Attribut
englisch: Attribute; französisch: Attribut; italienisch: Attributo.
Hans Wentzel (1937)
RDK I, 1212–1220
A. ist die bildliche Form einer den Träger kennzeichnenden und nur ihm eigenen Aussage, an der dieser zu erkennen ist. Ein A. ist damit die abgekürzte Darstellung eines charakteristischen Moments aus dessen Leben in der Form eines Gegenstandes oder Wesens, die im Verlaufe einer ikonographischen Tradition mit ihm verbunden bleiben. – A. im eigentlichen Sinn können also nur jene Personen besitzen, die sich in der Kunst besonderer Beliebtheit erfreuen und wiederholt dargestellt worden sind. In den weitaus zahlreichsten Fällen werden A. nur Göttern und Heiligen beigegeben, in der Frühzeit nur selten profanen Personen; auch in späteren Entwicklungsstadien erhalten weltliche Gestalten erst A., nachdem diese einen Bedeutungswandel durchgemacht haben. In allen anderen Fällen ersetzt die Inschrift oder der szenische Zusammenhang das A.
I. Das A. in der Antike; sein Fortleben im Mittelalter
Das A. erscheint schon in vorchristlicher Zeit. Bei den Ägyptern ist es eine kennzeichnende Aussage über das Wesen des dargestellten Gottes; so sind etwa die Tierformen der Götter (Falke, Katze, Kuh usw.) Bilder ihrer besonderen Eigenart. Die A. sind damit als Wesens- oder Charakter-A. zu bezeichnen. Nur ausnahmsweise kommt daneben das Umstands-A. oder Umwelts-A. vor (wie das Todessymbol). Fraglich ist, ob der künstliche Bart der Pharaonen als A. anzusprechen ist; er dürfte eher in die Gruppe der Berufs- oder Standesabzeichen gehören. – Bei den Griechen ist das A. zunächst ähnlich geartet wie bei den Ägyptern. Die Tier-A. der griechischen Götter (Eule der Athena, Tier der Kybele usw.), aber auch die Flügelschuhe des Hermes, der Schleier der Juno sind Wesensaussagen über die Götter und also Wesens-A. Als ein sicheres Umwelts-A. ist nur der Dreizack des Poseidon anzusprechen; sogar das Blitzbündel des Zeus und der Asklepiosstab sind keineswegs ursprünglich reine A. – Bei den Griechen tritt dann das A. auch für Personen auf, die weder Menschen noch Götter sind, für die Heroen (Herakles mit dem Löwenfell und der Keule, Perseus mit dem Medusenhaupt, Ödipus mit der Sphinx, Theseus mit dem Minotaurus, die Dioskuren mit spitzen Mützen); hier sind die A. mindestens ursprünglich keineswegs Wesensaussagen, sondern entweder Trophäen der Helden oder bestimmte trachtliche Einzelzüge, die in einer bildlichen Tradition nur ihnen beigegeben werden (vgl. Roscher I, 2. Abt. Sp. 2554). – Wesentlich anders geartet ist das A. bei den Römern: die gesamten griechischen Wesens-A. verlieren hier ihren ursprünglichen Sinn, werden damit zu bloßen Abzeichen – im allgemeinen Sinne zu A. Erst in römischer Zeit haben die griechischen Götter stehend und dieselben A. Ein neuer Typ des Heros wird bei den Römern nicht geschaffen, überhaupt der Typenvorrat an A. kaum bereichert.
Mit der christlichen Spätantike bricht diese Tradition in bildlicher Darstellung zunächst ab. Man muß sich jedoch eine lebendige Vorstellung von der griechischen Mythologie und der antiken Götter-A. im ganzen Mittelalter wirksam denken. Wenn seit dem 9. Jh. die Ilias wieder gelesen wird, so zwingt das zu der Annahme auch einer Auseinandersetzung mit den A.-Vorstellungen der Antike. So gibt es seit dem 9. Jh. allegorische Mythendeutungen, die allerdings zumeist von negativer Bewertung getragen werden (Cupido als Sinnbild der Liebeslaster). – Zu Beginn des 2. Jahrtausends entstehen lehrhafte Erklärungen der antiken Götterbilder und ihrer Abbildungen – und damit auch der A. der Götter (vgl. die mythographische Schrift des 12. Jh. „Libellus de imaginibus deorum“; über illustrierte mythographische Hss. vgl. Otto Gruppe, Gesch. d. klass. Mythologie und Religionsgesch. während des M.A., Leipzig 1921). Eine besondere Tradition und Ikonographie der antiken Götter und ihrer A. bilden die astronomisch-astrologischen Hss. heraus; von ihnen leiten sich die Kalenderillustrationen mit Sternenbildern antiker Götter her. – Seit dem 12. Jh. wird der „Ovide moralisé“ ein beliebtes Schul- und Lesebuch für gebildete Laien; auf Grund der A. ergeben sich moralisierende Spekulationen: für Daphne gilt Maria, für Apollo Gott usw. (vgl. Gruppe S. 16ff.). Besondere Lebendigkeit hat diese allegorisch-mythographische Literatur in Italien (Einwirkungen auf Dante, Boccaccio, Petrarca); aber nicht nur dort geht eine fast ununterbrochene Tradition zur Renaissance – bis Äneas Sylvius die A. Amors deutet.
II. Das A. im christlichen Ideenkreis
Die A. der christlichen Kirche decken sich in ihrer Entstehung nicht mit den Anfängen der christlichen Kunst. Die in frühchristlicher Zeit üblichen Zeichen (verschiedene Kreuzformen, Fisch, Taube usw.) sind nicht eigentlich A., sondern vielmehr Symbole, die für sich stehen können. Im Allgemeinen erscheint das A. im christlichen Ideenkreis während des 1. Jahrtausends nicht sehr gebräuchlich. In den hauptsächlich erhaltenen malerischen Bildquellen nimmt die Inschrift oder die Legendenszene den Platz des A. ein. – Über die Entstehungszeit der A. der einzelnen Heiligen und biblischen Personen vgl. die Artikel im Sonderband „Heilige“. Jedoch lassen sich grundsätzlich zwei Haupttypen des christlichen A. festlegen: das allgemeine oder Gattungs-A. und das persönliche oder individuelle A.
a) Gattungs-A. (Nimbus, Buch, Palme)
Zu den Gattungs-A. sind zunächst folgende zu rechnen. Für die Jünger und später für die Heiligen gilt anfangs der Nimbus als A., noch ohne persönliche Unterscheidung; nur Christus wird durch den Kreuznimbus hervorgehoben. Von den Figuren des Alten Testaments können die Propheten eine Rolle halten, zweifellos als Fortsetzer einer antiken Gewohnheit, wo die Rolle als Berufs-A. für Schriftsteller, Redner oder Dichter dient. An Stelle der Rolle tritt im Mittelalter u. U. auch das Buch; als Gattungs-A. gilt es auch für Evangelisten, später auch für Apostel; statt des Buches können Apostel in einem Zyklus auch den Buchbeutel halten. – Unter den Heiligen haben besonders die Märtyrer ein Gattungs-A.: die Palme, die bis in die Neuzeit in dieser Bedeutung verwandt wird.
b) Individuelle A. (Christus, Maria, apostel u. a. Heilige, Personifikationen und Allegorien)
Das individuelle, persönliche A. für eine einzelne heilige Person zum Unterschied gegen andere derselben „Gattung“ kommt erst später auf.
Da Christus im allgemeinen durch Kleidung, Typus oder szenischen Zusammenhang gekennzeichnet ist, fehlt ihm bis auf den Kreuznimbus ein besonderes A.; unter Umständen können die Kreuzesfahne oder die Dornenkrone als A. Christi aufgefaßt werden, in weiterem Sinne die Leidenswerkzeuge. – Gottvater kann durch eine Krone als solcher bezeichnet werden, im allgemeinen wird er aber durch den szenischen Zusammenhang oder durch seine besondere Stellung im bildlichen Gefüge kenntlich. – Ohne besonderes A. ist zunächst auch Maria, da ihre Umgebung sie deutlich genug charakterisiert (Kreuzigung, Deesis usw.). Wenn sie jedoch vom 13. Jh. ab in einer Figurenreihe von Aposteln, Heiligen usw. an Altären, Chorschranken, Schreinen, Fresken usw. auftritt, so wird sie als Mutter Christi gekennzeichnet, also mit dem Kind auf dem Arm. Das Christkind ist in diesem Fall bis zu einem gewissen Grad das A. der Maria. Gleiches gilt für die hl. Anna: ihr A. ist Maria mit dem Kind; es handelt sich also bei der Selbdritt weniger um eine „Gruppe“ – dagegen spricht auch das unnatürliche Größenverhältnis – sondern um eine Heilige, die als A. eine Maria mit dem Kind hat.
Individuelle, persönliche A. werden zunächst bei den Aposteln (Sp. 826f.) herausgebildet, da ihre Darstellung besonders häufig war und einfache Unterscheidungsmöglichkeit wünschenswert erscheinen mußte. Von den Heiligen werden zuerst (schon auf frühchristlichen Sarkophagen) die mit A. ausgezeichnet, die besonders bekannt waren: Petrus mit Schlüssel, der Täufer mit dem Lamm, Paulus mit dem Schwert. (Eine besondere Rolle spielen Petrus und Paulus, deren Haar und Bart bis in das 15. Jh. hinein als A. gelten können: Petrus mit wenig Haupthaar und Rundbart, Paulus mit vollem Haupthaar und langem Vollbart.) Nachdem die A. der wichtigsten Heiligen feststanden, wurden die der anderen analog gebildet. Und zwar entspricht der Vorgang der A.-Gestaltung dem der ersten drei: die A. können aus dem Martyrium genommen sein oder auf einen bestimmten Vorgang oder Umstand in der Legende zurückgreifen oder können Wesens-A. sein. In den weitaus meisten Fällen gilt das Marter-A. (Folter- und Gerichtswerkzeuge, Wunden, verletzte oder abgeschlagene Körperteile; auch der Turm der Barbara gehört dazu); zahlreich sind auch die mehr zufälligen Umstands-A. (Schlüssel des Petrus), die aus ganz beliebigen Gegenständen bestehen können, die irgendeinen Bezug auf die Legende der Heiligen haben. Verhältnismäßig selten sind die Wesens-A. (das flammende Herz des Augustin, Flamme des Einsiedlers Antonius, Jesuskind und Lilie des Antonius von Padua). Eine Reihe von A. ergeben sich erst durch spätere Interpretationen (die Abzeichen vieler Zunftheiliger oder Nothelfer; vgl. auch die Pilgermuschel des Jakobus).
Außer den Heiligen haben A. weiterhin die allegorischen Gestalten der christlichen Kunst. Zu nennen sind die Darstellungen der Tugenden. Ihr A. ist das von ihnen bekämpfte Gegenteil, das Laster: sie treten es unter ihre Füße. Über die persönlichen A. der einzelnen Tugenden und Laster vgl. diese. – Das unter die Füße getretene Laster wird für die Darstellung der Heiligen übernommen (besonders im 13. Jh. in Skandinavien), wie ja die Heiligen schlechthin Gleichnisse der Überwindung des Bösen durch Tugend sind. Einige von den Heiligen übernehmen dann das Gattungs-A. des Lasters zum persönlichen A. So der hl. Olaf, der vom 13. Jh. ab mit einem gekrönten Laster unter den Füßen dargestellt wird, und die hl. Katharina, bei der allerdings meistens Rad und Schwert als Kennzeichnung hinzukommen.
Mit A. versehen sind ferner die Paradiesesflüsse; sie halten als Tätigkeits-A. ein Gießgefäß (unter Anknüpfung an die Form spätantiker Flußgottheiten besonders in Wandmalereien). Ihrerseits können aber auch die Paradiesesflüsse A. des Paradieses oder Himmels sein (vgl. die Wandmalereien im Chor der Marienkirche in Bergen auf Rügen aus der 1. H. 13. Jh.). – Eine besondere Geschichte haben die A. der 7 freien Künste, der klugen und törichten Jungfrauen und der Ecclesia und Synagoge; vgl. die einzelnen Artikel.
Der Protestantismus übernimmt zum Teil die eigentlich mittelalterlichen A., regelmäßig bei den Evangelisten und den beiden Apostelfürsten, aber auch von anderen Aposteln oder Heiligen, soweit ein besonderes Interesse an ihrer Darstellung vorliegt. Im allgemeinen bildet er jedoch das A. nicht weiter aus; es kommen in der prot. Ikonographie außerdem nur die drei göttlichen Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung mit den ihnen eigenen A.: Kreuz, Herz, Anker) zur Darstellung; zum Teil stehen auch die A. dieser drei allein als Symbole.
Seit der Renaissance gewinnt die Personifikation und die Allegorie (Sp. 346ff.) erhöhte Bedeutung in den Monumentalgemälden und geläufigen Apotheosen (Sp. 842ff.). Unter Anlehnung an die Antike oder durch spekulative Interpretation werden A. für die zahllosen Allegorien gewonnen. Jedoch ist bei der außerordentlichen Vielfalt keine so strenge Abgrenzung wie im Mittelalter festzustellen; ein A. kann unter Umständen für verschieden geartete Allegorien gelten. Zum Teil sind die Allegorien mit ihren A. einmalig und wechseln ihre Form bei verschiedenen Künstlern. – Diese mit A. versehenen Allegorien können ihrerseits wiederum in Apotheosen A. sein für Heilige und die Großen der Zeit.
III. Das A. bei profanen Figuren (Stifter-A., Berufs-A., Wappen, literarische A.)
Eine besondere Rolle nimmt im Mittelalter das A. profaner Figuren ein. In seiner Hauptanwendung gilt es auch da zunächst als Gattungs-A., und zwar kommt es als solches hauptsächlich bei der Stifterfigur vor (auf Gräbern, in Türbogenfeldern, auf Fresken, an Portalgewänden usw.). Als Stifter-A. gilt hauptsächlich das Architekturmodell, Porträtähnlichkeit des Stifters ist keineswegs beabsichtigt oder erzielt; das Modell, das ebenfalls nicht porträtähnlich zu sein braucht, bezeichnet – meist ohne Namensnennung – den Stifter oder Gründer einer kirchlichen Anlage. Als Stifter-A. kann auch ein anderer Gegenstand dienen, so etwa auf der Widmungsseite einer kostbaren Hs. ein Codex. Doch ist das Buch in den meisten Fällen nicht eigentlich A., sondern vielmehr nur Teil des Dedikationsbildes, das porträthaft in der Person oder im Geschehnis gemeint ist. – Das Hauptattribut, das Architekturmodell, ist gelegentlich sogar zum A. von Heiligen geworden, die ursprünglich zweifellos als Kirchenstifter dargestellt wurden und dann dieses Gattungs-A. als persönliches Heiligen-A. übernahmen: Karl d. Gr., Kaiser Heinrich und Kunigunde, St. Wolfgang, in einigen Fällen auch die hl. Elisabeth. – Kaiser pflegen schlechthin durch Krone und Szepter bezeichnet zu werden – doch sind diese nicht als A. aufzufassen, sie gehören zu der großen Gruppe der Berufskleidungs-Abzeichen. – Auch das Augenglas bei dem Gelehrten und die Waage bei dem Kaufmann ist nicht im strengen Sinne als A. zu benennen, das gleiche gilt für Narrenstab und Narrenkappe. Eher könnten Hammer, Meißel und Winkelmaß als A. gelten, als Gattungs-A. für Bildhauer und Architekten bei Künstlerselbstbildnissen des Mittelalters, soweit die Bildnisse nicht porträthaft gemeint sind. Überhaupt hört mit dem Aufkommen des Porträts das eigentliche A. für profane Personen bald auf.
Außerhalb des Gattungs-A. kommt ein A. nur selten bei profanen Personen vor, soweit man nicht das Wappen schlechthin als A. oder Ersatz des A. gelten lassen will. Zweifellos ist das Wappen (als Schild, Helmzier oder Kleidungsstück) zur Erkennung des Dargestellten von derselben Bedeutung wie das A. bei einem Heiligen. So bestehen Epitaphien des 13.-16. Jh. zum Teil nur aus dem Wappen, das also, wie gelegentlich das A. bei den Evangelisten usw., die Stelle der Person einnimmt. Die A.-Funktion des Wappens ist natürlich für die Zeiten von besonderer Bedeutung, in denen das Grabmal noch nicht das Porträt des Toten enthält.
Stärker attributive Bedeutung haben literarische Gleichnisse, etwa die Bezeichnung eines weltlichen Fürsten mit einem Tiernamen (z. B. Albrecht der Bär). Derartige Beinamen haben in einem Fall zur Herausbildung eines individuellen A. geführt: bei Heinrich dem Löwen. Das an sich zunächst rein literarische A. führt zu einem der monumentalsten Denkmäler des A., dem ehernen Löwen vor dem Dom in Braunschweig. In der Folgezeit wird Heinrich der Löwe in der von ihm gegründeten Stadt Lübeck, am Levitenstuhl des Doms um 1310, mit dem Löwen dargestellt (Abb.), ein einzigartiger Vorgang, der nur durch die Popularität des Herzogs verständlich wird.
Zur Abbildung
Lübeck, Dom, Wange des Levitenstuhls. Holz, um 1310. Phot. Wilh. Castelli jun., Lübeck.
Literatur
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Über die Attribute der einzelnen Heiligen s. diese.
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Empfohlene Zitierweise: Wentzel, Hans , Attribut, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp. 1212–1220; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89960> [04.04.2022]
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