Anker (A. Als Symbol und Attribut)

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englisch: Anchor (as attribute and symbol); französisch: Ancre (comme attribut et symbole); italienisch: Ancora (come attributo e simbolo).


Liselotte Stauch (1935)

RDK I, 705–708


Bereits die antike Kunst kennt die Darstellung des A.; jedoch sind es hier nur äußere Beziehungen, auf Grund deren er dargestellt wird (Cabrol-Leclercq I, 2, Sp. 1999), während er in der christlichen Kunst zum religiösen Symbol wird (I.). Schließlich kommt der A. auch als Heiligenattribut vor (II.).

I. Der A. ist eins der ältesten christlichen Symbole. Paulus schon nennt die Hoffnung auf Gott und seine Verheißungen „einen sicheren und festen A. unserer Seele“ (Hebr. 6, 19). Das gleiche Sinnbild braucht z. B. auch Johannes Chrysostomos: „Sicut enim maledictus est qui sperat in homine, ita etiam beatus est qui sperat in Deo. Ab omnibus ergo te sejungens hanc tene ancoram“ (Expositio in Psalmum X; Migne, P. G. 55, 144). Der A. ist also das Sinnbild der christlichen Hoffnung; diese hat ihren Inhalt in Gott und in Christi Opfertod und Auferstehung. Das drückt der hl. Ignatius von Antiochien aus, wenn er von dem Frieden „in carne et sanguine et passione Jesu Christi, spei nostrae“ spricht (Ad Trallianos; Migne, P. G. 5, 673. Dazu s. Cabrol-Leclercq I, 2, Sp. 2000 u. Wilpert, Fractio Panis, 1895, S. 84).

In der frühchristlichen Kunst tritt das Symbol A. schon am Ende des 1. Jh. auf (Domitilla- und Priscillakatakombe), ist am verbreitetsten im 2. und 3. Jh. und verschwindet mit dem Anf. 4. Jh. fast vollständig. Am häufigsten trifft man den A. auf stadtrömischen Denkmälern, vereinzelt auch an anderen Orten Italiens, Galliens und des Orients (Beispiele bei Cabrol-Leclercq). Verhältnismäßig selten findet er sich auf Sarkophagen (Wilpert, Taf. I, 3; Taf. LXXII, 1), auf Mosaiken (Frey, Rivista di Arch. crist. 1931, s. farb. Taf.), auf Tonlampen (De Rossi, Bulletino 1881, S. 116; Forrer, Die frühchristlichen Altertümer a. d. Gräberfeld von Achmim-Panopolis, Straßburg 1893, Taf. II, 8), als Funeralanhänger (Forrer, S. 17) und auf Fabrikstempeln [2, Abb. S. 294], sehr häufig dagegen auf Grabsteinen, Grabinschriften und auf geschnittenen Steinen und Ringen (s. [1 u. 3] und Garucci, Storia dell’arte cristiana). Für die Beliebtheit des Symbols auf christlichen Ringen spricht eine Stelle im Paedagogus des Clemens von Alexandrien (3, 11; Migne, P. G. 8, 633), der das Zeichen mit anderen christlichen Symbolen zusammen den Christen für ihre Ringe empfiehlt.

Die Richtung der durch das Symbol des A. ausgedrückten Hoffnung wird durch Inschriften oder durch andere Symbole näher bestimmt. Neben den Worten „Spes in Deo, Spes in Christo“ findet man den A. in oder neben Grabinschriften, die von Christus als der Hoffnung der Christen sprechen ([2, Abb. S. 294] und Wilpert, Fractio Panis, S. 51). Wenn der A. in Verbindung mit den Worten „Pax tecum, Pax tibi, in Pace“ auf Grabsteinen auftritt (Garucci, Taf. 487, 1; Wilpert, Fractio Panis, S. 80; Cabrol-Leclercq), so wird damit die Hoffnung auf den ewigen Frieden für den Verstorbenen ausgedrückt. Eine mehr äußerliche Verbindung scheint es zu sein, wenn der A. mit Grabinschriften zusammen vorkommt, die den Namen Elpis, Elpidius oder Spes aufweisen (Louis Perret, Catacombes de Rome, Paris 1851, Bd. V, Taf. 54). Am häufig- sten trifft man den A. in Begleitung von r oder 2 Fischen (namentlich auf geschnittenen Steinen). Er drückt dann, ebenso wie in Verbindung mit Broten, dem Sinnbild der Eucharistie (Wilpert, Fractio Panis, Taf. 15, 2 u. S. 93) oder dem Monogramm Christi (Perret, Bd. V, Taf. 35; Bd. III, Taf. 45), mit dem er manchmal sogar verschmilzt (Garucci, Taf. 478, 21, 27), die Hoffnung auf Erlösung durch Christus aus. Auf den Sieg über das Irdische, auf Paradies und Auferstehung weist er hin im Zusammenhang mit den übrigen frühchristlichen Symbolen, wie Palmzweig, Taube, guter Hirt, Schiff, Baum, Jonasszene, deren jeweils eins oder auch mehrere ihn begleiten.

Das Fundament aller christlichen Hoffnung ist das Kreuz als Werkzeug der Erlösung. Der hl. Justinus spricht von der Hoffnung der Christen, die sich an den gekreuzigten Christus klammert („... spem nostram ex hoc Christo crucifixo suspensam“; Dialogus cum Tryphone c. XCVI; Migne, P. G. 6, 703). Das Bedürfnis, dieses heiligste Zeichen des christlichen Glaubens darzustellen und die Notwendigkeit, es vor den Augen der Heiden zu verbergen, schufen schon im 2. Jh. den kreuzförmigen A.: unterhalb des A.-Ringes wird eine Querstange eingeschoben, die bald länger, bald kürzer, mehr oder weniger deutlich das Bild des Kreuzes erstehen läßt (Garucci, Taf.477; Cabrol-Leclercq). Wenn sich gerade diesem kreuzförmigen A. das Sinnbild Christi, der Fisch, besonders eng verbindet, sei es, daß er sich um den Stamm herumwindet oder daß ganz nahe an den Ankerstamm rechts und links je ein Fisch herangerückt wird, so wird man darin einen Beweis für die Kreuzessymbolik des A. sehen dürfen. Die letztere Gruppe erscheint einige Male sogar mit dem unverhüllten Kreuz (Garucci, Taf. 477, 41, 42), was die auf das Kreuz bezügliche Symbolik des A. noch deutlicher werden läßt.

Dem Mittelalter geht die A.-Symbolik merkwürdigerweise verloren, um erst am Ende zögernd wieder aufzutauchen. Das Symbol A. wird zum Attribut der Hoffnung. Vereinzelt tritt es im 15. Jh. auf (z. B. Zeichn. der Veroneser Schule 1. H. 15. Jh., v. Marle, Iconographie II, Abb. 68, und bei Alain Chartier, Mâle III, S. 310, Anm. 8) und wird erst im 16. Jh. häufiger, entsprechend der zunehmenden Darstellung der Tugenden (z. B. Heures de Simon Vostre, Mâle III, Abb. 186). Doch ist es noch keineswegs das herrschende Attribut der Hoffnung, die auch noch lange, der mittelalterlichen Tradition folgend, mit erhobenen Händen zum Himmel blickend dargestellt wird. Erst in der barocken Ikonographie und von da bis ins 19. und 20. Jh. (vgl. z. B. G. Schadow) ist der A. dann das regelmäßig zur Hoffnung gehörende Attribut. (Dem heutigen Sprachgebrauch ist der Ausdruck Hoffnungsanker noch geläufig.)

Als reines Symbol, losgelöst von der Personifikation der Hoffnung, kommt der A. erst wieder im 17., 18. und 19. Jh. in der Grabmalkunst vor. Auf klassizistischen Grabmälern trifft man ihn häufig zusammen mit anderen Symbolen wie Kelch, Kreuz, Palmzweig, Mohnkapsel, Lorbeerkranz. – Die als Vorderteil eines Schiffes gebildete barocke Kanzel der Wisiten-Nonnenkirche in Warschau wird von einem großen konsolartigen A. getragen (P. Juckoff-Skopau, Architektonischer Atlas von Polen, 1921, Abb. 51).

Der Volkskunst, besonders in den deutschen Küstengebieten, ist die Darstellung des A. sehr vertraut. Auf Grabmälern, Waschhölzern, Butterformen des 19. Jh. findet man ihn zusammen mit dem Kreuz oder mit Herz und Kreuz dargestellt, um die theologischen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung auszudrücken. – Wenn der A. auf Grabsteinen mit Zeichen des Seemannberufs zusammen dargestellt ist, so hat man ihn als Hinweis auf den Fischer- oder Schifferberuf des Verstorbenen aufzufassen (vgl. z. B. Dt. Volkskunst: Fritz Adler, Pommern).

II. Als Attribut haben den A.: der hl. Clemens (Papst), weil er unter Trajan wegen seines christlichen Bekenntnisses mit einem A. um den Hals im Meer ertränkt wurde; der hl. Johann von Nepomuk und der hl. Veit von Prag als Patrone der in Wassergefahr Befindlichen; der hl. Nikolaus von Myra, als Patron der Seehäfen, Matrosen und Schiffer; der hl. Placidus, weil er an einem A. gekreuzigt wurde; die hl. Philomena, weil nach der Legende Diokletian sie mit einem A. um den Hals in den Tiber werfen ließ; die hl. Rose von Lima, als Patronin des Hafens von Lima.

Literatur

1. Cabrol-Leclercq I, 2, Sp. 1999ff. 2. Carl Maria Kaufmann, Handbuch der christlichen Archäologie, Paderborn 19223. 3. Franz Xaver Kraus, Realenzyklopädie der christlichen Alterthümer, 1882. 4. Louis Bréhier, L’art chrétien, Paris 19282. Vgl. ferner die Literatur des Artikels „Attribut“.