andremal (ebd. Nr. 427, um 1710) wird B. mit einem Knaben vorgeführt, dem er eine Traube reicht.
Wie B. dort als Gegenstück zur Venus auftritt (Sinnbilder des Trinkens und der Liebe), so wird er auch häufig mit anderen Göttern zusammen auf derselben Darstellung gezeigt. Auf Gesamtbildern der Götterwelt hat B. meist einen wichtigen Platz erhalten, so besonders auf Göttergastmählern, wie etwa dem Gemälde von Rottenhammer (Petersburg, Ermitage). Er wird gewöhnlich weinlaubbekränzt und häufig auf Faß thronend mit Pokal abgebildet. Abgesehen von diesem selbstverständlichen Platz wird B. gern in Verbindung mit solchen Göttern vorgeführt, die artverwandte Personifikationen darstellen, wie Venus und Amor, Ceres, Diana. Mit der Vorliebe des 17. und 18. Jh. für Allegorien aller Art mehren sich auch die symbolisch gemeinten Zusammenstellungen dieser Gottheiten. B. bedeutet gewöhnlich den Wein, oder, besonders in Verbindung mit Venus, den Trunk. Bisweilen ist er auch nur als Teil einer Gesamtallegorie der Fruchtbarkeit aufzufassen. Eine deutsche lavierte Federzeichnung um 1600, vielleicht von Hans von Aachen (München, Graph. Slg., Inv. Nr. 168) zeigt B. nackt mit Fruchtkorb und Trinkschale zusammen mit Venus und Amor. Auf einem Stich des Jakob Matham nach Goltzius erscheint B. mit Venus, Amor und Ceres. (Sine Baccho et Cere friget Venus.) Dieselbe Zusammenstellung bringt auch ein Gemälde von Rubens (um 1600, Kassel, GG.). Die Liebe als Folge des Weins wird hier dadurch betont, daß B. der Venus eine Weinschale reicht. B., Diana und Amor, an einem Faß liegend, sind auf einem Deckelpokal aus Glas von Zechlin, Potsdam um 1735–40, dargestellt (Rob. Schmidt, Brandenburgische Gläser Taf. 34/1). B. mit Diana zeigt ein Gemälde von Anton Kern (um 1745, Nürnberg. German. Mus.). Der allegorische Sinn wird durch das Gegenstück unterstrichen, das Flora und Venus vorführt. Eine Ludwigsburger Porzellangruppe (Modell um 1760–62, Hans Christ, Ludwigsburger Porzellanfiguren Taf. 7) gibt die Verbindung von B., Venus und Amor als Allegorie auf den Wein und seine Wirkung. B. und Pomona (Beschützerin der Früchte) hat Gottfr. Schadow 1789 in einer Tongruppe gemeinsam dargestellt (Berlin, Rauch-Mus.; Mackowski, Berlin 1927, Taf. 28). B. kommt öfter auch ohne besonderen symbolischen Zusammenhang in Verbindung mit andern Göttern vor, in erster Linie auf Trinkgefäßen mit allgemeinen Götterdarstellungen, auf denen man auf den Weingott am wenigsten verzichten wollte. Ein typisches Beispiel ist ein Elfenbeinpokal mit Poseidon und Amphitrite und andern Göttern, eine deutsche Arbeit um 1685 (Abb. 3).
Besondere Bedeutung hat B. seit dem 16. Jh. für Jahreszeiten- und Monatsbilder gewonnen. Ganz allgemein wird B. als Personifikation des Herbstes, oft auch als Symbol des Oktobers benützt. Die Darstellungsart und ihre zeitliche Entwicklung entspricht im allgemeinen den Wiedergaben des B. als Einzelfigur. In den vier Jahreszeiten, die gegen 1580 in den vier Eckzwickeln des herzoglichen Arbeitszimmers auf Burg Trausnitz ob Landshut gemalt wurden, ist B. als Personifikation des Herbstes gegeben. Er sitzt rebengeschmückt neben Kufe vor Faß. Die Malereien gelten heute allgemein als von Ponzano nach Sustris’ Entwürfen ausgeführt (vgl. E. Bassermann-Jordan, Die dekorative Malerei am bayer. Hof, München 1900, Abb. S. 72, und Inv. Bayern IV, 16). Besonders beliebt als Personifikation des Herbstes wie des Oktobers ist B. auf Faß thronend. So erscheint er auf einem Scheibenriß mit den 4 Jahreszeiten von dem Schweizer Hans Jak. Pläpp, E. 16. Jh. (München, Graph. Slg.). In der Folge der Monatsbilder von Sandrart (Schleißheim, GG.) ruht B. als Oktober auf einem Faß. Er führt eine Muschel an den Mund, in die ein Mann, der hinter ihm steht, Traubensaft preßt. In den dekorativen Malereien an der Decke des Groteskensaals im unteren Belvedere zu Wien, A. 18. Jh. von Jonas Drentwett, ist der Herbst durch B. auf Faß sitzend, ein Glas erhebend, zwischen einem Satyrknaben und zwei Panthern dargestellt. Neben dieser geläufigsten Form wird B. als Herbst auch in anderen Fassungen gegeben. Ein Stich von Goltzius (B. 142) zeigt ihn neben Rebstock stehend mit Trauben und anderen Früchten (Abb. 4). Die über den Wein hinausgehende Bedeutung des Herbstes wird hier ausdrücklich durch die anderen Früchte versinnbildlicht, die Zeitdauer dieser Jahreszeit durch die Sternbilder Widder, Krebs und Waage. In Statuen der vier Jahreszeiten wird der Herbst durch die Einzelfigur des B. gezeigt, oft in der durch Michelangelos Vorbild gegebene Verbindung mit dem Satyrknaben. Diese Fassung des Themas wählte Permoser in einer Elfenbeinstatuette, Dresden, Grünes Gewölbe, vor 1700 (Michalski Taf. 17). In ähnlicher Weise hat er 1718 B. lebensgroß als Herbst am Tor des Dresdner Zwingers dargestellt (Michalski Taf. 64). Auch mehrfigurige B.-Szenen kommen als Herbstallegorien vor. So wird auf einem Münchner Teppich, 1766–70 nach Entwurf von Christ. Winck, der Herbst durch die „Freuden des B.“ dargestellt (vgl. Göbel, Wandteppiche III, 1, S. 220 und Taf.).
Einen eigenen Abschnitt in der B.-Ikonographie umfassen die Darstellungen einzelner Geschehnisse aus der B.-Mythe. Besonders im Anschluß an die ausführlichen Schilderungen auf Gemälden von Tizian wurden verschiedene Geschichten auch zu beliebten Themen der nordischen Kunst. Diese fand in der Folge in den rasch berühmt gewordenen B.-Szenen von Annibale Carracci und von Poussin neuen Nährstoff. Wie die meiden italienischen Vorbilder, so hat sich auch die deutsche Kunst im 16. Jh. neben Bacchuszug und Bacchanal auf „B. und Ariadne“ beschränkt. Erst mit der weiteren Ausdehnung antikischer Stoffe und dem Suchen nach ausgefallenen Themen im Verlauf des Manierismus und im beginnenden Barock werden auch Darstellungen anderer Geschichten aus dem Leben des B. geläufiger. Zu den ersten Beispielen gehört die „Erziehung des B. durch die Nymphen von Nysa“ von Elsheimer (Frankfurt a. M., Städel, Weizsäcker Taf. 103). Eine Stichfolge des Jakob Matham nach Vinckeboons (B. 211–22) bringt dann in 12 Blättern die Illustrierung der B.-Geschichten: Geburt, Erziehung des B., Auffindung des Rebstocks und seine Einführung in Europa, Geschichte der Ariadne, Einzug B.s im Olymp usw. Ein Teppich des Jakob van der Goten, A. 17. Jh., behandelt das B.-Opfer (vgl. Göbel I, 1 S. 455). Um 1677 hat Jan van der Goten auf Amsterdamer Teppichen eine B.-Folge dargestellt (ebd.). Zwei Elfenbeinreliefs von Jg. Elhafen (München, Bayr. Nat.-Mus., Kat. Berliner Nr. 418 und 420), sind als freie Ausgestaltungen der Erziehung des B. in Nysa anzusehen. Im Lauf des 18. Jh. treten spielerische Ausschmückungen und Umdichtungen der antiken B.-Geschichten auf. So verquickt ein Stich von Sailliar nach Reynolds die Geburt des B. unter Verzicht auf die Geschichte der Semele mit der späteren Personifikation des Weins durch B. Dem liegenden B.-Kind hält ein halbnacktes Mädchen eine Traube an den Mund. Auf einem Stich von Bartolozzi nach Angelika Kauffmann lehrt B. die Nymphen dichten.
Bis ins 18. Jh. bleibt das wichtigste Sonderthema aus der B.-Mythe die Geschichte der Ariadne. In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß sogar im Mittelalter – wenn aus so früher Zeit auch keine Ariadne-Darstellungen bekannt sind – gelegentlich die Geschichte der Ariadne, wenn auch nur literarisch, zum Vergleich für die Kampfstellung zwischen Ecclesia und Synagoge herangezogen wurde (vgl. Sauer S. 259). Die italienische Kunst der Renaissance und des Barock hat in erster Linie den Zug des B. mit der Ariadne triumphartig behandelt, thematisch von Bacchuszug und Bacchanal oft schwer zu trennen. In der deutschen und niederländischen Barockkunst kommen ähnliche Szenen, zumeist in Anlehnung an italienische Vorbilder, auch des öfteren vor, besonders auf Teppichen, Elfenbeinreliefs, Humpen und Gläsern. In abstrakterer aber doch gleichfalls dekorativer Form werden B. und Ariadne gelegentlich als Einzelstatuetten nebeneinander gestellt. Das frühste Beispiel dieser Art auf deutschem Boden sind zwei Kupferstiche des Jakob Binck, 16. Jh. (B. 42 und 43). Es sind isolierte Einzelfiguren, nur durch Unterschriften gekennzeichnet. Reichere Ausgestaltung findet sich erst später, so im 18. Jh. bei Parodi in zwei Statuen, Wien, Marmorsaal des unteren Belvedere: B. als trunkener Jüngling mit Trinkhorn an Baumstumpf gelehnt, Ariadne mit Panther und Trauben (Kat. 19231 Abb. S. XLIII). Eine wirklich eigene deutsche Auffassung zeigt eine weißgehöhte Federzeichnung von Rottenhammer, „Die Hochzeit des B. mit Ariadne“ (Abb. 5). Durch die innige Verbindung des Hochzeitspaares kommt ein sentimentaler Zug in die Darstellung, der seit dem 17. Jh. in der gelegentlichen Wiedergabe der Szene, wie B. Ariadne tröstet, auch inhaltlich stärker zum Ausdruck kommt. Ein spätes Beispiel dieses Themas ist Schadows Relief von 1791 (Kopenhagen, Kunstakademie, Mackowsky Taf. 64). In klassizistischer Vereinfachung ist auf die vorher auch hierbei üblichen Assistenzfiguren verzichtet. In romantischem Sinn wird dadurch das Motiv des Trostes betont.
Zu den Abbildungen
1. Bacchus, Miniatur aus einer oberitalien. Hs. um 1420. Rom, Bibl. Vaticana, Reg. lat. 1290, f. 5 v. Nach H. Liebeschütz, Fulgentius Metaforalis [8], Taf. 25, Abb. 42.
2. Johann I. Sadeler nach Jodocus de Winghe, Bacchus, Amor und die Muse der Musik, Kupferstich, E. 16. Jh. Phot. Verf.
3. Elfenbeinhumpen mit Bacchus, Neptun und Amphitrite und anderen Göttern, deutsch um 1685. München, BNM. Phot. Mus.
4. Hendrik Goltzius, Bacchus als Herbst, Kupferstich um 1600. Phot. Verf.
5. Johannes Rottenhammer, Hochzeit des Bacchus und der Ariadne, Zeichnung um 1600. München, Graphische Slg. Phot. Verf.
Literatur
1. Roscher, Lexikon I Sp. 540ff. (Ariadne), 1029ff. (Dionysos). 2. Pauly-Wissowa I Sp. 803ff. (Ariadne), II Sp. 2793 (Bacchos), V Sp. 1010ff. (Dionysos). 3. Enciclopedia Italiana 12, Mailand 1931, S. 944ff. (Dionisio) mit weiterer Lit. 4. Botho Graef, De Bacchi expeditione indica monumentis expressa, Diss. Berlin 1886. 5. F. Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus 1–3, Frankfurt a. M. 1907. 6. Rob. Eisler, Orphisch-dionysische Mysterien-Gedanken in der christl. Antike, Vorträge d. Bibl. Warburg II 1922/23, II. Teil, Leipzig-Berlin 1925. 7. Ad. Goldschmidt, Frühmittelalterliche illustr. Enzyklopädien, Vorträge der Bibl. Warburg 1923/24, Leipzig-Berlin 1926, S. 215ff. 8. Hans Liebeschütz, Fulgentius Metaforalis, ein Beitrag zur Gesch. der antiken Mythologie im MA., Stud. der Bibl. Warburg IV, Leipzig 1926. 9. Erwin Panofsky and Fritz Saxl, Classical Mythology in mediaeval Art, Metropolitan Mus. Studies IV, New York 1932/33, S. 228ff.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Goering, Max , Bacchus, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp. 1330–1339; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89973> [04.04.2022]
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