Exorzismus

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englisch: Exorcism; französisch: Exorcisme; italienisch: Esorcismo.


Herbert Paulus (1971)

RDK VI, 696–709


RDK VI, 695, Abb. 1. Gnesen, um 1170.
RDK VI, 697, Abb. 2. Bonaventura Berlinghieri, 1235, Pescia.
RDK VI, 697, Abb. 3. Spinello Aretino, 1387, Florenz.
RDK VI, 699, Abb. 4. Meister des Augustiner-Altars, 1487, Nürnberg.
RDK VI, 701, Abb. 5. Bamberg, Ende 15. Jh.
RDK VI, 701, Abb. 6. Bernhard Strigel, um 1515, Donaueschingen.
RDK VI, 703, Abb. 7. Domenichino, 1608-10, Grottaferrata.
RDK VI, 705, Abb. 8. Carlo Garavaglia, 1645, Chiaravalle Milanese.
RDK VI, 707, Abb. 9. Franz Gaill, 1760-72, Reichersdorf, Obb.

E. = Exorzismus; Ex. = Exorzist, Exorzisierender.

I. Begriff

In der kath. Kirche versteht man unter E. (gr. ἐξορκισμός, ἐπορκισμός, vgl. Geoffrey William Hugo Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961–68, S. 500 und 541; lat. coniuratio, exorcismus) die Austreibung von Dämonen, die in liturgischen Formen vorgenommen wird.

Die kirchliche Lehre unterscheidet zwischen insessio und circuminsessio (vgl. Buchberger Bd. 33 Sp. 1314f., auch Bd. 23 Sp. 295).

Bei insessio ist der Mensch selbst von einem bösen Geist besessen, der ihn zu bösen Taten zwingt oder ihn mit Krankheit schlägt; gegen das Wirken des Teufels kann sich hier der freie Wille des Menschen – anders als bei Sünde und Laster – nicht behaupten (zur gemeinsamen Grundlage von Dämonen- und Lasterlehre in der Antike und zu ihrem Auseinandertreten im Christentum s. Marie Gothein, Die Todsünden, Archiv für Religionswiss. 10, 1907, 416–84, bes. 419ff.). Gegen diese Form der Besessenheit wird der sog. große E. angewendet; nur dieser ist hier Gegenstand der Erörterung (zum Tauf-E. s. Taufe).

Circuminsessio dagegen bedeutet, daß Orte oder Gegenstände, auch die Haare oder Kleidung des Menschen Sitz und Versteck böser Geister sind; dieser Form der Besessenheit tritt die Kirche mit dem sog. kleinen E. entgegen (vgl. dazu Weihe), der auch zur Vorbereitung auf den großen dient (s. Sp. 699).

Beschwörung von bösen Geistern, schon im Altertum geübt, war in der jüdischen Religion zwar ursprünglich streng verboten, ist jedoch unter dem Einfluß der umgebenden Religionen in den jüdischen Volksglauben eingedrungen und für die Zeit Christi durch das N.T. bezeugt: Christus selbst hat Dämonen ausgetrieben (hierzu s. *Heilungen Christi), und nach den Berichten der Apostelgeschichte übten die Apostel und Jünger diese Macht gemäß seinem Befehl (Mt. 10, 1. 5ff.; Mk. 6, 7ff.; 16, 17; Lk. 9, 1ff.; eingehender hierzu [1]).

Im frühen Christentum war der E. zunächst freies Charisma; er blieb es auch nach der Einführung des Exorzistats (s. Exorzist). Seit dem MA wird in der Regel der E. vom Priester vorgenommen [3, S. 566]. Dabei war der Erfolg auch von der persönlichen Lauterkeit des Ex. abhängig; trotz des Ausfahrbefehls im Namen Gottes scheint sich, den Berichten nach, die Macht des Dämons mit dem Charisma des Ex. zu messen. Daher waren vor allem Heilige besonders erfolgreiche Ex., nach ihrem Tod noch kamen sie anderen zu Hilfe (zum Wirken übernatürlicher Kräfte s. Engel RDK V 392–96; Engelchöre ebd. Sp. 596).

II. Ritus

Die Form des E.-Vorgangs und die Wahl der den Ausfahrbefehl begleitenden Gebete und Handlungen blieben lange der Entscheidung des einzelnen Ex. überlassen (diese Gebete sind auch in eigenen E.-Büchern gesammelt worden). Erst im Rituale Romanum (1614) wurde die Form vereinheitlicht; doch kam es daneben schon im 17. und 18. Jh. wieder zu einer Ausfächerung entsprechend den Meßformularen zu einzelnen Festen des Kirchenjahres (bes. ausführlich: Hilarius Nicuesa O. Theat., Exorcismarium, Venedig 1639; s. a. Gelasius de Cilia, Locupletissimus Thesaurus continens varias et selectissimas Benedictiones, Conjurationes, Exorzismos ..., Regensburg 1750, S. 409–675).

Vor dem E. empfingen die Besessenen vielfach die Eucharistie, oft in Verbindung mit einer Messe. Der E. fand öffentlich in der Kirche statt, meist vor dem Hochaltar ([3] S. 570–72 mit Hinweis auf entsprechende Meßformulare und Gebete; [4] S. 490 D E; zu eigens dem E. vorbehaltenen Räumen vgl. Jos. Ant. Endres, Der Nebenraum der St. Wolfgangs-Krypta in St. Emmeram, Zs. für chr. K. 23, 1910, 355–60, Wiederabdruck in: ders., Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte des ma. Regensburg, hrsg. von Karl Reich, Regensburg [1924], S. 36–40; eher jedoch mögen solche Räume der Vorbereitung auf den E. gedient haben, s. u.).

Den wesentlichen Bestandteil der Gebete und Formeln bildet der Bannungs- und Ausfahrbefehl im Namen Gottes, wobei das Aufzählen der verschiedenen – auch hebräischen und griechischen – Gottesnamen sowie die Anrufung von Engeln und Heiligen die Kraft dieses Befehls verstärkt ([1] Sp. 91–95; eine Zusammenstellung von Texten des 7./8.–11. Jh. bei [3], S. 586–615; vgl. auch Sp. 291).

Die Handlungen beim E. waren fallweise sehr verschieden.

Große Bedeutung hatte das Weihwasser (vgl. dazu ein Rituale des 10. Jh. aus Mainz, abgedruckt bei [3], S. 562). Der Besessene wurde damit besprengt ([3] S. 565; [2] S. 283); er mußte vor dem E. seine Kleider ablegen und neue, geweihte oder auch die eigenen, inzwischen mit Weihwasser besprengten wieder anziehen, um dem Dämon ein mögliches Versteck zu entziehen (Quellen bei [3], S. 568 Anm. 2). Gelegentlich wurde der Besessene in einen Bottich mit Weihwasser gesetzt (Vita Norberti, 12. Jh.: zitiert ebd. S. 551; noch im 15. Jh. Heinr. von Gorkum, Tractatus de demonibus eiciendis: ebd. S. 565 Anm. 3). Während der Vorbereitungszeit konnte Weihwasser oder Johanniswein dem Besessenen zu trinken gegeben werden, auch die Nahrung wurde mit Weihwasser besprengt (Quellen des 11., 12. und 14. Jh. bei [3], S. 563 und 565 Anm. 2).

Um zu erfahren, ob es sich um einen stummen oder redenden Dämon handle, steckte der Ex. zu Beginn den rechten Zeigefinger in den Mund des Besessenen und beschwor dabei den Dämon, Rede und Antwort zu stehen; er befragte ihn über Name und Herkunft ([3] S. 569f.; eine Hs. vom Ende 14. Jh. zitiert ebd. S. 569 Anm. 3; [4] S. 489 B E, S. 490 C; zur Benennung der Dämonen mit Planetennamen – Texte z. B. bei Cabrol-Leclercq II, Sp. 965 und 967 – vgl. M. Gothein a.a.O. [Sp. 697]). Dann erfolgten Handauflegung [4, S. 489 D, S. 490 H] und Anhauchen (ebd. S. 489 A), mehrmals wurde das Kreuzzeichen über dem Besessenen gemacht, mitunter wurde er mit Öl gesalbt ([3] S. 566; A. 8. Jh. salbte der hl. Ursmar einem Besessenen Augen, Mund und Nase mit geweihtem Öl: ebd. Anm. 1; eine Segensformel zu einer solchen Ölung enthält ein Rituale des 10. Jh. aus Mainz: abgedruckt bei [3], S. 609 mit weiteren Beispielen). Um den Hals des Besessenen schlang der Ex. eine Stola ([3] S. 565 Anm. 3; [4] S. 489 D und 490 G; [2] S. 283), gelegentlich wurde eine zweite Stola um die Lenden und eine dritte um die Beine geschlungen ([3] S. 571f.; Quellenangabe ebd. S. 572 Anm. 1). Auch wurden Reliquien und mit E.-Formeln beschriebene Blätter dem Besessenen aufgelegt [4, S. 489 B und 490 D]. Beim E. konnten Kerzen brennen; durch ihr Auslöschen trug man dazu bei, das Ausfahren des Dämons zu erzwingen (vgl. S. Bernardi vita lib. III – auctore Ernaldo – cap. 6: Migne, P.L. Bd. 185, Sp. 288); ihr Verlöschen konnte aber auch nur als Zeichen des Ausfahrens gedeutet werden [4, S. 489 D und 491 A].

Wollte ein Dämon trotzdem nicht weichen, konnten sogar Schläge und Geißelhiebe, dem Dämon zugedacht, dem Besessenen verabreicht werden [4, S. 489 D E, S. 490 B C]. Eine Wiederholung des E., eine mehrere Tage oder Wochen dauernde Behandlung wird des öfteren erwähnt.

III. Darstellungen

1. Begriff E. im Bild

Bisweilen ist Textabschnitten, die „de exorcismo“ handeln oder die Ordinationsformel für Ex. enthalten, eine Ill. beigefügt, die diesen Inhalt veranschaulicht.

Ill. zu Hrabanus Maurus, De natura rerum [De universo] V, 12 („De exorcismo“) zeigen die Flucht einer Teufelsgestalt: ein Kleriker, der vor einer Kirche steht und ein Buch trägt, vertreibt sie mit der erhobenen Rechten (Montecassino, Klosterbibl., cod. 132, S. 109, dat. 1023: Ambrogio Maria Amelli, Min. sacre e profane dell’anno 1023 illustranti l’enciclopedia medioevale di Rabano Mauro [= Documenti per la storia della min. e dell’iconografia], Montecassino 1896, Taf. 30; Rom, Bibl. Apost. Vat., cod. Pal. lat. 291, fol. 49v, dat. 1425: Paul Lehmann, Fuldaer Studien N. F. [= Sitzungsber. der Bayer. Akad. der Wiss. 1927, 2. Abh.], Mchn. 1927, S. 22). Eine Darstellung in einem Pontifikale des 14. Jh. schildert, wie ein Ex. einen Dämon mit einem Weihwasserwedel und erhobener Hand vertreibt (Chartres, Bibl. munic., ms. 508 [Pontifikale des Durandus von Mende], fol. 7, Ill. zur Ordination eines Ex., dat. 1389: [5] Bd. 1 S. 137).

2. E. eines Besessenen

Meist wird der E. eines Besessenen geschildert. In der Regel wurde dazu der Augenblick des E.-Vorgangs gewählt, in dem beim Bann des Ex. eine kleine – meist schwarze, geflügelte – Teufelsgestalt von dem Besessenen weicht; gewöhnlich entfährt sie seinem Munde und fliegt davon (ein entweichender Dämon kann jedoch auch – wie zahlreiche Illustrationen der Bible moralisée zeigen – Befreiung von Sünde oder Laster bedeuten, ist also nicht immer ein Hinweis auf E.). Die Dämonendarstellung wurde erst im Laufe des 10. und 11. Jh. in Heilungsszenen üblich (vgl. Beat Brenk, Tradition und Neuerung in der chr. K. des 1. Jt., Stud. zur Gesch. des Weltgerichtsbildes [= Wiener Byz.-Stud. III], Wien 1966, S. 194). Die Szene kann durch Begleiter und Helfer des Ex. oder Zuschauer erweitert werden.

Diesem Schema entspricht eine Darstellung in der Bible moralisée als Moralisation zu Lev. 26, 3. 7ff. („Hoc significai quod boni doctores et praedicatores cum ipsi opere impleverunt quae docent effugant innumerosos daemones“; Toledo, Archiv der Kath., sog. Biblia de San Luis, Bd. 1 fol. 59; Oxford, Bodl. Libr., Ms. 270b, fol. 65v: Laborde, Bible moralisée Taf. 65): ein Mann mit einem nicht bestimmbaren Gegenstand in den erhobenen Händen kniet vor einem Bischof links, ein zweiter vor einem auffallenderweise weltlich Gekleideten.

Die überwiegende Zahl der Darstellungen zeigt Heilige als Ex. Angaben der Heiligenviten, vor allem hinsichtlich des Ortes und der Begleiter des Heiligen, können dabei berücksichtigt sein.

Mitunter ist nur der Ex. und der Besessene dargestellt.

So steht im Portaltympanon von S. Zeno in Verona, 1135, der hl. Bischof Zeno neben der Tochter des Gallienus, die er exorzisiert (Art Bull. 12, 1930, 401 Abb. 41); ebenso knapp schildert ein Mosaik an der Westwand des Domes zu Monreale, nach 1177, einen E. durch den hl. Castrensis vor einem Kirchengebäude [10, Sp. 251f., Abb. 276].

Häufig sind Helfer dargestellt, die den vom Dämon geschüttelten Besessenen vorführen und ihn während des E. festhalten (Abb. 9).

So wird z. B. eine Frau auf einem Fresko des 15. Jh. in S. Giov. in Carbonara in Neapel dem hl. Nikolaus von Tolentino vorgestellt [10, Sp. 826 Abb. 986], dem hl. Bernhard eine Frau auf einem Relief am Chorgestühl der Abtei Chiaravalle Milanese bei Mailand (Carlo Garavaglia, 1645: Tiburtius Hümpfner O. Cist., Ikonographie des hl. Bernhard von Clairvaux, Augsburg, Köln und Wien 1927, Abb. S. 85). Auf einem Altarflügel in St. Leonhard in Bad Aussee halten zwei Männer einen Besessenen fest (Mitte 15. Jh.: Foto Lala Aufsberg, Sonthofen i. A., Nr. 32 330); auch auf einer Tafel vom ehem. Hochaltar der Antoniterkirche in Bern von Niklas Manuel Deutsch, 1520, wird der Besessene von zwei Männern gehalten (Inv. Schweiz, Kt. Bern Bd. 5, Abb. 25). Eine Gruppe von Helfern haben Peter Paul Rubens bei der Heilung durch den hl. Ignatius (Genua, S. Ambrogio, 1619, und Wien, Khist. Mus., 1619–20: Oldenbourg Abb. S. 202 und 204) und Jacob Jordaens bei dem E. durch den hl. Martin dargestellt (1630, Brüssel, Mus. des B.-A.: Leo van Puyvelde, J., Paris und Brüssel 1953, Abb. 28). – Die starke Kraft des Besessenen zwingt die Helfer dazu, ihn zu fesseln (Relief in Reims, Mus. hist. et lapidaire, um 1300: William M. Hinkle, The Portal of the Saints of Reims Cathedral. A Study in Mediaeval Iconography [= Monographs on Arch. and Fine Arts, Sponsered by the Arch. Inst. of America and the College Art Association of America, 13], New York 1965, S. 48, Abb. 69), sogar Ketten (Altartafel um 1275 in Mailänder Priv.bes.: [9] Sp. 1006 Abb. 1129) wurden neben Stricken (Abb. 6) dazu verwendet.

Auch Kleriker können den Ex. unterstützen. So hält auf der Bronzetür von S. Zeno in Verona ein Diakon zusammen mit dem Heiligen die Hände des besessenen Mädchens und stützt ihren Kopf (Albert Boeckler, Die Bronzetür von Verona [= Die früh-ma. Bronzetüren, Bd. 3], Marburg 1931, Taf. 82). Auf einem Fresko in S. Francesco in Montefalco, 1461 von Pierantonio Mezzastris, hilft ein Mitbruder dem hl. Antonius von Padua [10, Sp. 107 Abb. 119]. – Kleriker tragen dem Ex. das E.-Buch oder halten es ihm zum Lesen (so z. B. Szene aus dem Leben des hl. Adalbert auf der Bronzetür des Domes zu Gnesen, um 1170: Abb. 1; Martins-Relief in der Vorhalle des Domes zu Lucca, nach 1233: G. H. Crichton, Romanesque Sculpture in Italy, London 1954, Abb. 67). Auf einem Flügel des Martinsaltars aus St. Kathrein an der Laming im L.Mus. Joanneum in Graz, um 1435, assistiert ein Diakon mit geschlossenem Buch dem hl. Martin, der zwei vor ihm kniende Besessene heilt (Foto Aufsberg Nr. 32 971).

Der E. ist oft in einer Kirche dargestellt (Abb. 7). Auf einem Retabelfragment des Ferrer Bassa, 1324–48, im Bisch. Mus. zu Vich steht der exorzisierende hl. Bernhard vor dem Altar (P. Rafael M. Durán O. Cist., Iconografía Española de San Bernardo, Poblet 1953, Taf. 9).

Auf einer Altartafel des 14. Jh. in Urbino, Gall. Naz. delle Marche, ist die Heilung der Tochter des Königs Polymius durch den hl. Bartholomäus in einem Thronsaal geschildert ([10] Sp. 155 Abb. 175; vgl. auch die Darstellung auf einer Altartafel des Taddeo di Bartolo in S. Gimignano, Mus. Civ.: [9] Sp. 437 Abb. 515). In einen Innenhof verlegt Francesco Pesellino den E.-Vorgang (Predella in London, Nat.Gall., 2. V. 15. Jh.: [9] Sp. 1033f. Abb. 1159), ebenso der anonyme Maler der Altartafel in S. M. della Stella in Militello in Val di Catania, Sizilien (15./16. Jh.: [10] Sp. 833 Abb. 1054). Auf freiem Feld exorzisieren der hl. Leonhard auf den Darstellungen in Bad Aussee (s. o. Sp. 702) und in Reichersdorf (Abb. 9) sowie der hl. Antonius auf dem Gem. des Niklas Manuel Deutsch (s. o. Sp. 702f.).

Ein Fresko von Domenichino in der Capp. Farnese der Abteikirche Grottaferrata, 1608–10, zeigt den hl. Abt Bartholomäus, der vor einem Marienaltar einen Knaben exorzisiert. Der Heilige steckt seinen linken Zeigefinger in den Mund des Besessenen und taucht die Rechte in das Öl der vor dem Marienbild hängenden Lampe; einer der Anwesenden hält den tobenden Knaben, im Vordergrund kniet der hl. Nilus (Abb. 7). Den gleichen Gestus der linken Hand führt der hl. Martin aus in einer Illustration der Martinsvita in Épinal, Bibl. munic., ms. 73, fol. 5v (1. H. 12. Jh.: Jean Porcher, Franz. Buchmalerei, Recklinghausen 1959, S. 21 Abb. 19).

Oft legt der exorzisierende Heilige die Stola um den Hals des Besessenen und faßt die beiden Enden mit der Linken, während er mit der Rechten den Segen spendet.

Auf einer Tafel vom Hochaltar der ehem. Augustiner-Eremiten-Kirche in Nürnberg, 1487, heilt der hl. Veit den Sohn des Kaisers Diokletian auf diese Weise; auf einem Tisch im Hintergrund steht ein Weihwasserfaß, daneben liegt ein offenes Buch (Abb. 4). Eine Miniatur aus dem Statutenbuch des Cyriacusstiftes zu Neuhausen bei Worms, 1507 von Kaldenbach (?), zeigt den hl. Cyriacus, wie er zwei knienden Prinzessinnen seine Stola um den Hals schlingt und beiden zugleich den Dämon austreibt (Nürnberg, Germ.Nat.Mus., Hs. 16052, S. III). Ein Relief von einem Altar der Stadtkirche in Schwaigern Krs. Heilbronn zeigt eine Heilung durch den hl. Stephanus (um 1520: Marie Schuette, Der Schwäb. Schnitzaltar [= Stud. zur dt. Kg., H. 91], Straßburg 1907, S. 157f.). – Papst Pius V. heilte bei einem Besuch von S.M. d’Aracoeli eine besessene Frau durch Hinhalten seiner Stola; 1713, ein Jahr nach der Heiligsprechung des Papstes, stellte die Accademia di S. Luca in Rom dieses Thema der ersten Malklasse als Aufgabe; Cosmas Damian Asam erhielt bei diesem Wettbewerb den ersten Preis (vgl. Ausst.Kat. „Meisterzeichnungen der Slg. Lambert Krahe“, Ddf. 1969, S. 54f.).

Durch Geißelhiebe exorzisiert der hl. Benedikt einen Mönch, den Besessenheit am Gebet hinderte (Fresko des Spinello Aretino in Florenz, S. Miniato, 1387, Abb. 3; Fresko des 15. Jh. in der Badia von Passignano: [9] Sp. 159 Abb. 167).

Die Verwendung von Kerzen zeigen eine Szene des Bernhardaltars vom Maestro de Palma, um 1290 (Palma de Mallorca, Sociedad Arqueológica Luliana: P. R. M. Durán a.a.O. [Sp. 704], Taf. 7), eine Predella des Maestro di S. Severino in Florenz, Mus. Horne, 4. V. 15. Jh. [10, Sp. 1017 Abb. 1188], und das Hochaltarbild in Altdorf im Elsaß, 18. Jh. (Günter Metken, St. Cyriacus, Altdorf [= K.führer Nr. 840], Mchn. und Zürich 1966, Abb. S. 11).

Bereits verstorbene Heilige unterstützen den E. auf verschiedene Weise. Auf einer Predella des Maestro di S. Severino (s. o.) vertreibt der Heilige den Dämon durch sein Erscheinen. Der E. am Grab des hl. Franziskus ist wiederholt in Darstellungen der Franziskusvita und -legende geschildert worden, z. B. auf dem Franziskus-Retabel des Bonaventura Berlinghieri in Pescia, S. Francesco, 1235 (Abb. 2; s. a. [9], Sp. 406 Abb. 482). Am Grab der hl. Fina findet der E. auf einer Altartafel des Lorenzo di Nicolo, 1402, statt (S. Gimignano, Mus. Civ.: [9] Sp. 373 Abb. 427).

Nur selten ist die Vorbereitung des E. in die Darstellung aufgenommen.

Auf einem Flügel des Altars von Michael Pacher in St. Wolfgang, 1479–81, wird im Vordergrund eine Besessene vor den thronenden Heiligen geführt, der E. selbst im Hintergrund geschildert (Eberhard Hempel, M. P., Wien 1931, Taf. 39). Auf einem Relief am Chorgestühl der Abtei Chiaravalle Milanese nehmen im Vordergrund Mönche und Gläubige zusammen mit einer besessenen Frau an der Messe teil; die vor dem Altar kniende Besessene wird von zwei Männern festgehalten, ein Mönch reicht ihr den Kelch. Der E. selbst ist im Hintergrund dargestellt: der hl. Bernhard legt zwei knienden Frauen die Hand auf (Abb. 8).

3. E. als Heiligenattribut

Heilige, die Besessene heilten oder als deren Patrone galten, erhielten Hinweise auf den E. als Attribute, tragen aber die Kleidung, die ihnen nach ihrem kirchlichen Stand zukommt.

Selten wird ein Heiliger nur durch ein Buch als Ex. charakterisiert (wie z. B. der hl. Cyriacus in Altdorf, Elsaß, der außerdem – als Märtyrer – in der Linken einen Palmenzweig hält; über die mehrmals eingreifend veränderte Reliquienbüste des 12. Jh. vgl. Harald Keller in: „Kg. Stud. für Hans Kauffmann“, Bln. 1956, S. 73-76, Abb. 1).

Häufig liegt zu Füßen des Heiligen der von ihm besiegte Dämon (nicht immer jedoch ist dieses Attribut Hinweis auf das Wirken des betreffenden Heiligen als Ex., s. dazu [7], Sp. 826).

Zu den zahlreichen so gekennzeichneten Heiligen gehören die hl. Dymphna, Patronin der Besessenen (Gheel, Prov. Antwerpen, Epitaph, nach 1448: Edm. Henri Jos. Reusens, Eléments d’arch. chrét., Bd. 2, Aachen 1886, S. 287), und der hl. Bernhard von Clairvaux (Marmorskulptur des Niccolò Cordieri in Rom, S.M. Magg., Capp. Paolina, 1611: T. Hümpfner a.a.O. [Sp. 702], S. 17). – Manchmal steht der Heilige auf dem Dämon, so der hl. Zeno in Verona, um 1135 (Art Bull. 12, 1930, 401 Abb. 41). – Vielfach haben Heilige den Dämon an die Kette gelegt. Auf diese Weise wurde, zumal in Spanien, der hl. Bartholomäus häufig dargestellt [8, Teil 1, S. 182f.]; als Beispiele aus dem 15. Jh. seien genannt: Barcelona, Kath., gemaltes Retabel, 1401, und Vich, Kath., Skulptur vom Retabel des Hauptaltars von Pedro Oller, 1420 (Juan Ferrando Roig, Iconografía de los Santos, Barcelona 1950, Abb. S. 58 und 56), ein spanisches Gem. des 15. Jh. in Worcester, Mass., Art Mus. (Kat. „Paintings and Drawings“, Worcester 1922, Abb. S. 14). Mit einem angeketteten Dämon ist auch der hl. Philippus von Agira auf einer Tafel in S. Salvatore in Agira, um 1450, dargestellt [10, Sp. 919 Abb. 1095]. Der hl. Bernhard von Clairvaux wurde in Italien mehrfach so wiedergegeben (Glasgem. von Cristoforo de Motis in der Certosa von Pavia, 1477: T. Hümpfner a.a.O. Abb. S. 15; Gem. aus dem Kreis des Sebastiano del Piombo in der Pin. Vat., nach 1535: ebd. Abb. S. 16; vgl. auch Luitpold Dussler, S., Basel 1942, S. 156 Nr. 101); auch in Spanien kommt diese Darstellung vor (Madrid, Bibl. Nac., ms. 1545 [Misai Rico des Kardinals Cisneros], Bd. 6, fol. 235, zw. 1503 und 1518: P. R. M. Durán a.a.O. [Sp. 704], Taf. 37), in der deutschen Kunst ist sie – bei Braun [7] – nicht nachgewiesen. In Deutschland läßt sich dieses Motiv für andere Heilige nachweisen, z. B. für den hl. Albertus von Trapani (Siculus; Holzschnitt vom Ende des 15. Jh.: Abb. 5) und den hl. Cyriacus (Kalbsrieth, gemalte Predella, um 1500: Inv. Sachsen-Weimar Bd. 2 S. 282, Abb. nach S. 282).

Mitunter wurde dem Heiligen ein Besessener als Attribut beigegeben.

Einige Gem. und Skulpturen aus dem 15. und 16. Jh. zeigen den hl. Cyriacus mit (meist) geöffnetem Buch in der Linken, segnend erhobener Rechter und der kleinen Gestalt der Prinzessin Artemia, die er heilte: Lübeck, Hl. Geist-Hospital, Relief von einem Flügelaltar, Ende 15. Jh. (Inv. Lübeck Bd. 2, Abb. S. 477); Stuttgart, Württ. L.Mus., Schnitzaltar aus Talheim, um 1515 [7, Sp. 179f. Abb. 80]; Besigheim, Pfarrkirche, Cyriacusaltar, um 1520 (Schwäb. Heimat 11, 1960, Abb. S. 208). Grünewald hat auf einem Altarflügel den E. mit ungewöhnlicher Exaktheit geschildert: der hl. Cyriacus schlingt seine Stola um den Hals der am Boden knienden Prinzessin und drückt mit dem Daumen ihr Kinn herunter, damit der Dämon entweichen kann; in seiner Rechten hält er ein geöffnetes Buch, in dem eine E.-Formel steht (Ffm., Städelsches K.-inst., um 1509: Mich. Meier, G., Zürich und Freiburg i. Br. 1957, Taf. 53, 56, 58).

Zu den Abbildungen

1. Gnesen, Dom, der hl. Adalbert exorzisiert einen Besessenen. Relief vom linken Flügel der Bronzetür. Maße des ganzen Flügels 3,28 × 0,84 m. (Gesamtabb.: Adolph Goldschmidt, Die Bronzetüren von Nowgorod und Gnesen [= Die früh-ma. Bronzetüren, Bd. 2], Marburg 1932, Abb. 71). Polen, um 1170. Fot. Akademia Nauk, Warschau.

2. Bonaventura Berlinghieri, Gem. von einer Altartafel, Ausschnitt (Gesamtabb.: Robert Oertel, Die Frühzeit der ital. Mal., Stg. [1966], Abb. 31). Gem. a. Holz, Gesamtmaße 1,60 × 1,23 m. Pescia, S. Francesco. Dat. 1235. Fot. Alinari, Florenz, Nr. Brogi 23991.

3. Spinello di Luca gen. Spinello Aretino, E. durch den hl. Benedikt. Fresko in der Sakristei von S. Miniato al Monte, Florenz. Dat. 1387. Fot. Alinari, Florenz, Nr. P.e 2.a 4512.

4. Meister des Augustiner-Altars, der hl. Veit heilt den Sohn des Kaisers Diokletian. Flügel vom Hochaltar der ehem. Augustiner-Eremiten-Kirche zu Nürnberg. Gem. a. Holz, 1,23 × 0,95 m. Nürnberg, Germ. Nat.Mus., Inv.Nr. Gm. 146. Monogrammiert RF, dat. 1487. Fot. Oscar Poss, Regensburg, Nr. 8213/30–32.

5. Bamberg, Staatsbibl., Inv.Nr. VI. Aa. 26, hl. Albert (Ausschnitt; Gesamtabb.: Heitz, Einblattdrucke Bd. 24 Abb. 7). Holzschnitt, 17,3 × 22,7 cm. Ende 15. Jh. Nach ebd.

6. Bernhard Strigel, Szene aus der Veitslegende. Öl auf Tannenholz, 33 × 33 cm. Donaueschingen, Fürstl. Fürstenberg. Slgn., Kat.Nr. 63. Um 1515. Fot. Slgn.

7. Domenichino, E. durch die hll. Nilus und Abt Bartholomäus. Fresko in der Capp. Farnese der Abteikirche Grottaferrata. 1608–10. Fot. Alinari, Florenz, Nr. Anderson 3631.

8. Carlo Garavaglia, Bernhardslegende. Holzrelief am Chorgestühl der Abteikirche Chiaravalle Milanese. 1645. Fot. Zuecca, Florenz, Neg.Nr. 4200.

9. Franz Gaill, der hl. Leonhard exorzisiert einen Besessenen. Deckengem. in Reichersdorf Krs. Miesbach, St. Leonhard. 1760–72. Fot. Friedr. Kobler, Mchn.

Literatur

1. Klaus Thraede, Art. „Exorzismus“ in: RAC Bd. 7 Sp. 44–117. – 2. Rituale Romanum, Regensburg 1872, S. 281ff. – 3. Franz, Benediktionen Bd. 2. – 4. Laurentius Beyerlinck, Magnum Theatrum Vitae Humanae ... Bd. 3, Lyon 1678. – 5. Leroquais, Pont.

6. Künstle II. – 7. Braun, Tracht und Attribute. – 8. Réau Bd. 3. – 9. Kaftal I. – 10. Kaftal II.

An der Bearbeitung waren Salome Zajadacz-Hastenrath und Gerlind Werner beteiligt.