Exsultetrolle

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englisch: Exultet roll; französisch: Rouleau d'Exultet; italienisch: Exultet.


Hanno-Walter Kruft (1971)

RDK VI, 719–740


RDK VI, 721, Abb. 1. Rom, zwischen 981 und 987.
RDK VI, 725, Abb. 2. Bari, um 1000.
RDK VI, 725, Abb. 3. Bari, Ende 11. Jh.
RDK VI, 727, Abb. 4. Troia, 11. Jh.
RDK VI, 729, Abb. 5. Joh. Hauß, 1774.
RDK VI, 733, Abb. 6 a und b. Rom, 12. Jh.
RDK VI, 735, Abb. 7. Salerno, 13. Jh.
RDK VI, 737, Abb. 8. Pisa, Ende 13. Jh.

E. = Exsultet; E.R. = Exsultetrolle.

I. Begriff

E.R. sind in der Regel illustrierte Schriftrollen, die den liturgischen Text der Lob- und Opferpräfation zur Verherrlichung und Darbringung der brennenden Osterkerze in der Feier der Osternacht enthalten; hymnologisch bezeichnet das E. das „praeconium paschale“, das mit dem Wort „Exsultet“ einsetzt.

Die Pergamentrollen besitzen eine Breite von 13 bis 45 cm, meist etwa 30 cm. Die durchschnittliche Länge ist wegen Zerschneidung und Fragmentierung der meisten Rollen nicht anzugeben; die längste, heute in zwölf Stücke zerschnittene E.R. Pisa II mißt 8,95 m. Die Rollen enthalten oder enthielten außer dem E.-Text mit den zugehörigen Neumen Initialen, Illustrationen und zum Teil Rahmenleisten, in die in einigen Fällen Medaillons mit Heiligenbüsten (z. T. mit griechisch beigeschriebenen Namen, so Bari I: [9] Taf. 6ff.) eingefügt sind. Text und Miniaturen sind im rechten Winkel zu den Rändern in Längsrichtung der Buchrolle angeordnet.

II.

A. Liturgie und Text

Die feierliche Weihe der Osterkerze (benedictio cerei), der die Weihe des Taufwassers (benedictio fontis) folgt, ist seit dem ausgehenden 4. Jh. nachgewiesen (Balthasar Fischer, Art. „Osterkerze“, in: Buchberger Bd. 73, Sp. 1276f.). Die Lichtdanksagung geht auf den antiken Brauch des abendlichen Lichteranzündens zurück (χαῖρε ἱερὸν ϕῶς; vgl. [5], S. 66).

Die ältesten Weiheformulare stammen aus dem späten 4. Jh. [2, S. 241ff.]. In vielen der gebräuchlichen Texte findet sich ein ausführliches „Lob des Wachses“ mit einem darin enthaltenen „Lob der Biene“ (in Anlehnung an Vergil, Georgica IV, 149ff.).

Gegenüber den zahlreichen anderen Weiheformularen setzte sich schließlich das E. durch. Es wurde nach Ambrosius, der als Verfasser nicht in Betracht kommt [3, S. 61ff.], vermutlich in Oberitalien, kompiliert (ältester Textbeleg um 700: Missale Gothicum, Cod. Vat. Regin. Lat. 317, ed. L.C. Mohlberg, Rom 1961, Nr. 225). Das E. ist aus Elementen verschiedener Provenienz zusammengesetzt; u. a. wurden Ambrosius und Vergil benutzt [3, S. 61ff.], für das „Lob der Osternacht“ konnte neuerdings auf griechische Vorformen hingewiesen werden, auf Asterios Sophistes’ Sammlung von Psalmenhomilien für die Osternacht, 1.H. 4. Jh. (M. Richard, Asterii Sophistae commentariorum in psalmos quae supersunt [= Symbolae Osloenses, Fasc. Suppl. XVI], Oslo 1956; [5] S. 67ff.). Neben inhaltlichen Parallelen korrespondiert vor allem der wiederholte Anruf ὦ νύξ mit dem „o ... nox“ des E. Über die griechische Patristik ist auch ein mittelbarer Einfluß der spätjüdischen Pascha-Liturgie (Passah-Haggada) auf das E. anzunehmen [5, S. 86].

Neben der Normalform des E., der sog. „Vulgata“-Version (fortan: Vg.-Version), die um das „Lob der Biene“ gekürzt im heutigen Missale Romanum enthalten ist, gab es eine auf Süditalien beschränkte Sonderform, die nach Bannister [1, S. 44ff.] als „Vetus Itala“-Version (fortan: Vet. It.-Version) bezeichnet wird. Sie war dort im 10. Jh. die vorherrschende Form des E., wurde im 11. Jh. stellenweise durch die Vg.-Version ersetzt und später verdrängt, war aber noch 1431 in Salerno in Benutzung [1, S. 53].

B. Verbreitung und Gebrauch

E.R. gab es nur in Süd- und Mittelitalien; die erhaltenen 28 Beisp. gehören dem 10. bis 13. Jh. an. Von ihnen sind nur zwei nicht illustriert (Avezzano, Curia Vescovile; Bari, Kathedralarchiv [= Bari III]). Das Aufkommen ist bisher noch ungeklärt. Der Gebrauch von Schriftrollen mit liturgischen Texten ist für Süditalien auch sonst belegt (vgl. das Pontifikale in Rom, Bibl. Casanat., ms. 724 B I 13, und die „benedictiones fontis“: ebendort und Bari, Kathedralarchiv), wahrscheinlich aber durch das Vorbild von E.R. angeregt. Die im Osten häufiger vorkommenden liturgischen Schriftrollen besitzen gewöhnlich nur am Anfang eine Illustration (vgl. die allerdings erst dem 13. und 15. Jh. angehörigen Rollen mit den Liturgien des hl. Basilius und des hl. Chrysostomus im Johanneskloster von Patmos: Joannes Sakkelion, Πατμιακὴ Βιβλιοϑήκη, Athen 1890, Nr. 707 und 720).

Die Verwendung der E.R. erfolgte in der Weise, daß der Diakon, der vom Ambo aus (neben dem die Osterkerze stand) das E. intonierte, die Rolle allmählich über das Lesepult gleiten ließ (vgl. Abb. 5); so wurde die Rolle nach und nach für die vor dem Ambo Stehenden sichtbar. Da auf den älteren Rollen Text und Illustrationen in gleicher Richtung angeordnet waren (s. Abb. 4), sah man die Miniaturen auf dem herabgelassenen Teil der E.R. auf dem Kopf stehend. Seit dem 11. Jahrhundert wurde es üblich, die Illustrationen zum Text in Gegenrichtung anzuordnen, so daß man die Miniaturen „richtig“ sehen konnte (vgl. Abb. 2 und 3; Miniaturen in Initialen können in gleicher Richtung wie der Text stehen, in den späteren E.R. also in Gegenrichtung zu den übrigen Miniaturen; so findet z. B. die Gegeneinanderstellung des thronenden Christus in der Initiale V zum Durchzug durch das Rote Meer in der heute textlosen E.R. von Salerno ihre Erklärung: Abb. 7). Bisweilen wurden ältere E.R. dieser Neuerung gemäß verändert: z. B. erhielt die E.R. cod. lat. 9820 der Vaticana, die zunächst Vet. It.-Text und Miniaturen in gleicher Richtung aufwies, bei Umstellung auf die römische Liturgie den Text der Vg.-Version; dieser wurde jedoch nach der Rasur des alten Textes in Gegenrichtung zu den Miniaturen notiert, dabei deren Ordnung gestört [9, Taf. 135– 46]. Auch andere E.R. sind in der heutigen Form Palimpseste. Die Umstellung ihrer E.-Texte auf die Vg.-Version hat nicht immer zu Veränderungen der Illustrationen geführt: diese wurden mitunter beibehalten, manchmal jedoch in ihrer Abfolge verändert.

C. Wort und Bild

Die Illustrierung der E.R. ist ursprünglich reine Wortillustration, wie gerade die ältesten Exemplare zeigen (vor allem Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820); daher haben die Verschiedenheiten der Textversionen Unterschiede in der Illustrierung zur Folge. So geht aus dem Vorhandensein einiger Darstellungen (z. B. des Durchzugs durch das Rote Meer) auf der heute textlosen E.R. von Salerno (Abb. 7) eindeutig hervor, daß sie den Text der Vg.-Version enthielt. Da beide E.-Versionen bisher in der kunstwissenschaftlichen Literatur nicht zu finden sind – sie stehen in nicht leicht greifbaren theologischen Zeitschriften – und die Bildfolge auf E.R. ohne Kenntnis der Textbezüge unerklärbar bleibt, werden im Folgenden die E.-Texte in paralleler Anordnung geboten. Die Textstellen, die zum Anlaß für Illustrationen genommen wurden, sind kursiv gedruckt.

„Vetus Itala“-Version (nach [1], S. 48ff.). „Vulgata“-Version (nach [3], S. 61ff.).
Exultet iam angelica turba caelorum, exultent divina mysteria, et pro tanti regis victoria tuba intonet salutaris. Gaudeat se tantis tellus inradiata fulgoribus et aeterni regni (Vg. regis) splendore lustrata, totius orbis se sentiat amisisse caliginem. Laetetur et mater ecclesia, tanti luminis adornata fulgore et magnis populorum vocibus haec aula resultet. Quapropter, adstantibus vobis, fratres carissimi, ad tam miram (Vg.: sancti) huius luminis claritatem, una mecum quaeso dei omnipotentis misericordiam invocate, ut qui me non meis meritis infra levitarum numerum dignatus est aggregare, luminis sui gratiam infundente (Vet. It.: infundens), cerei huius laudem implere praecipiat, ...
Vere quia dignum et iustum est per Christum dominum nostrum, qui nos ad noctem istam, non tenebrarum sed luminis matrem, perducere dignatus est, in qua exorta est ab inferis in eterna die resurrectio mortuorum. Solutis quippe nexibus et calcato mortis eculeo resurrexit a mortuis qui fuerat inter mortuos liber. Unde et nox ipsa sydereo pro ecclesiarum ornatu cereorum splendore tamquam dies illuminata collucet, quia in eius matutino, resurgente Christo, mors occidit redemptorum et emersit vita credentium.

Vere tu pretiosus es opifex, formator es omnium, cui qualitas in agendi non fuit officio sed in sermonis imperio. Qui ornatum atque habitum mundi nec adampliandum quasi inops potentie, nec additandum quasi egenus gloriae condidisti. Totus ac plenus in te es, qui dum per virginea viscera mundo illaberis, virginitatem etiam creature commendas.

Vere quia dignum et iustum est, ut invisibilem deum omnipotentem patrem filiumque unigenitum dominum nostrum Iesum Christum toto cordis ac mentis adfectu et vocis ministerio personare. Qui pro nobis aeterno patri Adae debitum solvit et veteris piaculi cautionem pio cruore detersit. Haec sunt enim festa paschalium, in quibus verus ille agnus occiditur eiusque sanguis postibus consecratur. In qua primum patres nostros filios Israhel educens de Aegypto rubrum mare sicco vestigio transire fecisti. Haec igitur nox est, quae peccatorum tenebras columnae inluminatione purgavit. Haec nox est, quae hodie per Universum mundum in Christo credentes a vitiis saeculi segregatos et caligine peccatorum reddit gratiae, sociat sanctitati. Haec nox est, in qua destructis vinculis mortis Christus ab inferis victor ascendit. Nihil enim nobis nasci profuit, nisi redimi profuisset. O mira circa nos tuae pietatis dignatio. O inaestimabilis dilectio caritatis, ut servum redimeres, filium tradidisti. O certe necessarium Adae peccatum, quod Christi morte deletum est. O felix culpa, quae talem ac tantum meruit habere redemptorem. O beata nox, quae sola meruit scire tempus et horam, in qua Christus ab inferis resurrexit. Haec nox est, de qua scriptum est et ‚nox ut dies inluminabitur‘ et ‚nox inluminatio mea in deliciis meis‘. Huius igitur sanctificatio noctis fugat scelera, culpas lavat et reddit innocentiam lapsis, maestis laetitiam. Fugat odia, concordiam parat et curvat imperia. In huius igitur noctis gratia suscipe, sancte pater, incensi huius sacrificium vespertinum, quod tibi in hac cerei oblatione sollemni per ministrorum manus de operibus apum sacrosancta reddit ecclesia. Sed iam columnae huius praeconia novimus, quam in honore dei rutilans ignis accendit. Qui licet divisus in partes mutuati luminis detrimenta non novit.
Apes siquidem dum ore concipiunt, ore parturiunt, casto corpore, non fedo desiderio copulantur. Denique virginitatem servantes, posteritatem generant, sobole gaudent, matres dicuntur, intacte perdurant, filios generant et viros non norunt. Flore utuntur coniuge, flore funguntur genere, flore domos instruunt, flore divitias conveunt, flore ceram conficiunt. O ammirandus apium fervor! ad commune opus pacifica turba concurrunt et operantibus plurimis una augetur substantia. O invisibile artificium! primo culmina pro fundamentis edificant et tam ponderosam mellis sarcinam pendentibus domiciliis imponere non verentur. O virginitatis insignia! que non possessori damna sed sibi lucra convectant; auferunt quidem predam et cum preda minime tollunt peccatum. Spoliant quidem florum cutem et morsuum non annotant cicatricem.

Sed inter hec que dinumeravimus, huius cerei gratiam predicemus. Cuius odor suavis est et flamma ylaris; non tetro odore arvina desudat sed iocundissima suavitate. Qui peregrinis non inficitur pigmentis sed illuminatur spiritu sancto; qui ut accensus proprias corporis compages depascit, ita coagulatas lacrimas in rivulos fundit gutturarum. Quique semiusta membra ambroseo sanguine flavea vena distollit, abitum bibit ignis humorem. In huius autem cerei luminis corpore, te omnipotens postulamus, ut superne benedictionis munus accomodes, ut si quis hinc sumpserit adversus flabra ventorum, adversus spiritus procellarum, sit ei, domine, singulare perfugium, sit murus ab hoste fidelibus.

Alitur liquantibus ceris, quam in substantiam pretiosae huius lampadis apis mater eduxit. Apis ceteris, quae subiecta sunt homini, animantibus antecellit. Cum sit minima corporis parvitate ingentes animos angusto versat in pectore viribus imbecilla, sed fortis ingenio. Haec explorata temporum vice cum canitiem pruinosa hiberna posuerint et glaciale senium verni temporis moderata deterserint statini prodeundi ad laborem cura succedit. Dispersaeque per agros libratis paululum pinnibus cruribus suspensis insidunt (prati) ore legere flosculos. Oneratis victualibus suis ad castra remeant. Ibique aliae inaestimabili arte cellulas tenaci glutino instruunt, aliae liquantia mella stipant, aliae vertunt flores in ceram, aliae ore natos fingunt, aliae collectis e foliis nectar includunt. O vere beata et mirabilis apis, cuius nec sexum masculi violant, foetus non quassant nec filii destruunt castitatem. Sicut sancta concepit virgo Maria, virgo peperit et virgo permansit.

O vere beata nox, quae expoliavit Aegyptios, ditavit Hebraeos. Nox in qua terrenis caelestia iunguntur. Oramus te, domine, ut cereus iste in honore nominis tui consecratus ad noctis huius caliginem destruendam indeficiens perseveret. In odorem suavitatis acceptus supernis luminaribus misceatur. Flammas eius lucifer matutinus inveniat. Ille inquam lucifer, qui nescit occasum, ille qui regressus ab inferis humano generi serenus inluxit.

,Salvum fac populum tuum domine et benedic hereditatem tuam‘ ut redeuntes ad festivitatem pasche, per hec visibilia invisibilibus tuis inhiantes, dum presentium usufruuntur, futurorum desiderio accendantur.

Una cum beatissimo papa nostro ill. et antistite nostro ill. sed et omnibus presbiteris, diaconibus, subdiaconibus cunctoque clero vel plebe memorare domine famulorum tuorum imperatorum nostrorum ill. et ill. et cunctum exercitum eorum. Qui vivis cum patre et spirito sancto et regnas unus deus, in secula seculorum. Amen.

Precamur ergo te, domine, ut nos famulos tuos, omnem clerum et devotissimum populum (una cum patre nostro beatissimo viro illo) quiete temporum concessa in his paschalibus conservare digneris.

III. Illustration

A. Allgemein

Der Illustrationszyklus der E.R. entstand in Anlehnung an den E.-Text und setzt sich zusammen aus Schilderungen liturgischer Vorgänge (Weihe der Osterkerze, Verwendung der E.R.), biblischen Szenen, Personifikationen und weiteren, keiner der ikonographisch geläufigen Themengruppen zuzurechnenden Wortillustrationen. Die Anordnung der Szenen ist elastisch: solche, die sich nicht auf den Wortlaut des Textes beziehen (die meisten der ntl. Szenen), können in der Illustrationsfolge an verschiedener Stelle erscheinen. Der Umfang der Bebilderung wechselt. Keine der Szenen ist auf allen erhaltenen E.R. nachzuweisen; am häufigsten kommt die „laus apis“ vor, alle anderen Szenen sind – im besten Falle – nur in knapp der Hälfte der E.R. anzutreffen (in der Reihenfolge der Häufigkeit: Commemorano-Szenen, Kreuzigung Christi, „fratres carissimi“, „ecclesia“, „regis victoria“, „angelica turba“, „tellus“; alle übrigen weniger als zehnmal).

Den Illustrationen einer der E.R. – Bibl. Vat., cod. Barb. lat. 592, ausgehendes 11. Jh. – wurden später, wohl im 13. Jh., bilderläuternde Tituli beigefügt (vgl. Ignazio Baldelli, Le „ystorie“ dell’„Exultet“ Barberiniano, Studi di filologia ital. 17, 1959, 97– 125, bes. S. 120– 25).

Einige E.R. besitzen am Anfang – vor dem Text und ohne Bezug auf diesen – einen Vorspann von ntl., insbesondere Passionsszenen (Bari II, Pisa II, Troia III); dieser hing wahrscheinlich bereits vom Ambo herab, wenn der Diakon das E. anstimmte. Eine verbindliche Szenenauswahl bestand hierfür nicht. Am ausführlichsten ist der vorangestellte Zyklus mit den zehn Szenen aus dem Leben Jesu in Pisa II (zur Frage der ursprünglichen Anordnung vgl. [17]). Die in zahlreichen E.R. enthaltene Verbindung der Initialen V und D (Vere quia dignum ...) geht auf das gleiche Monogramm in der Messpräfation von Hss. der Sakramentarien zurück (vgl. Adalbert Ebner, Quellen und Forschgn. zur Gesch. und Kg. des Missale Romanum im MA. Iter Italicum, Freiburg 1896 [Nachdruck: Graz 1957], S. 430ff., bes. S. 432 Anm. 1). Nach den erhaltenen E.R. ist es unwahrscheinlich, daß ihre Bildfolgen auf einen einzigen Archetypus zurückgehen. Zwar lassen sich Gruppen von E.R. bilden, die sowohl in der Abfolge wie in der Ikonographie der Einzelszenen übereinstimmen, doch weisen gerade diese Gruppenzusammenhänge darauf hin, daß von vornherein mehrere, weitgehend selbständige Illustrationszyklen des E. bestanden. Unter den E.R. zeichnen sich in ikonographischer Hinsicht zwei Gruppen besonders deutlich ab (feinere Gruppierungen können hier nicht vorgenommen werden; eine umfassende Untersuchung der E.R. unter dem Gesichtspunkt ihrer gegenseitigen Abhängigkeit steht noch aus). Die erste Gruppe besteht aus: Rom, Bibl.Vat., cod. lat. 9820; Mirabella Eclano I; Rom, Bibl. Casanat. 724 B I 13; Salerno, Bibl. Capitolare (alle bei [9], Taf. 135ff., 56ff., 118ff., 153ff.). Es könnte detailliert nachgewiesen werden, daß der Zusammenhang zwischen der vatikanischen E.R. und der in Salerno (Vg.-Version) enger ist als mit den beiden übrigen (vgl. z. B. die Übereinstimmung des Kirchengebäudes bei der „Entzündung der Osterkerze“: [9] Taf. 138 und 156, ferner bei der Darstellung der „Tellus“: [9] Taf. 139 und 156). Auf der E.R. in Salerno stimmt die Szenenfolge in dem für die Vg.-Version charakteristischen Teil des E. – bei dem man nicht an den Typus der vatikanischen E.R. anschließen konnte – mit derjenigen auf der E.R. in der Bibl. Casanat. (Vg.-Version) überein; einzelne ikonographische Abweichungen in den Darstellungen machen aber ein direktes Abhängigkeitsverhältnis unwahrscheinlich. Die zweite Gruppe bilden die E.R. des Barberini-Fonds im Vatikan und im Brit. Mus. [9, Taf. 148ff., 43ff.], deren Abhängigkeitsverhältnis umstritten ist.

B. einezelne Themengruppen

Die Illustrationen der E.R. gehören zu verschiedenen Themen kreisen:

1. liturgische Zeremonien

Schilderungen liturgischer Zeremonien. Auf drei E.R. beginnt die Illustration mit der Übergabe der E.R. durch den Bischof an den Diakon: Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820 [9, Taf. 135], und Bibl. Casanat. (Abb. 6 a) sowie Salerno [9, Taf. 154]. Bei diesen E.R. folgt das „Agnus Dei“, das von den Evangelistensymbolen flankierte Gotteslamm, das sonst nur noch in Mirabella Eclano II vorkommt [9, Taf. 60].

Die Entzündung der Osterkerze ist auf denselben drei Rollen an genau entsprechender, auf weiteren sieben E.R. an ähnlicher Stelle wiedergegeben (Abb. 5), nie vor den Worten „tuba intonet salutaris“; das spricht dafür, daß in Süditalien erst nach diesen die Osterkerze entzündet wurde. Ein bis 1805 im Benediktinerkloster St. Blasien aufbewahrtes, nur durch einen Kupferstich überliefertes Fragment zeigt außer der Entzündung der Osterkerze (wie London, Brit. Mus., Add. Ms. 30 337) Christus zwischen zwei Engeln (Abb. 5). Da die Szenen des Fragments in der unvollständigen E.R. der Vaticana fehlen, aber beide Bruchstücke mit der genannten Londoner E.R. übereinstimmen, konnte das St. Blasien-Fragment als Anfang der vatikanischen E.R. bestimmt werden [9]. – Nur in den E.R. der Vg.-Version erscheint zum Text „Oramus te, domine, ut cereus iste ... consecratus“ nochmals die Darstellung der geweihten Osterkerze (mit Diakon und „fratres“).

E.R. beider Textversionen schließen mit Darstellungen der Fürbitte für Papst, Klerus, Kaiser und Heer, wobei mehrfach zeitgenössische „Porträts“ vorkommen, die – wie auch die gelegentlich anzutreffenden Dedikationsbilder (z. B. [9], Taf. 146) – für Datierung und Lokalisierung wichtig sind [10, S. 181ff.]. Auf den Commemoratio-Szenen kann zu den Personen, für die gebetet wird, das Bild des fürbittenden Diakons hinzutreten (Abb. 4).

2. biblische Szenen, Personifikationen und Wortillustrationen

Biblische Szenen sind zahlreich, obwohl unmittelbare Textbezüge nur für wenige von ihnen gegeben sind: in der Vet. It.-Version durch die Textstellen „regis victoria“ und „resurrectio mortuorum“, in der Vg.-Version entsprechend „regis victoria“ und „Christus ab inferis victor ascendit“ / „Christus ab inferis resurrexit“ sowie außerdem noch die Beschreibung des Auszugs der Kinder Israels aus Ägypten „in der Osternacht“ und des Durchzugs durch das Rote Meer und „Adae peccatum“.

„Adae peccatum“ wird in sechs E.R. durch den Sündenfall der Stammeltern dargestellt; es können unterschiedliche Phasen des Ereignisses geschildert werden, doch selbst bei Wiedergabe desselben Augenblickes ist die Ikonographie uneinheitlich. Ein Teil der E.R. steht ikonographisch den Mosaiken in Monreale nahe – die Verbindung ist enger als zu den Mosaiken der Capp. Palatina in Palermo – und vertritt somit die gleiche Mischung westlicher und östlicher Bildtradition wie diese (vgl. Ernst Kitzinger, The Mosaics of Monreale, Palermo 1960, S. 60ff.). Ausnahmsweise ist auf der E.R. Troia III [9, Taf. 177, 179] der Sündenfall in zwei getrennten Szenen geschildert, die ikonographisch in der gleichen Tradition wie Monreale stehen (Otto Demus, The Mosaics of Norman Sicily, London 1949, Taf. 97 A und B). Nur in der E.R. Pisa II ist die Schöpfungsszene mit dem auf einer Sphaira thronenden Gottvater hinzugefügt, ein rein westliches Bildmotiv ([9] Taf. 92; vgl. Monreale: Demus a.a.O. Taf. 95 A).

„Rubrum mare sicco vestigio transire“ wird auf neun E.R. mit dem Durchzug durch das Rote Meer illustriert, doch nur dreimal ist auf diesen auch die Feuersäule gezeigt, von der es im E. heißt: „tenebras inluminatione columnae purgavit“ (Rom, Bibl. Casanat.: [9] Taf. 126, und Salerno: Abb. 7; davon abweichend Pisa III: Abb. 8). Ikonographisch weichen die Darstellungen des Durchzuges durch das Rote Meer so sehr voneinander ab, daß eine gemeinsame Vorlage nicht angenommen werden kann (vgl. [14], S. 208f.). Die Darstellung der personifizierten Nacht in Salerno (Abb. 7) weist deutlich auf östliche Vorlagen hin (vgl. Oktateuch des Serail, Istanbul, cod. 8, 12. Jh.: David Talbot Rice, K. aus Byzanz, Mchn. 1959, Taf. XXI).

Dem Durchzug durch das Rote Meer vorangehende Szenen – die Schlachtung des Passahlammes und das Bestreichen der Türpfosten – zeigt nur die E.R. Pisa III [9, Taf. 102].

„Regis victoria“ wird bei den meisten E.R. durch die Darstellung der Höllenfahrt Christi unter Benutzung byzantinischer Vorlagen illustriert; vgl. Ottavio Morisani, L’iconografia della discesa al limbo nella pittura dell’area di Montecassino, Siculorum Gymnasium, N. Ser. 14, 1961, 84– 97.

„Resurrectio mortuorum“ ist mit einer verwandten Darstellung verbunden: Christus zieht Adam an der Hand aus der Vorhölle (Abb. 2; Höllenfahrt Christi). Auf der E.R. Troia III [9, Taf. 180] wird „Christus ab inferis resurrexit“ durch die Auferstehung Christi wiedergegeben.

Der auf wenigen E.R. der E.-Illustration vorausgesetzte Bildvorspann (s. o. Sp. 728) besteht ausschließlich aus ntl. Szenen. Die Auswahl der Darstellungen wechselt, ebenso der Umfang jener Szenengruppen, wobei – nach den erhaltenen Beispielen zu urteilen – zwischen Alter der E.R. und Anzahl der Szenen keine Relation herzustellen ist. Während auf der fragmentierten E.R. Bari II vom Ende des 11. Jh. jetzt nur noch drei – ausnahmslos byzantinischen Vorlagen folgende – Szenen vorkommen (Abb. 3: Taufe Christi, Verklärung Christi, Pfingsten; vgl. Gabriel Millet, Recherches sur l’iconographie de l’Évangile, Nachdruck Paris 1960), umfaßt der Vorspann auf der E.R. Pisa II, 11. Jh., deren zwölf, auf der E.R. Troia III, 12. Jh., hingegen sechs. Allenfalls ist festzustellen, daß E.R. mit der Vg.-Version des Textes den reicher bebilderten Vorspann besitzen. Dazu paßt es, daß nur in E.R. dieser Textversion ntl. Szenen in den Zyklus der E.-Illustration eingefügt sind, ohne irgendwie auf den Text bezogen zu sein.

Es kann als wahrscheinlich gelten, daß alle ntl. Szenen der E.R. – vgl. deren Liste bei [16], S. 134 – untereinander verwandten Vorlagen folgen, die eine einheitliche Bildtradition repräsentieren (a). Etwa die Hälfte aller Rollen weist, öfters der Darstellung des Limbus vorangehend, die Kreuzigung auf (b).

a) Aufschlußreich für die Art der benutzten Vorlagen ist vor allem der Vorspann der E.R. Pisa II [9, Taf. 82– 87]. Die ikonographische Verwandtschaft zu Hss. vom Typ Paris, Bibl. Nat. mss. gr. 74 und 510 – den auch die Mosaiken der Capp. Palatina in Palermo und des Domes von Monreale (Demus a.a.O.) repräsentieren – zeigt, daß im Kreise solcher Buchmalereien die Vorlagen zu suchen sind. So liegt es z. B. für die „Samariterin am Brunnen“ [9, Taf. 84] näher, auf Monreale (Demus a.a.O. Taf. 67 A) sowie Pariser mss. grecs hinzuweisen (ms. gr. 74, fol. 173: Henri Omont, Évangiles avec peintures byzantines du XIe s. [gr. 74], Paris o. J., Taf. 150; ms. gr. 510, fol. 215 v: ders., Min. de plus anciens mss. grecs de la Bibl. Nat. du VIe au XIVe s., Paris 1929, Taf. 39) als auf Montecassino ms. 132, fol. 287 [17, Taf. 31 a]. Jedenfalls ist mit byzantinischen Vorlagen zu rechnen, wenn auch nicht zu entscheiden ist, welchen Text diese illustrierten.

Gleichartige Vorlagen benutzte der Maler der E.R. Troia III [9, Taf. 171f.]: die axiale Anordnung der „Erscheinung Christi vor den Jüngern“ und der Darstellung des „Ungläubigen Thomas“ entspricht, auch in der Wiedergabe des Türrahmens, dem Mosaik von Monreale (Demus a.a.O. Taf. 72) und dem Tetraevangeliar Paris, Bibl. Nat. ms. gr. 74, fol. 210, 210 v (ed. Omont a.a.O. Taf. 183, 184). – Die „Gefangennahme Christi“ auf der E.R. der Bibl. Nat. Paris [9, Taf. 76] folgt ebenfalls einer Vorlage vom Typ des ms. gr. 74 (vgl. Omont a.a.O. Taf. 46, 84,136, 172); im Aufbau der Szene steht die Darstellung im Tetraevangeliar von Parma besonders nahe (fol. 90: Millet a.a.O. Abb. 341).

b) Die Kreuzigung Christi ist meist ohne direkten Textbezug – und daher an unterschiedlichen Stellen – dargestellt. Am häufigsten ist die Wiedergabe des Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes. Dem Kruzifixus sind meist Sol und Luna beigegeben; in einigen Darstellungen treten an ihre Stelle zwei Engel (Paris, Velletri, Salerno: [9] Taf. 73, 187, 160). Auf zwei E.R. ist die Kreuzigung in eine Initiale eingefügt (Gaeta II, Troia I: [9] Taf. 34, 165 [monogrammierte Initiale VD, s. *Praefationszeichen]). – Auf der E.R. der John Rylands Libr. in Manchester, 10./11. Jh., sind neben Christus Stephaton und Longinus wiedergegeben [9, Taf 53], dazu auf der Rolle Pisa I Maria (?) und Johannes [9, Taf. 81]. – Auf den E.R. in Paris und London treten zu Maria die heiligen Frauen und zu Johannes Soldaten hinzu [9, Taf. 73, 47]. – Eine Sonderstellung innerhalb der E.R. nimmt die Kreuzigung auf der Rolle Troia III ein, bei der als Illustration zu „filium tradidisti“ die von einem Engel vertriebene Synagoge und die von einem Engel gestützte Ecclesia dargestellt sind [9, Taf. 179]. Die Herkunft des Motivs aus Byzanz läßt sich mit der Kreuzigung in Paris, Bibl. Nat., ms. gr. 74, fol. 59 (ed. Omont a.a.O. Taf. 51), nachweisen.

3. Personifikationen sind Wortillustrationen, die sich z. B. auf die Erwähnung von „tellus“ (Erde), „caligo“ (Finsternis) und „ecclesia“ (Kirche) beziehen.

„Tellus“ erscheint in mehreren Rollen, entsprechend dem Text, unterhalb des thronenden Gottvaters und ist am Fuße des Thrones durch einen Halbkreis, aus dem eine Hand ein Strahlenbündel entsendet, mit dieser Szene zusammengefaßt: „tellus inradiata ... aeterni regis splendore lustrata ...“ (vgl. Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820: [9] Taf. 139; Rom, Bibl. Casanat., ms. 724 B I 13: [9] Taf. 122). Die Tellus-Personifikationen folgen verschiedenen Typen (vgl. Erde, RDK V Sp. 1053f. und Sp. 1034 Abb. 14).

„Caligo“ erscheint in den E.R. cod. lat. 9820 der Bibl. Vat. und von Salerno [9, Taf. 139, 156] rechts neben der Tellus als kleine Sitzfigur, in Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 3784 [9, Taf. 131], als wenig bekleidete männliche (!) Figur mit einer Mondsichel auf dem Haupt; ungewöhnlich wie dieser Bildtypus der „caligo“ ist seine Darstellung in einer Mandorla, die unterhalb einer runden Gloriole mit der Halbfigur Gottvaters angeordnet und gemeinsam mit ihr von einem Kreis umfangen ist.

„Ecclesia“ kommt in verschiedenen Typen vor; als Mann (z. B. in Salerno: [9] Taf. 158) oder Frau mit ausgebreiteten Armen, die auf einem Kirchengebäude thronen (Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820 [Abb. 1], und Velletri: [9] Taf. 188f.); als stehende Frau (Rom, Bibl. Casanat.: [9] Taf. 123; stehend unter dem mittleren Bogen eines Dreiarkadengebäudes: Montecassino II; Rom, Bibl. Vat., cod. Barb. lat. 592; London, B.M., Add. Ms. 30337; [9] Taf. 64, 149, 45). Der thronenden oder im Freien stehenden Kirche sind stets Leuchter mit brennenden Kerzen zugeordnet (typengleich ein Fresko in der S-Halle des Brontocheion in Mistra, um 1300). – In der Gegenüberstellung zu Christus ist Ekklesia in Gaeta III wiedergegeben ([9] Taf. 41; zur Deutung vgl. Theodor Klauser, Eine rätselhafte Exultetrolle aus Gaeta, in: „Corolla“. Ludwig Curtius zum sechzigsten Geburtstag dargebracht, Stg. 1937, S. 168– 76).

In einigen Fällen wird Ekklesia nicht personifiziert, sondern nur durch die Außenansicht eines Kirchengebäudes vorgestellt (Pisa III: [9] Taf. 100); auf den E.R. cod. lat. 3784 der Vaticana, Gaeta I und Bari II stehen im Gebäude „ecclesia“ hinter einem Dreiarkadenmotiv (in Bari II: ein Zweiarkadenmotiv) Klerus und Gemeinde ([9] Taf. 132, 18, 30), in Pisa II Heilige [9, Taf. 90]. Diese Szenen sind Architekturdarstellungen in byzantinischen Hss. eng verwandt, vgl. die Vatikan. E.R. mit Paris, Bibl. Nat., ms. gr. 510, fol. 149 (Omont a.a.O. [1929], Taf. 34).

„Nox ut dies inluminabitur“ wird auf der E.R. Troia III durch Personifikationen von *Tag und Nacht illustriert [9, Taf. 180].

„Tenebras columnae inluminatione purgavit“ hat den Miniator der E.R. Pisa III zur Personifikation der Finsternis veranlaßt (Abb. 8).

Zu den Worten „opifex, formator es omnium“ der Vet. It.-Version tritt in der E.R. Bari I die Darstellung einer *Windrose (Abb. 2).

Sonne und Mond sind bei den meisten Schilderungen der Kreuzigung Christi dargestellt, kommen aber auch in solchen der Höllenfahrt Christi vor (vgl. Bari I: Abb. 2).

Sonstige, für beide E.-Versionen typische Wortillustrationen sind: „angelica turba caelorum“, „tuba intonet salutaris“, „magnis populorum vocibus“, „fratres carissimi“, „laus apis“.

„Angelica turba caelorum“ und „tuba intonet salutaris“ werden in den Darstellungen meist miteinander verbunden. Auf der Mehrzahl der Miniaturen halten oder blasen ein oder mehrere Engel eine trichterförmige gebogene Tuba. Die „divina mysteria“ werden auf einigen Rollen durch Paare von Seraphim wiedergegeben. – Bis ins ikonographische Detail gleichen sich die Darstellungen in Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820, Rom, Bibl. Casanat. (Abb. 6 b) und Salerno [9, Taf. 136, 155], auf denen unterhalb eines Seraphimpaares in einer Gruppe von Engeln einer in eine hochgehaltene Tuba stößt. – Die Darstellung mehrerer Engel mit Tuben unterhalb des thronenden Christus ist eine Adaption von Bildern des Weltgerichts (vgl. Troia III: [9] Taf. 173). – Die frontale Anordnung von Engeln ohne Musikinstrumente verbindet Rom, Bibl. Vat., cod. Barb. lat. 592, und London, Brit. Mus., Add. Ms. 30 337 [9, Taf. 148, 44].

„Magnis populorum vocibus“ wird auf mehreren E.R. durch eine stehende Menschenmenge wiedergegeben. Als zusammengehörig erweisen sich wiederum die Illustrationen von Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820, Rom, Bibl. Casanat. und Salerno [9, Taf. 140, 123, 157], in denen in der Mitte ein von links nach rechts schreitender König mit Krone dargestellt ist.

„Fratres carissimi“ wird in der Regel durch die Gegenüberstellung des Diakons und der angeredeten „Brüder“ wiedergegeben. Meist steht der Diakon mit der aufgerollten E.R. auf dem Ambo, rechts davon die „fratres“ (z. B. [9], Taf. 90, 175).

„Laus apis“ ist in nahezu allen E.R. dargestellt, da das Sammeln und Speichern des Honigs durch die Bienen auch auf das Wachs der Osterkerze bezogen wird. Die Frage nach ikonographischen Vorlagen ist kaum zu stellen: gewöhnlich werden um (oft viereckige) Bienenstöcke oder Bäume („flore utuntur“) herumschwirrende große Bienen abgebildet. Das Thema kann auch durch Imker bei der Arbeit illustriert werden (Abb. 2). Weil das Leben der Biene als typus immaculatae conceptionis Christi erachtet wurde, geht in einigen E.R. mit der Vet. It.-Textversion der „laus apis“ das Bild der Geburt Christi voran (die Darstellungen in den E.R. der John Rylands Libr. in Manchester, [9] Taf. 55, und Montecassino I, [9] Taf. 61, lassen auf enge Beziehungen zwischen diesen E.R. schließen).

In sechs E.R. mit der Vg.-Version folgt der Jaus apis“ das Bild der thronenden Muttergottes zwischen zwei Engeln als Illustration des Satzes „virgo peperit et virgo permansit“ ([9], Taf. 79, 128, 51, 162; abweichend Pisa II, wo Maria zwischen zwei Frauen steht – [9] Taf. 95 – und Troia III, wo das unbefleckte Gewand vorgezeigt wird: [9] Taf. 183). Nur eine einzige E.R. mit Vg.-Version – Montecassino II [9, Taf. 70] – stellt das Bild der Geburt Christi (das sonst in E.R. mit diesem Text allenfalls in der Szenengruppe des Vorspanns erscheinen kann) zu dem der „laus apis“.

In verschiedenen E.R. kommen singuläre Wortillustrationen vor, die als Erfindungen der Miniatoren zu bewerten sind. Z. B. wird in Troia III auf diese Weise „Fugat odia, concordiam parat et curvai imperia“ illustriert [9, Taf. 180f.], in Pisa II „columnae huius preconia“ wörtlich durch eine Säule mit einem daraufstehenden Vogel wiedergegeben [9, Taf. 93].

Zu den Abbildungen

1. Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 9820, Personifikation der Kirche. 27 cm br. Benevent, zw. 981 und 987. Nach [9], Taf. 140, Nr. 10.

2. Bari, Kathedralarchiv, Abschnitt aus der Exsultetrolle Bari I. 39 cm br. Bari, um 1000. Nach [9], Taf. 8f.

3. Bari, Kathedralarchiv, Abschnitt aus der Exsultetrolle Bari II. 32 cm br., insgesamt 3,99 m l. Bari, Ende 11. Jh. Nach [9], Taf. 17f.

4. Troia, Kathedralarchiv, Commemoratio-Darstellungen aus der Exsultetrolle Troia I. 19,8 cm br., insges. 2,65 m l. Troia, 11. Jh. Nach [9], Taf. 166.

5. Joh. Hauß, Abbildungen von einer Exsultetrolle in St. Blasien. Kupferstich-Ill. zu Martin Gerbert, De cantu et musica sacra a prima ecclesiae aetate usque ad praesens tempus, St. Blasien 1774, Taf. 4. Fot. Bayer. Staatsbibl. München.

6 a und b. Rom, Bibl. Casanatense, ms. 724 B I 13, Abschnitte aus einer Exsultetrolle. 23 cm br. Benevent, 12. Jh. Nach [9], Taf. 118 und 119f.

7. Salerno, Bibl. Capitolare, Abschnitt einer Exsultetrolle. 47,5 cm br. Süditalien, 13. Jh. Nach [9], Taf. 159.

8. Pisa, Mus. naz., Ill. auf der Exsultetrolle Pisa III. 44– 45 cm br. Toskana, Ende 13. Jh. Nach [9], Taf. 103.

Literatur

Zu I und II: 1. H. M. Bannister, The Vetus Itala Text of the Exultet, The Journ. of Theol. Stud. 11, 1910, 43– 54. – 2. Buchwald, Osterkerze und Exultet, Theol.-praktische Quartalschr. 80, 1927, 240– 49. – 3.P. Bonifatius Fischer O.S.B., Ambrosius der Verfasser des österlichen Exultet?, Archiv für Liturgiewiss. 2, 1952, 61– 74. – 4. Lucas Kunz und Heinr. Lausberg, Art. „Exultet“, in: Buchberger Bd. 33, 1959, Sp. 1318. – 5. Hansjörg Auf der Maur, Eine Vorform des Exsultet in der griech. Patristik, Trierer theol. Zs. 75, 1966, 65– 88.

Zu III: 6. Émile Bertaux, L’art dans l’Italie méridionale, Bd. 1, Paris 1904, S. 213ff. – 7. Ders., Iconographie comparée des rouleaux de l’Exultet, Paris 1904. – 8. Elias Avery Loew, The Beneventan Script. A Hist. of the South Italian Minuscule, Oxford 1914. – 9. Myrtilla Avery, The Exultet Rolls of South Italy, Bd. 2, Princeton 1936 (Bd. 1 nicht erschienen). – 10. Gerhard Burian Ladner, The ‚Portraits‘ of Emperors in Southern Italian Exultet Rolls and the Liturgical Commemoration of the Emperor, Speculum 17, 1942, 181– 200. – 11. Peter Baldass, Disegni della scuola cassinese del tempo di Desiderio, Boll. d’arte 37, 1952, 102– 14. – 12. Ausst.Kat. „Mostra storica nazionale della miniatura“, Rom, Pal. di Venezia, Florenz 1953, S. 47ff. – 13. Peter Baldass, Die Miniaturen zweier Exultet-Rollen. London Add. 30 337; Vat. Barb. Lat. 592, Scriptorium 8, 1954, 75– 88. – 14. Ders., Der Ursprung der Exultetillustration, ebd. S. 205– 19. – 15. Francesco Babudri, L’Exultet di Bari del sec. XI (= Quaderni dell’Archivio Storico Pugliese 5), Bari 1959. – 16. Janine Wettstein, Sant’Angelo in Formis et la peinture médiévale en Campanie, Genf 1960, S. 128ff. – 17. Dies., Un rouleau campanien du XIe s. conservé au Mus. S. Matteo à Pise, Scriptorium 15, 1961, 234– 39. – 18. Dies., Les Exultet de Mirabella Eclano, ebd. 17, 1963, 3– 9.– 19. Hans Belting, Studien zur beneventanischen Malerei (= Forschgn. zur Kg. und chr. Arch. 7), Wiesbaden 1968, S. 167– 84, 234– 36. – 20. Bernhard Degenhart und Annegrit Schmitt, Corp. der ital. Zeichnungen 1300– 1450, Bln. 1968, Teil 1, 1. Bd., S. 2– 7.