Altarleuchter (B. In der protestantischen Kirche)

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englisch: Altar-candlestick (Protestant); französisch: Chandelier d'autel (protestant); italienisch: Candeliere, (candelabro d'altare).


Georg Stuhlfauth (1934)

RDK I, 518–523


RDK I, 515, Abb. 8. Putzig, 15. Jh.
RDK I, 517, Abb. 1. Kammin, 1682.
RDK I, 517, Abb. 2. Lübeck, 1690.
RDK I, 517, Abb. 3. Lübeck, 1691.
RDK I, 517, Abb. 4. Salder, 18. Jh.
RDK I, 519, Abb. 5. Leipzig, 1790.
RDK I, 519, Abb. 6. Essenrode, 1814.
RDK I, 519, Abb. 7. Belgard, 16. Jh.
RDK I, 519, Abb. 8. Stettin, 1702.
RDK I, 521, Abb. 9. Insterburg, 1639.
RDK I, 521, Abb. 10. Stralsund, 1635.
RDK I, 521, Abb. 11. Gustow, 1746.
RDK I, 521, Abb. 12. Goslar, um 1760.

A. und Altarlichter haben die Reformierten als „papistischen Aberglauben“ abgelehnt. Luther bezog sie ein in sein bekanntes Wort: „Da (d. i. im Sonntagsgottesdienst für die Laien) lassen wir die Meßgewand, Altar, Liechter noch bleiben, bis sie alle werden, oder uns gefället zu ändern. Wer aber hie anders will fahren, lassen wir geschehen“ (Deutsche Messe: Erlanger Ausgabe 22, S. 237; Weimarer Ausgabe 19, S. 80). Ein notwendiger Bestandteil des Altargeräts und des gottesdienstlichen Raums waren sie also auch dem deutschen Reformator nicht. In der Tat waren am E. 16. Jh. im Konsistorialbezirk Wittenberg Kerzen auf dem Altar nicht in Gebrauch (G. Rietschel, Lehrbuch der Liturgik I, 1900, S. 140). Gleichwohl haben sich die A. als die Träger der während des Gottesdienstes brennenden Kerzen in den lutherischen und lutherisch gearteten Kirchen unentwegt behauptet und allgemein durchgesetzt. Daran hat auch das Zeitalter der Aufklärung auf die Dauer nichts geändert, obwohl mancherorten eine leidenschaftliche Bewegung gegen sie einsetzte (vgl. was C. G. N. Gesterding im Pommerschen Museum 4, 1790, S. 585, aus Gingst auf Rügen berichtet: „Wie glücklich aufgeklärte Gemeinden in allem gutem fortschreiten, davon ist auch dieß ein neuer Beweiß, daß mit dem Anfange des neuen Kirchen-Jahres, in unsrer Kirche keine Lichter mehr angesteckt wurden, nachdem Eingepfarrte und Prediger am Sonntage vorher sich darüber vereinbahret hatten, einen so unnützen und zu manchen Aberglauben Anlaßgebenden Gebrauch abzuschaffen“).

Die A. stehen in der Regel zu zweien, zuweilen aber auch 4 oder 6 (Abb. in Sp. 492) an der Zahl zu beiden Seiten des gewöhnlich etwas höheren Altarkreuzes auf der Mensa des Altars (im Oldenburgischen findet man gelegentlich 3 Leuchter auf dem Altar, wobei der mittlere die Stelle des Altarkreuzes einnimmt; Inv. Oldenburg V, S. 74, 81). Die Höhe der A. bewegt sich zwischen 20 cm und über 1 m. Bei äußerster Mannigfaltigkeit nicht bloß der immer wechselnden, wenn auch im ganzen der allgemeinen Stilentwicklung folgenden Gestaltung, sondern auch des Materials umfassen sie eine große Anzahl typisch und künstlerisch bedeutsamer, teilweise hervorragend schöner Stücke. Zur Herstellung von A. wurde Silber, Messing, Bronze, Zinn, Eisen, Marmor, Kristall, Fayence, Porzellan, Papiermaché und Holz verwendet. Silber, Bronze und Messing kommen sowohl gegossen wie getrieben vor. Namentlich der norddeutsche Barock hat vielfach imposante A. in Kupfer- und Messingtreibarbeit hervorgebracht, die durch Größe und kraftvolle Gliederung einen künstlerisch vollkommenen Ersatz für Edelmetall und massive Ausführung bieten und auch, trotz der üblichen Beschränkung auf 2, dem Altar zu einem weithin wirkenden, eindrucksvollen Schmuck gereichen (Abb. 10–11).

A. des 16. Jh. sind nicht sehr zahlreich. Fast stets aus Messing- oder Bronzeguß, bilden sie – im Anschluß an Formen des 15. Jh., vgl. Abb. 8 in Sp. 515 – einen ziemlich einheitlichen Typus (Abb. 7): Runder Schaft, ausschließlich durch Schaftringe gegliedert, auf einem ebenfalls runden geschlossenen Fuß oder (meist 3) angesetzten, gelegentlich in Form von Tieren oder Tierklauen gehaltenen Füßen stehend: Sottrum (Inv. Hannover II, 3, S. 176), Imsen (ebenda II, 6, S. 173), Rühn 1577 (Inv. Mecklenburg-Schwerin IV, S. 96), Flensburg 1582 (Inv. Schleswig-Holstein I, Taf. vor S. 263), Hattorf (Hannover, Kr. Gifhorn), Charbrow (Inv. Pommern, Kr. Lauenburg, S. 206), Belgard (Pommern, Abb. 7); weitere datierte A. des 16. Jh. in Nieder-Planitz (Inv. Sachsen 12, S. 48), 1589; Hallendorf (Hannover), 1591; Grömitz (Holstein), 1594; Bergenhusen (Schleswig) 1599; noch in der ganzen 1. H. 17. Jh. finden sich Beispiele dieses Typus: Gilten (Inv. Hannover III, 1, S. 125), 1640, vereinzelt auch in Silber (Güstrow; Inv. Mecklenburg-Schwerin IV, S. 248).

Im 17. und 18. Jh. herrscht ein größerer Reichtum an Formen; neue und besondere Typen bilden sich heraus, häufig auf Grund von Material und Technik. Neben dem Metallguß spielt jetzt auch die Treibarbeit eine große Rolle; für anspruchsvollere Gemeinden wird mit Vorliebe Silber verwendet, und zwar sowohl gegossen wie getrieben, vielfach auch in einer Kombination beider Techniken (Fuß getrieben, Schaft gegossen). Für Silber-A. setzt sich als bevorzugter Typus ein im Lauf der Entwicklung immer schlanker und gefälliger werdender, im Kern runder, vielfach eingezogener und wieder geschwellter Schaft auf dreieckigem, oft reich verziertem Fuß durch: Königsberg i. Pr., Löbenichtsche Kirche, 1640, und Dom, 1658 (von Czihak I, S. 42-43); Meißen, Frauenkirche (Inv. Sachsen 39, S. 36); Kammin, 1682 (Abb. 1); Hermannstadt, 1691 (Roth, Taf. 14, 1); Erfurt, Predigerkirche, 1693 (Graul, Taf. 45); Gifhorn, 1712 (Inv. Hannover III, 4, Taf. 8); Salder (Braunschweig, Abb. 4); Wendhausen, 1722 (Inv. Braunschweig II, S. 232); Lübeck, St. Annen, 1725 (Warncke, Abb. 98); Güstrow, 1745 (Inv. Mecklenburg-Schwerin IV, S. 248); Neustadt in Holstein, 1751 (Warncke, Abb. 100); Gandersheim, um 1765 (Inv. Braunschweig 5, S. 144) und selbst noch in klassizistischen Spätwerken wie Leipzig, St. Nikolai, 1790 (Abb. 5). Daneben kommen, namentlich bei ganz in dünnem Silberblech getriebenen A., auch einfachere Formen mit rundem Fuß und gewundenem Schaft vor: Lübeck, St. Marien, 1691 (Abb. 3), Tyresö (Södermanland: Hamburger Arbeit des späten 17. Jh., Ausstellung Strängnäs 1910, II, S. 173) und bei vielen anderen sowohl einheimischen wie importierten Arbeiten in Schweden. Gelegentlich ist der Schaft figürlich gestaltet oder mit Figuren geschmückt: Wismar, St. Nikolai, 1666 (Inv. Mecklenburg-Schwerin II, S. 154); Wismar, St. Marien, 1672 (ebenda, Taf. nach S. 61); Lübeck, St.-Annen-Museum (aus St. Jakobi), 1690 (Abb. 2); Elmshorn (Holstein), 1696; Hölö (Södermanland), Augsburger Arbeit des späten 17. Jh. (Ausstellung Strängnäs 1910, II, S. 172); Lübeck, St. Ägidien, 1703 (Warncke, Abb. 99). Erst die Empirezeit hat dem silbernen A. ganz neue Formen gegeben (Effenrode in Hannover, 1814, Abb. 6).

Vielfach folgen auch die gegossenen Messingleuchter dem beschriebenen Haupttypus der Silberleuchter: Effenrode, 1636 (Inv. Hannover III, 4, S. 56), Insterburg, 1639 (Abb. 9); Lauenburg, 1658, und Bütow in Pommern (Inv. III, 2, S. 146 und 229); sie unterscheiden sich aber ohne Ausnahme durch größere Einfachheit in Form und Schmuck. Vor allem kommt immer wieder die ältere runde Fußform vor (Stettin, St. Peter und Paul, 1702, Abb. 8). Ganz besondere Typen entwickeln die in Norddeutschland verbreiteten, zum Teil sehr großen A. aus getriebenem Meiling- oder Kupferblech mit stark ausladenden Gliederungen und markantem Absetzen der einzelnen Teile (Fuß, Schaft, Lichtschale): Stralsund, St. Marien, 1635 (Abb. 10); ebenda Hl. Geist, 1665, und St. Jakobi, 1698; Gustow auf Rügen, 1746 (Abb. 11). Die außerordentlich zahlreichen Zinnleuchter schließen sich in manchen Fällen dem Haupttypus der Silber-A. an (Gandersheim, 1693, Inv. Braunschweig V, S. 197; Ebersbach, 1732 und 1764, Inv. Sachsen 34, S. 110). Meist sind sie sehr viel einfacher und gedrungen, gelegentlich aber auch von betont üppiger und bizarr bewegter Form. Zinnerne A. von seltener Eigenart hat das mittlere 17. Jh. gestaltet; so die A. von Garden, 1651, jetzt im Museum zu Stettin (Inv. Pommern II, 2, S. 191), Sörnewitz, 1654 (Inv. Sachsen 28, S. 286), und Alt-Falkenberg, 1655 (Inv. Pommern II, 2, S. 352). Gußeiserne A. werden in Norddeutschland seit dem Aufblühen des Berliner Eisengusses im frühen 19. Jh. häufiger. Im 18. Jh. gibt es A. aus Fayence, Porzellan, Bergkristall (Gandersheim), auch Glas und Marmor (Hüttenrode, 1783, Inv. Braunschweig VI, S. 153), ohne daß es in der Regel zur Prägung besonderer, vom profanen Leuchter unterschiedener Typen gekommen wäre. Als Ersatz für Metall, und vielfach Metallformen nachahmend, wurde Holz verwendet; unter den in Norddeutschland nicht seltenen Holzleuchtern finden sich Beispiele von eindrucksvoller Schlichtheit. Daneben gibt es aber auch hölzerne A. von so eleganter Haltung und feiner Ausführung wie die Rokokoleuchter der Neuwerkskirche in Goslar (Abb. 12). Im 18. Jh. ist vereinzelt auch Papiermaché als Ersatz für edles Material benutzt worden (Ludwigslust, Abb. in Sp. 492).

Sonderformen auf dem Gebiet des protestantischen A. haben die skandinavischen Länder ausgebildet, indem sie häufig mehrarmige, zum Teil kandelaberartige A. schufen: Dreiarmige A. von 1647, 1701 und 1702 in der Storkyrka, in graziösesten Rokokoformen in St. Klara, von 1773 in der Hedwig-Eleonora-Kirche, fünfarmiger aus dem frühen 17. Jh. in der Kungsholmkyrka in Stockholm. Vgl. Sveriges Kyrkor.

Zu den Abbildungen

1. Kammin, Domschatz, A. aus Silber (sog. Croyleuchter) von Lorenz Hoffmann in Königsberg, 1682. Höhe 68 cm. Phot. Staatliche Bildstelle, Berlin.

2. Lübeck, St.-Annen-Museum, A. aus St. Jakobi, 1690 von Heinr. Schmidt in Lübeck. Silber, Fuß und Lichtschale getrieben, der Engel gegossen. Höhe 45 cm. Phot. Elfi Bruns, Lübeck.

3. Lübeck, Marienkirche, A. aus getriebenem Silber von Heinr. Schmidt in Lübeck, 1691. Höhe 51 cm. Phot. St.-Annen-Museum, Lübeck.

4. Salder (Braunschweig), A. aus Silber. Augsburger Arbeit, 1. V. 18. Jh. Höhe 52 cm. Phot. Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig.

5. Leipzig, St. Nikolai, Silber-A. von Friedrich Reinhard Schrödel, 1790. Höhe 40 cm. Nach R. Graul.

6. Essenrode (Hannover), silberner A. von 1814. Höhe 31 cm. Phot. Provinzialkonservator.

7. Belgard (Pommern), 16. Jh., Messingguß. Phot. Provinzialkonservator, Stettin.

8. Stettin, St. Peter und Paul, A. von 1702, Messingguß. Phot. Provinzialkonservator.

9. Insterburg (Ostpreußen), Luth. Pfarrkirche, A. von 1639, Messingguß. Phot. Prof. Dr. Anton Ulbrich, Königsberg.

10. Stralsund, Marienkirche, A. aus getriebenem Messing, 1635. Höhe 105 cm. Phot. Kg. Seminar, Greifswald.

11. Gustow (Rügen), A. aus getriebenem Kupferblech, 1746. Höhe 70 cm. Phot. Kg. Seminar, Greifswald.

12. Goslar, Neuwerkskirche, Rokoko-A. aus Holz, silbern gefaßt. Um 1760. Höhe 60 cm. Phot. H. Stumm, Goslar.

Literatur

s. Sp. 48 und 493.

Verweise