Fladerpapier

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englisch: Speckled paper; französisch: Papier madré; italienisch: Carta marezzata.


Friedrich Kobler (1992)

RDK IX, 629–633


RDK IX, 629, Abb. 1. Neuburg a. d. D., um 1538.
RDK IX, 629, Abb. 2. Klagenfurt, 2. H. 16. Jh.
RDK IX, 631, Abb. 3. Kamenz, 3. V. 16. Jh.

F. ist die Bezeichnung für bemaltes oder bedrucktes Papier, dessen Musterung Holzmasern (Fladern, Flasern) nachahmt. Das Bemalen geschieht, indem man mit Leim und Ochsengalle versetzte Farbe aufspritzt und auf dem schräg gehaltenen Papier ablaufen läßt. Der Druck von F. erfolgt vom Holzstock. Die Farbe ist meist rötlich- bis hellbraun, gelegentlich wird bei gedrucktem F. das Schwarz braun übermalt. Hersteller des F. waren in erster Linie Briefmaler und Formschneider.

Ob, je nach der vorgeblichen Holzart, F. unterschiedlich strukturiert wurden und ob die Wahl der Farbe damit zusammenhängt, ist nicht untersucht (bei gemalter Maserung ist die Unterscheidung der Holzarten bezeugt, vgl. den Kostenvoranschlag von 1548 für den Oberboden der „Saal- und Paradeisstuben“ in der Burg zu Innsbruck: Jb. Kaiserh. 11, 1892, S. CHI [Regest 6737]).

Eine dem F. ähnliche Struktur zeigt moirierten Stoff nachahmendes Papier des 2. V. 19. Jh. (vgl. Odile Nouvel, Papiers peints franç. 1800-1850, Paris 1981, S. 66f. Nr. und Abb. 201).

Zu Holzmaser = Flader, Flaser s. Grimm Bd. 3 Sp. 1708f. s. v. flader, fladerin und fladern (sicherlich nicht so eng auf Ahorn und Ahornholz einzugrenzen, wie dort angegeben ist), Sp. 1728 s. v. flaser, flaserig, flasern.

Gelegentlich ist das Wort „Flasern“ auch verwendet für auf Papier gemalte intarsiaartige Mauresken (Kdm. Kgr. Sachsen 30 S. 176, dazu Fig. 161).

In Schriftquellen des 16. Jh. stehen anstelle des Wortes F. meist Umschreibungen.

Das Erasm Loy von Kaiser Ferdinand I. (wann?) verliehene Privileg auf die Herstellung von F. ist durch Regensburger Ratsprotokolle von 1557 und 1571 bekannt; in diesen wird des Loy Tätigkeit so umschrieben, „daß er auf Papier drukte, das sich allerlei Fladerholz vergleichte“ (so Carl Theod. Gemeiner, Der Regensburgischen Chronik vierter und letzter Bd., Rgbg. 1824 [Ndr. Mchn. 1971], S. 23f. Anm. 19; die Protokolle selbst sind nicht erhalten). Im Jahr 1557 beschwerte sich Erasm Loy beim Rat der Stadt Augsburg „wegen des getruckten Papirs Allerlay Ösch vnnd fladerholz vergleichend“, da der Augsburger Formschneider Hans Rogel Loys durch das Privileg geschützte Blätter kopiert hatte (Spamer, Andachtsbild, S. 59 Anm. 4). Im selben Jahr 1557 erhielt in Sachsen der Hofmaler Andreas Bretschneider d. Ä. ein Privileg des Dresdner Rates zur Herstellung von F. (Gert Kossatz, Die K. der Intarsia, Dresden 1954, S. 20). Dem Privileg vom 21.4.1589 für den Hofmaler Heinrich Trorbach in Heidelberg läßt sich entnehmen, daß dessen Schwiegervater Johann Pesserer das „Fladern und gemasserte Papier“ zu drucken erfunden habe; in Hinblick darauf verlieh der Pfalzgraf dem Erben das Privileg auf den Druck von „masserwerck“ (Ernst Kirchner, Wochenbl. für Papierfabrikation 1898, S. 2875f.; [3] S. 63f.). Zur Augsburger Kistlerordnung von 1550 s. unten. - Nach ihrer Herstellung am Ort hießen in Zürich im 16. Jh. Tapeten aus F. „Zürcher Papier“ (Jürg E. Schneider und Jürg Hanser, Wandmal. im Alten Zürich, Zh. 1986, S. 25; vgl. Zürcher Dpfl., Stadt Zürich, Ber. 1985/ 1986, S. 119 Abb. f).

F. gibt es vom 16. Jh. bis ins beginnende 17. Jh.; Rezepte zur Herstellung von F. sind noch aus dem 19. Jh. bekannt [1]. Mit F. wurde vor allem billiges Nadelholz beklebt, mit dem Ziel, die Verwendung teurer gemaserter Hölzer (Furniere) vorzuspiegeln, insbesondere das Holz der in der Möbeltischlerei begehrten Ungarischen Esche (Fraxinus ornus; s. *Esche: RDK V 1467-1484). Bekannt ist aufgeklebtes F. an kirchlichen und profanen Möbeln, an Kästen, Briefladen und Schachteln.

Beispiele: Abb. 2f.; Schrank um 1570 im Kloster Isenhagen: Horst Appuhn, Kloster I., Lüneburg 1968, Abb. S. 82; vgl. auch [5] S. 208 Anm. 8. - Ausst.kat. „Briefladen ...“, Cappenberg 1971, Nr. 27: Brieflade um 1580 aus Stift Steterburg bei Salzgitter, mit schwarz gedrucktem, braun übermaltem F. – Spanschachtel um 1570/1580 im Germ. Nat.mus., Nürnberg: [3] S. 60 Abb. 47. -Gestühl der Zeit um 1561 (?) in der Stadtkirche von Kamenz (Kdm. Kgr. Sachsen 36, S. 52, Fig. 108). - Kanzel vom A. 17. Jh. in der Dorfkirche von Dedelow, mit gedrucktem F. in den Feldern des Korbes (Kdm. DDR, Bez. Neubrandenburg, Bln. 1982, S. 282). - Vgl. auch die allgemein gehaltene Bemerkung bei Hans Lutsch, Bilderwerk Schles. Kdm., Breslau 1903, Textbd. Sp. 299.

Ferner wurde F. verwendet zum Bekleben von Füllungen bei Wandvertäfelungen, von Unterzügen und Feldern bei Kassettendecken sowie von Türblättern.

Genannt seien: Kassettendecke um 1538 im großen Fletz des Ottheinrichsbaus in Schloß Neuburg a. d. D. (Abb. 1); Vertäfelung und Decke des Äbtissinnenzimmers im Kloster Wienhausen, um 1587 ([5] S. 205-207 Abb. 146-148; [6] S. 88 Abb. 60). Schweizer Beispiele von Kassettendecken des 3. V. 16. Jh. bei [2] S. 191 Abb. 7; Bürgerhaus Schweiz 30, Kt. Unterwalden S. LVI und LIX, Taf. 28; Zürcher Dpfl. a. a. O. (Sp. 631) S. 118f., Papiertapeten aus F. auf Bohlenwänden bei J. E. Schneider und J. Hanser a. a. O. (Sp. 631) S. 25f., Abb. 42-45. Ein Türblatt ist abgebildet bei [2] S. 194 Abb. 8. - Zu Sachsen s. G. Kossatz a. a. O. (Sp. 631); 1990 freigelegte Decke im ehem. Herrenhaus des Rittergutes „Neuhaus“ von 1553 in Frankenberg Ldkr. Hainichen (Freie Presse vom 21. März 1990).

Mancherorts war es den Tischlern (Kistlern) verboten, F. zu verwenden.

So verlangt die Augsburger Kistlerordnung vom 22.2.1550, „die geschaumeister (sollen) auf die Stück, darauff gemalt papier gleimt, vleißig acht haben und sy ain Stück finden, darauf dergleichen papier gleimt ist und für holtz verkauft würde, sollen sy dasselbige gar hinwech schaffen“ (Torsten Gebhard, Die volkstüml. Möbelmal. in Altbayern ..., Bayer. Heimatschutz 32, 1936, bes. S. 19; frdl. Hinweis H. Appuhn, Lüneburg).

Die Zweckbestimmung des um 1760 hergestellten „F.“ in Schwarz, Altrosa und Mattlila [3, S. 62 Abb. 49] ist nicht bekannt; vielleicht sollte es als Vorsatz- oder als Einschlagpapier für Bücher dienen (was man auch von jenem F. annehmen möchte, dessen Herstellung K. Karmarsch 1840 beschrieb [1]).

Zu den Abbildungen

1. Neuburg a. d. D., Schloß, Ottheinrichsbau, großes Fletz im 1. Obergeschoß, Kassettendecke mit Profilleisten aus dunkel getöntem Holz und Füllungen aus Fichtenholz, mit F. beklebt. Um 1538. Foto Bayer. LA für Dpfl., Mchn.

2. Klagenfurt, Diöz.mus., Altarretabel, Predella, Detail (Gesamtabb. des Retabels: Jb. des Zentralinst. für Kg. 3, 1987, S. 253). Gedrucktes F., gerahmt von mit Mauresken bedrucktem Papier. Fladerpapier 8,6 × 40,2 cm. 2.H. 16. Jh. Foto Franz Glaser, Klagenfurt.

3. Kamenz, ehem. Franziskanerkirche, Zweisitz aus der Stadtkirche, Dorsale. 3. V. 16. Jh. Foto Hartmut Ritschel, Lpz.

Literatur

1. Karl Karmarsch, Papierfabrikation, in: Joh. Jos. Prechtl (Hg.), Technolog. Enc. ..., Bd. 10, Stg. 1840, bes. S. 638. - 2. Max Lehrs, Die dekorative Verwendung von Holzschnitten im XV. und XVI. Jh., Jb. preuß. K.slgn. 29, 1908, S. 183-194. - 3. Alb. Haemmerle, Buntpapier, Mchn. 1961, S. 60-64. - 4. Ders., Die Buntpapiere, in: Heinr. Olligs (Hg.), Tapeten. Ihre Gesch. bis zur Gegenwart, Bd. 1, Braunschweig 1970, S. 145-195, bes. S. 154-156. - 5. Jos. Leiß, Die Gesch. der Papiertapete vom 16.-20. Jh., in: H. Olligs a. a. O. [4] S. 197-211. - 6. Horst Appuhn, Papiertapeten, Riesenholzschnitte und ihre Verwendung im 16. Jh., in: ders. und Chrn. von Heusinger, Riesenholzschnitte und Papiertapeten der Renss., Unterschneidheim 1976, S. 87-103.

Verweise