Altarleuchter (A. In der katholischen Kirche)
englisch: Altar-candlestick (Roman Catholic); französisch: Chandelier d'autel (catholique); italienisch: Candeliere (cattolico), candelabro d'altare (cattolico).
Joseph Braun S.J. (1934)
RDK I, 511–517
I. Begriff, Alter ihrer Verwendung
Leuchter mit brennender Kerze, die auf dem Altar stehen müssen, wenn an ihm Messen oder sonstige liturgische Handlungen stattfinden. Ihre Zahl beträgt je nach den Umständen 2, 4, 6 oder 7. Leuchter auf den Altar zu setzen, hat man erst in der 2. H. 11. Jh. begonnen. Licht fehlte freilich bis dahin bei der Messe und andern am Altar sich vollziehenden Verrichtungen nicht, es war jedoch nicht auf diesem angebracht, sondern vor, neben, hinter (Abb. 1) sowie auch wohl über ihm. Die ältesten aus Deutschland vorliegenden Belege für die Verwendung von A. bieten Miniaturen eines Prümer Evangeliars aus der Zeit des Abtes Ruotbert († 1063) in englischem Privatbesitz und des Wyschehrader Evangeliars zu Prag (E. 11. Jh.). Allgemein in Gebrauch kamen die A. erst seit dem 13. Jh. Doch gab es, da sie noch nicht ausdrücklich vorgeschrieben waren, noch im späten Mittelalter Ausnahmen und befanden sich die Leuchter damals verschiedenerorten noch nach wie vor neben, hinter oder vor dem Altar. Ihre Zahl aber belief sich, von hohen Festtagen abgesehen, noch im ausgehenden Mittelalter gewöhnlich auf höchstens 2, wie auch die Bildwerke aus dieser Zeit bekunden. Allgemein verpflichtend wurden die A. durch das Missale Pius’ V. (1570) und das Cäremoniale episcoporum Klemens’ VIII. (1600), durch die auch ihre Zahl bestimmt wurde.
II. Material
Als Material zur Herstellung der A. dienten im Mittelalter Silber, Bronze (Kupfer) sowie im ausgehenden Mittelalter auch Messing (Abb. 7), seltener, wie es scheinen möchte, Zinn. Häufig ist in den mittelalterlichen Inventaren von silbernen A. die Rede, ein Zeichen ihrer Beliebtheit; erhalten haben sich jedoch fast keine, auch nicht in Deutschland. Aus Bronze (Messing) gemachte werden in ihnen nur ausnahmsweise aufgeführt, um so größer ist die Zahl der noch heute vorhandenen mittelalterlichen A. dieser Art. In welchem Umfang A. aus Eisen und Holz entstanden, läßt sich nicht feststellen. Hervorragend schöne eiserne gibt es im Bayr. Nat.Mus. München (Abb. 10), interessante hölzerne in der Slg. des Priesterseminars zu Freising, im Germ. Nat.Mus. Nürnberg und im Welfenmus. Hannover. Nicht selten sind in den mittelalterlichen Inventaren größerer Stiftskirchen A. aus Kristall verzeichnet. Daß auch in Deutschland im Mittelalter solche entstanden, bekunden Leuchter zu Königslutter und in der Slg. des Priesterseminars zu Freising. Eine allgemein verpflichtende Vorschrift bezüglich des Materials der A. ist auch in nachmittelalterlicher Zeit nicht erfolgt. Verwendet wurden in ihr die gleichen Materialien wie im Mittelalter.
III. Form
Nach ihrer formalen Beschaffenheit schieden sich die A. in der Zeit des romanischen Stiles (Abb. 2–6) in 3 Hauptgruppen, in Leuchter mit 3seitigem, entweder nur von Bügeln oder, und zwar gewöhnlicher, von einer dreiseitigen Pyramide gebildetem Fuß (Abb. 5), in Leuchter mit rundem, kalottenartigem Fuß (Abb. 3 u. 6) und in Drachen und andere mehr oder weniger phantastische Tiergestalten darstellende Leuchter. Inwieweit freilich die letzten nicht bloß überhaupt im kirchlichen Dienst, sondern insbesondere auch als A. Verwendung gefunden haben, muß dahingestellt bleiben. Der Fuß der Leuchter der beiden ersten Gruppen saß stets auf 3 kleinen Stützchen in Form von Klauen (Abb. 5 u. 6), Drachen u. ä. (Abb. 2–4), die entweder organisch aus dem Fuß herauswuchsen oder ohne inneren Zusammenhang mit ihm als rein äußerliche Zutat beigegeben waren. Ein Schaft fehlte sehr oft; als Zwischenglied zwischen Fuß und Lichtschale diente dann lediglich ein übrigens auch beim Vorhandensein eines Schaftes nie mangelnder Nodus. Die Lichtschale war entweder schüssel-, napf- oder trichterförmig. Im letzten Fall erscheint sie oft durch 3 Drachen-, Vogel- oder Menschenfiguren abgestützt (Abb. 4). Es sind, neben Limoger, vornehmlich A. anscheinend deutscher Herkunft, die uns über die formale Beschaffenheit der romanischen A. Aufschluß geben.
In der Zeit der Gotik (Abb. 7–11) verlieren sich die 3 genannten Leuchtertypen; an ihre Stelle treten 2 neue Haupttypen. Beim ersten waren Fuß und Schaft dem Fuß und Schaft des Kelches nachgebildet (Abb. 9), der zweite zeigt einen kegelartigen, horizontal in Kehlen, Wulste und Einsprünge aufgelösten, mit kräftiger Zarge versehenen Fuß und runden, mit stärkeren und schwächeren Knäufen und Ringen versehenen, meist nach oben zu sich schwach verjüngenden Schaft (Abb. 7 u. 8). Die Lichtschale hat gewöhnlich Napfform. Auch über die Formbildung der gotischen A. erhalten wir namentlich Aufschluß durch die zahlreichen Beispiele, die sich in Deutschland erhalten haben. In der nachmittelalterlichen Zeit dauert von den beiden gotischen A.-Typen nur der zweite fort, freilich immer mehr formal beeinflußt und umgemodelt durch die Renaissance (Abb. 12–16). An Stelle des ersten tritt ein neuer Typus im 16. Jh. auf den Plan, der von Italien ausgehend allmählich allgemein, auch in Deutschland, Aufnahme findet und in der Zeit des Barock allenthalben vorherrscht. Der Fuß ist bei ihm wieder 3seitig (Abb. 13 bis 16), seltener rund und flachgewölbt (Abb. 12), der Schaft aber besteht je nach der Größe der Leuchter, die. im Vergleich mit den niedrigen romanischen und nur mäßig hohen gotischen A. oft sehr bedeutend war, aus 1, 2, ja selbst 3 mehr oder weniger langgestreckten vasen-bzw. flaschenartigen Bildungen.
IV. Schmuck
Mit Ornament wurden die gotischen Leuchter durchweg nur in sehr bescheidenem Maße ausgestattet. Man legte bei ihnen alles Gewicht auf eine gefällige, reichentwickelte Form. Ein beliebter Schmuck der romanischen in Guß hergestellten Leuchter waren Drachen, Eidechsen, Ranken und Blattwerk, in die der Fuß derselben sogar oft geradezu aufgelöst erscheint (Abb. 2 u. 4). Für die in Treibarbeit hergestellten Limoger Altarleuchter hat man zur Verzierung Email benutzt, das übrigens, wie z. B. ein Leuchterpaar im Dom zu Halberstadt zeigt, auch in Deutschland als Schmuck der A. zur Verwendung kam. Reichlich hat man die Renaissance- und besonders die Barock-A. mit Ornament bedacht. Mit Vorliebe getrieben, bestand es in Akanthusranken und Blättern, Kartuschen mit Brustbildern, Engelsköpfchen, Bandel- und Schnörkelwerk u. ä. (Abb. 13–15).
Zu den Abbildungen
1. Frankfurt a. M., Stadtbibl., Buchdeckel aus Elfenbein, 9.–10. Jh. Ausschnitt: Zelebrierender Bischof. Nach Ad. Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen I, Taf. Lill, Nr. 121.
2. Freising, Priesterseminar, 12. Jh. Phot. Verf.
3. Hildesheim, Dom, 12. Jh. Phot. Lax, Hildesheim.
4. Münster, Diözesanmuseum, 12. Jh. Phot. Verf.
5. Fritzlar, Stiftskirche St. Petri, 13. Jh. Nach Inv. Reg.-Bez. Kassel, Bd. II, Kr. Fritzlar, Taf. III.
6. Nürnberg, Germ. Nat.-Mus., 13. Jh. Phot. Verf.
7. Kalkar, Pfarrkirche, 16. Jh. Phot. Fr. Brandt, Flensburg.
8. Putzig (Westpr.), Kath. Pfarrkirche, E. 15. Jh. Nach Inv. Westpreußen, Bd. I, Beilage 7.
9. Aachen, Münster, 2. H. 14. Jh. Phot. Verf.
10. München, Bayr. Nat.-Mus., 15. Jh. Phot. Verf.
11. Tiefenbach (Bayern, Bez.-Amt Passau), 1495. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
12. Aschaffenburg, Schloßkirche, A. 17. Jh. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
13. Straubing, Karmeliterkirche, um 1680. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
14. Wippstetten (Niederbayern), Wallfahrtskirche, 1769. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
15. Straubing, Karmeliterkirche, um 1720. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
16. Aschaffenburg, St. Agathe, um 1780. Phot. Bayr. Landesamt für Denkmalpflege, München.
Verweise
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