Ampel, Ampelkrone
englisch: Lamp, hanging lamp; französisch: Lampe, lustre; italienisch: Lampada, lampada in forma di corona.
Hans Wentzel (1935)
RDK I, 651–657
I. Begriff, Benennungsformen
Ampel ist eine zum Aufhängen eingerichtete Lampe, in der an einem oder mehreren Dochten Öl gebrannt wird. Das Wort ist abgeleitet von ampulla, das ursprünglich nur Fläschchen oder Krüglein aus Metall, Glas oder Ton bezeichnet, dann speziell die Gefäße, die für die geweihten Öle oder Wasser und Wein bei der Messe bestimmt sind; in dieser Bedeutung gilt ampulla (auch amula, ama) wohl noch in sämtlichen Texten des Mittelalters (Schlosser, Schriftquellen Nr. 81 und 394). Der Bedeutungswandel scheint sich mit der Übernahme des Wortes ins Althochdeutsche (ámpulla, amplâ; mittelhochdeutsch ampele, ample) vollzogen zu haben. In den andern Sprachen behält ampulla seine ursprüngliche Bedeutung; für die im Deutschen mit A. bezeichnete Hängelampe verwenden sie dasselbe Wort, das auch für Hand- und Standlampe gilt (franz. lampe, engl. lamp, von lat.griech. lampas).
Mittelalterliche und spätere lat. Quellen bezeichnen die A. als lucerna, lucerna pensilis, lampas, gabatha; wieweit die Ausdrücke pharus-cantharus, laterna, lychnus pensilis, lychnulus eine A. oder Leuchter schlechthin bezeichnen, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Es empfiehlt sich, mit Kerzen brennende Hängeleuchter nicht als A., sondern als Kronleuchter zu bezeichnen; eine strenge Scheidung ist im übrigen nicht immer möglich, da Hängeleuchter vorkommen, die gleichzeitig für Kerzen und öl eingerichtet sind. Für die an einem Standfuß mit Ketten einzeln oder zu mehreren aufgehängten Öllampen vgl. Kandelaber. Eine aus gemeinsamem Ölbehälter mit mehreren Tüllen vielflammig brennende A. kommt formal dem Kronleuchter nahe (vgl. Abb. 7). Davon zu unterscheiden sind die aus mehreren einzelnen A. zusammengesetzten Hängeleuchter, die man vielleicht am besten als Ampelkronen bezeichnet (s. unten). Solche A.-Kronen sind – vor allem in Miniaturen – nicht immer deutlich von den nur als Schmuck aufgehängten Kronen (Votivkronen) zu unterscheiden; häufig waren diese Kronreifen auch so eingerichtet, daß in ihrer Mitte eine A. aufgehängt wurde. – In neuerer Zeit pflegt man alle hängenden Lichtschalen (aus Alabaster, Kristall, Glas usw.) unabhängig von der Art der Beleuchtung als A. zu bezeichnen.
II. Geschichte, Material und Vorkommen
Die frühchristlichen A. schließen sich in Material und Form den griechisch-römischen Lampen an: so weit sie aus Ton bestehen, sind sie meistens 2flammig. Ihr Schmuck ist einfach; hauptsächlich kommen auf der oberen Rundfläche (discus) das Kreuz, das Monogramm Christi, Palmzweige und andere christliche Symbole, aber auch rein dekoratives Pflanzenornament vor. Auch die Metall-A. folgen den antik-heidnischen Vorbildern; Lampen in Tiergestalt sind nicht selten. Verhältnismäßig oft scheinen Tauben-A. vorzukommen; sie sind auch als Grab-A. bezeugt. Besonders reizvoll und wegen ihrer symbolischen Bedeutung beliebt sind A. in Form von Schiffchen, zuweilen 7flammig, mit Masten und Bemannung, oder als Segelschiff mit Christus als Steuermann. Aus dem 5. Jh. stammt eine A. in Gestalt einer Basilika aus Orléansville (Leningrad, Eremitage), bei der 10 in Ringe endigende Arme gläserne Ölgefäße trugen; diese und zahlreiche andere Beispiele frühchristlicher A. bei Cabrol-Leclercq [2].
Ampelkronen, deren Flammen nicht aus einem gemeinsamen Ölbehälter gespeist werden, sondern aus einzelnen kleinen Lämpchen brennen, spielen seit dem Zeitalter Konstantins mit seinem besonderen Lichtprunk auch in der christlichen Kirche eine bedeutsame Rolle. Der Liber Pontificalis gibt eine Vorstellung von der Größe und Kostbarkeit der A.-Kronen, die in frühchristlichen Kirchen oft in einer riesigen Zahl aufgehängt waren; Kronen von 80 und 120 Armen werden erwähnt, ganze Olivenfelder zu ihrem Unterhalt gestiftet (Rohault de Fleury [4], S. 6). – Sehr viel anspruchsloser sind die A.-Kronen koptischer Herkunft, die sich aus dem 6.–8. Jh. in Kairo erhalten haben: entweder als Hängereifen mit herausklappbaren seitlichen Armen („Delphini“) oder in Gestalt von Ringen, Scheiben oder Rosetten mit Löchern zum Einsetzen der Ölbehälter [12, S. 298 u. Taf. 12].
Waren in der frühchristlichen Zeit A. und A.-Kronen Beleuchtungsmittel für die ganze Kirche, so wurden sie mit zunehmender Kerzenbeleuchtung nur mehr an besonderen Stellen verwendet, wo eine ununterbrochene Brenndauer erwünscht schien,als Ewiges Licht vor dem Altar, über Gräbern, vor Muttergottes- und andern Andachtsbildern.
Die Zahl der erhaltenen mittelalterlichen A. ist sehr klein; vermutlich sind sie vielfach wegen ihres erheblichen Materialwertes eingeschmolzen worden oder – soweit aus Glas und Ton – zugrunde gegangen. Wir sind daher hauptsächlich auf die Darstellungen in Werken der Buch- und Wandmalerei, gelegentlich auch der Reliefplastik angewiesen. Die dort vorkommenden A. sind größtenteils 1flammig und haben entweder Birnenform, kugelige, becherförmige Gestalt oder die Form einer unten spitz zulaufenden Schale; s. die Reihe nach Miniaturen aus der Bibel Karls des Kahlen bei [5], S. 17. Häufig ist die A. bei der Darstellung von kirchlichen Innenräumen (Darstellung im Tempel); sie dient oft geradezu zur Charakteristik des Innenraums oder auch um anzudeuten, daß eine Szene in der Nacht spielt (Geburt Christi, Abendmahl, vgl. Sp. 34, Abb. 8, Grablegung). Für die Anbringung von A.-Kronen über Altären und an Altarciborien bieten die Fresken aus dem 11. Jh. in der Unterkirche von S. Clemente in Rom gute Beispiele.
Urkundlich erwähnt werden 1303 Grab-A. über den Kaisergräbern im Dom zu Speyer (Inv. Bayern VI, 3, S. 263), die nach der Zerstörung des Jahres 1689 durch Barock-A. ersetzt wurden (Abb. Inv., S. 269). Auch in der Vorhalle des Doms, die als Grabstätte gedient hat, hingen vor den Epitaphien und über den Gräbern zahlreiche A., die Tag und Nacht brannten (Inv., S. 274). Als romanisches Beispiel auf deutschem Boden nennen wir die Bronze-A. im Dom zu Erfurt, die vermutlich um 1150 entstanden ist (Abb. 1). Der sternförmig gebildete Ölbehälter ist mit 4 Ketten an einem zylindrischen Oberteil befestigt, den zahlreiche Relief szenen aus dem Alten Testament schmücken. Ein ähnliches Stück aus der ehemaligen Sammlung de St.-Mémin in Dijon ist in den Annales archéol. IV, 1846, S. 148f. veröffentlicht. Die den jüdischen Sabbat-A. ähnliche sternförmige Gestalt des Ölbehälters hat dazu geführt, derartige A. als „Judenlampen“ zu bezeichnen; doch ist an der christlichen Provenienz der genannten Denkmäler trotz der Beschränkung des Bilderkreises auf alttestamentliche Szenen nicht zu zweifeln. Einfachere Beispiele dieser sternförmigen A. mit 4 Tüllen finden sich in zahlreichen Sammlungen; eine 8tüllige „Juden-A.“ der Sammlung Figdor bildet d’Allemagne [8], S. 188, ab. In den meisten Fällen dürfte es sich um A. profaner Bestimmung und nachmittelalterlicher Entstehung handeln; als gotisch wird eine A. der Sammlung Benesch [9, Taf. 45, Nr. 36] bezeichnet.
Eine gotische Bronze-A. von 1461 im Dom zu Lübeck, der Inschrift nach eine flämische Arbeit, hat die Form eines an 3 Ketten aufgehängten Reifens (Abb. 2). Eine A. deutscher Herkunft im Smithonian Institute in Washington und eine flämische Ampelkrone aus Schmiedeeisen der ehemaligen Sammlung Kermaingant bildet Henriot [10] Taf. 61 u. 106 ab.
Seit dem hohen Mittelalter verliert die A. für die Kirchenbeleuchtung immer mehr an Bedeutung; sie wird durch Kronleuchter (Radleuchter), Kerzenständer usw. ersetzt. Nur als Ewiglicht-A. vor dem Altar ist sie bis zum heutigen Tage in Verwendung geblieben und hat vor allem im Barock reichste Ausgestaltung erfahren (s. Licht, ewiges). Daneben kommt sie aber auch immer wieder als Votivgabe vor Gnadenbildern u. ä. vor. Als Beispiele nennen wir die prachtvolle „Kaiser-A.“, die Leopold I. 1676 der Mariahilf-Kirche in Passau schenkte (Abb. 4), und die 1770 von Marie Antoinette in die Wallfahrtskirche „Zum Königlichen Bild“ in Burgau bei Günzburg gestiftete A., jetzt im Freiburger Münster (Abb. 6). Eine Verbindung von Kronleuchter und A. stellte die ungewöhnlich prunkvolle A. von 1730 in der Klosterkirche St. Mang in Füssen dar, die wir durch einen Stich von J. B. Herkommer kennen (Abb. 5). – Während die Barockzeit die A. anscheinend ausschließlich für kirchliche Zwecke verwendet, kommt sie im Zeitalter des Klassizismus vereinzelt auch in der Profankunst vor. Aller• Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei einer Empire-A. im Dresdener Kunstgewerbe-Museum (Abb. 7) um ein derartiges Stück. Das Material ist in den meisten Fällen Metall, nicht selten Edelmetall.
A. aus Holz sind wohl wegen ihrer Feuergefährlichkeit immer nur ausnahmsweise verwendet worden. Wir hören von einer hölzernen A., die am Grab des Hl. Rimbert, Bischofs von Hamburg, brannte (M.G.H., Scriptores II, 775, 40). Zwei laternenförmige A. aus Eichenholz aus dem E. 14. Jh. sind in Wienhausen erhalten, eine 8seitige (Abb. 3) und eine 6seitige. Beide A. haben eine lichtdurchlässige Maßwerkzone und sind mit Reliefschmuck versehen, die abgebildete auch mit Malerei. – A. aus Bergkristall sind anscheinend sehr selten gewesen; im Schatz von S. Marco in Venedig haben sich 2 solche erhalten (Abb. [4], Taf. 440/41).
Mit A. wird auch eine hängende Blumenschale bezeichnet. Ein in Lüneburg gefundenes Beispiel des 15. Jh. im Museum zu Hamburg mit tüllenartigen seitlichen Eingüssen bildet Bossert [13], S. 466, ab.
Vgl. auch die Artikel Lampe und Laterne.
Zu den Abbildungen
1. Erfurt, Dom, A. aus Bronze, um 1150. Phot. Ed. Bissinger, Erfurt.
2. Lübeck, Dom, A. aus Bronze, gestiftet 1461. Phot. Annenmus. Lübeck.
3. Wienhausen, Klosterkirche, A. aus Eichenholz, E. 14. Jh. Phot. Stud.-Rat Dr. Zaun, Hamburg.
4. Passau, Mariahilf-Kirche, „Kaiserampel“, gestiftet 1676 von Leopold I. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
5. Johann Georg Herkommer, Kupferstich der von ihm ausgeführten Prunkampel für das Kloster St. Mang in Füssen, 1730. Phot. Maximiliansmus. Augsburg.
6. Freiburg i. Br., Münster, Votivampel, gestiftet von Marie Antoinette in die Wallfahrtskirche „Zum Königlichen Bild“ bei Günzburg. Silber, 1770. Phot. G. Röbcke, Freiburg i. Br.
7. Dresden, Kunstgewerbemuseum, A. in antikisierender Form mit 12 Lichtquellen. Bronze, zum Teil vergoldet, um 1800. Phot. Sächs. Landesbildstelle Dresden.
Literatur
I. 1. Du Cange IV, S. 2 u. VI, S. 303. 2. Cabrol-Leclercq 8, 1, Paris 1928, S. 1086ff. 3. Victor Gay, Glossaire archéologique 2, Paris 1928, S. 64ff. 4. Ch. Rohault de Fleury, La Messe, Bd. VI, Paris 1888, S. 1ff. 5. Charles Cahier et Arthur Martin, Mélanges d’archéologie, Bd. III, Paris 1853, S. 1ff.
II. 6. Petrus Sanctius = Johannis P. Bellorius, Veterum lucernae sepulcrales, Lugduni Batavorum 1728. 7. Luca Fanciulli, De lucernis lampadibusque pensilibus in aedibus sacris veterum christianorum, Maceratae 1802. 8. Henry-René d’Allemagne, Histoire du luminaire depuis l’époque romane jusqu’au 19e siècle, Paris 1891. 9. Ladislaus von Benesch, Das Beleuchtungswesen, Wien 1905. 10. Gabriel Henriot, Encyclopédie du Luminaire, Vol. I/II, Paris 1933-34.
III. 11. Wolfg. Fritz Volbach, Metallarbeiten des christlichen Kultes in der Spätantike und im frühen Mittelalter, Kataloge des Röm.-Germ. Zentralmus., Nr. 9, Mainz 1921, Nr. 42 u. 46. 12. Jos. Strzygowski, Koptische Kunst, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire, Vol. 12, Wien 1904, S. 291ff. 13. Th. Bossert, Gesch. d. Kunstgew., Bd. 5, Berlin o. J.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Wentzel, Hans , Ampel, Ampelkrone, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1935), Sp. 651–657; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89158> [05.04.2022]
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