Fotografie
englisch: Photography; französisch: Photographie; italienisch: Fotografia.
Anna Auer (II-IV.B., V.), Christine Walter (I., IV.C., V. , VI.), Esther P. Wipfler (VII.). (2006)
RDK X, 401–435
F. = Fotografie; C.o. = Camera obscura.
I. Begriff
Fotografie (von griech. (φῶς „Licht“ und γράφειν „schreiben, zeichnen“: mit Licht schreiben, abbilden) bezeichnet sowohl das Verfahren zur Herstellung dauerhafter, durch Lichteinwirkung in einer Kamera erzeugter Abbildungen als auch das in diesem Verfahren erzeugte Bild selbst. Sonderfälle, da ohne Kamera hergestellt, sind Fotogramm und Cliché verre (s. *Glasradierung).
Der Begriff war bereits 1839 in Gebrauch; so verwendeten Charles Wheatstone und William Henry Fox Talbot „photographic“ in ihrer Korrespondenz vom 2. Februar 1839 (Gail Buckland, Fox Talbot and the Invention of Photography, Boston 1980, S. 44), und John William Herschel gebrauchte „photography“ in einem Vortrag am 14. März 1839 vor der Roy. Soc. (Larry J. Schaaf, Sir John Herschel’s 1839 Roy. Soc. Paper on Photography, Hist. of Photography 3, 1979, H. 1). Im Dt. wurde das Wort „Photographie“ zum ersten Mal von dem Berliner Astronomen Julius Mädler in einem Art. in der „Berlinischen Ztg.“ Nr. 47 vom 25. Februar 1839 verwendet ([2] S. 119f.).
II. Voraussetzungen
A. Physik
Von der Camera obscura, in die Licht durch eine kleine Öffnung einfällt und dabei die Gegenstände vor der Kammer auf der gegenüberliegenden Innenwand wiedergibt, ist die technische Grundform aller späteren Fotokameras abgeleitet. Ihr optisches Prinzip war schon Aristoteles bekannt (Proble mata 15,11: hg. von Walter S. Hett, Ld.-Cambr., Ma. 1936, Bd. 1, S. 340). Um 1000 beschrieb der arabische Gelehrte Abu Ali al-Hazan ibn-al-Hazan die C.o. als Hilfsmittel, um eine Sonnenfinsternis ohne Schädigung der Augen zu beobachten ([2] S. 7f.). Roger Bacon stellte 1267 fest, daß man in der C.o. bei guten Lichtverhältnissen beliebige Gegenstände außerhalb des verdunkelten Raumes betrachten könne („Perspectiva“: ebd., S. 8). Von Leonardo da Vinci stammt die erste zeichnerische Darstellung einer C.o. Er bemerkte, daß die Gegenstände in der C.o. stark verkleinert und „umgekehrt“ abgebildet werden (Kim Veltman, Leonardo and the camera obscura, in: Studi vinciani in memoria di Nando De Toni, Brescia 1986, S. 81-92). Weitere Verbesserungen brachten die Verwendung von Linsen, wie sie erstmals Hieronymus Cardanus 1550 beschrieb, der von Daniele Barbaro 1568 empfohlene Einsatz einer Blende sowie der 1573 von Ignatio Danti vorgeschlagene Umlenkspiegel für die seitenrichtige Wiedergabe der Gegenstände. Die Bekanntheit der C.o. wurde entschieden befördert durch Giovanni Battista della Portas populäre „Magiae naturalis libri XX“, Neapel 1558, und deren wesentlich erweiterte zweite Aufl. Neapel 1589. Im Jahr 1568 beschrieb Daniele Barbaro die C.o. erstmals als Zeichenhilfe ([4] S. 14-17). Obwohl Christoph Scheiner SJ bereits das Prinzip einer tragbaren C.o. dargestellt hatte (Brief mit Zeichnung von Melchior Stöltzle [Stölzl] an Johannes Kepler vom 27. 9. 1615: St. Petersburg, Archiv der Akad. der Wiss., F 285 op. 1 Nr. 8, fol. 205r-206r: J. Kepler, Gesammelte Werke Bd. 17, hg. von Max Caspar, Mchn. 1955, S. 149, Nr. 721; frdl. Hinweise von Franz Daxecker, Innsbruck und Daniel A. Di Liscia, München) enthält die „Ars magna lucis“, Rom 1646, von Athanasius Kircher SJ noch die Abbildung eines mobilen, zimmergroßen Gehäuses als C.o. (ebd., Abb. S. 18; Johann Zahn OPraem, Oculus artificialis ... Fundamentum I, Würzb. 1685, S. 176, Abb. 20, Darst. einer handlichen C.o.: [2] S. 14 mit Abb. 4). Die Gestaltungsvielfalt und den bis ins 19. Jh. anhaltenden Gebrauch dieses Geräts als Zeichenhilfe bezeugen die Zeltkamera von Johannes Kepler, die von Kaspar Schott SJ 1657 beschriebene Boxkamera mit zwei Kästen, die wie bei den späteren Kastenkameras von Joseph Nicéphore Niépce und Louis Jacques Mandé Daguerre zur Fokussierung gegeneinander verschoben werden konnten, die ausziehbahre C.o. in Tischform von Georg Friedrich Brander, 1769, sowie Johann Wolfgang von Goethes große, als Stehpult konstruierte C.o. ([4] S. 18-27).
Die 1807 von William Hyde Wollaston erfundene „Camera lucida“ basiert auf einem an einem Stab befestigten Prisma in Augenhöhe, das bei vollem Tageslicht einen bestimmten Bildausschnitt im 90o-Winkel auf ein darunter befindliches Papier projiziert und ebenfalls als Zeichenhilfe verwendet wurde.
B. Chemie
Mit der zufälligen Entdeckung der Lichtempfindlichkeit des Silbernitrats durch den Altdorfer Anatomen Johann Heinrich Schulze war 1717 erstmals die chemische Voraussetzung für eine Aufzeichnung durch Licht gegeben (Hans-Dieter Zimmermann, Von der notwendigen Korrektur einer denkwürdigen Jahreszahl, Fotografie. Zs. für kulturpolitische, ästhetische und technische Probleme der F. ... 42, 1988, S. 162f.).
Die Untersuchungen über die Lichtempfindlichkeit von Chlorsilber (AgCl) auf einem Papierträger durch den schwed. Chemiker Carl Wilhelm Scheele 1777 und den Genfer Bibliothekar Jean Senebier 1782 lieferten Erkenntnisse über die Unlösbarkeit von reduziertem Silber und die unterschiedliche chemische Wirksamkeit der verschiedenen spektralen Anteile des Lichtes ([4] S. 28-33).
1802 stellten die Engländer Thomas Wedgwood und Humphrey Davy Kontaktkopien von Glasbildern und Silhouetten von Pflanzen auf mit Silbernitrat oder Chlorsilber sensibilisiertem Papier und Leder her, die jedoch mangels Fixiermittels nicht lichtbeständig waren ([2] S. 43-45; s. auch Fotogramm (Sp. 437).
III. Frühe Techniken
A. Heliographie
Angeregt von der Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder 1796-1798 unternahm der Privatgelehrte J. N. Niépce in Gras bei Chalon-sur-Saône Versuche, mit Hilfe der C.o. Lichteindrücke dauerhaft zu fixieren und auf diese Weise eine Matrix für die Vervielfältigung von Bildern zu schaffen. 1816 gelang es ihm, Ausblicke aus einem Fenster auf mit Chlorsilber sensibilisiertem Papier aufzuzeichnen. Da sich die Aufnahmen jedoch nicht dauerhaft fixieren und damit auch nicht kopieren ließen, wandte sich Niépce an deren lichtempfindlichen Stoffen und Trägermaterialien zu. Versuche mit Asphalt, der als Ätzgrund für die Radierung verwendet wurde, erwiesen sich als geeignet, da dieses Material unter Lichteinwirkung aushärtet. Graphiken und Zeichnungen wurden zu diesem Zweck mit Firnis lichtdurchlässig gemacht, dann auf mit Asphalt beschichtete Glas- und Stein-, später dann vor allem Zinn- oder Zinkplatten aufgelegt und dem direkten Sonnenlicht zur Belichtung ausgesetzt. Während der Asphalt in den hellen Bereichen härtete, blieben die Partien unter der Zeichnung löslich und konnten nachträglich mit einer Mischung aus Lavendelöl und Petroleum ausgewaschen und in einem Säurebad graviert werden.
Die 1825 aufgenommene Reproduktion einer niederl. Graphik des 17. Jh. mit einem am Halfter geführten Pferd aus der Slg. Jammes gilt als das älteste erhaltene Zeugnis dieses Verfahrens (Aukt.kat. „La Photographie, Coll. de Marie-Thérèse et André Jammes ...“, Sotheby’s Paris 21. 3. 2002, Nr. 37; erworben von der Bibl. nat. de France, Paris; Joseph Nicéphore Niépce, Correspondances: 1825-1829 ..., bearb. von Pierre G. Harmant, Rouen 1974 [Doc. pour servir à l’hist. de la photographie, 2], S. 18), ein Jahr später entstand die Reproduktion eines Stiches mit dem Porträt des Kard. d’Amboise, von der die Zinkplatte erhalten ist ([5] S. 20; [4] S. 47, Abzug von der Platte).
Neben dem Kopieren von Graphiken verfolgte Niépce auch das Ziel, Ansichten nach der Natur mit Hilfe der C.o. herzustellen. Die dazu benötigten, noch recht kleinen und mit Mikroskoplinsen ausgestatteten Kameras stellte Niépce zunächst selbst her. Ab 1826 arbeitete er mit größeren Kameras im Format 6 1/2 × 8 Zoll (16,5 × 20,3 cm), die z.T. bereits mit Lederbalgen und der in Fernrohren genutzten Irisblende ausgestattet waren ([4] S. 53f.). Durch den Pariser Optiker Vincent Chevalier erhielt Niépce 1826 eine Zeltkamera mit einer Prismenlinse, mit der er seitenrichtige Direktpositive herstellen konnte (Paul Jay, Niépce. Genèse d’une invention, Chalon-sur-Saône 1988, Abb. S. 114). In einem Schreiben aus diesem Jahr benutzte Niépce erstmals die Bezeichnung „Héliographie“ als Arbeitsbegriff für seine Versuche (ebd., S. 13).
Das älteste fotografische Abbild direkt nach der Natur ist eine wohl im Frühjahr 1827 entstandene Aufnahme auf einer Zinkplatte, die wie schon die Aufnahmen von 1816 einen Blick aus dem Fenster in Gras wiedergibt (ebd., S. 48, Abb. 4). Trotz einer Belichtungszeit von mindestens acht Stunden boten die feinen Tonabstufungen der Aufnahme jedoch zu wenig Kontrast, um sie für eine drucktechnische Vervielfältigung weiter bearbeiten zu können.
B. Daguerreotypie
Daguerreotypie (RDK III, Sp. 981-985).
Auch der Panoramamaler und Bühnenbildner L. J. M. Daguerre (1787-1851), der seit 1822 in Paris das erste Diorama (RDK III, Sp. 981-985) betrieb, hatte offensichtlich die C.o. für seine Arbeit eingesetzt und sich erfolglos bemüht, die damit gewonnenen Bilder dauerhaft zu fixieren. 1826 erfuhr er von den Versuchen von J. N. Niépce und setzte sich mit ihm in Verbindung, um mehr über dessen Arbeiten zu erfahren. Am 14. 12. 1829 kam es zu einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit, die der Vervollkommnung und finanziellen Ausnutzung von Niépce Erfindung dienen sollte.
Im Gegensatz zu Niépce war Daguerre jedoch nicht an einer Gravurtechnik interessiert, sondern an einem allein durch Lichteinwirkung entstandenen, fertigen Abbild. 1831 experimentierte er mit versilberten Kupferplatten, die mit Jod bedampft waren und deshalb hohe Lichtempfindlichkeit aufwiesen. Zwei Jahre später machte Daguerre zufällig die Entdeckung, daß sich das noch verborgene Bild („l’image latente“) auf kurzzeitig belichteten Jodsilberplatten (beschichtet mit AgI) durch Quecksilberdampf hervorrufen und sich die Belichtungszeiten damit auf sieben bis zehn Minuten reduzieren ließen ([2] S. 68-74). 1837 gelang es ihm, die Bilder mit einer Kochsalz lösung, seit 1839 mit Natriumthiosulfat zu fixieren und lichtbeständig zu machen.
Nach der Vorstellung des Verfahrens (7. Januar 1839) in der Académie des Sciences erwarb die franz. Regierung die Rechte daran gegen Zahlungen an Isidore Niépce, den Sohn des Erfinders, und an Daguerre. Am 19. August 1839 wurde dies öffentlich bekanntgegeben ([4] S. 58-60).
Die von Alphonse Giroux in Paris nach Angaben von Daguerre hergestellten Kastenkameras für das Plattenformat von 16,5 × 21,6 cm (Abb. 1) wurden bald kopiert und wesentlich preiswerter angeboten, eine bereits 1839 in mehreren Auflagen erschienene Broschüre beschrieb die Abfolge der komplizierten Prozeduren ([4] S. 61f.). Die Daguerreotypie war in den folgenden Jahren international das bevorzugte Verfahren (vgl. Abb. 7).
Die auf einer glatten, versilberten Kupferplatte aufgenommene Daguerreotypie hat eine spiegelnde Oberfläche, auf der das Motiv je nach Lichteinfall als Positiv oder Negativ erscheint. Trotz dieser Einschränkung besitzt die Daguerreotypie hohe Detailauflösung. Da die Oberfläche sehr empfindlich ist und das Silber zudem leicht oxidiert, muß sie verglast und luftdicht verschlossen aufbewahrt werden.
C. Kalotypie
Während Daguerreotypien Unikate waren, entwickelte William Henry Fox Talbot (1800 bis 1877) durch die Erfindung des Negativ-PositivVerfahrens eine Methode der Vervielfältigung. Bei diesem wurde statt eines metallischen Bildträgers sensibilisiertes Papier verwendet: Das zunächst in der C.o. belichtete Negativ wurde durch Bienenwachs transparent gemacht und im Kontakt mit einem weiteren lichtempfindlichen Papier dem Sonnenlicht so lange ausgesetzt, bis sich auf dem zweiten Papier eine positive Kopie des Bildmotivs abgezeichnete.
Die Trennung von Aufnahme und Entwicklung des Negativs markiert eine entscheidende Verbesserung der F. Das Positiv entstand durch Auskopieren in direktem Kontakt mit dem Negativ.
Durch die Behandlung von jodiertem Papier mit einer Mischung aus Silbernitrat und Gallussäure gelang es Talbot, die Empfindlichkeit seines Aufnahmematerials erheblich zu steigern und damit die Belichtungszeit auf bis zu acht Sekunden zu reduzieren. Nach der Belichtung wurde das Papier erneut mit der Mischung bestrichen und so das bis dahin nicht sichtbare Bild in kürzester Zeit hervorgerufen ([1] S. 35). Als Kameras dienten Talbot zunächst kleine Kästen von 8 cm2, in die Linsen mit einer kurzen Brennweite eingesetzt waren.
Talbot nannte dieses Verfahren „Kalotypie“ nach griech. καλός schön (auch als „Talbotypie“ bekannt). Bis 1841 versandte Talbot 2237 Aufnahmen ([1] S. 33), zwischen 1844 und 1846 verlegte er das erste mit F. illustrierte Buch.
„The Pencil of Nature“ erschien in sechs Lieferungen mit insgesamt 24 Kalotypien in einer Aufl. von 1016 Exemplaren. Die Auswahl der Motive illustriert die Vielfalt der möglichen Anwendungen (s. Sp. 420) ohne erkennbares Gliederungsschema; durch die Kommentare sollte die spezifische Ästhetik des neuen Verfahrens vermittelt werden ([1] S. 39-50).
Bei der Kalotypie ist die lichtempfindliche Emulsion ohne Zwischenträger direkt in den Papierfilz eingelagert. Die gelb- und rotbraunen, heute meist stark verblichenen Aufnahmen weisen eine charakteristische Unschärfe mit weichen Tonabstufungen auf; zudem ist die Papierfaser stets deutlich zu erkennen (Abb. 4).
D. Andere Verfahren
Verschiedenen Direktpositivverfahren wie dem von Hippolyte Bayard ([4] S. 77-81), blieb eine öffentliche Anerkennung versagt, Pioniere wie Carl August (Ritter von) Steinheil und Franz Ritter von Kobell in München entwickelten ein der Talbotypie verwandtes Verfahren mit Chlorsilberpapier, dessen Gebrauch sich jedoch auch nicht durchsetzen konnte (ebd., S. 87-89; Abb. 2).
IV. Verfahren der F.
A. Vom Albuminverfahren zum Rollfilm
1. Albuminverfahren
Eine wesentliche Verbesserung des Negativ-Positiv-Verfahrens brachte die Einführung von Glas als Negativträger durch Abel Niépce de Saint-Victor 1847. Um die lichtempfindliche Emulsion zu binden, wurde Kaliumiodid (KI) mit flüssigem Eiweiß (Albumin) vermischt, auf das Glas aufgegossen und vor der Aufnahme durch eine Silbernitratlösung sensibilisiert. Louis Desiré Blanquart-Évrard übernahm das Albumin wenig später auch als Trägerschicht für das Positivpapier, das auf diese Weise eine matte bis glänzende Oberfläche erhielt und einen stärkeren Kontrast aufwies ([4] S. 199-202).
2. Kollodiumverfahren
Nach ersten Versuchen mit nassem Kollodium (Gustave Le Gray, Traité de Photographie sur Papier et sur Verre, Paris 1850) stellte Frederick Scott Archer dieses Verfahren vor. Damit konnte die Empfindlichkeit des Aufnahmematerials nochmals erheblich gesteigert und die Belichtungszeiten bis auf eine Sekunde verkürzt werden. Anstelle des Albumins wurde nun Kollodium, d.h. Nitrozellulose (Schießbaumwolle), gelöst in Alkohol und Äther, auf die Platte aufgebracht und diese anschließend in einem Silbernitratbad sensibilisiert. Die Platte mußte sofort belichtet und in feuchtem Zustand entwickelt werden. Trotz dieser komplizierten Handhabung, die auf Reisen die Mitführung eines Dunkelkammerzeltes erforderte, verdrängte diese Erfindung rasch ältere Verfahren (Abb. 19a; [2] S. 157-166).
Zum trockenen Kollodiumverfahren [4] S. 393-397. Zu Varianten wie der Ambrotypie und Ferrotypie: [4] S. 287-292.
3. Gelatinetrockenplatte
Die 1871 durch den englischen Arzt Richard Leach Maddox vorgestellte Gelatinetrockenplatte ermöglichte es erstmals, das Aufnahmematerial auf Vorrat zu konfektionieren. Durch die schon länger erprobte Verwendung von Brom statt Jod, die „Reifung“ der Gelatine und die Beigabe von optischen Sensibilisatoren in Form von geeigneten Farbstoffen wurde die spektrale Empfindlichkeit der Emulsion entscheidend verbessert. Dank der Forschungen von Hermann Wilhelm Vogel, Joseph Maria Eder, Eduard Valenta, Adolph Miethe und Arthur Traube waren 1884 zunächst „orthochromatische“ (d.h. für Blau bis Grün und Gelb) und 1902 schließlich „panchromatische“ (auch für das langwellige Rot empfindliche) Platten erhältlich. Die industrielle Produktion von Trockenplatten und Fotopapieren begann Ende der 1870er Jahre in England, wenig später auch in Frankreich und Deutschland ([2] S. 261-274; [4] S. 392-404).
4. Rollfilm
Bemühungen, das zerbrechliche Glasnegativ durch einen flexiblen Bildträger zu ersetzen, führten zunächst zur Herstellung von einzelnen Planfilmblättern auf Papier, das entweder vor dem Kopieren abgelöst oder durch entsprechende Behandlung möglichst transparent gemacht wurde. 1887 erhielt der Amerikaner Hannibal Goodwin ein Patent auf einen transparenten Rollfilm auf Zelluloidbasis.
Die Produktion machte sich jedoch George Eastman in Rochester erfolgreich zunutze. Als der Patentstreit 1914 zugunsten von H. Goodwin entschieden wurde, war die Vorrangstellung der Fa. Kodak trotz hoher Entschädigungszahlungen längst dauerhaft begründet ([4] S. 534-538).
Für seine kurzen, in dem Betrachtungsgerät „Kinetoscope“ vorgeführten Filmstreifen verwendete Thomas Alva Edison einen an beiden Rändern perforierten, 35 mm breiten Rollfilm (dieses Format wurde 1895 von der Filmindustrie übernommen: Laurent Mannoni, Le grand art de la lumière et de l’ombre ..., Paris 1994, S. 363-365). Aus einem Testgerät, das Oskar Barnack 1913 bei der Konstruktion einer Filmkamera verwendet hatte, entwickelte er 1924 die Leica, mit der das Format des Kinefilms auch als Format für die Kleinbild-F. übernommen wurde.
B. Positivverfahren
Die Entwicklung in der Dunkelkammer macht das fotografische Bild auf dem Negativ sichtbar (zum chemischen Prozeß: Arnold Frederik Holleman und Egon Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bln. usw. 1011995, S. 1349-1351). Bis ins 4. V. 19. Jh. wurden Positive fast nur in Kontakt mit dem Negativ im Sonnenlicht auskopiert; das Format des Abzugs entsprach daher dem des Negativs; Vergrößerungen mit Tageslichtgeräten und anschließender Entwicklung waren eher die Ausnahme. Erst mit Einführung des Gaslichts und geeigneter Papiere um 1880 wurde die Vergrößerung zum gängigen Prinzip. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit der konfektionierten Trockenplatte im Format 9 × 12 cm ein erstes Kleinbildformat gebräuchlich ([2] S. 299).
Während beim Salzpapier die lichtempfindliche Emulsion direkt im Papierfilz lagert, enthält das zum Auskopieren genutzte Albuminpapier mit dem Eiweiß als Kolloid eine auf dem Papier lagernde glatte Trägerschicht, die einen wesentlich höheren Kontrast ermöglicht, allerdings auch häufig rasch vergilbte. Neben dem industriell hergestellten Brom- und Chlorsilbergelatinepapier enthält das Albuminpapier unter der Emulsion noch eine zusätzliche Barytschicht, die die Papierfaser vollständig abdeckt und daher eine glatte, glänzende Oberfläche erzeugt.
Neben diesen allgemein üblichen Positivverfahren wurden schon früh andere Kopierverfahren entwickelt. Bereits 1842 hatte J. W. Herschel die Cyanotypie erfunden, einen Blaudruck, bei dem das Silber in der lichtempfindlichen Emulsion durch Eisen ersetzt wurde. Während dieses preiswerte Verfahren bis ins 3. V. 20. Jh. („Blaupause“) angewandt wurde, hatte der 1873 von William Willis eingeführte, teure Platindruck (Platinotypie) keinen kommerziellen Erfolg, war jedoch wegen seiner differenzierten Tonwerte bei Fotografen mit künstlerischem Anspruch sehr beliebt.
Die ohne metallische Verbindungen arbeitenden sog. Dichromat-Verfahren beruhen auf der von F. Talbot 1852 entdeckten Gerbung eines mit Chromsalzen versetzten Kolloids (Gelatine, Gummiarabicum) unter Lichteinwirkung. Während die belichteten Partien aushärten, werden die unbelichteten entweder ausgewaschen, oder sie quellen durch die Zugabe wäßriger Lösungen auf. Dabei entsteht ein Relief, das je nach Verfahren weiterverarbeitet werden kann.
Zu Materialien und Technik der Entwicklung bei der Sofortbild-F. s. Sp. 415.
C. Farbfotografie
In der Frühzeit der F. gelang es nicht, Farbbilder herzustellen. Um farbige F. zu erhalten, mußten diese nachträglich koloriert werden. Doch bereits in den 1860er Jahren waren die theoretischen Grundlagen für die sog. indirekten Farbverfahren bekannt.
Im Jahr 1855 hatte James Clerk Maxwell die additive Farbmischung mit Hilfe der Spektralfarben beschrieben. Hierbei werden drei, hinter Filtern (rot, grün, blau) aufgenommene Auszugsnegative zu Diapositiven entwickelt und wieder durch gleichfarbige Filter projiziert, wodurch ein farbiges Bild entsteht; 1861 führte Maxwell erstmals eine derartige Projektion in London vor. 1869 beschrieben Louis Ducos du Hauron und Charles Cros unabhängig voneinander die Prinzipien der subtraktiven, auf der Verwendung von Pigmenten beruhenden Farb-F. Die drei, nach Maxwells Methode gewonnenen Auszugsnegative wurden im Kopiervorgang zu Dichromatreliefs verarbeitet, die in den Komplementärfarben Cyan, Magenta und Gelb eingefärbt und übereinandergelegt oder -gedruckt ein farbiges Aufsichtsbild ergaben ([3] Bd. 1, S. 22-25). Seit 1904/1905 bot die Industrie konfektioniertes Material für dieses subtraktive Verfahren an, das haltbare Farbaufnahmen lieferte, sich jedoch wegen der dafür benötigten drei Auszugsnegative auf dem Markt nicht durchsetzen konnte.
Das 1891 vorgestellte und 1908 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete sog. Interferenz-Verfahren von Gabriel Lippmann ist das einzige direkte Farbverfahren, das den Farbeindruck ohne die Verwendung von Filtern oder Pigmenten allein mit Hilfe stehender Wellen unmittelbar in der sensiblen Emulsion erzeugt. Das Negativ mußte in Kontakt mit einem Reflektor (Quecksilber) belichtet werden. Der Farbeffekt im Positiv war nur zu beobachten, wenn das einfallende Licht in einem bestimmten Winkel von den Silberschichten in der Emulsion reflektiert wurde. Aufgrund ihrer komplizierten Herstellung wurde die Interferenz-F. nur selten angewandt (Hans Lehmann, Die Praxis der Interferenzfarbenphotographie, Halle a.d.S. 1909; Hans I. Bjelkhagen, Lippmann Photography. Reviving an Early Colour Process, Hist. of Photography 23, 1999, S. 274-280).
Erst mit dem 1907 unter der Bezeichnung Autochrom auf den Markt gebrachten Rasterverfahren der Gebrüder Lumière gewann die Farb-F. auch für Amateurfotografen an Bedeutung, da sich das Aufnahmematerial in jeder gewöhnlichen Kamera verwenden ließ.
Auf dem Glasnegativ waren in den Grundfarben Rot, Grün und Blau eingefärbte Stärkemehlkörner unregelmäßig verteilt und anschließend mit einer panchromatischen Emulsion überzogen. Während der Belichtung diente das Raster als Filter, so daß nur der spektrale Anteil des Lichtes in der entsprechenden Filterfarbe wirksam wurde. An die Entwicklung des Negativs schloß sich ein weiteres Umkehrverfahren an, bei dem das geschwärzte Silber ausgewaschen wurde und damit die gefärbten Stärkekörnchen in der dem Aufnahmeobjekt entsprechenden Farbigkeit zur Geltung kamen. Das Autochromverfahren erzeugte Diapositive, zu deren Betrachtung eigene Spiegelmappen hergestellt wurden ([10] S. 252-278). Mit kleinen Abänderungen blieb das Autochromverfahren bis in die 1930er Jahre neben zahlreichen anderen Korn-, Linien- und Linsenrasterverfahren üblich ([3] Bd. 1, S. 37-83).
Der chromogene Mehrschichtenfarbfilm, der die drei für die verschiedenen Spektralbereiche sensiblen Schichten Cyan, Magenta und Gelb auf einer gemeinsamen Unterlage vereint und die Farbstoffe erst während des Entwicklungsprozesses aufbaut, war Voraussetzung für das zuletzt entwickelte Verfahren der Farb-F. ([8] Bd. 3).
Das Prinzip dieses Verfahrens hatte Rudolf Fischer bereits 1911 formuliert. Im April 1935 kam mit dem „Kodachrome“ für 16mm-Schmalfilm der erste Mehrschichtenfarbfilm auf den Markt, im November 1936 folgte der „Agfacolor-Neu“ für Schmalfilm und Kleinbilddias; Papierabzüge waren erstmals ab 1942 mit dem „Kodacolor“-Negativfilm möglich ([3] Bd. 2, S. 15).
In der Kunst-F. erlangte das 1963 eingeführte Cibachrom-Verfahren wegen seiner besonderen Haltbarkeit der Farbstoffe große Beliebtheit. Im Gegensatz zur farberzeugenden Entwicklung beim Farbfilm werden hier in der Emulsion enthaltene Farbstoffe durch ein entsprechendes Bleichbad abgebaut (Chromolyse).
V. Kameratechnik
Kameratypen der Frühzeit waren die der Daguerre-Kamera folgende zweiteilige Schiebekastenkamera und die Balgenkamera in Formaten bis zu 40 × 50 cm und größer. Der Gebrauch anderer Modelle wie der 1839 von C. A. Steinheil gebauten Rohrkamera aus Pappe und der 1840 von Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer in Wien hergestellten konischen Metallkamera, die runde Aufnahmen lieferten, konnte sich nicht durchsetzen (Abb. 3; [2] S. 286 und 577, Abb. 60). - Zur stereoskopischen F. s. [4] S. 304-315 und Sp. 431f.
Eine der Voraussetzungen für die Qualität der Aufnahme war die Abbildungsleistung der Objektive.
Zunächst waren einfache, aus Kron- (s. RDK IX, Sp. 549) und Flintglas verkittete sog. Landschaftslinsen in Gebrauch, die stark abgeblendet werden mußten, um eine ausreichende Schärfe zu erreichen, und damit nur eine geringe Lichtausbeute ermöglichten. Für die Ganzmetallkamera von Voigtländer entwickelte Joseph Max Petzval 1840 ein Satzobjektiv von hoher Lichtstärke und kurzer Brennweite (1: 3,6/14,5 cm), das erstmals nicht durch Pröbeln, sondern an Hand von Berechnungen konstruiert wurde. Durch symmetrische Objektive mit Mittelblende wie das aus zwei Menisken zusammengesetzte Periskop (C. A. Steinheil, 1865) und der 1866 vorgestellte, aus zwei Linsenpaaren bestehende „Aplanat“ konnte die Abbildungsleistung gesteigert werden.
Unter Verwendung der von Ernst Abbe und Otto Schott für Carl Zeiss in Jena produzierten neuen Glassorten berechnete Paul Rudolph 1890 den aus einer asymmetrischen Linsenkombination bestehenden „Anastigmat“, der eine weitgehende Korrektur aller Abbildungsfehler aufwies. In der Folge wurde dieser Typus vielfältig variiert, etwa in dem 1902 vorgestellten „Tessar“. Die 1935 eingeführte „Vergütung“, ein auf die freien Glasflächen aufgedampfter Belag, mindert die Reflexion und damit auch den Lichtverlust ([2] S. 301-317).
Von etwa 1880 an gab es eine Vielzahl von Formaten und Kameratypen: Boxkameras, Balgenklappkameras, erste Systemkameras mit Wechseloptik und -kassetten. Ende der 1880er Jahre kam mit der Einführung der Trockenplatte die sog. Magazin- oder auch Detektivkamera auf, die mit mehreren Glasnegativen beladen werden konnte.
Ein mit dem Magazin verbundener lederner Sack oder ein eingebauter Mechanismus ermöglichten es, die belichteten Platten in der Kamera zu verwahren und gegen unbelichtete Negative auszutauschen (ebd., S. 292f.; [4] S. 539).
Neben der weiterhin benutzten Glasplattenkamera wurde 1888 die Rollfilm-Kamera von Kodak eingeführt. Wegen ihrer einfachen Handhabung und aufgrund des kleinen Formats wurde diese in den folgenden Jahrzehnten zur bevorzugten Kamera der Amateure ([4] S. 541-543).
Die sog. Geheimkameras waren kleinformatige Apparate, die auch in Bücher, Hüte, Feldstecher und Taschenuhren eingebaut wurden, wie etwa die von C. P. Stirn in New York 1886 hergestellte „Knopflochkamera“. Sie wurde unter der Weste versteckt und über einen Fadenzug ausgelöst; auf einer rotierenden Glasscheibe konnten hier sechs runde Aufnahmen mit einem Durchmesser von etwa 3 cm angefertigt werden ([4] S. 546-549).
Der von Ottomar Anschütz verbesserte, vor der Platte angeordnete Schlitzverschluß mit verstellbarer Spaltbreite und kurzen Verschlußzeiten, lichtstarke Objektive und eine Spreizenkonstruktion, mit der die Objektivstandarte durch einen Handgriff in Aufnahmeposition zu bringen war, ermöglichten kurz nach der Jahrhundertwende den Bau von Handkameras, die vor allem in der Presse-F. (s. Sp. 420) verwendet wurden.
Das in den 90er Jahren des 19. Jh. gebräuchlich gewordene Aufnahme-Format von 9 × 12 cm wurde ab 1904 auf die Hälfte reduziert; dieses Format blieb jedoch umstritten (vgl. [2] S. 299).
In den 30er Jahren des 20. Jh. gab es eine Vielzahl von Formaten und Kameratypen: neben preiswerten Boxkameras und Balgenklappkameras erste Systemkameras mit Wechseloptik und -kassetten (Makina).
Die von Oskar Barnack 1912 für Fa. Leitz in Wetzlar entwickelte Tubuskamera für das Bildformat 24 × 36 mm auf perforiertem Kinefilm mit Schlitzverschluß und versenkbarem Objektiv wurde 1925 als „Leica“ eingeführt (Abb. 12). Mit dieser und der 1932 vorgestellten „Contax“ von Zeiss Ikon, Dresden, wurde das Kleinbildformat die Regel. Die lichtstarken, auswechselbaren Objektive der Kameras, der seit 1932 eingebaute, mit dem Objektiv gekuppelte Entfernungsmesser und eine gesteigerte Empfindlichkeit des Aufnahmematerials erweiterten die Einsatzmöglichkeiten der F.
Die langjährige Vorrangstellung der deutschen Fotoindustrie wurde seit den 1960er Jahren durch die wirtschaftlich immer erfolg reichere japanische Fotoindustrie (Canon, Minolta, Nikon) schrittweise abgelöst. Der Einbau von mikroelektronischen Bauteilen führte zu einer weitgehenden Automatisierung der Kamerafunktionen, die von der Belichtungs- und Verschlußsteuerung (1956) über den motorischen Filmtransport (1962) bis zum Autofokus (1977) reicht (Beisp.: James E. Cornwall, Hist. Kameras 1845-1970, Herrsching 31984; Peter Lester und Klaus Paradies, Praxis der Autofocus-Spiegelreflexf., Mchn. 1989, S. 9, 17 und 19; Michel Auer, Guide Michel Auer ..., Hermance 1990). Während die Spiegelreflexkamera ein Höchstmaß an frei wählbaren Funktionen bietet, ermöglicht die Kompaktkamera den „Schnappschuß“ ohne die Notwendigkeit langwieriger Voreinstellungen.
Ein Sonderfall ist die Sofortbildkamera, bei der die F. unmittelbar nach der Belichtung entwickelt und fixiert wird. Es wird jeweils nur ein Positiv erstellt.
Das Verfahren für Schwarzweißbilder wurde 1947 von Edwin Herbert Land vorgestellt, 1948 kamen die ersten Kameras und Filmmaterial mit integrierter Entwicklungspaste von der Fa. Polaroid auf den Markt. Die Entwicklung findet bei diesem Modell in der Kamera statt. Bei dem zunächst vorgestellten Trennbildverfahren mußte das Negativ vom Positiv abgezogen werden, um den Entwicklungsprozeß zu unterbrechen. Dies wurde bei der 1963 vorgestellten Kamera geändert, deren Verschluß durch einen Transistor gesteuert war, um eine schnelle Neuaufnahme zu ermöglichen. Die „Polaroid Land Automatic“ wurde mit einer Filmpackung geladen, die eine lichtempfindliche Schicht (Film) besitzt. 1963 kam der Farbfilm hinzu. Beim Herausziehen des belichteten Bildträgers wird der Entwickler über das Negativ verteilt, darüber hinaus diffundiert dieser in das Übertragungspapier, worauf das Negativ gepreßt wird, so daß ein Positiv entsteht. Die Dauer dieses Prozesses konnte bis 1959 von einer Minute auf 15 Sekunden verkürzt werden. Bei der 1972 vorgestellten Polaroid SX-70, einer Spiegelreflex-Klappkamera, dauerte der gesamte Herstellungsprozeß des Farbbildes fünf Minuten (Gerhard Isert, Mit Polaroid Land Automatic Kameras ..., Winterthur und Mchn. 1966; Petr Tausk, Die Gesch. der F. im 20. Jh. ..., Köln 1977, S. 110f.; Hugo Schöttle, DuMont’s Lex. der F., Köln 1978, S. 259f.; [8] Bd. 2, S. 250 und Bd. 3, S. 243-245).
Zur künstlerischen Anwendung der Sofortbild-F.: Meike Kröncke u.a. (Hgg.), Polaroid als Geste ..., Ostfildern-Ruit 2005; vgl. Abb. 18.
Bereits in der Frühzeit der F. wurde künstliches Licht verwendet, das auf unterschiedliche Arten erzeugt werden konnte. Abhängig vom Einsatz und der Filmempfindlichkeit variiert auch die Dauer des erzeugten Lichts. Künstliches Licht kann durch Verbrennung oder durch Elektrizität erzeugt werden.
Zunächst standen pyrotechnische Verfahren im Vordergrund. Robert Bunsen und Henry Roscoe schlugen 1859 unter Hinweis auf die große Helligkeit und die weiße Farbe des Lichts das Verbrennen von Magnesium vor. Zunächst wurde ein Magnesiumdraht oder -band langsam in eine Flamme geschoben und erzeugte - allerdings unter großer Rauchentwicklung - gleichmäßig weißes Licht. Mit der höheren Empfindlichkeit des Filmmaterials wurde eine Methode zur blitzartigen Verbrennung des Magnesiums entwickelt, wobei es als Pulver in eine Flamme geblasen wurde (sog. Pustlicht; Abb. 10). Die erste Synchronisation dieses Vorgangs mit der Öffnung des Objektivverschlusses gelang Erwin Quedenfeldt ca. 1900. Mit Aluminiumfolie gefüllte Glaskolben verringerten ab dem 2. Dr. 20. Jh. die Gefahren des offenen Verbrennungsvorgangs und die störende Rauchentwicklung. Als Vacublitz in Form kleiner Würfel blieben sie bis in die 1970er Jahre in Gebrauch ([11] S. 44-88).
An der Lichterzeugung mittels Elektrizität wurde bereits im 18. Jh. experimentiert. Mit der Leidener oder Kleistschen Flasche nutzte man die Kondensatorentladung zur Funkenerzeugung an offener Luft. Verbessert wurde die Lichterzeugung durch die Entladung in einem Glaskolben, der mit Gasen gefüllt werden konnte, die Heinrich Geissler (1814-1879) entwickelt hatte.
Im späten 19. Jh. benutzte Ottomar Anschütz den Elektronenblitz der Geisslerschen Röhre für die F. schneller Bewegungen, die dadurch in sequentielle Bilder zerlegt werden konnten (Abb. 9a-e). Für die F.
nutzte man den kurzzeitigen Lichteffekt, der durch elektrische Stoßentladung in einer mit Edelgas gefüllten Glasröhre erzeugt wird, im sog. Röhrenblitz aus.
Der moderne Elektronenblitz wurde von Harold Edgerton ab den 1930er Jahren konstruiert und setzte sich zunächst wegen der großen Akkumulatoren nur in den Studios durch. Er wurde in den USA ab 1939, in Europa knapp zehn Jahre später eingesetzt. Mit der Entwicklung leichter Batterien und Verbesserung der Lichtausbeute konnten Blitzgeräte auch bei tragbaren Kameras und in der Amateur-F. verwendet werden ([2] S. 237-255; [11] S. 136-159).
VI. Digitale Bildverfahren
Mit der Konstruktion der sog. Mavica („Magnetic Video Camera“; der Prototyp wurde 1981 vorgestellt: Abb. 17) begann die Entwicklung neuartiger Kameras, bei denen statt eines Films ein elektronischer Sensor oder Bildwandler (CCD = charge coupled device) verwendet wird, der die Intensitäten des einfallenden Lichtes in elektrische Signale, den digitalen Code, überträgt; diese Daten werden gespeichert ([8] Bd. 3, S. 247-297).
Die Bildwandler sind Flächensensoren, die das jeweilige Motiv in einem einzigen Belichtungsakt erfassen. Da diese gewöhnlich wesentlich kleiner sind als das herkömmliche Kleinbildformat, werden in Digitalkameras Objektive mit kürzeren Brennweiten eingesetzt. Scanner für die Digitalisierung von Aufsichtbildern oder Filmen sind dagegen mit Zeilensensoren ausgestattet, die die Vorlage schrittweise abtasten.
Die kleinste Einheit eines digitalen Bildes ist das Pixel („picture element“), das den Farb- und Helligkeitswert eines Punkts bezeichnet. Die Anzahl der Pixel bestimmt die absolute Auflösung eines Bildes, die entweder durch ein Seitenverhältnis angegeben wird oder durch die Gesamtzahl der Pixel. Bei digitalen Bildern gibt die Maßeinheit ppi („pixel per inch“) an, mit welcher Punktdichte die Datei erzeugt worden ist (bei Scannern) und die Maßeinheit dpi („dots per inch“), mit welcher Dichte sie wiedergegeben werden soll (auf Bildschirmen und beim Druck). Die Angabe von Bit („binary digit“) beschreibt die Feinheit der Helligkeitsabstufung eines Pixels. 256 Helligkeitswerte ermöglichen stufenlose Übergänge und werden im 8-Bit-Code gespeichert. Bei Farbaufnahmen werden diese für die Farbbereiche Rot, Grün und Blau erfaßt, was 256 × 256 × 256 = 16 777 216 Farbwerte ergibt (Jost J. Marchesi, Digital Photokollegium, Bd. 1: Theorie und Grundlagen, Gilching 2002, S. 14-19).
Die Speicherung der Bilddaten erfolgt auf unterschiedlichen Medien.
Neben integrierten Festplatten werden unterschiedliche Wechselspeicher eingesetzt, vor allem in die Kamera einschiebbare Speicherkarten. Für eine Archivierung von Bilddaten ist die 1990 vorgestellte CD („Compact Disc“), seit 1996 die DVD („Digital Versatile Disc“) auch für filmische Bildinformationen in Gebrauch.
Anstelle des Abzugs vom analog belichteten Negativ können digitale Bilddaten mit unterschiedlichen Systemen ausgedruckt werden (Laser- oder Tintenstrahldrucker). In Fotolaboren werden bevorzugt Geräte verwendet, bei denen digitale Bilddaten mit einem Laser auf herkömmliches Silberhalogenidpapier ausbelichtet werden. Auch analoges Filmmaterial wird derzeit im Labor gewöhnlich gescannt und digital ausbelichtet. (ebd., S. 81-87). Mit Bildbearbeitungsprogrammen können z.B. Kontraststeigerungen, Farb- und Helligkeitskorrekturen sowie beliebige Veränderungen ausgeführt werden (Abb. 19b); die Möglichkeiten gehen dabei weit über analoge Techniken der Positivbearbeitung (s. Sp. 429f.) hinaus: Durch digitale F. kann in Kombination mit computergestützten Prozessen die Bildqualität erheblich gesteigert und so eine Ansicht rechnerisch erzeugt werden, die den abgebildeten Gegenstand unter Bedingungen zeigt, die aufgrund der Beschränkung optischer Systeme mit analoger Technik nicht möglich sind.
Serien von qualitativ hochwertigen Bildern werden dabei unter reproduzierbaren Aufnahmebedingungen und bei verschiedenen Aufnahmeparametern von einer ortsfesten digitalen Kamera erfaßt (Abb. 20a-b). Aus den Einzelbildern werden über eine sog. Fusionskarte (Abb. 20c) die Bereiche mit den maximalen lokalen Kontrasten codiert und zu einem einzigen Bild fusioniert (Abb. 20d), das gegenüber den Einzelbildern der Serie mehr Details aufweist und größere Anschaulichkeit des Reliefs erreicht. Entwickelt wurde dieses Verfahren für die differenzierte Dokumentation von Meistermarken und Beschauzeichen von Gold- und Silberschmieden (Seling, Bd. III, Mchn. 22007 [in Vorb.]).
VII. Anwendungen
A. Dokumentation
Wegen der mechanischen und deshalb scheinbar objektiven Aufzeichnung des Bildes wurde die F. von Anfang an für dokumentarische Zwecke vewendet (zur F. als Zeugnis der Zeitgeschichte: Ausst.kat. „Dt. F. Macht eines Mediums, 1870 bis 1970“, Bonn 1997; Ausst.kat. „Bilder, die lügen“, Bonn 1998). Dabei diente die F. schon früh als Mittel zur Reproduktion von Kunstwerken.
Bereits mit Hilfe der Daguerreotypie wurden Reisen dokumentiert; zu den ersten F. dieser Art gehören die Aufnahmen von Horace Vernet und Frédéric Goupil-Fesquet während einer Ägypten-Expedition 1839. Nach Erfindung der Kalotypie kam es zu einer starken Zunahme der Reise-F. Bei der Auswahl der Motive war das Interesse an historischen Baudenkmälern bestimmend, daneben wurden aber auch ethnologische und topographische Ansichten durch F. festgehalten. Die 1851 gegründete Kopieranstalt von L. D. Blanquart-Evrard ermöglichte eine weite Verbreitung der zusammengestellten Alben, max. 300 Kopien konnten täglich von einem Negativ erstellt werden ([5] S. 76; Ausst.kat. „An den süßen Ufern Asiens. Ägypten, Palästina, Osmanisches Reich. Reiseziele des 19. Jh. in frühen Photographien ...“, Köln 1988). Systematische Fotokampagnen zur Erfassung von Baudenkmälern wurden zuerst in Frankreich durchgeführt: Anne de Mondenard, La mission héliographique. Cinq photographes parcourent la France en 1851, Paris 2002.
Ebenso nutzte man die F. vielfach auch gewerblich, um Werke der Malerei und Plastik wiederzugeben (Abb. 8).
Schon die Mehrzahl der ersten fotografischen Experimente von J. N. Niépce waren der Reproduktion von Kunstwerken gewidmet (s. Sp. 404f.). Von den Brüdern Louis Auguste und Auguste Rosalie Bisson wurde das Œuvre von Rembrandt Harmensz. van Rijn reproduziert, ersch. zwischen 1853 und 1858 in Paris (Saskia Asser, Rembrandt in fotografische staat ..., Bull. van het Rijksmus. 48, 2000, S. 170-199); 1854-1856 fotografierte Alois Löcherer bedeutende Werke der Graph. Slg. in München, z.B. des Meisters E.S. (Helmut Heß, Copies Photographiques, in: Kat. „Alois Löcherer. Photographien 1845-1855“, hg. von Ulrich Pohlmann, Mchn. 1998, S. 140-153). Zwischen 1867 und 1870 fanden erste große Fotokampagnen im Vatikan statt; der Fotograf und Verleger Adolphe Braun fotografierte u.a. die Wandgem. der Sixtinischen Kap. und Teile der K.slg., vor allem Skulpturen (Ausst.kat. „Image and enterprise ...“ Providence, RI und Cleveland, Ohio 2000, S. 126-133; zu Brauns F. von Werken in der Berliner Gem.gal.: Dorothea Peters, F. als „technisches Hülfsmittel“ der K.wiss. Wilhelm Bode und die Photographische Kunstanstalt Adolphe Braun, Jb. der Berliner Museen N. F. 44, 2002, S. 167-206). Die Fa. Hanfstaengl konzentrierte sich seit Mitte der 1860er Jahre auf die Reproduktion der Werke zeitgenössischer Künstler sowie bis etwa 1880 auf die Werke in den Münchner Museen, danach erweiterte sie ihr Programm: H. Heß, Der K.verlag Franz Hanfstaengl und die frühe fotografische K.reproduktion ..., Mchn. 1999; zur Kunstreproduktion in Großbritannien: Anthony J. Hamber, „A higher branch of the art“. Photographing the fine arts in England. 1839-1880, Amst. usw. 1996 (Documenting the image, 4); Helene E. Roberts (Hg.), Art hist. through the camera’s lens, Newark, NJ 1995 (Documenting the image, 2).
Die Farb-F. wurde in großem Maßstab wohl zuerst von Albert Kahn zw. 1909 und 1931 zu Dokumentationszwecken eingesetzt: Im Rahmen seiner Kampagne „Les Archives de la Planète“ entstanden u.a. 72000 Autochrome ([10] S. 267). Mit den Möglichkeiten der massenhaften Farbbildproduktion, die das „Agfacolor-Verfahren“ (s. Sp. 411f.) erlaubte, kam die Farb-F. seit Frühjahr 1943 auch in der Kunstdokumentation planmäßig zum Einsatz. Etwa 50 Fotografen sollten nach Vorgaben der Denkmalämter ein Farbbildarchiv der bedeutendsten Beisp. für Wand- und Deckenmal. im „Großdt. Reich“ erstellen (zum erh. Bestand: Ralf Peters, Gerettet. Die Farbdokumentation „kulturell wertvoller Wand- und Deckenmal. in hist. Baudkm. Großdtld.“ von 1943-1945, K.chr. 55, 2002, S. 242-244).
Die technischen Verbesserungen gegen E. 19. Jh. (s. Sp. 413f.), die erstmals Aufnahmen aus der Hand ermöglichten, waren die Voraussetzung für die Presse-F. (Bernd Weise, F. in dt. Zeitschriften 1883-1923, Stg. 1991). Zu der gleichzeitig einsetzenden Mode-F. vgl. u.a. Alison Gernsheim, Fashion and Reality 1840-1914, Ld. 1963. - Zur Amateur-F.: Timm Starl, Knipser. Die Bildgesch. der privaten F. in Dtld. und Österr. von 1880 bis 1980, Mchn.-Bln. 1995.
Schon bald nach ihrer Erfindung wurde die F. in den verschiedenen Wissenschaften genutzt (u.a. Ethnologie, Archäologie, Biologie, Medizin, Chemie; vgl. u.a. Ann Thomas [Hg.], Beauty of Another Order ..., New Haven-Ld. 1997; Franz Schubert u.a., Arch. und Photographie ..., Mainz 1978; Ausst.kat. „Flug in die Vergangenheit. Arch. Stätten der Menschheit in Flugbildern“, Essen 2003.
In den 1880er Jahren entwickelten u.a. Edward James Muggeridge, gen. Eadweard Muybridge, Etienne-Jules Marey und Ottomar Anschütz aufwendige Apparaturen für Momentaufnahmen von Bewegungsabläufen, um für das Auge nicht wahrnehmbare Einzelbilder aufzuzeichnen (Abb. 9a-e; [4] S. 568-583).
Mit der Entdeckung von Strahlen außerhalb des für den Menschen sichtbaren Spektrums (Infrarotstrahlen, Röntgenstrahlen und Ultraviolettes Licht) waren Aufnahmen möglich, mit denen bisher Unsichtbares aufgezeichnet werden konnte. Diese Techniken der F. werden seitdem in vielen Disziplinen eingesetzt, z.B. für medizinische Diagnostik sowie in Arch. und Kg. (Abb. 16a und b; Christian Wolters, Die Bedeutung der Gemäldedurchleuchtung mit Röntgenstrahlen für die Kg. Dargestellt an Beisp. aus der niederl. und dt. Mal. des 15. und 16. Jh., FfM. 1938 [Veröffn. zur Kg., 3]; Johan Rudolph Justus van Asperen de Boer, Some reflections upon the impact of scientific examination on art historical research, in: Looking through paintings, hg. von Erma Hermens, Baarn 1998 [Leids kh. jb., 11], S. 13-17; Franz Mairinger, Strahlenuntersuchung an K.werken, Lpz. 2003 [Bücherei des Restaurators, 7]; Ingo Sandner, Die digitale Infrarot-Reflektografie als Untersuchungsmethode, in: Ausst.kat. „Jan Polack ...“, Freising und München 2004, S. 77f.; Andreas Burmester und Konrad Renger, Händescheidung im nahen Infrarot ..., in: Thea Vignau-Wilberg [Hg.], Rembrandt-Zchgn. in München, Mchn. 2003, S. 45-62; Rainer W. Richter, Visual and ultraviolet light examination as an aid for the authentification of Europ. enamels, in: Neue Forschgn. zum Maleremail aus Limoges, Braunschweig 2004 [Kolloquiumsbde. des Hzg. Ant. Ulr.-Mus., 2], S. 54-65).
B. Bildende Kunst
1. Hilfsmittel
Künstler nutzten die F. wie Skizzen und Studien, z.B. Maler wie Gustave Courbet, Henri de Toulouse-Lautrec, Pierre Bonnard, Ferdinand Hodler, Franz von Lenbach, Pablo Picasso, Oskar Schlemmer, Max Ernst ([6] S. 15-31; vgl. [7] S. 137-139) und Bildhauer wie Auguste Rodin, Max Klinger, Aristide Maillol ([6] S. 148 bis 150). Dabei verwendeten sie sowohl fremde als auch eigene F. sowie nach ihren Vorstellungen angefertigte Aufnahmen, z.B. Dante Gabriel Rossetti, Franz von Lenbach (Abb. 11a und b), Edvard Munch, Auguste Rodin, Wilhelm Lehmbruck, Heinrich Zille, Max Slevogt, Ernst Ludwig Kirchner, Constantin Brancusi, Henry Moore:
ebd., S. 32-59 und S. 150-169. Daneben verwendeten Künstler die F. zur Dokumentation der eigenen Werke.
Den zunächst in den USA seit Ende der 60er Jahre des 20. Jh. verbreiteten sog. Fotorealismus in der Malerei kennzeichnet die ausschließliche Verwendung der F. als Vorlage (Ausst.kat. „Amerikanischer Fotorealismus“, Braunschweig 1973). Eben so bedienten sich Graphiker der F., z. B. Andy Warhol (Ausst.kat. „Andy Warhol Photography“, Hamburg 1999 und Pittsburgh, Pa. 2000).
Seit M. 19. Jh. wurde die F. auch für die Herstellung plastischer Bildwerke verwendet (Art. „Photoplastik“, in: Lex. der K. 5, S. 585; Art. „Photosculpture“, in: Dict. of Art 24, Ld.-N.Y. 1996, S. 688; Angelika Beckmann, Fotoskulptur. Überlegungen zu einem Bildmedium des 19. Jh., Fotogesch. 11, 1991, H. 39, S. 3-16).
Schließlich diente die F. auch als Grundlage für die Entwicklung einer Reihe künstlerischer Techniken (z.B. Cliché Verre s. *Glasradierung) sowie einer Vielzahl von *Reproduktionsverfahren (s. auch RDK II, Sp. 1355-1357).
2. F. als autonome Gattung
a. Geschichte
Lange war umstritten, ob F. als eigenständige Kunstgattung zu gelten habe. 1862 wurde in Paris gerichtlich entschieden, die F. als Kunst anzuerkennen und damit in Frankreich unter gesetzlichen Schutz zu stellen ([7] S. 122).
In Dtld. gab es erstmals 1876 ein einheitliches Gesetz zum Schutz der F. „gegen unbefugte Nachbildung“; 1907 wurde das „Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst und der F.“ verabschiedet, das die Unterscheidung zwischen Kunst und F. vor allem dadurch aufrechterhielt, daß die Dauer des gesetzlichen Schutzes bei Fotografien darin auf zehn Jahre im Gegensatz zu den 30 Jahren bei anderen Kunstwerken festgelegt wurde. Dabei genoß allein der Urheber der F. das Recht der Vervielfältigung, Nachbildung und gewerbsmäßigen Verbreitung. Dieses Gesetz blieb weitgehend bis zum Urhebergesetz vom 9. 9. 1965 geltendes Recht. Danach sind in der Bundesrepublik Dtld. Lichtbildwerke, d.h. F., die eine persönliche geistige Schöpfung darstellen, ebenso die sog. einfachen Lichtbilder geschützt. Nach der Gesetzesänderung vom 24. 6. 1985 wurde u.a. die Schutzfrist auf 70 Jahre nach Tod des Fotografen verlängert und für Lichtbilder mit dokumentarischem Wert eine Frist von 50 Jahren nach Erscheinen eingeführt: Stefan Ricke, Entwicklung des rechtlichen Schutzes von Fotografien in Dtld. unter besonderer Berücksichtigung der preußischen Gesetzgebung, Münster 1998 [Ius vivens, B, 7]; Haimo Schack, K. und Recht. Bildende K., Archit., Design und F. im dt. und internationalen Recht, Köln 2004 [Schrn. zum K.recht, 1], S. 347-357).
Dessenungeachtet galt die F. schon früh als künstlerische Ausdrucksform (Abb. 6). Dabei orientierte man sich stilistisch und kompositorisch an Gemälden („Piktoralismus“), die vielfach auch durch Manipulationen wie Fotomontagen (s. Sp. 429f.) nachgeahmt wurden. Von dem Londoner Fotografen Henry Peach Robinson wurden die dabei angewandten Techniken 1869 unter dem Titel „Pictorial Effect in Photography“ publiziert (dt. Übers. 1886: [7] S. 115). Repräsentativ für den victorianischen Piktoralismus ist das Werk von Julia Margaret Cameron: Julian Cox und Colin Ford, J. M. Cameron ..., Ld. 2003; vgl. Michel Poivert, Le sacrifice du présent ..., Etudes photographiques 8, 2000, S. 92-110. Die Auseinandersetzung mit Malerei und Graphik führte dabei auch zu eigenständigen künstlerischen Lösungen (Ausst.kat. „Eine neue K.? Eine andere Natur! F. und Mal. im 19. Jh.“, München 2004; zu Félix Tournachon, gen. Nadar: Ausst.kat. „Nadar. Les années créatrices, 1854-1860“, Paris 1994).
Gewerblich genutzt wurde die F. schon früh für die Anfertigung von Porträts. Die Verbesserung des Verfahrens führte ab 1854 zur „Carte de visite“ (ca. 6x9 cm), dem ersten normierten Bildformat (Ausst.kat. „Lichtbildnisse ...“, Bonn 1982). Ebenso war der Akt seit Erfindung der Daguerreotypie eine Gattung der F. (Ausst.kat. „Das Aktfoto. Ansichten vom Körper im fotografischen Zeitalter ...“, München 1985). Die Berufsfotografen schlossen sich um die M. 19. Jh. zusammen, in Dtld. z.B. im 1859 durch Julius Schnauß in Jena gegr. „Allgemeinen dt. Photographen-Verein“ (mit der Zs. „Photographisches Archiv“, 1860-1897), und im „Photographischen Verein zu Berlin“, 1863 gegr. durch Hermann Wilhelm Vogel (mit der Zs. „Photographische Mitt.“, 1864-1911), die sich auch um die rechtliche Anerkennung der F. bemühten (James E. Cornwall, Die Frühzeit der Photographie in Dtld. 1839-1869, Herrsching 1979, S. 140-143; Ludwig Hoerner, Das photographische Gew. in Dtld. 1839-1914, Ddf. 1989, S. 105-112). Gegen E. 19. Jh. konstituierten sich schließlich die ersten Vereinigungen von Fotografen, die ihre Arbeit nicht den ästhetischen Zwängen des Marktes unterwerfen wollten, z.B. 1887 der „Wiener Camera Club“, 1892 „The linked Ring brotherhood“ (besser bekannt als „Linked Ring“), 1896 der „Camera Club of New York“ und 1894 der „Photo Club de Paris“ (vgl. [7] S. 263 und 268). Schon seit etwa M. 19. Jh. versuchten Fotografen ihrem künstlerischem Anspruch, der häufig mit der Forderung nach größerer Naturnähe verbunden war, in verschiedenen Anwendungsbereichen der F. gerecht zu werden, dies galt insbesondere in der Reise- und Landschafts-F. ([4] S. 715-720).
Die Sequenz von Aufnahmen, nicht nur in schneller Folge - einer Filmaufnahme vergleichbar (Abb. 9a-e) -, sondern auch von unbewegten Motiven aus wechselnder Perspektive ist schon seit der Frühzeit der F. eine ihrer Ausdrucksformen (Jens Ruchatz, Ein Foto kommt selten allein. Serielle Aspekte der F. im 19. Jh., in: Wolfgang Hesse und Timm Starl [Hgg.], Der Photopionier Hermann Krone. Photographie und Apparatur ..., Marburg 1998, S. 31-46, bes. S. 37-41); vgl. auch: Kat. „Bernd & Hilla Becher. Typologien industrieller Bauten“, Mchn. 2003; Ausst.kat. „Robert Frank ...“, Washington, DC 1994, dt. Ausg. ebd. 1994, S. 96-125).
In Amerika wurde die künstlerische F. besonders durch Alfred Stieglitz gefördert, der durch den Piktoralismus geprägt war (Beisp.: Kat. „Alfred Stieglitz. The key set. The Alfred Stieglitz coll. of photographs, Nat. Gal. of Art, Washington“, N.Y. 2000, Bd. 1-2). A. Stieglitz gründete 1902 die „Photo-Secession“ in New York, die mit ihrer Zs. „Camera Work“ 1903-1917 einerseits den führenden Fotografen der Zeit ein Forum bot (z.B. Edward J. Steichen, Alvin Langdon Coburn, Gertrude Käsebier, Heinrich Kuehn), andererseits auch Reproduktionen der Werke der Avantgarde bildender Künstler, u.a. Matisse und Brancusi, enthielt (Katherine Hoffman, Stieglitz. A beginning light, New Haven 2004, S. 201-295 und 311-325).
Zuletzt publizierten dort auch Vertreter der sog. „straight photography“, der „unverfälschten“ F., ihre Aufnahmen, z.B. Marius de Zayas und Paul Strand ([5] S. 477-486), auch A. Stieglitz selbst förderte mit seinem Spätwerk diese dem Piktoralismus entgegengesetzte Richtung der F. (z.B. „The steerage“, 1907). Der Begriff ist bereits 1904 nachweisbar (Beaumont Newhall, The hist. of photography ..., N.Y. 1982; dt.: Gesch. der Photographie, Mchn. 1984, S. 173-200). Sie war eine Grundlage für die Entstehung der abstrakten F.
So nannte Paul Strand 1916 eine Fotogravüre „Abstraction, Bowls, Connecticut“; im darauffolgenden Jahr erzeugte Alvin Langdon Coburn mit seinem Vortoscope, einer Art Spiegelkabinett, eine Serie von gegenstandslosen fotografischen Bildern, die er „Vortographs“ nannte (Thomas Kellein, Die Erfindung der abstrakten F. 1916 in New York, in: Ders. und Angela Lampe [Hgg.], Abstrakte F., Ostfildern-Ruit 2000, S. 33-56). Sie werden auch als erste Beispiele der reinen oder konkreten F. angesehen: Gottfried Jäger u.a., Concrete Photography ..., Bielefeld 2005, S. 49.
In Europa entstand eine solche sich durch besondere Klarheit und Schärfe sowie durch das alltägliche Leben bestimmte Motivwahl auszeichnende Auffassung der F. als Ausdruck der „Neuen Sachlichkeit“.
Das Bauhaus, der Werkbund, die Folkwangschulen und die Kunstgewerbeschule auf Burg Giebichenstein waren wichtige Zentren in Dtld. für die Verbreitung dieser neuen Ästhetik. Unabhängig davon gab es viele weitere Fotografen, die diese neue Auffassung vertraten, z.B. Albert Renger-Patzsch (vgl. ders., Die Welt ist schön, Mchn. 1928) und August Sander, der in den 20er und 30er Jahren in seinem mehrere hundert Aufnahmen umfassenden Porträtwerk „Menschen des 20. Jh.“ Personen aus allen Gesellschaftsschichten aufnahm (Olivier Lugon, Le style documentaire. D’August Sander à Walker Evans, 1920-1945, Paris 2001). Dieses Konzept wurde bis ins 21. Jh. mehrfach aufgegriffen (z.B. Eva-Monika Turck, Stefan Moses. Gestische Topographie Ostdeutschlands, Mchn. 2003). Die internationale Wanderausst. des Dt. Werkbundes „Film und Foto“, die erstmalig 1929 in Stuttgart gezeigt wurde, zählt zu den bedeutendsten Retrospektiven der F.geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg: Neben *Fotogrammen von L. Moholy-Nagy und Fotomontagen (s. Sp. 429f.) von George Grosz wurden u.a. Objekt-F. von A. Renger-Patzsch, Landschaftsaufnahmen von Edward Weston, Luftaufnahmen von Günther Petschow und Werbefotos von Paul Schuitema als Beispiele für die „neue Optik“ gezeigt. Diese war durch Gustaf Stotz, den Initiator der Ausstellung, als Absage an den Piktoralismus definiert worden: „Wir sehen die Dinge um uns anders als früher, ohne malerische Absichten in impressionistischem Sinne. Auch sind uns heute Dinge wichtig, die früher gar nicht beachtet wurden, z.B. Schuhhölzer, eine Dachrinne, Fadenrollen, Stoffe, Maschinen usw. Sie interessieren uns in ihrer materiellen Substanz, in ihrer einfachen Dinglichkeit; sie interessieren uns als Mittel zur Raumgestaltung in der Fläche, als Licht- und Schattenträger.“ (Das K.bl. 13, 1929, S. 154; Film und Foto: Stuttgart 1929 ..., hg. von Karl Steinorth, Stg. 1979; Ute Eskildsen und Jan-Christopher Horak [Hgg.], Film und Foto der zwanziger Jahre. Eine Betrachtung der Internat. Werkbundausst. „Film und Foto“ 1929, Stg. 1979).
Dieser Ästhetik verpflichtet war auch die 1932 in Kalifornien gegründete Gruppe „f/64“, die sich vorrangig der Landschafts-F. widmete. Der Name verweist auf die kleinste Blendenöffung, die bei einer großformatigen Kamera möglich ist.
Die Mitglieder Ansel Adams, Imogen Cunningham, John Paul Edwards, Sonya Noskowiak, Henry Swift, Willard Van Dyke und Edward Weston vertraten das Konzept einer F. mit größtmöglicher Tiefenschärfe. Retuschen und andere Manipulationen wurden abgelehnt (vgl. [7] S. 287; Ansel Adams, The camera, Boston 31982 [The new Ansel Adams photography ser., 1]).
Ähnlich wie in Dtld. und in der Sowjetunion in den 1920er Jahren (z.B. durch Alexander M. Rotschenko) bekam die F. in Amerika neue Impulse aus gesellschaftskritischen Kreisen und der Arbeiterbewegung: So war das Ziel der 1936 in New York gegründeten „Photo League“, die aus „The Worker’s Film and Photo League“ (später „The Film and Photo League“), 1930-1935, hervorgegangen war, die soziale Wirklichkeit in der Großstadt zu dokumentieren.
Unter Leitung von Sid Grossman wurden Ateliers unterhalten, Workshops angeboten, Ausstellungsräume zur Verfügung gestellt und die mehrere Jahre dauernde Dokumentation des Lebens in Harlem durch Aaron Siskind gefördert. Von 1938 bis 1950 publizierte die Photo League die Zs. „Photo Notes“, nach dem Vorbild der von A. Stieglitz herausgegebenen Zs. „Camera Notes“. Die von staatlicher Seite ausgeübten Repressionen führten 1951 dazu, daß die Gruppe ihre Aktivität einstellte (Lili Corbus Bezner, Photography and politics in America ..., Baltimore, Md. usw. 1999).
Von der amerikanischen Regierung wurde in den 30er Jahren statt dessen eine großangelegte F.-Kampagne zur Dokumentation des Lebens der amerikanischen Landbevölkerung (Farm Security Administration documentary project [FSA]) unter der Leitung von Roy Stryker gefördert; das FSA-Archiv umfaßt mehr als 265 000 Negative unter anderem von Walker Evans and Dorothea Lange (Miles Orvell, American photography, Oxf. 2003, S. 109-115).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die F. auch in Europa geprägt durch die weitere Verbreitung des Photojournalismus - stilbildend wirkte die Zs. „Life“ (1936 gegr.) -, die Anwendung der F. in der Werbung, die Bildgestaltung in Film und Fernsehen sowie seit E. 20. Jh. die digitale F. (s. Sp. 417f.). Darüber hinaus kamen Anregungen aus der Amateur-F. (z.B. E. 20. Jh. die sog. Lomographie, abgeleitet vom Namen der Kamera „Lomo“ [Leningradskoje optiko-mechanitscheskoje objedinjenije].
Schon im Zweiten Weltkrieg hatte die Darstellung der politischen und sozialen Wirklichkeit in der F. an Bedeutung gewonnen, auch danach geschah dies vielfach durch das Festhalten des „entscheidenden“ Moments von Bewegungsabläufen, die sog. Life-F. (vertreten durch die von Henri Cartier-Bresson, Robert Capa u.a. in Paris und New York ins Leben gerufene, unabhängige internat. Agentur „Magnum“; als offizielles Gründungsjahr gilt 1947: Chris Boot [Hg.], Magnum stories, Ld. 2004); als umfassendste Darstellung der Dokumentar-F. jener Zeit gilt die von Edward Steichen am Mus. of Modern Art in New York initiierte internat. Wanderausst. „The Family of Man“ 1955. Nachdem die F. in Deutschland als Mittel der nationalsozialistischen Propaganda instrumentalisiert worden war (Rolf Sachsse, Die Erziehung zum Wegsehen. F. im NS-Staat, Dresden 2003), vertrat Otto Steinert in den 1950er Jahren das Konzept einer „subjektiven f.“ in mehreren internationalen Ausstellungen. Der ästhetisch in der Tradition der „Neuen Sachlichkeit“ stehende Ansatz prägte viele Fotografen der Nachkriegsgeneration.
Dabei wurde eine persönliche Deutung der Wirklichkeit angestrebt. Für die Motivauswahl war zumeist die graphische Wirkung eines Gegenstandes oder einer Landschaft entscheidend. Diese wurde durch die bevorzugte Schwarz-Weiß-Aufnahme noch hervorgehoben (Ausst.kat. „,Subjektive F.` Der dt. Beitrag 1948-1963“, Stuttgart usw. 1989).
Neben den vielfach ungegenständlichen fotografischen Bildern dieser Tradition wurde die abstrakte F. seit den 1950er Jahren verstärkt durch Motive aus Naturwissenschaft und Technik bereichert (Gottfried Jäger [Hg.], Die K. der Abstrakten F., Stg. 2002; s. dazu auch Fotogramm).
Auch im 20. Jh. gab es immer wieder den Austausch mit Stilrichtungen anderer Gattungen der Bildenden Kunst wie dem Kubismus, Surrealismus, der Minimal Art, dem „Magischen Realismus“ und der Pop Art (Petr Tausk, Die Gesch. der F. im 20. Jh. ..., Köln 1977). E. 20. Jh. wurde die Adaption historischer Bildwerke (sog. „appropriation“) wieder ein Thema der F. (Ausst.kat. „Tableaux vivants. Lebende Bilder und Attitüden in F., Film und Video“, Wien 2002). Darüber hinaus werden F. nach wie vor mit anderen Materialien kombiniert.
Als Dokumentationsmedium ephemerer Werke wie Performance oder Installation wird die F. neben dem Video auch als Teil des Kunstwerks betrachtet.
Zu Deutungsversuchen siehe: Wolfgang Kemp (Hg.), Theorie der F. Eine Anthologie, Bd. 1: 1839-1912, Mchn. 1980, Bd. 2: 1912-1945, Mchn. 1979, Bd. 3: 1945-1983, Mchn. 1983; Hubertus von Amelunxen (Hg.), Theorie der F., Bd. 4: 1980-1995, Mchn. 2000; Gerhard Glüher, Von der Theorie der F. zur Theorie des digitalen Bildes, Kritische Ber. 26, 1998, Nr. 2, S. 23-31.
b. Besondere Techniken
Die im 19. Jh. zum Teil zufällig gefundenen Techniken der Verfremdung des fotografischen Bildes wurden spätestens im fr. 20. Jh. zu Mitteln der künstlerischen Gestaltung.
So erwähnte bereits Daguerre 1831 den Effekt der Solarisation, der auf der Umkehrung der Tonwerte auf Film oder Platte durch eine Verlängerung der Belichtung beruht. Ausführlich beschrieben wurde das Phänomen dann von Ludwig Ferdinand Moser 1843 ([2] S. 144f.). Armand Sabattier gelang es nach verschiedenen Versuchen schließlich 1862, gezielt ein in der Entwicklung begriffenes Negativ durch eine Nachbelichtung in ein Positiv umzuwandeln (Pseudosolarisation). Der nach ihm benannte „Sabattiereffekt“ wurde um 1930 u.a. von Man Ray aufgegriffen und als Stilmittel angewandt (ebd., S. 172f.); Abb. 15.
Effekte, die in der analogen F. durch den Gebrauch bestimmter Objektive (z.B. sog. Fischauge, Weichzeichner), Spiegelreflexionen, Mehrfachbelichtungen des Negativs, Solarisation, Rasterung sowie Farb- und Tonwertveränderung usw. erreicht werden, lassen sich in der digitalen F. durch Bildbearbeitungsprogramme simulieren (vgl. [6] S. 306-319).
Schon in der 1. H. 19. Jh. kannten Fotografen die Technik der Negativmontage.
Oscar Gustave Rejlander verwendete für seine Komposition „The Two Ways of Life“ aus dem Jahr 1857 sogar dreißig Negative ([2] S. 523). In den 1920er Jahren wurde das Verfahren, das in der mehrfachen, oft „maskierten“ Belichtung verschiedener Bilder übereinander besteht, noch weiter vervollkommnet ([5] S. 431-443).
Gleichzeitig wurde die Collage des Positivs entdeckt und mit der Negativmontage kombiniert. Bei den Collagen dadaistischer Künstler wie Max Ernst und Kurt Schwitters, die aus zerschnittenen, kolorierten, retuschierten und mit anderen Materialien kombinierten Fotos bestehen, war der Kompositcharakter stets sichtbar und erwünscht (Ludger Derenthal, Wie Max Ernst den Ersten Weltkrieg in seine Fotocollagen klebte, in: Karl Riha [Hg.], Fatagaga-Dada, Gießen 1995, S. 48-58; Dorothea Dietrich, The collages of Kurt Schwitters ..., Cambr. usw. 1993). Plakatkünstler wie John Heartfield verwendeten beide Montagetechniken (Abb. 13; Roland März, Heartfield montiert: 1930-1938, Lpz. 1993). Laszlo Moholy-Nagy nannte seine F.-Collagen „Fotoplastiken“. Vielfach ließ er sie auch abfotografieren, um sie zu vervielfältigen (Abb. 14; Ausst.kat. „Moholy-Nagy. Fotoplastiks. The Bauhaus years“, New York 1983, S. 10).
„Das heutige Ausschneiden, Nebeneinandersetzen, mühsame Organisieren der fotografischen Kopien zeigt den ersten fotografischen Klebearbeiten (Fotomontage) der Dadaisten gegenüber ... eine entwickeltere Form (Fotoplastik ...)“: Laszlo Moholy-Nagy, Mal., F., Film, 2., veränd. Aufl. Mchn. 1927 (Bauhausbücher, 8), S. 35.
Der Begriff der „Fotoplastik“ wird allerdings auch für Fotoskulpturen verwendet (s. Sp. 421).
Bei digitalen Montagen, bei denen die Effekte der Überblendung und Verzerrung sowie Farb- und Tonwertveränderung stufenlos erzielt werden können, sind die verwendeten Bilder häufig nicht mehr erkennbar. Die Technik, digitale Bilder zu manipulieren, wird seit 1990 durch die Entwicklung entsprechender Programme zur Bildbearbeitung ständig verbessert (Michael Freeman, The complete guide to digital photography, Ld. 2001).
Wechselwirkungen zwischen Film und F. gab es von Anfang an; im Zeitalter der digitalen F. sind die Grenzen zwischen beiden Gattungen fließend (Christiane Paul, Digital art, Ld. 2003).
Schon früh bemühte man sich um die Wiedergabe von Räumlichkeit, ab der M. 19. Jh. fand die Stereo-F. weite Verbreitung.
Bereits 1832 konstruierte der Physiker Ch. Wheatstone ein erstes Stereoskop, mit dem sich der Eindruck des räumlichen Sehens künstlich erzeugen ließ; 1838 veröffentlichte er das Prinzip des Spiegelstereoskopes. Mit diesem Gerät konnte man nach Talbots Erfindung auch Kalotypien betrachten. 1849 stellte David Brewster ein einfach zu bedienendes Prismenstereoskop vor, das den direkten Blick auf zwei Daguerreotypien erlaubt. Diese beiden Aufnahmen desselben Motivs aus geringfügig abweichenden Blickwinkeln setzen sich, im Binokular betrachtet, zu einem einzigen, scheinbar räumlichen Bild zusammen. Die ersten Stereof. wurden entweder mit einer Flachbildkamera auf einem Schieber versetzt nacheinander oder mit zwei Kameras auf einem Stativ im notwendigen Abstand zueinander aufgenommen. Die von D. Brewster 1849 vorgestellte Doppelobjektivkamera vereinfachte zwar das Verfahren, die ältere Methode blieb jedoch noch einige Jahre in Gebrauch. Mit dem 1851 vorgestellten Stereoskop von Jules Dubosq begann die serielle Herstellung der Betrachtungsgeräte wie der Stereoskopien selbst. Mit dem Kollodiumverfahren verringerten sich die Kosten der Stereo-F., die nun industriell hergestellt wurde (Abb. 5; [4] S. 304-315; Gerhard Kemner, Stereoskopie ..., Bln. 1989; Ausst.kat. „La photographie stéréoscopique sous le second Empire“, Paris 1995).
Bei der Holografie wird nur ein einziges dreidimensional erscheinendes Bild erzeugt, indem man Licht gleicher Wellenlänge (Laser) verwendet. Dabei wird ein Teil des Laserstrahls direkt auf die holographische Platte geleitet (Referenzstrahl), der andere über das abzubildende Objekt (Objektstrahl). Aus der Überlagerung beider Strahlen entsteht ein Interferenzmuster, das nach der Entwicklung und Fixierung des Bildes den optischen Eindruck von Räumlichkeit vermittelt. Dieses Bild wird als „Hologramm“ bezeichnet. Farbhologramme werden durch die Verwendung mehrerer in sich kohärenter Lichtbündel verschiedener Wellenlänge erstellt. Das Prinzip wurde 1947/1948 von dem Physiker Dennis Gábor beschrieben, der dafür 1971 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. 1961 entwickelte Juri Nikolajewitsch Denisyuk das Weißlichthologramm, das auch ohne Laser betrachtet werden kann. Weitere Varianten sind das Regenbogenhologramm und das Multiplex-Hologramm, das den Eindruck einer bewegten Szene vermittelt ([8] Bd. 2, S. 270-275).
Da das Interferenzbild des Weißlichthologramms nicht durch Verfahren wie die *Xerokopie duplizierbar ist, werden solche Hologramme oft als fälschungssicheres Element auf Druckerzeugnissen wie Banknoten verwendet.
In den 1960er Jahren wurde diese Technik auch von Künstlern genutzt, u.a. von Carl Frederik Reuterswärd, der 1962 sein Kilroy-Projekt begann und 1972 mit einer Objekt-, Laser- und Hologramminstallation abschloß (Kat. „La coll. du Mus. nat. d’art moderne“, Paris 1986, S. 506). Salvador Dalí und Bruce Nauman bedienten sich der Holografie nur kurzzeitig. Die Ausstellung „holography`75. The first decade“ in New York war der Versuch einer ersten Retrospektive (vgl. Ausst.kat. „Holographie. Medium für K. und Technik“; München und Pulheim 1984; Peter Zec, Holographie. Gesch., Technik, K., Köln 1987, S. 139-155; Ausst.kat. „Holographische Visionen ...“, Köln 1991).
Zu den Abbildungen
1. Alphonse Giroux, Kamera Nr. 26 für Daguerreotypie. Paris, 1839. Wien, Technisches Mus. Foto Mus.
2. Carl August von Steinheil und Franz von Kobell, Die Glyptothek in München, Salzpapiernegativ, Dm. 4 cm. München, 1839. München, Dt. Mus. Nach: [2] Abb. 50.
3. Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer, Ganzmetall-Kamera Nr. 1278 für Daguerreotypie. Wien 1841. Wien, Technisches Mus. Foto Mus.
4. Alois Löcherer, Ferdinand von Miller im Hof der kgl. Erzgießerei München neben dem Kopf der Bavaria mit der Totenmaske von Ludwig Michael von Schwanthaler. München, zw 1848 und 1855. Kalotypie, 32,0 × 25,0 cm. Foto Münchner Stadtmus.
5. David Brewster, Stereoskop, Holzstich in: Ders., The Stereoscope ..., Ld. 1856, S. 70, Abb. 16. Nach dem Original.
6. Oswald Ufer, Allegorie der F. und der Bildenden Künste, 1858-1860. Zchg., 28,8 × 39,1 cm. München, Slg. Dietmar Siegert. Nach: Ausst.kat. „Eine neue K.? Eine andere Natur! F. und Mal. im 19. Jh.“, München 2004, S. 292.
7. Johann Friedrich Drake, Steinrelief. Dkm. für Christian Peter Wilhelm Beuth. Berlin, 1860. Berlin, Märkisches Mus. Nach: [2] Abb. 19.
8. F. von Skulpturen, Visitenkartenformat, in: Photographic Notes o. J. (um 1875). Nach [2] Ab. 181.
9a-e. Ottomar Anschütz, Folge von F., zw. 1880 und 1890, Paris, BNF. Nach: [5] S. 254.
10. C. F. Kindermann (Hersteller), Pustlichtlampe „Meteor“. Berlin, um 1900. Nach: [11] S. 57, Abb. 3.5.
11a. Franz von Lenbach mit Frau und Töchtern, F. München, wohl 1903. Köln, Privatbes. Nach: Ausst.kat. „Lenbach ...“, München 2004, S. 186.
11b. Franz von Lenbach, Selbstbildnis mit Frau und Töchtern, Gem. München, 1903. Öl auf Pappe. München, Städt. Gal. im Lenbachhaus. Nach: Ausst.kat. „Lenbach ...“, München 2004, S. 187.
12. Oskar Barnack, Kleinbildkamera („Ur-Leica“), Wetzlar, zw. 1914 und 1923. Archiv der Fa. Leitz. Foto Wetzlar, Fa. Leitz.
13. George Grosz und John Heartfield, Dada-merika, 1919 (Reproduktion nach dem verschollenen Orig.).
Collage, 26 × 19 cm. Nach: Ausst.kat. „John Heartfield montiert“, Berlin 1991, Abb. 2.
14. Laszlo Moholy-Nagy, Unsere Größen, 1927. Sog. Fotoplastik, Silbergelatineabzug, 17,7 × 23,5 cm. Tokio, The Tokyo Metropolitan Mus. of Photography. Nach: Ausst.kat. „László Moholy-Nagy“, Marseille 1991, S. 163.
15. Otto Steinert, Fahles Porträt, 1949. F. auf Gelatinesilberpapier, Negativdruck und Solarisation, 38,5 × 28,5 cm. Essen, Mus. Folkwang. Nach: [9] Abb. 37.
16a. F. eines Gem. von Tiziano Vecellio, Porträt des Kardinals Alessandro Farnese (Detail). Nach: Arte Veneta 18, 1964, S. 219.
16b. Röntgen-F. des Gem. von Tiziano Vecellio. Porträt des Kardinals Alessandro Farnese (Detail). Nach: ebd.
17. Schemazeichnung der Digitalkamera „Mavica“ der Fa. Sony. Tokio, 1981, Legende übersetzt. Nach: www.digicamhistory.com/Sony_Mav81draw_sep.html (23.08.2005).
18. Franz Hanfstaengl, Das Siegestor in München. Salzpapierabzug eines Kollodiumnegativs, 30,6 × 37,7cm, München, 1854, Münchner Stadtmus., Fotomus. Foto Mus.
19. Digitale Bearbeitung von F. München, 2006. Foto RDK.
20a-d. Fernando Puente León. Digitale F. der Meistermarke von Johannes Lencker, Augsburg, zw. 1602 und 1637 (Seling, Nr. 1157). München, 2006.
Literatur
1. Hubertus von Amelunxen, Die aufgehobene Zeit. Die Erfindung der Photographie durch William Henry Fox Talbot, Bln. 1989. - 2. Wolfgang Baier, Quellendarst. zur Gesch. der Photographie ..., Halle a.d.S. 1964, Sonderausg. Mchn. 1977. - 3. Gert Koshofer, Farbfotografie, Mchn. 1981, Bd. 1-3. - 4. Helmut Gernsheim, Gesch. der Photographie ..., FfM. usw. 1983. - 5. Michel Frizot (Hg.), Nouvelle hist. de la photographie, Paris usw. 2001. - 6. Ausst.kat. „Mal. und Photographie im Dialog“, Zürich 1977. - 7. Walter Koschatzky, Die K. der Photographie ..., Salzburg usw. 1984. - 8. Jost J. Marchesi, Hdb. der F., Bd. 1-2, Schaffhausen 1993 und 1995; Bd. 3, Gilching 1998. - 9. Ausst.kat. „Das zweite Gesicht. Metamorphosen des fotografischen Porträts“, München 2002. - 10. Cornelia Kemp, Das Autochromverfahren der Gebr. Lumière ..., in: Ulf Hashagen u.a. [Hgg.], Circa 1903 ..., Mchn. 2003, S. 252-278. - 11. Pierre Bron und Philip L. Condax, Der Foto-Blitz, Allschwil 1998.
Zahlreiche Hinweise werden Cornelia Kemp, Mchn., verdankt.
Empfohlene Zitierweise: Auer, Anna, Walter, Christine, Wipfler, Esther P. , Fotografie, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. X (2006), Sp. 401–435; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=104451> [10.09.2024]
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