Büttenmann
englisch: Büttenmann, cup of friendship; französisch: Buttenmaennel, vidrecome en forme de porteur de hotte; italienisch: Bicchiere del benvenuto in forma di vendemmiatore.
Edmund W. Braun (1952)
RDK III, 285–292
Der Name B. bezw. Büttenfrau ist neuzeitlich und offenbar vom Kunsthandel oder von Sammlerkreisen in Anlehnung an die elsässische Benennung geprägt. Ältere volkstümliche Bezeichnungen gab es in der Schweiz, so in Schaffhausen Buckitrager, im Elsaß allgemein Buttenmännel, in Kolmar Rebseppi. Das Inventar des Grünen Gewölbes von 1733 nennt sie „Winzer“ und „Winzerin“.
Der enge Zusammenhang mit dem deutschen Weinbau liegt zutage. Die Figuren gehören in die Gruppe jener vielfältigen, in allen möglichen Formen ausgeführten Trinkgefäße, die die Renaissance so liebte (Kanzelprediger, wie der Joachimstaler Pfarrherr Mathesius, und Satiriker machen sich öfter darüber lustig). Die B. hatten natürlich auch ihre besondere Bestimmung als Trinkgeschirre und Willkomme der Rebleutezünfte, besonders in weinbauenden Gegenden: am Rhein, in der Schweiz und im Elsaß, das seine Weine im 16. Jh. in großen Mengen exportierte. Bei der großen Bedeutung der Weinkultur ist es begreiflich, daß diese figürlichen Trinkgefäße wegen ihrer originellen Form auch im übrigen Reich als Willkomme Eingang fanden. Außer den Stadtzeichen der Goldschmiedezünfte in der Schweiz und im Elsaß tragen solche Stücke auch die der Goldschmiede von Nürnberg, Augsburg, Straubing, Frankfurt a. M., Danzig, Breslau, Jauer usw. Künstlerisch wertvoll sind sie seit dem 15. Jh. bis zur 2. H. 17. Jh. Später, bis ins 19. Jh., wurden sie einfacher, derber, und die Montierungen durch den Goldschmied immer seltener; das Material war dann Holz und höchstens die Weinbütte noch in Silber gefaßt.
Irrig ist Sponsels Angabe (Grünes Gewölbe IV S. 130), sie seien erst zu Ende des 16. Jh. aufgetaucht. Erhalten sind B. schon aus der 2. H. 15. Jh. In Handschriften und Buchholzschnitten sowie auf Einzelblättern findet sich ihre Darstellung noch früher und geht auf die früh-m.a. Kalenderillustrationen zurück. Besonders seit E. 15. Jh. tauchen sie in Holzschnitten auf, bereits in der typischen Tracht der späteren Figuren, mit leichten Varianten: stehend oder schreitend, etwas gebückt von der Last, immer auf den Stock gestützt, mit kurzen oder langen Hosen, Jacke, barhäuptig oder mit Hut oder Kappe. So in den Ausgaben des Naturbuches von P. de Crescentiis von 1493 (Speyer) und 1518 (Frankfurt a. M.), in den Libri amorum des C. Celtes (Nürnberg 1502), auf einem Blatt von Erhard Schön als Illustration zu Hans Sachsens „Der Wirt oder Gastgeb“ (H. Röttinger, Die Bilderbogen des Hans Sachs, 1927, Taf. 6), auf einem Holzschnitt H. L. Schäufeleins im Neuen Testament (Augsburg, H. Schoensperger d. J. 1523) u. a.
In Silber oder Holz erscheinen die B. bereits unter dem Tafel- und Trinkgeschirr des französischen und burgundischen Hofes im 15. Jh. So beschreibt Viollet-le-Duc (Mobilier II S. 23f. m. Abb.) ein sog. barile, ein Holztönnchen für Wein, das von 2 B. getragen wird. Und ein vollständiger B., der Urtyp der späteren deutschen, mit Bütte, Stock und Korb, war 1880 auf der Exposition Nationale zu Brüssel ausgestellt (Abb. 1); er ist in Holz geschnitzt und polychromiert, eine Sitte, die sich auch bei vielen Silberexemplaren, sehr oft aber bei den in Holz geschnitzten bis in die Spätzeit erhielt. Bei der Figur in Brüssel sind Bütte, Henkelkorb und Tasche in Silber.
Im Deutschland der Renaissance erscheinen zwei verschiedene Entwicklungstypen. Einerseits hat man – und zwar, soweit wir wissen, in Deutschland seit 1. H. 16. Jh. – die B. allein durch den Goldschmied anfertigen lassen. Diese Gruppe läßt sich bis in die 1. H. 17. Jh. nachweisen. Die andere, in zahlreicheren Exemplaren erhaltene Gruppe zeigt die Winzerfigur aus Holz geschnitzt, die der Goldschmied dann zur Montierung übernahm. Ein derartig kombinierter B. der Slg. Forrer, Straßburg, aus dem Jahre 1659 gibt darüber Aufschluß durch die Inschrift: „Der Schnitzler, Mohler, Silberschmidt Mich Machten So Mit Meiner Putt“ (Archives Alsaciennes 8, 1929, S. 137 Abb. 76). Ein „1517“ bezeichneter B. aus Birnbaumholz in Mainz entstammt erst der Zeit um 1600 [1].
I. Der älteste B. aus teilvergoldetem Silber (Abb. 2) ist ein Werk der Nürnberger Kunst. Ohne Sockelplatte steht der barhäuptige Winzer, auf den Stock gestützt, in der Tracht des fränkischen Bauern; er trägt in der Linken eine Traube, auf dem Rücken die Bütte. Inschriften an dieser besagen, daß der Nürnberger Goldschmied Christoph Ritter (I.) den B. 1547 im Auftrag des Patriziers Hans Löffelholz geschaffen hat. Das Modell ist wohl vom Meister de; Gänsemännchen.
Löffelholz muß noch mehrere solcher fi. bestellt haben, denn das bei Rosenberg (III3 Nr. 3880 a) beschriebene Exemplar bei B. K. Rothschild trägt dieselbe Inschrift. Ein drittes Exemplar (vielleicht identisch mit dem bei Rothschild) ist in der Slg. Dr. H. C. Bodmer in Zürich (Mitt. Dr. E. Poeschel). Ein weiteres im B. M. (Waddeston Bequest 1902, Nr. 133) ist, offenbar als Ergänzung der Reihe, von einem späteren Löffelholz bestellt und trägt die Meistermarke des Nürnberger Goldschmiedes Elias Lencker († 1591).
Im Verlaufe des 16. Jh. treten einige andere Typen auf; doch ist zu berücksichtigen, daß nur noch ein ganz kleiner Bruchteil des alten Bestandes erhalten ist. Die dekorative Ausgestaltung der B. wird vielseitiger: die Kostüme passen sich der Zeitmode an, den Sockel beleben allerlei Naturabgüsse von Insekten u. a. (style rustique), der Mann führt ein Hündchen an der Kette, die Stöcke beleben sich durch geschlungene Weinranken, die manchmal bunt emailliert sind.
Beispiele für reine Silberfiguren: 1) B.mann und -frau in New York, Pierpont Morgan. Der Mann schlank, bärtig, in breiten Pluderhosen und Kappe, ein hohes Trinkglas in der Hand haltend. Danziger Meister G. F. – 2) B. in spanischer Tracht, mit breitem Hut und Hündchen, im Welfenschatz (Hirths Formenschatz 1885, Nr. 87); mit undeutbaren Silbermarken (Rosenberg IV3, 9537/8; vielleicht Überlingen). – 3) Augsburger Meister F. Z. (Rosenberg I3 nicht erwähnt; Falke, Slg. Gutmann II, Taf. 33, N. 126). Der B. schreitend, einen Spaten in der Rechten, das Winzermesser in der Linken haltend. – 4–6) Eine Breslauer stark polychrome Gruppe ist in 3 Exemplaren erhalten: Baron L. Rothschild (Rosenberg I3, 1402); Breslauer Museum (E. Hintze - K. Masner, Goldschmiedearbeiten Schlesiens, Taf. 26); Baron Weichs, ehem. Troppau. Etwas derber und kräftiger, mit der Marke des Goldschmiedes Joachim Hiller, 1602. – 7) Eine vergröberte Nachbildung des Breslauer Typs mit der Marke eines Goldschmiedes von Jauer (Schlesiens Vorzeit N.F. 9, 1928, S. 120). – 8) B. der Rebleute in Schaffhausen, in Bürgertracht mit Sichel und Traube, Rapperswil um 1670 [5 Abb. 5]. – 9) B. eines Züricher Goldschmieds Meyer, Neuerwerbung des S.L.M. Zürich (Publ. im Jahresber. des Mus. in Vorbereitung).
II. Der zweite Haupttypus der B., den der Bildhauer schnitzte und der Goldschmied montierte, ist in zahlreichen Beispielen erhalten. Die künstlerisch wertvollsten unter ihnen, mit mehreren Varianten, gehen als Archetyp wohl auf ein besonders sorgfältig geschnitztes Exemplar zurück, das sich im Schweizer Landes-Mus. Zürich befindet (Abb. 3). Eine schlanke, gut bewegte Figur aus Buchs in knapper Tracht mit Kniehose und Jacke. Ein kleiner steigender Löwe zu seinen Füßen hält einen Spitzhammer. Als Schnitzer zeichnet Barthol. Paxmann 1618.
Eine Variante im G.N.M., bei der der B. beide Hände auf den Stock stützt, stammt, – nach Inschrift auf einer angehängten Silbermünze – aus dem Nürnberger Gasthaus zum Schwarzen Bären und trägt das Beschauzeichen des Nürnberger Goldschmiedes Tobias Wolf († 1623; Rosenberg III3, 4121 p.; Mitt. aus d. G.N.M. I, 1886, S. 267).
Ein bartloser B., der auf einer Schildkröte steht, trägt das Beschauzeichen von Neuenburg (Schweiz) und die Meistermarke des Nikolaus Wittenauer (Rosenberg IV3, 8290 c; Abb. bei Racinet, Le Costume IV, 317, Nr. 7).
Ein Frankfurter Goldschmied hat einen besonders reichen Typus geschaffen, von dem das Grüne Gewölbe in Dresden ein Paar und das Brüsseler Mus. de la Porte de Hal einen Mann besitzt (Sponsel IV, Taf. 44. – Lacroix, Les arts au moyen âge, Paris 1869, Taf. zu S. 152 und Mainzer Zs. 4, 1909, Taf. 6). Der enge Zusammenhang ist evident, das Modell wurde in der Frankfurter Werkstatt (Rosenberg II3, 2028 a–c) offenbar mehrmals kopiert; auch der Schnitzer muß derselbe gewesen sein. Ein runder, profilierter, ornamental getriebener Sockel bildet die Standfläche, auf der sich die modisch und reich gekleideten Gestalten erheben. Der Stock ist mit z. T. kalt emaillierten Trauben und Rebzweigen umwunden und trägt bei allen 3 Figuren ein Eichhörnchen an der Kette. Die Bütten haben Deckel, auf denen kleine gegossene musizierende Affen sitzen. Ein Hündchen begleitet jede Figur; die Frau, die im Korb Hahn und Henne trägt, stellt eine Kombination von Winzerin und Marktfrau dar.
Schon in der 2. H. 16. Jh. (Abb. 4), besonders aber im Zeitalter des frühen und hohen Barock werden die B. zu ausgesprochenen Werken der Kleinplastik. Es entstehen ganz reine – oft karikierte – Typen von freiem, realistischem Wurf, voll Humor und Satire, lebensfrohe Abbilder des Winzerlebens. So besitzt das Museum in Schaffhausen köstliche Gestalten aus dem Schweizer Volksleben [5].
Die weitere Ausbildung der B. aus Holz, mit und ohne Silbermontierung, führt in das Gebiet der Volkskunst; diese Gestalten, in Schweizer und elsässischen Museen und im Stuttgarter Landes-Mus., gehören schon zu der langen Reihe von städtischen und ländlichen Trachtenfiguren, die mehr folkloristische als kunstgeschichtliche Bedeutung haben (so das Stuttgarter „Urbänle“ von 1783, Schwäb. Heimat 1951 S. 190).
Als Beispiele sind zu nennen:
Im Württ. L.M. Stuttgart: B. mit Hund, im Spitzhut und Vollbart, silberbeschlagene Holzbütte. Silbermarke Doppeladler (Donauwörth?) und Monogramm PC verschlungen, um 1600; bärtiger B. als Pilger und Büttenfrau als Pilgerin, Bütten durch Kokosnuß in Silbermontierung mit angeschraubtem Würfelkreisel gebildet. Marke: Silberschmied Leodegar Grimaldo, Schorndorf (Württ.) um 1615; B. und Frau mit Tragkorb, Figuren Zimtholz auf Silbersockel, Bütte bzw. Korb Silber ohne Marken, M. 17. Jh. (Mitt. Dr. W. Fleischhauer); in Schweizer Privatbesitz B. mit zugehörigem „Geltenweibchen“ (m. silb. Zuber auf d. Kopf) aus Zürich, M. 17. Jh. (Inv. Schweiz 22, S. 246 u. 351, Abb. 270f.); der sog. „Bartlibecher“, als Nachbildung eines Holzstandbildes der Fastnachtgesellschaft in Brunnen, Kt. Schwyz, um 1700 geschnitzt (Inv. Schweiz 2, S. 171); Ratspokal in Öhringen, 1667 aus einer Rebwurzel geschnitzt (Württ. Franken N.F. 18, 1938, 129); Winzer und Winzerin im Grünen Gewölbe, A. 18. Jh. von einem Bildschnitzer Rauchfuß (Sponsel IV Taf. 45); eine hölzerne, in Silber montierte und mit vergoldeten Wappen besetzte Bütte im Hamburger Kunsthandel gehörte ebenfalls zu einem B. (Mitt. von Dr. F. von Bassermann-Jordan).
Die Frankenthaler Porzellanfigur eines Winzers in Volkstracht des 18. Jh. mit der Bütte auf dem Rücken (Weinmuseum Speyer) könnte allenfalls zu den B. gerechnet werden; doch entspricht ihr die Figur eines weiteren Winzers, der in seiner am Boden stehenden Bütte Trauben mostet. Auch hier steht also das Volkskundliche im Vordergrund.
Nicht eigentliche B. sind auch die kleinen, aus Silber gegossenen Winzerfiguren als Nodusträger von Pokalen und Bechern, die besonders die Nürnberger und Augsburger Goldschmiede, gern in Verbindung mit den sog. Traubenpokalen (die Cuppa als Traube mit abnehmbarem Deckel gebildet), verwandten.
Es darf ferner bemerkt werden, daß B. aus Holz mit Silbermontierung beliebte Fälscherobjekte sind (Mitt. v. Bassermann-Jordan).
Zu den Abbildungen
1. Brüssel, Exposition Nationale 1880, aus der Slg. M. Spruyt. Holzfigur 15. Jh., Bütte, Korb und Tasche Silber. Nach Holzschnitt aus Roddaz,
L’art ancien à l’exposition belge, Brüssel 1882, Abb. S. 251.
2. Christoph Ritter I († zw. 1587 und 1598), teilvergoldete Silberfigur, 1547. Nürnberg, Slg. Frh. von Löffelholz. Phot. Adi Brendel-Lenz, Nürnberg.
3. Bartholomäus Paxmann, Buchsfigur mit Silbermontierung 1618. Zürich, S.L.M. Inv. Nr. 7022 Slg. Dr. H. Augst. Phot. Mus.
4. Jakob Stampfer (1505–1579, Zürich), Holzfigur mit teilvergoldeter Silbermontierung. Schaffhausen, Allerheiligen-Mus., Leihgabe aus Privatbesitz. Phot. S.L.M. Zürich 39 967.
Literatur
1. L. Lindenschmit, Winzerfigur mit Bütte, Mainzer Zs. 4, 1909, S. 50ff. – 2. F. von Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus, Berlin 19232. – 3. Rob. Forrer, Les vidrecomes alsaciens de buttemaennel, Archives Alsaciennes 8, 1929, S. 129ff. m. 10 Abb. – 4. Adolphe Riff, Deux buttenmaennel strasbourgeois du début du XVIIe siècle, ebd. S. 147ff. m. 6 Abb. – 5. Dora Fanny Rittmeyer, Becher, Pokale und Tafelzierden des 16.–18. Jh. im Mus. zu Allerheiligen. Jahresber. 1946 des Mus. Ver. Schaffhausen.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Braun, Edmund Wilhelm , Büttenmann, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1952), Sp. 285–292; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=95619> [05.04.2022]
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