Astkreuz
englisch: Cross of rough branches, tree cross; französisch: Croix écotée (de branchage); italienisch: Croce in forma di tronco d'albero.
Hellmuth Bethe (1937)
RDK I, 1152–1161
A. nennt man eine von dem traditionellen Typus, dem glatt behauenen lateinischen Kreuz, abweichende Form des Kreuzes Christi, bei dem Stamm und Arme als Äste gebildet bzw. mit Aststümpfen besetzt sind. Das A. ist mit dem Lebensbaum (lignum vitae) identisch und soll symbolisch zum Ausdruck bringen, daß das Kreuz Christi kein totes Holz, sondern ein Leben spendender Baum gewesen ist (vgl. Baumkreuz).
Die Gleichsetzung des schon im A.T. gepriesenen Lebensbaumes (vgl. Ezechiel 31, 3-9; 41, 18; 47, 12) und des durch die Evangelien in seiner Form nicht festgelegten Kreuzes Christi beginnt im 2. Jh. bei dem Märtyrer Justinus (Migne P. G. 6, 1884, Sp. 680). Um dieselbe Zeit spricht der Märtyrer Ignatius im Brief an die Trallianer Kap. 11 (Migne P. G. 5, 1857, Sp. 684) zum erstenmal von dem A., indem er die Rechtgläubigen als Äste des Kreuzes bezeichnet. Von dem Kreuz als Lebensbaum ist in den Schriften der Kirchenväter und lateinischen Hymnen dann wiederholt die Rede. Meist wird es dem Baum des Paradieses gegenübergestellt, von dem es nach einer seit dem 12. Jh. verbreiteten Legende (Herrad von St. Odilienberg) sogar abstammen soll (vgl. Hl. Kreuz). Das Leiden Christi am A. schildert zuerst Heinrich Su so in dem „Büchlein der ewigen Weisheit“ (um 1325): „Da ich am hohen Aste des Kreuzes für Dich und alle Menschen aus endloser Liebe hing ...“ Das A. selbst wird nirgendwo genauer beschrieben. Die Kunst kennt daher nicht weniger als vier Varianten:
I. Das lateinische Kreuz mit Aststümpfen
Der Typus ist infolge seiner Verwandtschaft mit dem „wahren“ Kreuz, das die Kaiserin Helena gefunden haben soll (vgl. Hl. Kreuz), bei weitem am häufigsten. Als das älteste Beispiel darf vielleicht das auch als Flammenkreuz gedeutete A. („ξύλον ζωῆς“) auf einer um 600 im Orient entstandenen Goldampulle im Dom zu Monza gelten; das Kreuz ist noch ohne Korpus dargestellt. In Verbindung mit dem Gekreuzigten erscheint das A. am frühesten auf einem in Metz, Reims oder Corbie gefertigten Elfenbeinrelief (Buchdeckel) der Liuthardgruppe in der Münchener Staatsbibliothek (um 870; Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen I Taf. 20 Nr. 41), einer Reichenauer Kanonminiatur in Cod. 190 der Leipziger Stadtbibliothek (um 950; Goldschmidt, Dt. Buchmalerei I Taf. 84) und einer Freisinger Miniatur in Clm. 6421 der Münchener Staatsbibliothek (2. H. 10. Jh.). Die Kreuze der Miniaturen sind grün, verraten also deutlich die Identität von A. und Lebensbaum. Im 11. Jh. tritt das A. aus der Verborgenheit der Klöster heraus: um 1015 findet es sich auf der Bernwardstür im Hildesheimer Dom (Abb. 1), um 1065 auf der Holztür von St. Maria im Kapitol in Köln. Ohne den Kruzifix kommt es als Symbol der Unsterblichkeit auf den Gerichtsfresken in St. Georg auf der Reichenau (M. 11. Jh.) und St. Michael in Burgfelden (E. 11. Jh.) vor. Die wichtigsten Beispiele des 12. Jh. sind das A.-Fresko in der Westapsis der Reichenauer Georgskirche (Anf. 12. Jh.) und das A. auf der in Magdeburg gegossenen sog. Korssunschen Bronzetür in Nowgorod (M. 12. Jh.). Im 13. Jh. greift die Kathedralplastik das Motiv auf. Beim Tympanon des Hauptportals des Straßburger Münsters (um 1280) ist es gleich dreimal benutzt: bei der Kreuztragung, Kreuzigung (Sp. 158 Abb. 2) und Kreuzabnahme. Weitere Parallelen liefern das Niellokreuz in St. Trudpert in Baden (Anf. 13. Jh.), ein niederdeutsches Altarkreuz aus Bronze im Victoria-and-Albert-Mus, in London (Anf. 13. Jh., Sp. 501 Abb. 1), ein Wandgemälde im Limburger Dom (um 1240) und das Triumphkreuz in Witzworth in Schleswig-Holstein (2. H. 13. Jh.). Im 14. Jh. verliert das lateinische Kreuz mit Aststümpfen unter dem Einfluß der krassere Formen (II a–c) bevorzugenden Mystik an Bedeutung. Es begegnet am gotischen Südportal des Wormser Doms (um 1300), auf einem Reliquiar in der Schatzkammer von St. Peter in Salzburg (1. H. 14. Jh.), bei Holzkreuzen in der Barbarakirche in Breslau, der Kirche in Lage i. Westf. (M. 14. Jh.) und dem Landesmuseum in Darmstadt (E. 14. Jh.) sowie auf Elfenbeinreliefs. Im 15. Jh. spielt das A. in der Plastik kaum noch eine Rolle. Das Hauptbeispiel ist der rheinische Kalvarienberg des frühen 15. Jh. im Dt. Mus. in Berlin, bei dem das Kreuz aus dem Baum des Paradieses herauswächst (Kat. Demmler, S. 63 Nr. 7942). In der Malerei und Graphik fehlt es ganz. Dafür ist es im Kunstgewerbe desto häufiger. Zahllos sind die A. besonders auf Kaseln. Genannt seien die in St. Stephan in Tangermünde, St. Peter in Fritzlar, St. Christoph und St. Stephan in Mainz, der Liebfrauenkirche in Frankfurt a. M., St. Valentin in Kiedrich, dem Kloster St. Walburg in Eichstätt, dem Dom zu Passau, dem Dom und der Peterskirche in Salzburg, dem Domschatz in Prag, dem Schloßmuseum und Märk. Museum in Berlin, dem Schnütgenmuseum in Köln, dem Landesmuseum in Braunschweig, dem Kunstgewerbemuseum in Breslau und dem Stadtmuseum in Bautzen. Seit Anf. 16. Jh. taucht die Form nur noch vereinzelt auf: Kruzifix in Heesen b. Nijmegen, um 1500 (Witte, Tausend Jahre dt. K. am Rhein III Taf. 205), bei dem Triumphkreuz der Stadtkirche in Aub (Unterfranken, um 1510), dem steinernen Friedhofskreuz in Schweinfurt (1586), den 1592 und 1596 datierten protestantischen Priestergewändern aus Saatzig und Lassehne im Pomm. Landesmuseum in Stettin, dem Bernsteinkreuz in dem Augsburger Kunstschrank des Palazzo Pitti in Florenz um 1615, einer Kasel von 1629 im Dresdener Kunstgewerbemuseum, Permosers „Triumph des Kreuzes“ in der Leipziger Stadtbibliothek (Anf. 18. Jh.), dem Altar in Neuburg in Meckl. (1703) und einer Kasel von 1714 im Germ. Nat.-Mus. in Nürnberg.
In den anderen germanischen Ländern kommt das A. am frühesten in England vor. Das älteste Beispiel ist eine angelsächsische Miniatur von etwa 1060 in der Bibliothek von Holkham Hall (Abb. nach einem Kupferstich von 1835 im Burl. Mag. 29, 1916, S. 288). Bekannter sind die um 1220 bzw. 1250 geschaffenen Wandgemälde der Kathedrale zu St. Albans. In Dänemark findet sich das A. auf dem Tympanon des Doms in Ribe (um 1200). In Schweden haben sich im Historischen Museum in Lund und Tingstäde als A. gebildete Triumphkreuze erhalten (1. u. 2. H. 13. Jh.). In den Niederlanden ist die Form erst E. 15. Jh. durch ein Tafelbild im Museum zu Antwerpen und eine Altarstickerei im Museum von St. Salvator in Brügge zu belegen.
Von den romanischen Ländern steht Spanien an erster Stelle. Hier erscheint das A. bereits 1066 in dem „Liber paralipomenon“ der Kathedrale zu Vich und auf einem Steinrelief des späten 11. Jh. in S. Domingo de Silos (Kingsley Porter 6 Taf. 669). In Italien läßt sich das A. an einzelnen Denkmälern vom E. 12. Jh. bis E. 18. Jh. verfolgen. Die Reihe beginnt mit Antelamis Kreuzabnahme im Dom zu Parma 1178 und endigt mit einer venezianischen Porzellangruppe (Pietà) von ca. 1780 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. – In Frankreich findet sich das A. um 1230 auf einem Glasgemälde der Kathedrale zu Bourges, im 14. Jh. auf Elfenbeintafeln und im 15. Jh. auf einem Steinrelief der Kathedrale zu Laon.
Nicht zu verwechseln mit dem lateinischen Kreuz mit Aststümpfen ist das aus rohen Baumstämmen gezimmerte Kreuz, das der Kunst des 15. und 16. Jh. geläufig war.
II.
a) das Gabelkreuz mit Aststümpfen
(G. = Gabelkreuz).
Der Typus hat vermutlich eine doppelte Wurzel: das antike Galgenkreuz, das „historische“ Marterholz (vgl. das Mahl des Pharao in der Wiener Genesis, 4. Jh.) und die Rune ᛉ = Weltenbaum. Als Kreuz Christi dient das G. seit dem 12. Jh. Zunächst kommt es nur ohne Aststümpfe vor: Wandgemälde in der Krypta von St. Maria im Kapitol in Köln (2. H. 12. Jh.), Albinusschrein in St. Maria in der Schnurgasse in Köln (E. 12. Jh.), Tympana der Kirche in Plettenberg und des Doms zu Gelnhausen (um 1200), Holztür des Doms in Gurk (um 1220), Bernwardskelch in St. Godehard in Hildesheim (um 1250); Taufbecken des Würzburger Doms (1279, Abb. 2); seit E. 13. Jh. dann auch mit Aststümpfen (Kanonminiatur aus Lebus in der Benediktinerabtei St. Paul im Lavanttal). Gegen 1300 tritt das G. am Tympanon des Westportals des Freiburger Münsters auf, volkstümlich wird es jedoch erst in der Blütezeit der Mystik, wo seine wie ein Aufschrei wirkende Form den schmerzverzerrten Ausdruck der „wundertätigen“ Kruzifixe steigert: Holzkreuze in St. Maria im Kapitol (ca. 1304) und St. Severin in Köln (M. 14. Jh., Abb. 3), Andernach (M. 14. Jh.), Kendenich (Landkreis Köln), Darfeld und Haltern i. Westf. (2. H. 14. Jh.) und Gnadenstuhlgruppe des Bonner Prov.-Mus. (2. H. 14. Jh.). Außer im Rheinland und in Westfalen, dem Hauptverbreitungsgebiet des Typus, findet sich das G. auf einem Steinrelief in Stift Nonnberg in Salzburg (M. 14. Jh.) und auf einem Portalrelief des Kaschauer Doms (3. Drittel 14. Jh.). Im 15. Jh. ist die Form seltener. Erwähnt seien ein rheinisches Altarkreuz im Frankfurter Kunsthandel (Anf. 15. Jh.), Holzkreuze im Schnütgenmuseum in Köln, in der Gaukirche in Paderborn (1. H. 15. Jh.) und ein Tafelbild in der Augsburger Ulrichskirche (um 1455). Um 1520 begegnet das G. auf einem geschnitzten Altarflügel in Gr. Mölsen bei Weimar. Der Renaissance und dem Frühbarock ist es unbekannt. Anf. 18. Jh. taucht es – wohl unter dem Eindruck m.a. Vorbilder – in Westfalen wieder auf: bei dem „weißen Kreuz“ Joh. Wilh. Gröningers am Mauritzer Passionsweg in Münster (1708) und bei dem Monumentalkreuz desselben Meisters in Greven (1724).
Eine ähnlich lange Geschichte hat das G. in Italien. Um 1265 erscheint es an der Kanzel Nic. Pisanos im Dom zu Siena, um 1270 an der Kanzel Giov. Pisanos in S. Andrea zu Pistoja, im 14. Jh. bei einem Holzkreuz im Dommuseum zu Siena und im 18. Jh. in einer Handzeichnung Tiepolos (dem wundertätigen Kreuz von Poveglio).
In Frankreich, Skandinavien und den Niederlanden ist die Form eine Ausnahmeerscheinung: Steinrelief in Gigors (Dep. Drôme, 12. Jh.), Kapitell in Martebo (Schweden, um 1300), Glocke in Zandeweer (Holland, 1467). In England wurde sie als unkanonisch abgelehnt: 1306 mußte in London ein deutscher Bildhauer, Thydemannus de Alemannia, ein von ihm gefertigtes G. zurücknehmen, weil Christus an einem „patibulo sive ligno transversali veram crucis formam minime pretendente“ hing (Rep. f. Kw. 33, 1910, S. 550).
b) das A. mit kurvig gebogenen Armen
Das A. mit kurvig gebogenen Armen. Der dem G. verwandte Typus, der auch ohne Aststümpfe vorkommt, stellt dem „grausamen“ Gabelkreuz eine „mildere“ Form gegenüber. Schon im 6. Jh. besang diese der Bischof Venantius Fortunatus von Poitiers in dem Karfreitagshymnus „Pange lingua gloriosi“:
„Flecte ramos arbor alta – tensa laxa viscera
et rigor lentescat ille – quem dedit nativitas
et superni membra regis – tende miti stipite."
Die ältesten Denkmäler gehören dem 13. Jh. an. Es sind eine Initiale in dem Missale des Abtes Berthold von Weingarten (1200-32) in Holkham Hall, eine 1912 bei Boerner in Leipzig versteigerte niederösterreichische Kanonminiatur mit grünem Kreuz (um 1250, Abb. 4), eine böhmische Miniatur in der Hs. X A 11 des Böhm. Landesmuseums in Prag (um 1275) und eine niederdeutsche Deckelmalerei in einem Holzkästchen des Berliner Schloßmuseums (um 1300). Die Miniaturmalerei des 14. Jh. liefert weitere Beispiele (Codd. XI 394, III 221 A und III 204 im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian (1. V. 14. Jh.) und Biblia Pauperum ebd. (M. 14. Jh.). Um 1350 greift die Plastik das Motiv auf: Tympana der Minoritenkirche in Wien und der Lorenzkirche in Nürnberg (um 1350), Vortragekreuz der evangelischen Kirche in Schwerte i. Westf. (um 1350), Votivrelief aus Salmansweiler im Stuttgarter Landesmuseum (Sp. 162 Abb. 5) und in St. Burkhard in Würzburg (um 1360), Relief der Kirche auf dem Petersberg bei Erfurt (um 1370), Holzkreuze in Gehrden in Hann. und Kloster Seligental bei Landshut und der Dominikanerkirche in Friesach in Kärnten (2. H. 14. Jh.). Gleichzeitig verwenden es auch die Glasmalerei (Glasgemälde in St. Ruprecht ob Murau in der Steiermark, um 1350, und Wels in Oberösterreich, um 1380) sowie das Kunstgewerbe (Brustkreuz in St. Ulrich in Augsburg, um 1350). Im 15. Jh. begegnet die Form bei Steinreliefs in der Würzburger Marienkapelle (um 1410), Eichstätt (Anf. 15. Jh.), Baunach (Unterfranken, M. 15. Jh.), Kößlarn (Niederbayern, 1451), Scheuer (Oberpfalz, um 1460) und Rottweil (1491), bei Holzkreuzen in St. Lorenz in Nürnberg (um 1430), in Stift Nonnberg in Salzburg (1. H. 15. Jh.) und Hövelhof bei Paderborn (E. 15. Jh.), bei einem 15. Jh.), einem Türklopfer in der Bürgerspitalkirche in Krems (um 1470), Altarkreuzen in der Pfarrkirche zu Neuruppin (1476, Sp. 503 Abb. 4) und im Salzburger Dom (E. 15. Jh., Sp. 503/04 Abb. 5) und Kaseln in Brückhausen in Westf., Ungedanken in Hessen, Kötzing in Bayern, im Dom zu Salzburg, im Historischen Museum zu Basel und im Germ. Nat.-Mus. zu Nürnberg. In der Tafelmalerei und Graphik ist der Typus selten: Hochaltar der Jakobikirche in Göttingen (1402), Altar im Museum für K.gew. und Altertümer in Breslau (E. 15. Jh.), Metallschnitt der Slg. Rothschild in Prag (um 1450). Im frühen 16. Jh. kommt er noch vereinzelt vor: Antependium der Kirche in Römhild (Anf. 16. Jh.), Holzkreuz in Gerolzhofen (um 1510, Abb. 5), Kasel im Schnütgenmuseum in Köln (um 1520): dann verschwindet er ganz.
Das Ausland kennt die Form nicht. Die einzigen außerdeutschen Beispiele (Miniaturen in der niederländischen Reimbibel des Museum Meermanno-Westreenianum im Haag, 1332, und dem französischen „Breviari d’amor“ der Wiener Hofbibliothek, 1354) sind von deutschen Vorbildern abhängig.
c) das A. mit doppelt geschwungenen Armen
Das A. mit doppelt geschwungenen Armen. Dieser Typus stellt eine Weiterbildung des A. mit kurvig gebogenen Armen dar. Er läßt sich bis ins 14. Jh. zurückverfolgen, wo er auf einer Miniatur im Cod. III 469 der Universitätsbibliothek Graz (1320), bei dem Tympanon der Kreuzkirche in Breslau (M. 14. Jh., Abb. 6), dem Triumphkreuz der Lorenzkirche in Kempten (um 1380) und dem Heiltumkästchen der Marienburg (1388) auftaucht. Im späteren Mittelalter findet er sich bei Triumphkreuzen (Elbing, St. Nicolai, Anf. 15. Jh.; Preußisch-Eylau, E. 15. Jh.; Waltersdorf i. Ostpr., um 1515; Sonnwalde i. Ostpr., um 1525) und liturgischen Geräten (Reliquiar im Stadtmuseum zu Bautzen, 2. H. 15. Jh.; Standleuchter der Prämonstratenserkirche Cappenberg i. W., Sp. 1100 Abb. 12, und Standleuchter in St. Kunibert in Köln, Sp. 1098 Abb. 10). In der 2. H. 17. Jh. lebt die Form in Holstein wieder auf (Altarkreuze in Ahrensböck, Sp. 509 Abb. 4; Gleichendorf, Plön und Zarpen). Im Ausland ist sie unbekannt.
Der große Anteil Deutschlands an der Ausbildung und Verbreitung der verschiedenen Formen des A. zeugt wie das Vesperbild und die Christus-Johannes-Gruppe von der Gestaltungskraft, dem mystischen Sinn und dem wahrhaft religiösen Empfinden unserer Vorfahren. Nur das lateinische Kreuz mit Aststümpfen kommt überall in Europa vor. Das Gabelkreuz beschränkt sich im wesentlichen auf Deutschland und Italien, und die A. mit kurvig gebogenen und doppelt geschwungenen Armen gehören ganz der deutschen Kunst.
Gelegentlich wird auch das Andreaskreuz als Astkreuz gebildet. Für das Mittelalter vgl. die Statue an einem Mittelschiffpfeiler in Freiburg (Schmitt T. 200), für die spätere Zeit die Kanzel in St. Andreas zu Antwerpen, 18. Jh. (Ysendyck, Documents classés).
Zu den Abbildungen
1. Hildesheim, Dom, Bronzetür, um 1015. Ausschnitt. Phot. Kunstgesch. Seminar Marburg.
2. Würzburg, Dom, Taufbecken von Eckart von Worms, 1279. Ausschnitt. Phot. Prof. O. Schmitt, Stuttgart.
3. Köln, St. Severin, Kruzifix, M. 14. Jh. Phot. Kunstgesch. Seminar Marburg.
4. Kanonminiatur auf Pergament, niederösterreichisch (Stockerau), um 1250. Nach Versteigerungskatalog Boerner (Auktion 110), Leipzig 1912.
5. Gerolzhofen (Unterfranken), Holzkruzifix, Art des Tilman Riemenschneider, um 1510. Phot. Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege, München.
6. Breslau, Kreuzkirche, Tympanon mit Gnadenstuhl zwischen Stiftern, M. 14. Jh. Phot. Staatl. Bildstelle Berlin.
Literatur
1. Ferd. Piper, Der Baum des Lebens, Berlin 1863. 2. F. X. Kraus, Gesch. d. christl. K. II, Freiburg i. Br. 1897, S. 279. 3. Bergner, S. 515ff. 4. F. Witte, Mystik und Kreuzesbild, Zs. f. christl. K. 33, 1920, S. 117. 5. Künstle I, S. 468ff. 6. M. Strucken, Literarische und künstlerische Quellen des Gabelkruzifixus, Diss. Köln 1928. 7. Julius Baum, Gotische Bildwerke Schwabens, Augsburg 1921, S. 61ff. 8. P. Perdrizet, Arch. Alsaciennes d’Histoire de l’Art 2, 1923, S. 51ff. 9. Herbert Koch, Sonderformen des Heilandkreuzes, Stud. z. dt. Kg. 303, Straßburg 1934. 10. Hanns Swarzenski, Quellen zum deutschen Andachtsbild, Zs. f. Kg. 4, 1935, S. 141ff. 11. Dagobert Frey, Der Mystiker-Kruzifixus im Breslauer Diözesanmuseum, Schlesische Heimatpflege 1935, S. 3ff. 12. A. Stange, Deutsche Malerei der Gotik I und II, Berlin 1934 und 1936.
Verweise
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