Abundantia

Aus RDK Labor
Zur Navigation springen Zur Suche springen

englisch: Abundantia, abundance; französisch: Abondance; italienisch: Abbondanza.


Lothar Freund (1933)

RDK I, 105–108


RDK I, 107, Abb. 1. Nürnberg, um 1550.
RDK I, 107, Abb. 2. Kupferstich nach A. F. Oeser.

1. Römische Personifikation des Überflusses als göttlicher Frauengestalt, relativ späte Bildung, erscheint auf Kaisermünzen von Heliogabal bis Maximianus Hercules, aus einem Füllhorn ihre guten Gaben ausstreuend.

2. In einer Gruppe oberdeutscher, z. T. sicher nürnbergischer Bronzestatuetten des 16. Jh., die im Typus einander völlig entsprechen, wird A. als stehende nackte Frau dargestellt, die mit der linken Hand ihre linke Brust zusammenpreßt und zudem in einigen Fällen in der gesenkten rechten Hand ein Füllhorn trägt (Abb. 1). Ohne Füllhorn erscheint A. in einer Bronzestatuette des Mus. f. bild. K. in Budapest (vom „Meister der Budapester Abundantia“, so genannt von Simon Meller, Die deutschen Bronzestatuetten der Renaissance, München 1926, Taf. 62), ferner in einer Statuette des Germ. Nat.-Mus. in Nürnberg (Kat. Josephi, Nr. 164, Abb. S. 82, von Josephi in den Kreis des Benedikt Wurzelbauer aus Nürnberg gewiesen) und in einer Statuette des Gewerbe-Mus. zu Bremen (abgeb. in: Aus den Slgen. des Gewerbe-Mus. zu Bremen 1905). Mit Füllhorn ist sie dargestellt in der Statuette Josephi Nr. 165, in einer Statuette im Bayr. Nat.-Mus. zu München (Inv. Nr. 3289) und in einer Statuette des Nürnberger Meisters G. F. in Wiener Privatbesitz (Abb. 1). Fraglich ist die Bezeichnung A. für ein von diesem Typus abweichendes Elfenbeinfigürchen aus der 1. H. 16. Jh. im Germ. Nat.-Mus. (Josephi Nr. 651), das gleichfalls eine mit der Linken die linke Brust zusammenpressende nackte Frau darstellt. (Im Kat. 1890 Nr. 994 heißt es, daß die Figur traditionsmäßig als Überfluß bezeichnet und dem H. S. Beham zugeschrieben werde.)

Während nach der Beschreibung in der “Iconologia Deorum“ des Cesare Ripa A. in einem reichen Gewand erscheinen soll und in der rechten Hand zwar ein Füllhorn tragen, jedoch auch noch andere Attribute, u. a. ein Ährenbündel in die linke Hand und einen Blumenkranz ins Haar erhalten soll, entspricht merkwürdigerweise Ripas „descrittione“ der „Pietà“ viel ausgesprochener dem Typus der deutschen Gruppe. Die Pietà „si tenga la man sinistra sopra il cuore, e con lo destra versi un Cornucopia, pieno di diverso cose utili alla vita humana“. (Holzschnitte in den verschiedenen Ripa-Ausgaben, beispielsweise in der Ausg. Rom 1603, p. 401, zeigen die Pietà in der angegebenen Art.) Da alle sonstigen, recht seltenen deutschen und außerdeutschen Darstellungen der A. – z. B. Kupferstich des Lambert Suavius: Abundantia pacis filia, Kupferstich des J. S. Küsel nach S. Vouet: Friede und Überfluß löschen Brände; Kupferstich des J. Fr. Bause nach A. F. Oeser: Friede und Überfluß auf Wolken (Abb. 2; A. hier mit ursprünglich der Pax zugehörigem Caduceus) – diese im Typus der Iconologia, der sich an den antiken Prototyp anschließt, bringen, so hat es den Anschein, als ob in der zeitlich und regional begrenzten deutschen Gruppe eine einmalige Übertragung der Merkmale der Ripaschen Pietà auf die A. erfolgt ist, die bei dem sehr fließenden Gebrauch der Allegorienattribute seit dem späteren 16. Jh. nicht allzusehr verwundern darf. Zugleich bedeutet diese Übertragung auch eine Annäherung an den Sinngehalt der Pietà als einer humanen Tugend und dürfte als solche ihre ideologische Wurzel in der mittelalterlichen Vorstellung der Liberalitas haben, von der Begriffselemente sowohl in die bereits von der Antike bestimmten Personifikationen der A. wie der Pietà (Pietas romana) eingegangen sind. Im Verlaufe des 17. und 18. Jh. wird, wie die oben angeführten Beispiele erweisen, insbesondere die enge Zusammengehörigkeit von Pax und A. betont, die bis zur Verschmelzung beider führt; s. Pax.

Zu den Abbildungen

1. Wien, Privatbesitz, Bronzestatuette, Nürnberg um 1550, Höhe 40 cm. Nach A. E. Brinckmann, Südd. Bronzebildhauer des Frühbarocks, München 1923.

2. Berlin, Staatl. Kupferstichkabinett, J. Fr. Bause nach A. F. Oeser (1717–1799).

Literatur

1. Roscher I, 4. 2. Pauly-Wissowa I, 125–126.

Verweise