Altarkreuz (A. In der katholischen Kirche)

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englisch: Altar-cross (Roman Catholic), crucifix (Roman Catholic); französisch: Croix d'autel (catholique); italienisch: Croce d'altare (cattolico).


Joseph Braun, S.J. (1937)

RDK I, 500–506


RDK I, 501, Abb. 1. London, um 1200 (deutsch).
RDK I, 501, Abb. 2. Freising, 13. Jh. (Limoges).
RDK I, 501, Abb. 3. Cleve, 14. Jh.
RDK I, 503, Abb. 4. Neuruppin, 1476.
RDK I, 503, Abb. 5. Salzburg, um 1430.
RDK I, 503, Abb. 6. Wiesensteig, 1475.
RDK I, 505, Abb. 7. Weil der Stadt, gegen 1500.
RDK I, 505, Abb. 8. Schloß Herdringen, um 1600.
RDK I, 505, Abb. 9. Köln, Mitte 18. Jh.

I. Unter A. versteht man ein Kreuz, das nach liturgischer Vorschrift bei der Feier der Messe hinten in der Mitte der Mensa dem zelebrierenden Priester gegenüber, sei es unmittelbar auf derselben, sei es erhöht auf einem Untersatz, stehen muß. Es ist ein Hinweis auf den Charakter der am Altar sich vollziehenden Handlung als eines Opfers, und zwar als der wirklichen aber unblutigen Erneuerung und Vergegenwärtigung des Kreuzopfers. Daher darf es auch nicht in einem bloßen Kreuz bestehen, sondern muß mit einer Figur des Gekreuzigten versehen sein. Reliquien können in ihm eingeschlossen sein, wofern es nur einen Kruzifixus aufweist, also nicht lediglich Reliquienkreuz ist. Damit sein Zweck erreicht werde, soll es so groß und so angebracht sein, daß es auch von den bei der Messe anwesenden Gläubigen gesehen werden kann. Es braucht sich nicht auf dem Altar zu befinden, wenn das Retabel als Hauptbild eine Darstellung des Gekreuzigten enthält, oder wenn das Allerheiligste auf dem Altar ausgesetzt ist. Außerhalb der Meßfeier das Kreuz auf dem Altar zu belassen, ist nicht Vorschrift, aber allgemeiner Brauch, um den Altar auch in der Zeit seiner Nichtbenutzung als eucharistische Opferstätte zu kennzeichnen. Der liturgische Charakter des A. offenbart sich besonders auch darin, daß der Priester bei bestimmten Gelegenheiten in der Messe gegen dasselbe eine Hauptverneigung zu machen und im feierlichen Amt bei Vornahme der Inzensationen wie den Altar so auch das A. zu inzensieren hat.

II. In der Geschichte des A. lassen sich 3 Entwicklungsstufen unterscheiden. Auf der 1. Stufe, die als die vorbereitende bezeichnet werden kann und bis ins 11. Jh. hinein dauerte, befand sich das Kreuz nie auf dem Altar, sondern vor, über, neben sowie namentlich hinter demselben, es sei denn, daß es Reliquien enthielt; doch galt es in diesem Falle nicht als A., sondern gleich andern Reliquiaren nur als Reliquiar. Auch war es nur der Hochaltar und der Kreuzaltar, die man mit einem Kreuz ausstattete, und dieses pflegte in der Regel noch nicht mit einer Figur des Gekreuzigten versehen zu sein. Auf der 2. Stufe, die, wie es scheint, im späten 11. Jh. einsetzt, erhält das Kreuz, das nun regelmäßig mit einem Bild des Gekreuzigten versehen ist, auf dem Altar seinen Platz, auch wenn es keine Reliquien enthielt, und zwar besonders bei der Feier der Messe, indem es zugleich Ausdruck der auf dem Altar sich vollziehenden unblutigen Erneuerung des Kreuzopfers wird. In Rom muß sich dieser Wandel im Lauf des 12. Jh. vollzogen haben. Denn schon Innozenz III. redet in seiner um 1200 entstandenen Schrift De sacro altaris mysterio (l. 2, c. 21, n. 217, 811) von einem Kreuz, das bei der Messe hinten auf dem Altar zwischen 2 Kerzen stehen müsse, und zwar nicht als von etwas Neuem, sondern als von einem bestehenden Brauch. E. 13. Jh. hatte, wie aus dem Rationale div. off. des Durandus (l. 1, c. 3, n. 31) erhellt, der Brauch, wohl unter Einfluß der rasch berühmt gewordenen Schrift Innozenz’ III., bereits weite Verbreitung gefunden. Eine allgemeine, für alle Altäre geltende Vorschrift, diese bei der Messe mit einem A. auszustatten, erfolgte im Mittelalter jedoch nie, partikularrechtliche aber wurden nur sehr vereinzelt erlassen. Es war darum auch mancherorten nur der Hochaltar, den man mit einem solchen versah; auch galt als Ersatz des Kreuzes ein Passionsretabel, deren sehr viele im späten Mittelalter entstanden, ein noch oft hinter dem Altar angebrachtes Kruzifix sowie bei Altären, die einer Wand vorgebaut waren, eine derselben aufgemalte oder eine einem Wandbehang aufgestickte Kreuzesdarstellung. Die 3. Entwicklungsstufe setzte ein mit der Neuordnung des Missales Pius’ V. (1570), durch die das A. allgemein bei der Messe vorgeschrieben und liturgisch wurde, was es jetzt ist.

III. Betreffs des Materials des A. liegen aus dem Mittelalter keine Bestimmungen vor, auch keine partikularrechtlichen. Gern und häufig wurde es aus Silber angefertigt, auch in Deutschland, wie Sowohl die hier noch in erheblicher Zahl vorhandenen mittelalterlichen A. als auch die deutschen Inventare des späteren Mittelalters bekunden. Wenn aus Kupfer hergestellt, war es stets vergoldet oder doch versilbert, wenn aus Bronze oder Messing, wohl meist. – A. aus Kristall entstanden, im Gegensatz zu den etwas häufigeren kristallenen Prozessions- und Reliquienkreuzen, jedenfalls in Deutschland wie es scheint sehr selten. In wenig begüterten Kirchen, zumal in kiemen Landkirchen, wird man sich für gewöhnlich mit einem aus Holz geschnitzten A. begnügt haben. In nachmittelalterlicher Zeit verhielt es sich bezüglich des Materials des A. nicht anders wie im Mittelalter. Eine allgemeingeltende Anweisung, nach der das A. an hohen Festen wo möglich aus Silber oder doch aus vergoldetem Kupfer oder vergoldeter Bronze bestehen soll, erließ das 1600 veröffentlichte Caeremoniale episcoporum, die einzige allgemeinrechtliche Bestimmung über das Material des A. Partikularrechtliche Anweisungen erfolgten in Deutschland durch den Regensburger Generalvikar Myller, nach dem das A. aus Silber, vergoldetem Kupfer oder vergoldetem Holz gemacht sein kann, und durch die Prager Synode von 1605, nach der es wenigstens von Bronze sein soll. Bemerkenswerte Renaissance-A. aus Kristall gibt es in der Schloßkapelle zu Aschaffenburg und der Stiftskirche zu Klosterneuburg. Am häufigsten wurde in nachmittelalterlicher Zeit das A. aus Holz angefertigt, in ärmeren Kirchen fast ausschließlich; doch bestand bei ihm die Figur des Gekreuzigten oft aus Silber, Messing, Elfenbein oder Bein und wurden schwarz gebeizte und polierte A. an den Enden der Balken und am Fuß gern mit Silberauflagen verziert, wie manche Beispiele aus dem 17. und 18. Jh., namentlich auch in deutschen Kirchen, bekunden.

IV. Als Standkreuz setzt sich das A. aus Ständer und Kreuz zusammen. Im Mittelalter waren, wie auch Durandus bezeugt (Rat. l. 1, c. 3, n. 31), beide vielfach nur lose miteinander verbunden (Abb. 1 u. 2), so daß das Kreuz aus dem Ständer herausgenommen und als Prozessionskreuz einem Schaft aufgedeckt werden konnte. Auch in nachmittelalterlicher Zeit verhielt es sich mancherorten bis ins 17. Jh. so. Der Ständer setzte sich bei den romanischen Kreuzen, von Sonderbildungen abgesehen, der Regel nach aus einem bald 3- oder 4seitigen pyramidalen, bald runden kalotten- oder glockenförmigen Fuß, der auf Klauen oder Drachen zu sitzen pflegte, einem oft nur aus 1 oder 2 Ringen oder aus 1 oder 2 Zylindern oder Prismen bestehenden Schaft und einem Nodus in Form einer abgeplatteten Kugel zusammen (Abb. 2).

Der Ständer der gotischen Kreuze war dem Fuß des Kelches, des Ziboriums, sowie namentlich dem der Monstranzen nachgebildet, und bestand aus bald 4- oder 6seitigem, bald 4-, 6- oder 8paßförmigem Fuß, 4seitigem, 6seitigem oder rundem, vom Fuß oft durch ein Zwischenstück geschiedenem Schaft und einem runden, abgeplattet kugeligen, mit Zapfen besetzten oder melonenartig gerippten, doch auch wohl mehrseitigen, bei Ständern des späten 15. Jh. aber nicht selten eine kapellenartige Architektur darstellenden Nodus (Abb. 3-7). Der Fuß war, besonders wenn die Pässe Kielbogenform hatten, nicht selten gleich dem der Monstranzen, entsprechend der Ausladung der Arme des Kreuzes, in die Breite gezogen. Die Verbindung von Ständer und Kreuz war meist unorganisch. Höchstens, daß man den Ansatz des Kreuzes durch Blattwerk (Abb. 6) oder eine Engelfigur verdeckte. Ein Schaft fehlte nur selten. Bei den A. der Renaissance und des Barocks besteht, soweit nicht bei ersteren der gotische Ständertypus noch nachwirkt, der Ständer entweder bloß in einem runden, 4seitigen oder geschweiften Sockel, der in der Zeit des Rokoko oft bizarre Formen annahm, oder in Nachahmung eines Leuchterständers aus 3seitigem, 4seitigem oder rundem Fuß und vasenförmigem Schaft (Abb. 8. u. 9).

Das Kreuz der romanischen A. zeigte an den Enden der Balken gewöhnlich ein rechteckiges, quadratisches oder trapezförmiges Abschlußstück (Abb. 2). Bei den gotischen (Abb. 3 bis 7) erhielten diese Abschlußstücke Rauten-, Rundscheiben-, Dreipaß-, Vierpaß- oder – namentlich in Frankreich und Spanien – Lilienform, die Balken aber wurden schon in der Frühgotik nicht selten in Form runder, mit Aststumpfen oder Blattwerk besetzter an den Enden abgeschnittener Baumstämme gestaltet, um das Kreuz als arbor vitae zu kennzeichnen (Abb. 1, 4 u. 5). A. der Spätgotik besetzte man an den Kanten der Balken gern mit einem Zackenkamm (Abb. 7 u. 8). Der Brauch, die Enden der Balken mit einem Abschlußstück zu versehen, erhielt sich auch in der Zeit der Renaissance und des Barocks. Am längsten behauptete sich von den früheren Formen ein 3paßförmiges, doch weisen schon Kreuze des 16. Jh., zumal in Italien, neue freiere Bildung der Endstücke auf, die dann in der Zeit des Barocks, in dem sie nicht selten aus bloßem, den Enden der Balken aufgesetztem Schnörkelwerk bestanden, das Gewöhnliche wurden.

Nie fehlte dem A. eine Figur des Gekreuzigten. Als Ergänzung gesellten sich bis ins 16. Jh. zu ihr nicht selten, und zwar schon bei A. des 13. Jh., Statuettchen der Schmerzenmutter und des hl. Johannes, die auf Armen standen, welche entweder unten aus dem Vertikalbalken oder hart unterhalb desselben oben aus dem Schaft herauswuchsen (Abb. 5). Auf den Endstücken der Arme liebte man es bis in die nachmittelalterliche Zeit in Gravierung, Relief oder Email die Evangelistensymbole darzustellen (Abb. 6). Ein Kreuz in Weil der Stadt in Württemberg (Abb. 7) zeigt als Ausnahme auf den Abschlußstücken Halbfiguren von 4 Patriarchen; die Evangelistensymbole sind hier an deren Rückseite angebracht. Heilige sind nur selten auf den A., besonders auch auf den mittelalterlichen angebracht, und zwar finden sich solche fast nur auf dem Fuß.

V. Ausstattung. Mit Ornament wurden fast nur der Fuß und Nodus des Ständers sowie die Vorderseite des A. ausgestattet; die Rückseite blieb meist schmucklos. Das Ornament bestand bei den mittelalterlichen Kreuzen vornehmlich in Gravierungen; getriebenes kam erst in nachmittelalterlicher Zeit ausgiebiger zur Verwendung. Steine und Perlen, mit denen bis ins 12. Jh. die Kreuze oft bis zum Übermaß verziert wurden, spielen als Schmuck auf den A. des 13. Jh. und der Folgezeit nur mehr eine wenig bedeutende Rolle. Mit Email (Grubenschmelz) sind die Limoger Kreuze (Abb. 2) reichst ausgestattet. Auf A. des späten Mittelalters kommt Schmelz fast nur mehr in Form von kleinen, in durchsichtigem Email ausgeführten, meist runden Plättchen vor. Häufig waren in den spätmittelalterlichen A. Reliquien eingeschlossen, zumal Partikel des hl. Kreuzes.

Zu den Abbildungen

1. London, Victoria and Albert Museum. A. aus Bronze; deutsch, um 1200. Nach V. C. Habicht, Niedersächs. Kunst in England, 1930.

2. Freising, Priesterseminar. Romanisches A., Limoges, 13. Jh. Phot. Verf.

3. Cleve (Rheinland), Stiftskirche. A., Silber vergoldet, 14. Jh. Phot. Slg. der „Stimmen der Zeit“.

4. Neuruppin, Pfarrkirche. A. aus Silber, 1476. Nach Inv. Brandenburg I, 3, Taf. 17.

5. Salzburg, Domschatz. A. mit Maria und Johannes, Kupfer vergoldet, um 1430. Nach Inv. Österreich IX, Fig. 66.

6. Wiesensteig (Württ.), Pfarrkirche. A. aus Silber, 1475. Nach G. E. Pazaurek, Alte Goldschmiedearbeiten aus schwäbischen Kirchenschätzen, Leipzig 1912, Taf. XIX.

7. Weil der Stadt (Württ.), katholische Kirche. A. mit Patriarchenhalbfiguren, Kupfer und Silber teilvergoldet, gegen 1500. Nach G. E. Pazaurek, Alte Goldschmiedearbeiten aus schwäbischen Kirchenschätzen, Leipzig 1912, Taf. XXIII.

8. Schloß Herdringen (Westf.). A. von Anton Eisenhoit, Silber vergoldet, um 1600. Nach Inv. Westfalen, Kreis Arnsberg, Taf. 35.

9. Köln, Schnütgenmuseum. A., Kupfer vergoldet, M. 18. Jh. Nach Fritz Witte, Die liturgischen Geräte der Slg. Schnütgen, Berlin 1913.

Literatur

1. Jos. Braun, Das christl. Altargerät, München 1932, S. 466ff. 2. Fr. Witte, Die liturg. Geräte d. Slg. Schnütgen, Berlin 1913.

Verweise