Aktäon
englisch: Actaeon; französisch: Actéon; italienisch: Atteone.
Lothar Freund (1934)
RDK I, 288–293
Aktäon (griech. Heros), der nach der Sage (Ovid, Metam. III, 131ff.) auf der Jagd Diana und ihre Gefährtinnen beim Bad überrascht; um zu verhindern, daß er sein Erlebnis ausplaudert, verwandelt ihn die Göttin in einen Hirsch und gibt ihn seinen eigenen Hunden preis, die ihn zerreißen [1 u. 2]. Dem bildenden Künstler bietet die Erzählung 3 Aufgaben, die stets gern gelöst wurden: eine Gruppe mannigfach bewegter Akte, eine Verwandlung, d. h. Verkopplung von Menschen- und Tierformen sowie eine Gruppe aus Mensch bzw. Hirsch und Hunden. Daher ist die A.-Geschichte, von der Antike abgesehen, seit dem 16. Jh. nicht selten dargestellt worden.
Die Erzählung enthält verschiedene Phasen: die Frauen bemerken A., Diana bespritzt ihn mit dem Quellwasser, das nach Ovid die Verwandlung bewirkt, diese beginnt sich zu vollziehen, die Hunde fallen den Jäger an, er wird zerrissen. Von diesen ist bald die eine, bald die andere, bald sind mehrere zugleich wiedergegeben worden, ohne daß immer eine scharfe Scheidung zwischen den einzelnen Momenten möglich ist, die Schlußszene ausgenommen. Nur im Groben lassen sich 2 Gruppen unterscheiden. Bei der einen liegt das Hauptgewicht der Komposition auf der breit im Vordergrund entwickelten Gruppe der Akte, während A. seitlich oder im Hintergrund als Nebenfigur erscheint. So verhält es sich bei Tizian, Josef Heintz (1564-1609, Gemälde in Wien, K.hist. Mus.), bei Johann Rottenhammer (Abb. 1; außerdem ein Gemälde in Schleißheim, 1602; Stiche nach Rottenhammer von J. F. Beauvarlet und Justus Sadeler) und bei anderen Künstlern seines Kreises. Auch Lastman und Rembrandt (vgl. Weisbach, S. 226f.; Abb. einer Zeichnung bei Bredt [5.] S. 65) so wie Gainsborough sind hier zu nennen (Abb. [5.] S. 9).
Die 2. Gruppe rückt A. mehr in den Vordergrund, berücksichtigt stärker die Verwandlung. Schon M. 16. Jh. kommt es hier zu einem festen Bildtyp: auf der einen Seite befindet sich die badende Diana mit den Nymphen, gewöhnlich 2, auf der anderen erscheint A., in antiker oder moderner Tracht, meist von Hunden begleitet. Bald schreitet er eben erst heran (Stich nach Luca Penni, † 1556; Bernard Salomon in der Lyoner Ovidausgabe, 1557; Virgil Solis in der Frankfurter Ausgabe, 1563 [4, S. 88ff.]; Pencz, Abb. 2; Joh. Wilh. Baur, 1639-40 [4, S. 128ff.]), bald fallen ihn bereits die Hunde an und er wendet sich zur Flucht (Lucas Cranach, Friedländer - Rosenberg, Nr. 329 c-e, Abb. 4; Schloß Horst, Abb. 3). Die Verwandlung wird in der Regel durch einen Hirschkopf angedeutet (den bei der absonderlichen Wandgruppe im Danziger Artushof ein echtes Geweih krönt!); bei Cranach ist sie bereits bis auf den Brustriemen und die Jagdstiefel vollzogen. Bei Michael Zündt (B. 252, 4; 1566) erscheint A. als Reiter.
Einige Darstellungen beschränken sich ganz auf A. Ein Stich des Augustin Hirschvogel (B. 6; 1545) und eine Parkgruppe von Ferdinand Dietz (M. 18. Jh.; Frankfurt a. M., Liebieghaus, Kat. Schmitt, J. 630) zeigen ihn in der gleichen Phase wie das Horster Relief; Dietz gibt A. nur das Geweih eines Hirsches (abgebrochen). Alexander Colin hat lediglich die Verwandlung interessiert (Abb. 5). Entsprechend ist auch „Diana im Bade“ als Einzelfigur dargestellt worden (Rembrandt). Siehe auch Diana.
Die Schlußszene – A. ist ganz zum Hirsch geworden und wird von den Hunden zerrissen – ist ein reines Jagdstück (Salomon, Virgil Solis, Baur). Hier wirkt der Typus der Eberjagd nach, den die Brüder Limburg in den „Très riches Heures“ des Herzogs von Berry geschaffen haben.
Zu den Abbildungen
1. Joh. Rottenhammer (1564–1625),Vorzeichnung zum Münchner Gemälde. Weimar, Kupferstichkabinett. Nach der Veröffentlichung des Prestel-Verlags.
2. Georg Pencz (ca. 1500–50), A. wird in einen Hirsch verwandelt, Kupferstich, B. 91.
3. Schloß Horst (Westf.), Relief von einem Kamin, um 1560. Phot. Denkmalarch. d. Prov. Westfalen.
4. Lucas Cranach (d. J.?), Gemälde im Landesmus. Darmstadt. Phot. Mus.
5. Alex. Colin (1527-1612), Bronzestatuette im Bayr. Nat.-Mus. München, nach 1564. Nach S. Meller, Die dt. Bronzestatuetten der Renaissance, München o. J. (1926), Taf. 58.
Literatur
1. Roscher I, 214ff. 2. Pauly-Wissowa I, 1209ff. 3. Paul Jacobsthal, Aktaions Tod. Marburger Jb. f. K.-Wiss. 5, 1929, S. 1ff. 4. M. D. Henkel, Illustr. Ausgaben von Ovids Metamorphosen im 15., 16. u. 17. Jh., Vortr. d. Bibl. Warburg 1926–27, Leipzig 1930. 5. E. W. Bredt, Der Götter Verwandlungen I, München o. J. (1920), S. 64f.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Freund, Lothar , Aktäon, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1934), Sp. 288–293; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88798> [04.04.2022]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.