Erde

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englisch: Earth; französisch: Terre; italienisch: Terra.


Karl-August Wirth (1964)

RDK V, 997–1104


RDK III, 895, Abb. 1. München, Clm. 14 271, 11. Jh.
RDK IV, 1277, Abb. 10. Heinrich Göding (?), 2. H. 16. Jh.
RDK V, 997, Abb. 1. Nikopolis, 2. V. 6. Jh.
RDK V, 1001, Abb. 2. Trier, A. 9. Jh.
RDK V, 1003, Abb. 3. Stuttgart, 1. V. 9. Jh.
RDK V, 1005, Abb. 4 a und b. Utrecht, um 830.
RDK V, 1007, Abb. 5. Rom, 3. V. 9. Jh.
RDK V, 1009, Abb. 6. München, um 870.
RDK V, 1011, Abb. 7. München, 3. Dr. 9. Jh.
RDK V, 1013, Abb. 8. London, Ende 9./Anf. 10. Jh.
RDK V, 1017, Abb. 9. New York, M. 10. Jh.
RDK V, 1019, Abb. 9 a. Darstellungen der E. in wissenschaftlichen Demonstrationszeichnungen des MA.
RDK V, 1021, Abb. 9 b. Darstellungen der E. in wissenschaftlichen Demonstrationszeichnungen des MA.
RDK V, 1023, Abb. 10. Athen, 10. Jh.
RDK V, 1025, Abb. 11. Ehem. Kassel, 10. Jh.
RDK V, 1027, Abb. 12. Koblenz, 4. V. 10. Jh.
RDK V, 1029, Abb. 13. Köln, um 1000.
RDK V, 1033, Abb. 14. Bari, um 1000.
RDK V, 1035, Abb. 15. Hildesheim, 1. V. 11. Jh.
RDK V, 1037, Abb. 16. München, A. 11. Jh.
RDK V, 1039, Abb. 17. Montecassino, 1023.
RDK V, 1041, Abb. 18. Oxford, 1. H. 11. Jh. (?).
RDK V, 1043, Abb. 19. Münster i. W., 2. H. 11. Jh.
RDK V, 1045, Abb. 20. Semur-en-Brionnais (Saône-et-Loire), 1. H. 12. Jh.
RDK V, 1047, Abb. 21. Verona, 12. Jh.
RDK V, 1049, Abb. 22. Ehem. Smyrna, 12. Jh.
RDK V, 1051, Abb. 23. Cambridge, M. 12. Jh.
RDK V, 1051, Abb. 24. Stuttgart, 2. H. 12. Jh.
RDK V, 1053, Abb. 25. St-Omer, um 1180.
RDK V, 1055, Abb. 26. Stuttgart, 2. V. 12. Jh.
RDK V, 1055, Abb. 27. Priv.bes., 4. V. 12. Jh.
RDK V, 1057, Abb. 28. Chantilly, Ende 12. Jh.
RDK V, 1059, Abb. 29. München, 3. V. 12. Jh.
RDK V, 1059, Abb. 30. London, um 1200.
RDK V, 1061, Abb. 31. Paris, um 1200.
RDK V, 1061, Abb. 32. Wien, um 1210-20.
RDK V, 1063, Abb. 33. Wien, 1. H. 13. Jh.
RDK V, 1063, Abb. 34. Limburg a. d. Lahn, 2. V. 13. Jh.
RDK V, 1065, Abb. 35. Rom, 2. V. 13. Jh.
RDK V, 1065, Abb. 36. Oxford, 3. V. 13. Jh.
RDK V, 1067, Abb. 37. München, um 1295.
RDK V, 1069, Abb. 38. Paris, Ende 12. Jh. u. 14. Jh.
RDK V, 1071, Abb. 39. Paris, um 1400.
RDK V, 1071, Abb. 40. Paris, um 1410.
RDK V, 1073, Abb. 41. Rom, um 1420.
RDK V, 1073, Abb. 42. Nürnberg, 1465.
RDK V, 1075, Abb. 43. Zürich, um 1450-60.
RDK V, 1075, Abb. 44. Hieronymus Greff (?), 1502.
RDK V, 1077, Abb. 45. Hieronymus Greff (?), 1502.
RDK V, 1079, Abb. 46. Sebastiano del Piombo, 1511ff., Rom.
RDK V, 1081, Abb. 47. Benvenuto Cellini, 1539/40-43, Wien.
RDK V, 1083, Abb. 48. Wenzel Jamnitzer, vor 1549, Amsterdam.
RDK V, 1085, Abb. 49. Bernard Salomon (zugeschr.), 1558.
RDK V, 1089, Abb. 50. Cornelis Cort, 1583, Antwerpen.
RDK V, 1093, Abb. 51. Joachim von Sandrart, 1680.
RDK V, 1093, Abb. 52. Jan van Vianen, 1697.
RDK V, 1095, Abb. 53. Gottfr. Eichler (Entw.) u. Joh. Wangner (Ausf.), um 1760.
RDK V, 1097, Abb. 54. Bernhard Rode, 1788.
RDK V, 1097, Abb. 55. Adolf von Grundherr zu Altenthann und Weyerhaus, vor 1882.

I. Bedeutungen des Wortes

Das Wort E. hat zahlreiche Bedeutungen (vgl. Grimm Bd. 3, Sp. 749–53); eine ganze Reihe E. benannter Dinge und Begriffe ist durch bildliche Darstellungen veranschaulicht worden: das Element E. (lat. terra; s. a. Elemente, RDK IV 1256–88), der Planet E. (lat. terra), der Erdkreis (lat. orbis terrarum) sowie das feste Land, das Festland des Planeten in seiner geographischen Formation wie in seiner materiellen Beschaffenheit. Außerdem ist das Wort E. antithetisch mit anderen Begriffen zu feststehenden Begriffspaaren verknüpft worden, die je nach Herkunft und Verwendung dem Begriff E. zusätzliche Bedeutung geben: E. ist der Gegensatz zum Himmel (caelum et terra, s. a. Himmel und Erde) und zum Wasser (terra marique, terra – mare, pontus, s. a. *Land und Meer). Mit E. ist ferner der Name antiker Gottheiten, in denen die E. (terra) und ihre Eigenschaften mythologische Gestalt gewannen, ins Deutsche übersetzt: Gaia (Γαῖα), Ge (Γῆ), Terra, Tellus.

II. Darstellungsanlässe, Abgrenzung.

In dem folgenden Überblick sind daher E.-Bilder unterschiedlicher Art und sehr verschiedenen Inhalts zu berücksichtigen: mythologische Darstellungen, Personifikationen und sonstige Darstellungsformen von E. benannten Dingen und Begriffen.

Trotz aller Verschiedenheit der Anlässe von E. -Darstellungen ist den E.-Bildern gemeinsam, daß sie nur in größeren Bildzusammenhängen vorkommen. Sie sind entweder Teil szenischer Bilderzählung (vornehmlich mythologischer oder poetischer Stoffe), naturkundlicher Demonstrationsfiguren oder solcher Bildthemen (oder -programme), in denen naturkundliche Ansichten über die Ordnung der Welt (mundus) mit theologischen Vorstellungen über die Schöpfung, ihre Bausteine, ihren Vollzug und ihre Geschichte, verknüpft sind, wobei der Akzent bald mehr auf dem Didaktischen, bald mehr auf dem Religiösen liegen konnte.

Zu diesen Darstellungsanlässen und -Inhalten von E.-Bildern kommt eine recht große Zahl solcher, die durch unmittelbaren Bezug auf die Erwähnung des Wortes E. in nahezu beliebigem Textzusammenhang motiviert sind, wobei jene als bekannt vorausgesetzt oder in Erinnerung gebracht werden. Derartige E.-Bilder, bis zum Ausgang des Hoch-MA überaus zahlreich, sind z. T. genaue Übersetzungen dessen, was die betreffende Textstelle über die E. sagt; z. T. sind sie – literarischen Glossen vergleichbar – Bindeglieder zwischen der jeweiligen Textstelle und den gängigen kosmologischen Vorstellungen: das Wort E. im Text dient als Anlaß, oft genug auch als Vorwand, das in Bildformeln eingefangene Schulwissen zur Geltung zu bringen (so hat z. B. für Arnulf von Orleans die Tatsache, daß Pompeius in Rom geboren wurde, in Kleinasien seine größten Erfolge erzielte und in Ägypten ermordet wurde, den Anstoß gegeben, seinen „Glosule super Lucanum“ ein E.-Bild in Form des orbis tripartitus beizufügen: ed. Berthe M. Marti, Rom 1958, S. 452 u. 453 zu IX, 411 u. 413). E.-Bilder als Bestandteil der Darstellungen von Metaphern aus der Kultsprache und aus der des imperialen Zeremoniells (caelum et terra, terra marique) sowie von diesen hergeleiteten Vorstellungen sind im MA häufig anzutreffen.

Der Mannigfaltigkeit der Darstellungsanlässe entspricht eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Begriff E. im Bild wiederzugeben. Grundsätzlich konnten mythologische Gestalten, Personifikationen, Schemata der naturwissenschaftlichen Auffassungen, Erdschollen, Landschaft, Feldarbeit, Schilderung von Ereignissen, die als Exempla für einen der E.-Begriffe verstanden wurden, diese Aufgabe erfüllen. Die künstlerisch in ihrer Masse wenig ergiebigen Schemata ausgenommen, kennzeichnet die E.-Ikonographie – zumal die des MA – das Fehlen allgemein verbindlich gewordener Bildtypen. Das Nebeneinander oder oft genug auch die Verschmelzung von Motiven völlig verschiedener Herkunft entzieht die E.-Darstellungen jeder systematischen Gruppierung; historisch sinnvoll erscheint allein die Ordnung nach Darstellungsanlässen.

Die genannten Gegebenheiten machen die Abgrenzung des hier zu behandelnden Stoffes problematisch. Überschneidungen mit anderen Artikeln sind nicht zu vermeiden: s. a. Elemente, Himmel und Erde, *Land und Meer, ferner die mythologischen Gestalten, welche die E. darstellen oder nach gängiger allegorischer Interpretation als E.-Bild gelten konnten, gewidmeten Artikel: Ceres (RDK III 397 bis 403), Cybele (ebd. Sp. 895–99), Flora u. a. An anderer Stelle wird all das erörtert, was mit der Einteilung des Planeten nach geographischen Gesichtspunkten zusammenhängt: s. Erdteile, Globus. Landkarte; die Stellung der E. im Kosmos kommt in den Art. *Kosmologie, Planeten, *Weltteile, aber auch Himmelsrichtungen, “Winde und *Enzyklopädie (am Ende dieses Bandes) zur Sprache. Manches hier nur Angedeutete ist in den Artikeln Mandorla, Majestas Domini, Planeten, *Weltkugel (als Attribut) eingehender darzustellen. Außerhalb der Betrachtung bleibt ferner die große Zahl von Tieren, die – vor allem seit der Renss. – vielfach als Hinweis auf einen der E.-Begriffe in größeren Bildprogrammen und in der Emblematik vorkommen. In den Art., die sich mit den einzelnen Tieren befassen, wird auf die Gründe hingewiesen, die solcherart motivierte Darstellung des betreffenden Tieres ermöglichten.

III.–VI. Voraussetzungen

III. E.- Darstellungen der römischen Antike und der frühchristlichen Zeit

Die Geschichte der E.-Darstellungen beginnt (im europäischen Kulturkreis) mit der Schilderung mythologischer Stoffe durch griechische Künstler. Hier sind jedoch nur die für die nach-antike E.-Ikonographie wichtigen Beispiele aus der Kunst der römischen Antike und der frühchristlichen Zeit zu berücksichtigen, d.h. Darstellungen der E. – der Gottheiten, Gaia, Ge, Terra und Tellus – als weibliche Gestalt (fast alle Beispiele bei [17], Sp. 1137f. und 1174–79; vgl. ferner [27; 28]; das Fortwirken eines in spätantiken Fußbodenmosaiken mehrfach, u. a. in Nikopolis, Abb. 1, und in Epirus zu belegenden Bildtyps, der durch „konkrete“ Abbildung des vom Meer umgebenen „Orbis“ gekennzeichnet ist, kann hier nur angedeutet werden: s.u.Sp. 1025ff. und 1047ff.). Diese E.-Bilder, deren früheste erhaltene aus augusteischer Zeit stammen, sind thematisch verschieden motiviert: als Gottheit handelnd, ist die E. bei Schilderungen mythologischer Ereignisse wiedergegeben (A); auch wenn die mythologische Szene die Anwesenheit der E. nicht verlangt, können E.-Personifikationen in den betreffenden Bildern vorkommen, haben dann jedoch nur die Aufgabe, den Ort des Geschehens zu vergegenwärtigen und werden daher hier als „topographische“ E.-Darstellungen bezeichnet (B); seltener gaben kosmologische Bildprogramme (C) den Anlaß, die E. bildhaft darzustellen; in der imperialen Ikonographie hingegen finden sich öfters E.-Darstellungen (D). Die Attribute der antiken E.-Bilder sind unter B verzeichnet (s. u. Sp. 1002).

A. Mythologische Szenen

Die wichtigsten Themen aus der Mythologie sind Begebenheiten aus dem Leben des Herkules und des Erichthonius. Im Herkules-Mythos erscheint die E. bei der Überwindung des Antäus ohne alle Attribute als mit einem Chiton bekleidete, weibliche Gestalt, die klagend auf einem Felsblock sitzt (z. B.: Wandmal. im Grabmal der Nasonier, Rom, 2. Jh. n. Chr.: Adolph Michaelis, Jb. d. kaiserl. Dt. Archäol. Inst. 25, 1910, 101–26, Beilage 4/XIII). – Ein Zusammenhang mit dem Erichthonius-Mythos wird für eine Darstellung in einem Grabmal in der Villa Corsini vermutet, auf der ein Knabe in den Schoß der lagernden Gaia gleitet (ebd. S. 118 u. 125; Kupferstich bei Pietro Santi Bartoli, Gli antichi sepolcri overo mausolei romani et etruschi, trovati in Roma et in altri luoghi celebri, Rom 1704, Taf. 5). Sonst scheinen E.-Bilder in Verbindung mit diesem Mythos in der römischen Antike – im Gegensatz zur griechischen – kaum vorzukommen (das gilt auch für die Erichthonius-Darstellungen der Neuzeit, s. dort). – Auf Schilderungen von Phaetons Sturz ist die E. nur als topographischer Hinweis zu verstehen; ihre Wiedergabe entspricht in keinem Falle den literarischen Beschreibungen, in denen sie als aktiv handelnd vorgestellt wird (vgl. Ovid, Metam. II, 272ff.: die E. schützt sich gegen die versengende Glut, indem sie die Hand an die Stirn hält und bebend tiefer sinkt).

B. Topographische E.-Bilder

Die mythologischen Szenen, denen die E. als Hinweis auf die Topographie beigefügt ist, entstammen vor allem der Pelops- und der Prometheussage sowie dem Phaeton-, Endymion- und Proserpina-Mythos; sie sind als Reliefschmuck spätantiker Sarkophage in großer Zahl erhalten (Beispiele bei [17], Sp. 1137). Fast immer ist hier die E. zusammen mit anderen Naturgottheiten – wie Caelus, Oceanus, Sol, Luna, Anatole, Dysis und Berggöttern – abgebildet; als symmetrisch angeordnete Gegenfigur zur E. erscheint häufig Oceanus (oder auch Thetis). In diesen Szenen kommt die E. in zwei Darstellungsarten vor: 1) als Brustbild, tief im Boden verhaftet, über dem Kopf – wie auch andere Naturgottheiten – einen aufgeblähten Mantel; 2) als lagernde, leicht aufgestützte Gestalt. Sehr oft ist sie unter einem sich aufbäumenden Gespann angeordnet, ein auch auf Münzen vorkommendes Motiv (s. D). Ohne szenischen Zusammenhang findet sich die E. auf Sarkophagen häufig unter den Medaillons mit den Brustbildern Verstorbener (Gegenfigur: Oceanus; z. B. Wilpert, Sarcofagi Bd. 3, Taf. 296, 4).

Die Attribute der E. bei all diesen Darstellungen sind (etwa in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit): Ährenkranz oder Diadem und Ährenbüschel in der Hand, Füllhorn, Fruchtkorb (auf den sich die E. stützt), zwei Putten oder auch vier (dann oft als Jahreszeiten charakterisiert), lagernde oder weidende Kühe (fordae als Opfertiere im Tellus-Kult erwähnt u. a. Paulus ex Festo: [17] Sp. 1131), Schafe oder Böcke, in wenigen Fällen die Schlange. Merkwürdigerweise ist unter den Tierattributen der E. in den bisher bekannt gewordenen Darstellungen aus der Antike das der E. am häufigsten geopferte Tier, die trächtige Sau (porca praecidanea; s. [17], Sp. 1132f.), nicht zu finden; da sie aber in – offensichtlich antiken Vorbildern folgenden – ma. E.-Bildern vorkommt (Abb. 14, 34), wird man sie auch für antike E.-Darstellungen erschließen dürfen. Auf einem Gewebe des 4. Jh. n. Chr. mit dem Brustbild der E. erscheint der Skorpion auf dem Diadem und als Ohrgehänge (Ausst.Kat. „Koptische Kunst“, Essen, Villa Hügel, 1963, Nr. 266; weitere koptische Beispiele: Kairo, Kopt. Mus., Inv.Nr. 7072 [M.E. 44 070]; Brooklyn, Mus., Inv.Nr. 41 891; beide Skulpturen stammen aus Heracleopolis Magna; s. a. Klaus Wessel, Kopt. K., Recklinghausen 1963, S. 42, 62, 152 u. 202). Die Kleidung der E. wechselt: oft trägt sie einen Chiton, der bisweilen eine Brust freiläßt; die als lagernde Gestalt wiedergegebene E. ist häufig nur bis zum Gürtel bekleidet. – Das Motiv der säugenden E., oft zu Unrecht auf die E.-Darstellung der Ara Pacis Augustae zurückgeführt [27, S. 264], ist offenbar erst auf einem heute in den Grotten von St. Peter in Rom aufbewahrten reliefierten Pilaster vom A. 3. Jh. gestaltet worden; Papst Johannes VII. (705–07) verwendete den Pilaster zum Schmuck des Marienoratoriums in Alt-St. Peter („Praesepe sanctae Mariae“; vgl. Liber Pontificalis, ed. Louis Duchesne, Paris 1886; Neudruck 1955, Bd. 1 S. 385 u. 386 Anm. 2), und diese Wiederverwendung sicherte der E.-Darstellung anhaltende Wirkung (s. etwa Giulio Mancini [1558–1630], Considerazioni sulla pittura I, ed. Adriana Marucchi [= Accad. naz. dei Lincei. Fonti e documenti inediti per la storia dell’arte 1], Rom 1956, S. 50; Nachzeichnung bei Phil. Dionysius, Sacrarum Vaticanae Basilicae Cryptarum Monumenta, Rom 1773, Taf. 3; Eugenia Strong, La scultura romana da Augusto a Costantino Bd. 2, Florenz 1926, S. 305f.).

Wenn Horen als lagernde weibliche Gestalten, mit Füllhorn und Putten als Attributen und gleicher Kleidung wie E.-Personifikationen wiedergegeben sind (z. B. auf Sarkophagdeckeln: Walter Amelung, Die Skulpturen des Vatican. Mus., Bln. 1908, Bd. 2 Taf. 10; Ed. Gerhard, Antike Bildwerke, Mchn., Stg. u. Tübingen 1828, 4. Centurie Taf. 310), können sie von diesen nur dadurch unterschieden werden, daß jene in der Vierzahl erscheinen.

C. Kosmologische Themen

In kosmologischen Bildprogrammen werden die Fruchtbarkeit der E. und ihr Bezug zur Weltzeit hervorgehoben: vgl. das Missorium von Parabiago (RDK IV 1263f.), ferner die Darstellung des zwischen E. und Oceanus thronenden Jupiter, der vom Zodiakus umgeben ist (Doro Levi, Aion, Hesperia 13, 1944, 295: bithynische Münze des Antoninus Pius), sowie das Bild der E. als Partnerin des personifizierten Aion in den Mosaiken von Sentinum und aus einem Grab der Isola Sacra bei Ostia (ebd. S. 287f.). Ausschließlich auf Fruchtbarkeitsvorstellungen deutet ein E.-Typus, wie er durch ein Mosaik in Antiochia repräsentiert wird, hin; in Antiochia sind die Personifikationen inschriftlich bezeichnet: hinter der hingelagerten E. (Ge) tragen Putten (Karpoi) eine Fruchtgirlande und kniet eine halbnackte weibliche Figur (Arura), vor ihr sitzt „Aigyptos“ [27, Bd. 2, Taf. 62 b].

D. Imperiale Ikonographie

Wegen ihres Zusammenhanges mit Fruchtbarkeitsvorstellungen wurde die E. in die imperiale Ikonographie einbezogen. Fruchtbarkeit – hier als Folge des kaiserlichen Regiments ausgelegt – wird mit der Pax Augusta in Verbindung gebracht (Ara Pacis Augustae: RDK IV 1262; Panzerrelief der Augustusstatue von Primaporta: Eugenie Strong, Terra Mater or Italy?, Journ. of Roman Studies 27, 1937, 114ff.). Auf dem Panzer einer augusteischen Kaiserstatue in den Vatikanischen Museen (später fälschlich als Lucius Verus ergänzt: ebd. Taf. 15) und ebenso auf dem einer Kaiserstatue im B.M. (ebenfalls augusteisch, fälschlich als Hadrian ergänzt: ebd. Taf. 16) bringt Pax der E. ein Füllhorn. Auch auf kaiserlichen Münzen finden sich auf den Rückseiten Darstellungen der E. in Verbindung mit Fruchtbarkeitsvorstellungen (auf einer Münze des Commodus, neben einem Weinstock lagernd, vor ihr ein Hirte mit zwei Kühen: Henry Cohen, Description hist. des Monnaies frappées sous l’Empire Romain, Paris u. London 1883, Bd. 3 Nr. 526) oder aber in kosmologischen Zusammenhängen: mit dem bestirnten Himmelsglobus, oft mit personifizierten Jahreszeiten auf Münzen des Hadrian und des Commodus (bez.: TELLVS STABIL[IS]: ebd. Bd. 2 Nr. 224, Bd. 3 Nr. 714 u. 717) oder unter dem auffahrenden Gespann des Sol, über den sich der Zodiakus schwingt (ebd. Bd. 3 Nr. 70). In mythologische Zusammenhänge eingekleidet, findet sich die E. auf der Silberschale von Aquileia (Strong a.a.O. [1937], Taf. 19): der Kaiser opfert vor dem Bild der Ceres, neben ihm steht der Schlangenwagen bereit, den er als neuer Triptolemos besteigen wird, um den Samen über die E. zu streuen. Auf einem Relief vom Altar des Jupiter Sol Serapis im Mus. Capitolino in Rom, A. 3. Jh., sprengt der Kaiser auf einem Stier – wohl als „Novus Serapis“ – der lagernden E. in den Schoß (Wolfg. Helbig [u. Walther Amelung u. a.], Führer durch die öffentl. Slgn. klassischer Altertümer in Rom Bd. 1, Lpz. 19123, Nr. 871).

Auch noch in frühchristlicher Zeit wurde die personifizierte E. dem Bild des Kaisers häufig beigegeben: auf dem barberinischen Elfenbeindiptychon im Louvre sitzt die E. unter dem Pferd des Kaisers, zeigt dem Herrscher die Früchte in ihrem Schoß und berührt von unten seinen Fuß (André Grabar, L’empereur dans l’art byzantin, Paris 1936, S. 48f.); auf dem Missorium des Kaisers Theodosius liegt sie zwischen Ähren zu Füßen des Herrschers (Wolfg. Fritz Volbach, Frühchr.K., Mchn. 1958, Taf. 53); am Sockel eines nur literarisch überlieferten Reiterstandbildes desselben Kaisers in Konstantinopel befanden sich Personifikationen der E. und des Oceanus (Johs. Kollwitz, Oström. Plastik der theodosianischen Zeit, Bln. 1941, S. 8). Auf zwei Mosaikbildern Theoderichs in Pavia und Ravenna lagen Oceanus und E. unter einer Personifikation der Stadt Ravenna, die ihre Füße auf beide setzte (ebd. S. 16). Die E.-Darstellungen in der imperialen Ikonographie haben in späteren Epochen besonders stark nachgewirkt (s. u. Sp. 1094f.).

IV. Literarische Überlieferung mythologischer E.-Vorstellungen der Antike

Die Antike entwickelte eine Vielzahl verschiedener Vorstellungen von der E. und ihren Kräften; diese Vorstellungen wurden schon früh auf spezifische Weise miteinander verflochten (z. B.: Gaia – Demeter, vgl. [29]), was zu mannigfachen Identifikationen führte. Da es sich bei den mit der E. identifizierten Gottheiten und Personifikationen oft um solche handelt, die ikonographisch von ausgeprägter Eigenständigkeit sind, brachte jener Vorgang eine außerordentliche Bereicherung der Möglichkeiten, die E. zu benennen und darzustellen.

A. Namen

Die ma. und neuzeitliche Überlieferung der antiken Mythologie fügte zu den verschiedenen Namen, die man in der Antike der E. assoziiert hatte, weitere hinzu.

So heißt es bei Isidor von Sevilla, Etymologiae VIII, 11, 59ff. (ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911, Bd. 1): „Cererem, id est terram, a creandis frugibus adserunt dictam, appellantes eam nominibus plurimis. Dicunt etiam eam et Opem, quod opere melior fiat terra: Proserpinam, quod ex ea proserpiant fruges: Vestam, quod herbis vel variis vestita sit rebus, vel a vi sua stando. Eandem et Tellurem et Matrem magnam fingunt, ... Matrem vocatam, quod plurima pariat; magnam, quod cibum gignat; almam, quia universa animalia fructibus suis alit. Est enim alimentorum nutrix terra.“ Diese Ausführungen lassen sich in wesentlichen Teilen unmittelbar von Varro herleiten (vgl. Augustinus, De civitate dei VII, 24: Corp. Chr. S. L. Bd. 57, S. 205f.). – Ein dreiviertel Jahrtausend später sieht Boccaccio den Kreis der verschiedenen Namen noch weiter gesteckt: „Vocavere eam preterea multis nominibus, ut puta Terram, Tellurem, Tellumonem, Humum, Arridam, Bonam deam, Matrem magnam, Faunam et Fatuam. Habet et preterea hec cum quibusdam deabus communia nomina. Dicitur enim Cibeles, Berecinthia, Rhea, Opis, Iuno, Ceres, Proserpina, Vesta, Ysis, Maia et Medea“ (Genealogia deorum gentilium I, 8: ed. Vincenzo Romano [= Scrittori d’Italia, 200], Bari 1951, Bd. 1 S. 32; ebd. III, 2 – ebd. S. 122 – unter dem Titel Ops: „Vocant igitur Opim, Berecinthiam, Rheam, Cibelem, Almam et magnam Palem“). – Der Mythographie der beginnenden Neuzeit blieb es vorbehalten, die Liste der E.-Namen noch zu erweitern, vgl. z. B. Natale Conti, der die E. auch unter den Namen Pandora, Phrydia (Phrygia?), Pylena, Dindymen, Pessimuntes (Pessinuntes) vorstellt (Mythologiae sive explicationum fabularum libri X, Venedig 1551, S. 503 B).

Der Zusammenhang E.–Cybele ist durch eine gängige Etymologie des Namens Cybele – in einer auch für die bild. K. bedeutsamen Weise – vertieft worden. Die Beziehung Erde – cubus, die Plato in seiner Elementenlehre begründet hatte (Timaios 21 = 55 c–e), wurde über eine Etymologie des Pompeius Festus auf Cybele übertragen. Im „Fulgentius metaforalis“ des John Ridewall lesen wir: „Cibeles enim, ut recitat Alexander Nequam in sua mithologia (Mythographus III, Kap. 2, 3: ed. Gg. Heinr. Bode, Celle 1834, S. 158. 25–27), dicitur quasi Cubeles. Cubum namque Grece vocant solidum; unde et numeri solidi dicuntur cubi vel cubici. Et hec est condicio potissima requisita ad felicitatem, scilicet quod sit solida et secura, sicut tangit Augustinus 13. ›de trinitate‹: Esse enim cercius, quod sic erit, hoc est beatissimum“ (= 13, 7; Migne, P. L. 42, Sp. 1021). Ähnlich Cartari (Imagines deorum etc., Venedig 1556; hier nach der Übersetzung von Sandrart, Iconologia deorum etc., Nürnberg 1680, S. 76): „Sonst ist sie auch von einem phrygischen Berge die Cybele benamset worden: wiewohl Festus Pompeius will, daß sie also ἀπὸ τοῦ Κύβου, das ist, von Cubo, oder einer Würffel-Figur genennet worden; wie ihr dann eben aus dieser Ursach von den Alten ein Viereck oder Würffei, wodurch die Standfestigkeit der Erden bedeutet ist, zugeeignet worden, weil, wie man auch denselben werffen mag, er dennoch allezeit gerade zu stehen pflegt“ (vgl. auch Vitruv, De architectura V, 1, 3/4). Ganz ähnlich formuliert auch Franciscus Pomey (Pantheum Mythicum etc., Lyon 1658 u. ö.; hier ed. Utrecht 1697, S. 144).

B. Gestalt

Die literarische Gestalt der E. in der Mythographie des MA sowie in der Mythographie und Ikonologie der Neuzeit (bis ins 18. Jh. hinein) trägt wohl verschiedene Namen, ist jedoch gewöhnlich als die mehr oder weniger ausführlich bzw. korrekt beschriebene phrygische Cybele zu identifizieren: eine weibliche Gestalt, die auf einem von zwei oder vier Löwen gezogenen Wagen sitzt; sie ist in ein mit kostbaren Steinen und Metallschmuck verziertes Gewand gekleidet, trägt eine Mauerkrone auf dem Haupt und hält Zepter, Schlüssel sowie Tympanum in den Händen; sie wird von Attis und den Korybanten begleitet. Zu ihren Attributen gehören ferner der Hahn (auf Grund der Etymologie „galli“ [= die Hähne] – γάλλοι[= Priester der Cybele]) und die Fichte sowie einige leere Stühle (hierzu Aby Warburg, Ges. Schriften Bd. 2, Lpz. 1932, S. 617). Die beständigsten Attribute der E.-Cybele sind die Mauerkrone und der Löwe. Auf sie ist auch in den Fällen selten verzichtet, in denen die Gestalt der Cybele an Eindeutigkeit verliert, weil ihr andere – zusätzliche – Attribute beigegeben wurden (z. B. solche, die in erster Linie Ceres, Vesta und Flora, aber auch Abundantia, Fertilitas u. a. zukommen).

1. MA

a. Quellen

Hauptquellen für die Überlieferung des Cybele-Bildes in das Mittelalter (und darüber hinaus) sind offenbar Augustinus (Varro; s. o.), Martianus Capella (De nuptiis Philologiae et Mercurii 1,71: ed. Adolf Dick, Lpz. 1925, S. 33. 12ff.). Fulgentius (Mythologiae lib. III: ed. Rudolf Helm, Lpz. 1898, S. 65). Von diesen Autoren führt ein gerader Weg zu den Beschreibungen bei Isidor von Sevilla (s. u.) und Hrabanus Maurus (De naturis rerum XV, 6: Migne, P. L. 111, Sp. 431), die an Ausführlichkeit fast allen hoch-ma. Beschreibungen überlegen sind und von den jüngeren Autoren exzerpiert wurden.

b. Attribute

In der Erklärung der einzelnen Attribute heißt es bei Isidor von Sevilla, Etymologiae VIII, 11, 62–66:

Schlüssel: „quia tellus hieme clauditur, vere aperitur ut fruges nascantur“; Tympanum: „significare volunt orbem terrae“; Wagen: „quia ipsa est terra quae pendet in aere“; Räder des Wagens: „quia mundus rotatur et volubilis est“; Löwen: „ut ostendant nullum genus esse tam ferum quod non subigi possit aut superari ab ea“; Mauerkrone: „ostendit superpositas terrae civitates quasi insignitas turribus constare“; leere Stühle: „quia cum omnia moveantur, ipsam non moveri“; Korybanten mit gezogenen Schwertern: „ut significetur omnes pro terra sua debere pugnare“; Hähne: „significant qui semine indigeant, terram sequi oportere; in ea quippe omnia reperire. Quod se apud eam iactant, praecipitur, inquiunt, ut qui terram colunt ne sedeant; semper enim esse quod agant“. – Vgl. dazu auch Augustinus a.a.O. [Sp. 1006].

c. Predigtallegorie

In der moralisierenden Predigtallegorie des sog. Mythographus III (Alexander Neckam; ed. G, H. Bode a.a.O. [Sp. 1008], S. 158) und in den Götterbildbeschreibungen, die verschiedentlich John Ridewalls „Fulgentius metaforalis“ beigegeben sind (z. B.: Rom, Bibl. Vat., cod. lat. Pal. 1066, fol. 243v: [30] S. 54), hat Terra-Cybele ihren Platz. Die Attribute sind hier, den jeweils bestimmenden Tendenzen der Moralisation entsprechend, auf verschiedene Weise erklärt; von der Norm abweichende Bildmotive allerdings kommen ziemlich selten vor; vgl. als Beispiel für diese Rom, Bibl. Vat., cod. lat. Pal. 1066: [30], S. 107: „(expone de beata virgine:) Romani terram sic depingebant ... sedens in curru quem trahebant quatuor equi albi“. Eine ausführliche Beschreibung der Terra-Cybele als Göttermutter enthält das „Reductorium morale“ des Petrus Berchorius (Paris, B. N., ms. lat. 14 136, fol. 22–23: Buch XV, Kap. 10; ed. Paris 1509: Buch XV, Kap. 11; vgl. für beide [30], S. 62).

Völlig anderer Herkunft ist offenbar die Predigtallegorie im Kommentar des Robert Holcot zum Prediger Salomo (Beryl Smalley, English Friars and Antiquity, Oxford 1960, S. 173); mit Bezug auf Prediger Sal. 4, 1 heißt es: „Potest dici quod terra tunc potuit esse descripta sub specie cuiusdam statue habentis buccas grandes, bovinas linguas, et caudas serpentinas, in manu sinistra gladium, in dextra manu Mercurium, cum oculo chimerino et pede vulpino, et hoc dico correspondenter ad litteram istam.“ Hier handelt es sich augenscheinlich um ein Bild des Irdischen, nicht um eines der E.

d. ekphrastische Beschreibungen

Eine besondere Stellung nehmen die ekphrastischen Beschreibungen ein. Theodulf von Orleans verbindet das Bild der Cybele mit dem der säugenden Tellus, der ein calathus mit Früchten, Rinder und Hähne beigegeben sind (Schlosser, Schriftquellen Nr. 1031ff.; M. G. Poet. lat. aevi Karolini I, S. 544). Petrarca beschreibt ein Bild der Cybele, das sich im Saal des Numiderkönigs Phylax befindet (Africa III, 234–46).

e. Göttergenealogie

In der Göttergenealogie, wie sie Boccaccio erstellte, ist Terra das achte Kind des Demogorgon, der als „terre deus“ oder „sapientia terre“ interpretiert wurde (Genealogia deorum I, Prohemium: ed. V. Romano a.a.O. [Sp. 1007], S. 15; vgl. auch die Boccaccio-Exzerpte des Domizio Calderino: Attilio Hortis, Studj sulle opere latine del Boccaccio, Triest 1879, S. 221). Während unter dem Titel Terra im wesentlichen nur von den Namen der E. die Rede ist (s. o. Sp. 1006f.), wird das Bild der Terra-Cybele unter dem Namen Ops ausführlich beschrieben und kommentiert (III, 2: s.o.). Wie Martianus Capella, s. o., schmückt Boccaccio Cybeles Gewand mit vegetabilen Motiven (Zweige, Laub). Die E.-Attribute sind z. T. abweichend von Isidor von Sevilla, s. o., erklärt, die vier Löwen etwa auf die vier Jahreszeiten bezogen. Knapp und prägnant ist die Cybele-Beschreibung in dem um 1400 entstandenen „De deorum imaginibus libellus“ Kap. 12 [30, S. 221], der in Hss. und Frühdrucken unter dem Namen des Albricus steht.

2. Neuzeit

Boccaccios Angaben sind, da sein Werk in der Renss. mehrfach gedruckt wurde (ed. princeps Florenz 1475), für die mythographischen Werke der Humanisten zu Beginn der Neuzeit von maßgebender Bedeutung.

a. Mythographie

In der Mythographie des 16. Jh. hat das Bild der Terra-Cybele einen festen Platz. Georg Pictor aus Villach beschreibt sie als Cybele (Theologia mythologica, Freiburg i. Br. 1532, S. 59ff.; Ausg. 1696, S. 150ff.), Lilio Gregorio Gyraldi als Ops, Rhea (De deis gentium varia et multiplex historia, Basel 1548, S. 186ff.; vgl. auch ebd. S. 203: Vesta-Terra), und als Rhea führt sie Natale Conti auf (Mythologiae ... libri X, Venedig 1551; benutzt: Ausg. Padua 1616, S. 500ff. u. S. 47). Bei Vicenzo Cartari heißt es unter dem Titel Magna Mater: „Haec eadem est atque Ops, Cybele, Vesta, Rhea, Ceres, aliaeque, quae Terram aliquomodo significant“ (Le immagini degli dei antichi, Venedig 1556; lat. Ausg. Lyon 1581, S. 138ff.; Neudruck der Ausg. Venedig 1647: Graz 1963, S. 110ff.); hier erscheint, die Reihe der Beschreibungen einleitend, Ops in der Gestalt der Cybele, wie dann auch bei Vasari in seinem „Discorso sopra la mascherata della genealogia de gl’Iddei de Gentili“ (Florenz 1565, S. 112; vgl. ferner Vasaris „Zibaldone“: ed. Aless. del Vita, Arezzo 1938, S. 70ff.). Als Terra tritt Cybele bei Giovanni Paolo Lomazzo auf (Trattato dell’arte della pittura, Mailand 1585, S. 604ff.), als Vesta bei Jacopo Zucchi (Discorso sopra li dei de’ Gentili e loro Imprese, Rom 1602: ed. Fritz Saxl, Antike Götter in der Spätrenss. [= Stud. der Bibl. Warburg, Bd. 8], Lpz. 1927, S. 62f.). Interessant ist das moralische Verdikt des Gian Andrea Gilio gegen die Darstellung des Themas Cybele-Attis (Degli errori de’Pittori circa l’historia, Camerino 1564: hrsg. von Paola Barocchi [= Scrittori d’Italia, 221], Bari 1961, S. 79).

Im 17. Jh. wurde das Bild der Terra-Cybele weiter verbreitet. Außer den vielfach wiederaufgelegten mythographischen Werken des voraufgegangenen Jh. trug dazu in hohem Maße das „Pantheum Mythicum“ des Fr. Pomey bei, der die Bezeichnung Cybele wählte (Lyon 1659 u. ö.; Ausg. Utrecht 16977, S. 143ff.; Abb. 52). Für den deutschen Sprachraum ist die Cartari-Übersetzung Sandrarts wichtig geworden (Iconologia deorum oder Abbildung der Götter, Nürnberg 1680, S. 72ff.; Abb. 51). Weiterhin förderten Ausgaben der wesentlichsten antiken und früh-ma. Quellenwerke zur Mythographie die einschlägigen Kenntnisse, z. B.: Fulgentius-Drucke (seit Ende 15. Jh.: vgl. Graesse Bd. 2, S. 645) und Martianus Capella-Drucke (Wien 1516 usw.: s. ebd. Bd. 2, S. 41) und -Ausg. von Hugo Grotius, Leiden 1599.

Im 18. und A. 19. Jh. fehlt die Beschreibung der Terra-Cybele in fast keinem der vielen mythologischen Lexika.

Aus der Vielzahl solcher Werke seien hier einige besonders interessante oder einflußreiche genannt: „Connoissance de la mythologie“, Paris 17747, S. 22ff. (Cybele). – Jean-Reymond de Petity, Le Manuel des Artistes et des Amateurs ou Dictionnaire Historique et Mythologique ... Composé en faveur de nouvelles Écoles Gratuites de Dessein, Paris 1770, S. 227f. (Cybele). – Pierre Chompré, Dictionnaire abrégé de la Fable pour l’intelligence des poètes, des statues, des tableaux, Paris 1727; Ders., Aubin Louis Millin u. Celestino Massucco, Dizionario portatile delle Favole, Bassano 1804 (= 2. erw. Ausg. der Übersetzung aus dem Französischen), Bd. 1 S. 258f. (Cybele).

Deutsche Beispiele: Benjamin Hederich, Mythologisches Lexikon, Lpz. 1724; bearb. von Joh. Joachim Schwaben, Lpz. 1770, S. 823ff. (Cybele), 1537 (Magna Mater Deum = Cybele) und 2310f. (Tellus). – Karl Wilh. Ramler, Allegorische Personen zum Gebrauch d. bild. Künstler, Bln. 1788, S. 32 (Rhea oder Cybele; Abb. 54).

Neben Cybele findet sich in der Mythographie der Neuzeit gelegentlich – und von ihr wohlunterschieden – auch Tellus, entbehrt jedoch einer vergleichsweise prägnanten Bildkraft. Es ist eine Ausnahme, wenn in einem Werk nur Tellus, nicht aber Cybele beschrieben wird (vgl. Julianus Aurelius Lessigniensis, De cognominibus deorum gentilium etc., Antwerpen 1541, fol. 80v ff.). Lorenzo Pignoria gibt in seinen „Annotationi“ zur Cartari-Ausg. Padua 1615, S. 527, die Abbildung eines antiken Münzbildes mit einer „Tellus stabilis“ hinzu. Dieses Bild findet sich auch bei Nat. Conti (a.a.O. S. 295; schon in der Erstausgabe?).

b. Hieroglyphik und Ikonologie

Auch in der Hieroglyphik und Ikonologie ist seit dem 16. Jh. das Thema E. immer wieder behandelt worden.

Valerian (Hieroglyphica, Basel 1556; benutzte Ausg.: Venedig 1604) beschreibt unter dem Namen Terra die Cybele und erörtert einige ihrer Attribute: die Löwen (S. 13 b), die Fichte (S. 454 d); „Cybele, quae Tellus, cur mater hominum dicatur ... cur capite turrita“ (S. 463 c); ferner sind zu vergleichen die Abschnitte „Terra frugifera“ (S. 28 e, f), „Terra Iunone“ (S. 90 e, f) sowie Terra – caduceus (S. 156 d, e), Terra – scorpius (S. 162 e) und Terra – cubus (S. 461 a). – Als Ill. zu der Erklärung der Cybele-Attribute bei Gabriele Simeoni, Les illvstres observations antiques, Lyon 1558, schuf Bernard Salomon (?) einen Holzschnitt, auf dem alle diese Attribute bildhaft zusammengestellt sind, so daß eine den Bildern der Hieroglyphik verwandte Darstellung entstand (Abb. 49).

Cesare Ripa hat die Terra-Cybele im Zusammenhang mit der Beschreibung der vier Elemente behandelt (Iconologia, Rom 1593; zit. nach Ausg. Rom 1603, S. 58: „Carro della Terra“). Vier weitere Beschreibungen der Terra – von denen in der Erstausgabe nur eine enthalten war (die dritte in der Abfolge), haben mit dem Typ der Cybele recht wenig gemeinsam: die dritte und vierte die Mauerkrone als Attribut, die vierte erwähnt in Gold gefaßte Edelsteine (S. 125). Auffällig ist bei allen diesen Beschreibungen die Betonung vegetabiler Motive, die eine Verwandtschaft mit Ceres, Flora und Tellus verraten; auch das Gewand der Terra-Cybele soll pflanzlichen Schmuck haben. Für Ripas Beschreibungen ist die Vermischung der bei Valerian deutlich unterschiedenen Vorstellungen von jenen Göttinnen, die bei dem Mythographen Cartari „aliquomodo terram significant“ (s. o.), charakteristisch; in dieser Hinsicht werden Ripas Bilder nur noch von den Beschreibungen des Athanasius Kircher übertroffen: „Isidis Magnae Deorum Matris Apuleiana Descriptio“ und „Interpretatio Statuae Isidis multimammeae sive Cybeles Graecanicae“ (Oedipus Aegyptiacus, Rom 1652, S. 189f.; vgl. dazu auch die Abbildung einer Natura bei Sandrart a.a.O. Taf. D, 5).

Ripa gibt schließlich noch die Beschreibung der E. nach einer „alten Müntz des Kaysers Commodi“, die mit jener bekannten „Tellus stabilis“ unschwer zu identifizieren ist.

In einer Reihe von Neuausgaben und Bearbeitungen der „Iconologia“ Ripas bleibt der Bestand der Terra-Bilder unberührt, so in der dt. Übersetzung des Lorenz Strauß (Ffm. 1669; Strauß folgt der Ripa-Ausg. Castellinis, Venedig 1645, S. 81 [Carro della Terra], 170–173) und in der – wiederum erweiterten – Ausg. von Ces. Orlandi, Perugia 1764ff. (vgl. Bd. 1, S. 81 [Carro della Terra] und Bd. 2, S. 305, 306, 309 u. 310). In anderen Ausgaben des 17. und 18. Jh., die nur Auszüge aus der „Iconologia“ Ripas bringen, beschränkte man sich auf die Übernahme von nur einem der E.-Bilder, vornehmlich die des ersten: Terra mit Blumenkrone, Füllhorn, Globus und einem Löwen zur Seite. Die Ausgabe Hertels, Augsburg o. J. (um 1760), stellt das Element E. durch eine alte Frau mit weniger oft gebrauchten Cybele-Attributen vor (Abb. 53). Als Terre gibt es ein Cybele-Bild in Honoré Lacombe, Dictionnaire iconologique, Paris 1777, S. 277, wo sie systematisch von Tellus (S. 272) und Cybele (S. 82) unterschieden wird. Diese Unterscheidung ist weniger mythen- als bilderkundig: der Dictionnaire wendet sich nicht an den Künstler, sondern an den Kunstbetrachter und will als „Introduction à la conoissance des Peintures, Sculptures“ usw. verstanden werden. – Als Vorlageblätter im 19. Jh. veröffentlichte Darstellungen (wie z. B. Abb. 55) sind seltener der E.-Cybele-Tradition zuzurechnen; sie entfernen sich von den E.-Bildformeln der Ikonologien und nähern sich denen der Flora.

V. Christliche Anschauungen

Der Sieg des Christentums beendete zwar die Überlieferung der mythologischen gestalthaften E.-Vorstellungen, bedeutete jedoch nicht, daß die von der heidnischen Antike der E. zugeschriebenen Eigenschaften geleugnet wurden. Sie erhielten aber, da die E. nicht mehr als dem Ursprung nach erste Gottheit [17, Sp. 1154], sondern als Zeugnis für die Schöpfermacht Gottes gewürdigt wurde, neuen Sinn und wurden durch weitere, aus verschiedenen (und inhaltlich mehrfach sich widersprechenden) Bibelstellen abgeleitete E.-Vorstellungen ergänzt. Die generell für die bildende Kunst wichtigsten Vorstellungen sind wie folgt zu charakterisieren:

Gott hat die E. geschaffen, dazu den Himmel, mit dem zusammen sie die Welt (mundus) bildet; er hat der E. ihren Platz im Kosmos gegeben und sie den – aus E. nach seinem Ebenbild geformten – Menschen zum Aufenthaltsort bestimmt, sie der Herrschaft des Menschen unterstellt (1. Mos. 1f.).

Der Zusammenhang zwischen der E. und den Menschen ist maßgebend für die Ausbildung christlicher E.-Vorstellungen. Er ist so eng, daß der Ausdruck „die ganze E.“ als Synonym für „die Menschheit“ dienen konnte [17, Sp. 1114]. „Die enge Bindung des Menschen an die E. zwingt diese in den Bannkreis des menschlichen Schicksals und unterwirft sie den Gesetzen der menschlichen Geschichte“ (ebd.). Der Sündenfall, durch den die intendierte Ordnung der Schöpfung gestört wurde, zieht den Fluch Gottes auf die E. nach sich (1. Mos. 3, 17); durch Feldarbeit soll der Mensch der E. (terra) seine Nahrung abgewinnen (ebd. Vers 17ff.); die Schlange soll auf der E. kriechen und lebenslang E. essen (ebd. Vers 14). E. wie Menschheit sind erlösungsbedürftig geworden, beider Geschichte wird als Heilsgeschichte begreifbar (ebd. 8, 21 u. ö.).

Je mehr man der heilsgeschichtlichen Betrachtungsweise folgte, desto ungewisser wurde man gegenüber der zunächst – in den frühen Schriften des AT (dazu [17], Sp. 1115) – unbezweifelten Unbeweglichkeit und Dauerhaftigkeit der E. (was jedoch keineswegs ausschloß, auf den ewigen Bestand der E. bezügliche Bibeltexte – etwa Ps. 104 [103], 5 – wortgetreu darzustellen; s. u. Sp. 1044 u. Abb. 13). Da in der E. die Wurzeln der Sünde stecken, ist sie vergänglich (Jes. 51,6) und muß vernichtet werden. Im NT werden Himmel und E. nicht mehr als gleichgeordnete Teile der Schöpfung verstanden, sondern dualistisch: der Himmel ist die Wohnung Gottes, die E. diejenige der erlösungsbedürftigen Menschheit; der kosmologisch niederen Situierung der E. entspricht es, daß sie dem Himmel unterworfen ist. In der Patristik gewinnt der E.-Begriff an symbolischer Bedeutung und wird vornehmlich im abwertenden Sinne gebraucht. Neben dieser, die dualistische Gegenüberstellung Himmel – E. fortsetzenden Auslegung (die zumal durch Gregors d. Gr. Schriften verbreitet wurde), steht das Verständnis der E. als Ort gottgewollter Fruchtbarkeit; hatte doch die E. am dritten Schöpfungstag auf Gottes Befehl aus sich selbst Pflanzen hervorgebracht und das nt. Gleichnis vom Sämann (Mk. 4, 1–9; Mt. 13, 1–23; Lk. 8, 4–15) der symbolischen Auslegung der E. als Ackergrund neuen Auftrieb gegeben. Gerade diese Interpretation hat es der hoch-ma. Kunst erleichtert, an heidnisch-spätantike (Bild-) Vorstellungen von der Tellus als „rerum naturae parens“ (aus der „Precatioterrae“,s. u. Sp. 1028f.) anzuknüpfen.

VI. Naturkundliche Vorstellungen und Demonstrationsfiguren

Viele der ma. E.-Darstellungen sind ohne Kenntnis der in jener Epoche gültigen naturkundlichen Vorstellungen über die E. (als Element und als Planet) nicht hinlänglich zu verstehen. Das gilt für die inhaltliche Motivierung von E.-Bildern, ganz besonders aber für die schematischen Demonstrationsfiguren, die jederzeit in der bildenden Kunst alternativ zu E.-Personifikationen oder „realen“ E.-Darstellungen (Landschaften, Feldarbeiten) wiedergegeben werden konnten und vom ausgehenden Hoch-MA bis zum Beginn der Neuzeit jene fast ganz verdrängten. Im Bereich der Elementenlehre (A) wie in dem der Kosmologie (B) wurden Grundtatsachen des Wissens durch Demonstrationszeichnungen veranschaulicht, deren wichtigste durch das ganze MA hin fast ohne Variation überliefert wurden und über die Zeit, in der sie sachlicher Information dienten, hinaus als Bildchiffre für E. in der Ikonologie und Emblematik der Neuzeit fortlebten (s. *Weltkugel als Attribut). Einige dieser Schemata (figurae) unterrichten über die wichtigsten Bezüge zwischen E. und anderen Begriffen sowie über die Grundlagen solcher Kombinationen: sie sind geradezu Ideogramme für die Abfassung komplexer Bildprogramme des MA und der Neuzeit. Anhand der gebräuchlichsten Demonstrationszeichnungen seien im folgenden die naturwissenschaftlichen E.-Vorstellungen des MA skizziert.

A. Elementenlehre

Die Elementenlehre der Antike (s. Elemente, RDK IV 1256ff.) wurde dem MA in erster Linie durch Übersetzungen und Kommentare zu Platons „Timaios“ (s. jetzt I. H. Waszink u. P. I. Jensen [ed.], Calcidius, Comm. in Timaeum [= Corp. Platonicum medii aevi Bd. 4], London 1962) – die oft nicht nur die platonische Lehrmeinung referieren – übermittelt (Chalcidius, Proclus, Porphyrius), ferner durch deren Kenntnis voraussetzende Werke, vorab den von Macrobius verfaßten Kommentar zu Ciceros „Somnium Scipionis“ (ed. Franz Eyssenhardt, Lpz. 1893, S. 493f.) und die sog. „Hexaemeron“-Traktate der Kirchenväter ([32]; vgl. besonders das auf Homilien des Basilius aufbauende, unter platonischem Einfluß stehende „Hexaemeron“ des Ambrosius, I, 6, 21 u. 23 u. ö.: C.S.E.L. Bd. 32 a, S. 17 u. 21f.). In Enzyklopädien, in Abhandlungen „über das Wesen der Dinge“ und in Kommentaren zu Werken des Boethius und des Martianus Capella ist das einschlägige Wissen des MA aufgezeichnet (vgl. Peter Vossen [36]).

1. Die wichtigsten Informationsquellen über die Elementenlehre waren für das MA:

Enzyklopädien u. ä. Werke: Isidor von Sevilla, Etymologiae XIII, 3 (ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911, Bd. 2). – Hrabanus Maurus, De naturis rerum [De universo] IX, 2: Migne, P. L. Bd. 111, Sp. 262f.). – Alexander Neckam, De naturis rerum I, 14 (ed. Thomas Wright [= Rerum Britannicarum med. aev. Scriptores, Rolles Ser. 34], London 1863, S. 55). – Vinzenz von Beauvais, Speculum naturale II, 3–13 (Ausg. Douai 1624, Sp. 81–86).

Schulbücher: wie Isidor von Sevilla, De natura rerum cap. 11 (ed. Jacques Fontaine [= Bibl. de l’École des Hautes Études Hispaniques, Fasc. 28], Bordeaux 1960, S. 213–17; ma. Bibliothekskataloge führen das Werk wegen der Form seiner Demonstrationsfiguren oft als „liber rotarum“) oder Beda, De natura rerum cap. 4 (Migne, P.L. Bd. 90, Sp. 195). Boethius hatte im 9. Gedicht des 3. Buches von „De consolatione philosophiae“ („O qui perpetua mundum ratione gubernas“: ed. Ludw. Bieter, Corp. Chr. S. L. 94, S. 52 f) von den Elementen (V. 10) gesprochen, was für seine Kommentatoren – z. B. Remigius von Auxerre, Bovo II. von Corvey, Adelbold von Utrecht – zum Anlaß wurde, die Elementenlehre zu referieren; vgl. z. B. Hans Naumann, Notkers Boethius, Straßburg 1913, S. 2ff.; Hubert Silvestre, Rev. d’hist. ecclés. 47, 1952, 53ff. – Ähnlich unerwartet ist die Erwähnung von „semina qui arcanis stringens pugnantia uinclis“ im hymnischen Einleitungsgedicht (V. 3) von Martianus Capella, „De nuptiis Philologiae et Mercurii“ Anstoß zur Darlegung der Elementenlehre geworden: vgl. Johannes Scottus Eriugena, Annotationes in Martianum I, 3.5 (ed. Cora E. Lutz, Cambridge/ Mass. 1939); Remigius von Auxerre, Commentum in Martianum Capellam I, 3.7 (ed. dies., Leiden 1962); Dunchad, Glossae in Martianum (nach fragmentar. Hs. des [auch vollständig überlieferten] Werkes hrsg. von ders., New York 1944).

2. Demonstrationsfiguren:

Abb. 9 a (oben): Nach der Naturlehre des Aristoteles (s. RDK IV 1256–58) enthalten die vier Urstoffe insgesamt vier Eigenschaften (qualitates), die in jedem der Elemente paarweis vereint sind. Die E. ist – ihrer Grundeigenschaft nach – trocken (sicca), außerdem kalt (frigida); mit denjenigen Elementen, die eine dieser Eigenschaften besitzen, kann sie eine direkte Verbindung eingehen: mit dem Feuer, das auch trocken (aber warm) ist, und mit dem Wasser, das auch kalt (aber feucht) ist, nicht aber mit der warmen feuchten Luft. Daraus ergibt sich die Anordnung der Elemente in einer ihre Verbindungen (Syzygia) veranschaulichenden Kreisfigur (rota), deren Alter bisher noch nicht bestimmt ist, deren Verbreitung zumal durch den sog. „Liber rotarum“ (s. o.) erfolgte.

Die Figur enthält außerdem eine Aufschlüsselung des aus den Elementen geschaffenen Makrokosmos (mundus) und des Mikrokosmos (homo) und der Zeit (annus). Mensch und Jahr werden vierfach in Temperamente bzw. Jahreszeiten unterteilt, und jedem der Teile wird die (Grund-) Eigenschaft eines Elementes zugewiesen. So „entspricht“ der E. das Temperament des Melancholikers und unter den Jahreszeiten der Herbst. Die Figur demonstriert die Grundlagen, auf denen die antithetischen Gegenüberstellungen von E. und Luft sowie Feuer und Wasser und die Kombination von E.-Bild und Melancholie (s. dazu auch Erwin Panofsky u. Fritz Saxl, Dürers „Melencolia I“. Eine quellen- u. typengesch. Untersuchung [= Stud. der Bibl. Warburg, Bd. 2], Bln. u. Lpz. 1923) in zahlreichen Bildprogrammen bis ins 18. Jh. beruhen (vgl. auch Abb. 43).

Abb. 9 a (unten): Nach anderer Tradition besitzen die Urstoffe insgesamt sechs Eigenschaften, jedes Element deren drei. Die E. ist dick, stumpf und unbeweglich (crassa – obtunsa – inmobilis), die beiden erstgenannten qualitates teilt sie mit dem Wasser, eine mit der Luft (crassa), keine mit dem Feuer. Daraus ergibt sich eine von Abb. 9 a (oben) abweichende Anordnung: die E. steht hier im Gegensatz zum Feuer (nicht zur Luft). Um diese Ordnung der Elemente darzustellen, standen verschiedene Figuren zu Gebote, deren sinnfälligste Abb. 9 a (unten) ist; daß sie auch in der Wandmalerei reproduziert wurde, lehrt ein Fresko des späten 12. Jh. in der Krypta der Kath. zu Anagni [41, S. 23f., Abb. 8].

Abb. 9 b (Mitte): Dieses Schema, die „figura solida“, ist zunächst die geometrische Wiedergabe eines Würfels – ohne Eintragung der Elemente ist sie eine Zeichnung, vermittels deren in ma. Lehrbüchern der zeichnerische Weg vom Punkt über die Linie und die Fläche zum dreidimensionalen Körper demonstriert wurde [41, S. 20]. Die Verknüpfung dieser Lehrfigur mit der Elementenlehre (gemäß Abb. 9 a [unten]) hängt möglicherweise mit der Darstellungsform der E. nach Plato zusammen: er hatte die E. (Timaios 55 d–56 c) als Würfel (Kubus, Tetraeder) dargestellt, weil sie – wie dieser Körper – unbeweglich sei und eine festere Grundfläche besitze als Oktaeder, Ikosaeder und Dodekaeder (= Wasser, Luft, Feuer; Abb. 9 b [oben]). Die Vorstellung von der E. als Kubus ist nicht nur für Darstellungen der Elemente als „platonische Körper“ (Abb. 9 b) bedeutsam: die spielerische Etymologie des Namens Cybele (s. o. Sp. 1007ff.), mit Jes. 66, 1 und Mt. 5, 34f. in Verbindung gebracht, wurde auch für eine ganze Reihe von E.-Darstellungen, auf die Christus seine Füße setzt, bedeutsam (vgl. etwa Abb. 20 und Sp. 1070).

Abb. 9 b: Diese „rota elementorum“ geht auf Aristoteles Ordnung der sublunarischen Welt nach dem Gewicht der Elemente zurück: die schwere E. bildet den Kern, das leichte Feuer ist ihr entgegengesetzt, Wasser, schwerer als Luft, ist der E. näher. Die schematische Darstellung durch drei um einen Kreis (= E.) gelegte konzentrische Kreisbänder spielt in kosmographischen Darstellungen eine große Rolle. Mehrfach sind die einzelnen Elemente mittels Zeichnung oder Farbe charakterisiert (eine einheitliche Farbensymbolik kam jedoch nicht in Gebrauch; für die E. bevorzugte man grün und gelb – braun; die auf allegorischer Ausdeutung der vier Farben der Tempelvorhänge beruhende Farbgebung für die vier Elemente scheint nicht sehr häufig zu sein, s. Farbe [symbolisch]). Die „rota elementorum“ wurde in bildlichen Darstellungen bald im ganzen als Figur des Planeten E. ausgegeben (da dieser, wie alles Geschaffene, aus Vermischung der vier Elemente entstand), bald ist nur der Vollkreis als Planet E. gekennzeichnet, was entweder durch Eintragung des Erdteilschemas oder einer Landschaft geschah. Im Spät-MA kommen gewissermaßen querschnittartige Darstellungen der „rota elementorum“ vor, die im Zusammenhang mit der Entstehung der *Landschaftsmalerei zu würdigen sind.

Die Reihenfolge, in der die Elemente in die Schemata eingetragen sind, ist innerhalb des jeweiligen Lehrsystems unveränderlich. Daher ist es möglich, aus der Anordnung von Elementendarstellungen in größeren Bildzusammenhängen unmittelbar auf die dem Programm letzten Endes zugrunde liegende Anschauung zu schließen und aus spiegelbildlichen Darstellungen – z. B. Brüssel, Bibl. roy., ms. II 1639, fol. 6v (RDK IV 1261/62, Abb. 2) – die Benutzung einer Vorlage zu folgern.

B. Kosmologie

Auch über die Stellung der E. im Kosmos (über die christlichen Vorstellungen hierüber s. [17], Sp. 1167–74, und [35–37]) unterrichteten Demonstrationsfiguren. Da sie die Möglichkeiten, die E. in stilisierter Form wiederzugeben, nicht bereichern – wohl aber die Darstellungsanlässe solcher E.-Wiedergaben beträchtlich vermehren –, sind sie in den Artikeln *Kosmologie, Planeten, Tierkreis, Winde zu behandeln. Die Darstellung der Klimazonen der E. (Kosmas Indikopleustes-Hss., Enzyklopädien, aber auch Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg, fol. 11v: Straub-Keller Taf. 5) ist für die bildende Kunst bedeutungslos geblieben.

Vielfach ist zur Wiedergabe der E. in kosmologischen Schemata die „rota elementorum“ benutzt worden (s. o.). Nicht minder oft waren geographische Einteilungen der E. und die aus ihnen hervorgegangenen kartographischen Darstellungen (s. Erdteile) Mittel, die Abbildung der E. zu konkretisieren. Auch die einst recht zahlreichen großformatigen Darstellungen kosmologischer Schemata (bekanntestes Beispiel: Pisa, Camposanto, vgl. Sp. 1080 u. 1091) brachten keine E.-Bilder, die über das Gewohnte hinausgingen.

C. Kartographie

Von den E.-Darstellungen durch kartographische Wiedergaben oder mit diesen zusammenhängende Bilder sind hier nur zwei Arten zu berücksichtigen (s. im übrigen Landkarte, Globus): die sog. Noachidenkarte (a) und diejenigen „realen“ E.-Schilderungen, die eine Verbindung mit naturkundlich-geographischen E.-Formeln eingingen (b). Die beiden Typen stehen insofern in einem Gegensatz zueinander, als der zuerst genannte bei einem Höchstmaß an Abstraktion jahrhundertelang allen an wissenschaftliche Demonstrationsfiguren gestellten Ansprüchen genügte, wohingegen der zweite Typus dem Streben nach sinnfälliger Anschaulichkeit derart entgegenkommt, daß seine Geschichte mehr in das Gebiet der bildenden Kunst als das der wissenschaftlichen Darstellung fällt: von dieser ist beinahe nur der äußere Rahmen entliehen.

a. Die einfachste, als Lehrfigur wie in sonstigen Darstellungen meistgebrauchte E.-Formel ist die Noachidenkarte: ein waagerecht halbierter Kreis, dessen eine Hälfte – in der Regel die untere – ebenfalls halbiert ist (Abb. 28 u. 30). Dieser Kreis mit T-förmigem Eintrag stellt den „orbis tripartitus“ vor; die drei Teile der E. sind Asien (Kreishälfte) sowie Afrika (auch Libyen) und Europa (je ein Kreisviertel). Die Beschreibung der E.-Einteilung fehlt in keinem Werk, in dem – wenn auch noch so flüchtig – der Geographie der E. gedacht ist. Die Bezeichnung Noachidenkarte nimmt Bezug auf die gleicherweise im MA allbekannte Vorstellung, die E. habe erst im Gefolge der Sintflut ihre „endgültige“ Gestalt gewonnen und jeder der drei Söhne Noahs sei Stammvater der Bewohner jeweils eines *Erdteils (Näheres s. dort).

Nicht-kartographische Konkretisierung der Formel durch Wiedergabe von Motiven „realer“ E.-Schilderung führte im Hoch-MA in der Regel zur Aufgabe des Einteilungsschemas (vgl. die zahllosen einem Kreis einbeschriebenen Landschaftsdarstellungen, die als Ill. zu 1. Mos. 1, 10 dienen; s.a. Sp. 1039); erst im späteren MA findet sich häufiger dem Schema der Noachidenkarte gemäße Anordnung des Landschaftsbildes (z. B. in vielen Ill. zu Augustinus, De civitate dei), angeregt wohl durch Weltkarten.

b. Die zweite Typengruppe ist gekennzeichnet durch die Kombination von „realer“ E.-Schilderung und solchen E.-Formeln, die über die Form der E. im ganzen und über das geographische Verhältnis von Land (terra) und Meer unterrichten. Alle diese Darstellungen basieren auf der Vorstellung, die E. sei rings vom Meer umgeben, das wie ein Fluß um die E. fließe; zu dieser schon in der Antike in das volkstümliche Allgemeinwissen eingegangenen und dem MA überlieferten Vorstellung trat oftmals die Auffassung, die ganze E. schwimme auf dem Meer (Belege s. *Land und Meer; ferner: Ernst Kitzinger, Mosaic Pavements in the Greek East and the Question of a ‚Renss.‘ under Justinian, in: Actes du VIe Congr. internat. d’études byzant. [1948] Bd. 2, Paris 1951, S. 209–23; ders., Dumbarton Oaks Papers 6, 1951, 100–08). Die – je nach der zugrunde gelegten Meinung – runde, ovale (Abb. 9, 24), rechteckige (Abb. 1) oder quadratische Fläche (Abb. 36) der E. füllen einzelne charakteristische Motive der geographischen E.-Gestalt, vor allem Bäume und Pflanzen (die stets auch auf die Fruchtbarkeit der E. hinweisen: Bildbeischriften wie die zu Abb. 1 sind bis zu einem gewissen Grade typisch), Tiere aller Art, ferner meist kahle Berge, hin und wieder Gebäude, vergleichsweise selten Menschen (sofern nicht, wie in der Apok.-Ill., aus thematischen Gründen deren Anwesenheit gefordert ist, vgl. Abb. 9 u. Sp. 1047ff.).

Die typenmäßige Gruppierung ist am ehesten nach der Form der E.-Fläche möglich, doch ist dabei zu berücksichtigen, daß beinahe alle Typen gleichzeitig, oft unmittelbar nebeneinander vorkommen können und damit zu rechnen ist, daß auch äußere Umstände, wie z. B. die Einordnung eines solchen E.-Bildes in größere Bildzusammenhänge, die Wahl der Form beeinflußten. Das war desto leichter möglich, als in der einfachen geographischen Grundvorstellung alle Typen übereinstimmen; lediglich ihre Vermischung mit allegorischen Vorstellungen (etwa: Form der E. = Struktur des Tabernakels in Jerusalem, so Kosmas Indikopleustes: Kitzinger a.a.O. [1951], S. 105) oder Erfordernisse des zu illustrierenden Textes (s. Apok.-Ill., Sp. 1047f.) ließen die Entscheidung für eine bestimmte Formel unumgänglich erscheinen.

Der rechteckige Typus (Abb. 1) ist der für das MA ungewöhnlichste, jedoch der bisher am genauesten untersuchte (Kitzinger a.a.O. [1951]): möglicherweise von einer antiken Mappa mundi in allgemeinen Zügen angeregt, ist er in Werken des byzantinischen Kunstkreises (Abb. 1 ; Hss. von Kosmas Indikopleustes, Christliche Topographie’, z. B. Cosimo Stornajolo, Le Miniature della Topografia Cristiana di C. I., Cod. Vat. gr. 699, Mailand 1908, Taf. 3 u. 7; Ill. zu 1. Mos. 1, 14 in Oktateuchen, z. B. Smyrna, ms. B. 8, fol. 7, oder Istanbul, Serail, ms. 8, fol. 32v; Moskau, Hist.Mus., ms. gr. 129 [Chludov-Psalter], fol. 133, sowie London, B.M., Add.Ms. 19 352, fol. 174, beides Ill. zu Ps. 136 [135], 6f., vgl. auch Sp. 1044) und in frühen Beatus-Hss. anzutreffen (hier allerdings, wie es scheint, Zug um Zug gegen im Abendland gängigere Typen fallen gelassen, s. u. Sp. 1048). Selbst wenn die Bedeutung des Typus für das Abendland größer gewesen wäre, als es derzeit erkennbar ist, so dürfte man doch zweifeln, ob er über das 12. Jh. hinaus hier eine bedeutendere Rolle gespielt habe; sein Erbe scheinen – ebenfalls auf antike Vorlagen zurückgehende (vgl. Abb. 33) – Bilder angetreten zu haben, die in einen rechteckigen Rahmen eingepaßt sind, im Vordergrund einen Streifen Wasser und dahinter eine Landschaft mit Bäumen (und Getier) zeigen, so z. B. Paris, B.N., ms. lat. nouv. acq. 2290, fol. 78, eine Beatus-Hs. vom A. 13. Jh., in der ein solches Bild an die Stelle einer jener halbwissenschaftlichen geographischen E.-Darstellungen trat (s. u. Sp. 1048). Die übrigen Typen sind bisher zu wenig untersucht, als daß hier über sie im einzelnen berichtet werden könnte; es kann lediglich durch Abbildung für sie jeweils charakteristischer Beispiele auf sie hingewiesen werden: für den ovalen Typus vgl. Abb. 24 (zu einer Variante des späteren MA: Sp. 1049; als Beleg für die Vorstellung im byzantinischen Kunstkreis vgl. die Sp. 1041 genannte Miniatur des cod. slav. 4 der B.St.B. München); für den quadratischen Typus vgl. Abb. 36 und Sp. 1048. Eine gewisse Sonderstellung muß vielleicht dem halbrunden Typus zuerkannt werden (Abb. 22): vermutlich ist er herzuleiten von der Vorstellung, der aus Himmel und E. bestehende Mundus sei im Bild eines Kreises zu fassen; halbiere man den Kreis, so erhalte man jeweils Himmel und E. Es hat den Anschein, als habe man die beiden Kreishälften gerne in der Weise voneinander abgesetzt, daß sie mit ihren Peripherien einander zugekehrt sind, vgl. auch Abb. 27. Schon jetzt ist festzustellen, daß der halbrunde Typus, dessen Ursprung in der byzantinischen Kunst zu suchen ist, besonders rasch seine geographisch bedeutungsvollen Motive einbüßte: der einfassende Streifen mit stilisierten Wellen (= Meer) wurde zu einer abstrakten Rahmenform, die sich vielfach auf die Darstellung der Peripherie beschränkt (wie in Abb. 27); andererseits konnte aber auch die Peripherie zu einem breiten Band werden, das für sich allein benutzt wurde; z. T. mit – wellenförmigem! – Pflanzenornament geschmückt (z. B.: Magdalenenfenster aus Weitensfeld i. Kärnten, 3. Dr. 12. Jh.: Ausst.Kat. „Romanische K. in Österreich“, Krems 1964, S. 112 Nr. 67, Farb-Taf. 6), dient es stehenden Figuren als Standfläche, thronenden als Fußschemel (s. u. Sp. 1071). Die ursprüngliche Formel büßt bei den Umbildungen ins Dekorative oder Ornamentale ihren Gehalt ein; erstaunlicherweise ist jedoch auch die Masse der umgestalteten, der unmittelbaren Anschaulichkeit geographischer Vorstellungen entbehrenden Beispiele so verwendet, wie es der Benutzung der intakten Formel entspräche.

D. Handschriften mit medizinisch-pharmazeutischem Inhalt

Die wenigen E.-Darstellungen in Handschriften medizinisch-pharmazeutischen Inhalts zählen zu den wichtigsten Zeugnissen der E.-Ikonographie: diese E.-Personifikationen sind der Hauptbeleg für die kontinuierliche Überlieferung eines (spät-)antiken Bildtyps ins MA. Sie sind auf den Autorenbildern zur „Precatio terrae“ wiedergegeben, einem zu Unrecht dem Arzt Antonius Musa zugeschriebenen Gedicht aus der römischen Kaiserzeit, das in der Regel zusammen mit der Schrift „De herba vettonica“ überliefert wurde (diese steht – ebenfalls unzutreffend – unter dem Namen Musa; vgl. Martin Schanz u. Carl Hosius, Gesch. d. römischen Literatur b. z. Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian, 2. Teil: Die röm. Lit. in der Zeit der Monarchie bis auf Hadrian [= Hdb. d. Altertumswiss. 8. Abt., 2. Teil], Mchn. 19354, S. 395 § 355c; ferner [17], Sp. 1135). In jenem Gedicht wird die E. als Allmutter verherrlicht und angerufen, sie möge den angewandten Heilkräutern die erhoffte Wirkung verleihen. Das Autorenbild ist zugleich eine Illustration dieses Inhalts: der Autor nähert sich verehrungsvoll-bittend der E., einer jugendlichen Frau, die auf dem Rücken einer am Boden kriechenden Schlange sitzt, in der Rechten ein Füllhorn hält und deren Linke unter dem Gewand verborgen ist. Das fußlange Kleidungsstück läßt rechte Schulter und Brust unbedeckt; die Bäume und Pflanzen, die die E.-Personifikation umgeben, sind als ihre Attribute zu erachten (Abb. 33). Im Vordergrund des Bildes ist ein Gewässer (Fluß?) sichtbar, das durch einen Mann mit Dreizack, Ruder und einem Wassertier personifiziert wird.

Die beiden Werke des Ps.-Musa sind gewöhnlich in Sammelhandschriften medizinischen Inhalts enthalten; die Zusammenstellung der Schriften, die im wesentlichen die gleiche ist, ist vermutlich im 5. oder 6. Jh. erfolgt: das ist bislang auch der einzige zeitliche Anhaltspunkt für das Alter des E.-Bildtyps, der offenbar – wie auch die übrigen Illustrationen der Sammelhandschrift – mit großer Treue bis ins 13. Jh. überliefert wurde (Georg Swarzenski, Ma. Kopien einer antiken medizinischen Bilderhs., Jb. d. kaiserl. Dt. Archäol. Inst. 17, 1902, 45–53). Der Wiener Hs. (Abb. 33) ist die in Florenz, Bibl. Laurenziana, Plut. LXXIII cod. XVI, 13. Jh., zu vergleichen (Angelo Maria Bandini, Cat. codicum lat. bibl. Mediceae-Laurentianae Bd. 3, Florenz 1776, Sp. 35ff.; ebd. Sp. 36 der Text der „Precatio terrae“). – Die noch ausstehenden Spezialuntersuchungen können das von Ernst Howald und Heinr. E. Sigerist erstellte Verzeichnis der Hss., die die im „Corpus medicorum latinorum“ Bd. 4 (Lpz. u. Bln. 1927, S. V–XIV) edierten Texte enthalten, als Ausgangspunkt benutzen.

Bisweilen finden sich in den medizinischen Hss. auch für die E.-Ikonographie sehr bemerkenswerte Texte, die allerdings nicht von E.-Bildern begleitet sind, z. B.: „Ygia, summa nutrix draconum, per matrem terram te adiuro, ut curis praecantationibus Asclepii, herbarum doctorem, incantationem meam preferas inlibatam“ (Howald-Sigerist a.a.O. S. 295).

VII.–IX. Darstellungen

VII. E.-Darstellungen im MA

A. Allgemeines, E.-Personifikation

Die E.-Darstellungen im Mittelalter sind in ihrer Vielfalt ein getreues Abbild der Vieldeutigkeit des E.-Begriffes und der z. T. widerspruchsvollen Verschiedenheit ihrer Voraussetzungen. Das zeigt sich schon daran, daß die ma. E.-Darstellungen vielfach rein literarisch sind: bestimmten Textstellen beigefügt (oder auf sie zurückzuführen), bringen sie deren Aussage so genau wie möglich ins Bild und sind daher nur von der jeweiligen Schriftquelle her zu würdigen, oder sie sind zur bildlichen Auslegung bestimmter Texte herangezogen, sind Nutzanwendung gängiger naturkundlicher oder heilsgeschichtlicher Einsichten (eine hierfür typische Gruppe sind die E.-Darstellungen in Bildprogrammen zur Illustration des Prologs zum Johannesevangelium, s.u. Sp. 1082f.).

Als Bildquellen leisteten antike E.-Darstellungen wichtige Dienste. Hauptproblem bei der Charakterisierung der ma. E.-Bilder ist die Rekonstruktion der dem MA tatsächlich überlieferten antiken Bildtypen. Die heute bekannten antiken E.-Bilder waren zum überwiegenden Teil dem MA nicht bekannt; die mit Sicherheit in spätantiker Buchmalerei vorauszusetzenden E.-Bilder, die vor allem als Bildquelle ma. E.-Darstellungen gedient haben dürften, sind heute nicht mehr erhalten. Inwieweit die aufgefundenen antiken E.-Bilder, meist solche repräsentativer Kunst, mit jenen der Buchmalerei gleichgesetzt werden dürfen, ist, wenn überhaupt, nur fallweise zu entscheiden; daß gerade der Fall, in dem eine direkte Tradition eines antiken E.-Bildtyps ins MA nachzuweisen ist, innerhalb der Buchmalerei begegnet und einen Bildtyp zeigt, der in den monumentalen Beispielen aus der Antike nicht belegt ist (s. o. Sp. 1002), außerdem in E.-Darstellungen des MA Tierattribute vorkommen, die nur aus antiken Vorlagen stammen können (s. u. Sp. 1035), aber in den erhaltenen antiken Beispielen nicht anzutreffen sind, mahnt zur Vorsicht. Die ma. E.-Darstellung bietet das Bild eines reich verästelten Baumes, dessen Stamm nur stückweise noch erkennbar ist.

Das mehrfache Vorkommen desselben E.-Bildtyps im MA ist so gut wie nie als Ansatz zu verbindlicher Typenbildung zu erklären: wo bestimmte Formeln über Werkstatt- und Wirkungskreis einer Lokalschule hinaus wiederkehren, sind sie in aller Regel überlieferungsgeschichtlich zu würdigen: es sind Zeugnisse für die Tradition einer Illustrationsformel zu einem bestimmten Text.

Ein Überblick über die E. -Personifikation im MA ergibt folgendes Bild:

Beinahe immer ist die E. ihrer Gestalt nach eine Frau jüngeren oder mittleren Alters. Sie wird in ganzer Figur (Abb. 4 a und b, 5–8, 11, 14, 18f., 21, 23, 29, 31–35) oder als Halbfigur (oder Brustbild) vorgestellt (Abb. 2f., 10, 16f., 25f., 37), im zweiten Falle öfters so, als wachse sie aus dem Erdboden hervor (z. B. Abb. 16f., 20). Nicht so häufig erscheint sie als ein aus Erdschollen hervorkommender (Frauen-)Kopf (Abb. 15), als Medaillon mit einem Frauenkopf (oder auch mit einem Brustbild) gewöhnlich nur in solchen Darstellungen, die als mit figürlichen Motiven angereicherte naturkundliche Demonstrationsfiguren zu kennzeichnen sind (s. u. Sp. 1087f.).

Seit dem späten 11. Jh. finden sich hie und da in der abendländischen, später auch in der byzantinischen Kunst Darstellungen der E. als Mann (Abb. 38; Asinou, Freskomal.: s. u. Sp. 1084). Nur die frühromanische Kunst des Maasgebietes scheint die Abbildung der E. als Mann mit einem Spaten zu kennen (RDK IV 1261/62, Abb. 2); hier handelt es sich jedoch – streng genommen – nicht um eine Personifikation, sondern um die Exemplifikation des Begriffes E. auf Grund von 1. Mos. 3, 17: der für die E. eintretende Mann mit dem Spaten ist ein aus „realen“ Darstellungen des Begriffes E. durch Feldarbeit übernommenes Motiv, letztlich Adam, um dessentwillen die E. mit Gottes Fluch belegt wurde und der sich kummervoll lebenslang auf der E. nähren soll (s. a. Sp. 1043).

Gewisse Körperhaltungen der E. wurden wie typische Merkmale der E.-Ikonographie verstanden und überliefert. Die in ganzer Figur dargestellte E. pflegt am Boden zu sitzen (Abb. 6–8, 11, 18; am Hang eines Berges sitzend: Abb. 6 [?], 29; auf der in stilisierter Weise abgebildeten E. sitzend: Abb. 34) oder sich auf dem Erdboden zu lagern (z. B. Abb. 4 b), wobei sie sich häufig auf einen Arm stützt (Abb. 8, 11, 18). Schilderungen der auf einer Thronbank sitzenden E. sind demgegenüber viel seltener (Abb. 4 a, 19, 31), solche der stehenden E. – von Bildern antiker E.-Göttinnen abgesehen (Abb. 40) – geradezu Ausnahmeerscheinungen der ma. E.-Ikonographie (Abb. 14, 23). Auf einem Tier sitzend ist die E. zwar schon in der Spätantike dargestellt worden (vgl. Abb. 33), doch bürgerte sich dieses Motiv nicht ein. Von byzantinischen Vorbildern übernahm man – nicht sehr oft – das Motiv der auf dem Rücken eines vierfüßigen Tieres „reitenden“ E. (Abb. 35); die auf dem Rücken eines Vierfüßers hingelagerte, gleichzeitig das Tier säugende E. (Abb. 32) ist – vielleicht unter Benutzung von Bildvorlagen, die Europa auf dem Stier wiedergeben – aus dem süditalienischen Halbfigurentypus der Tiere säugenden E. entwickelt worden (vgl. Abb. 17 und, noch näher kommend, diejenigen Tellus-Darstellungen auf Exsultetrollen, die hier – Sp. 1054 – als ‚zweiter Typus’ von E.-Bildern auf diesen Rotuli bezeichnet sind).

Das für die Mehrzahl der hoch-ma. E.-Bilder bezeichnende Motiv der säugenden E. gehört – dem erhaltenen Denkmälerbestand nach zu urteilen – nicht zu den Bildformen, die am Anfang der ma. E.-Darstellungen gebräuchlich waren. Die ein Tier (Schlange: Abb. 5, RDK IV 1259/60, Abb. 1) oder Menschen säugende E. (Abb. 7; [45] Taf. 5 Abb. 9) ist zuerst im 9. Jh. nachweisbar. Während dieses Motiv fortan für Jhh. gebräuchlich blieb, ist die Wiedergabe der E. als Karyatide nur bei wenigen E.-Darstellungen anzutreffen (Abb. 20), für Reichenauer E.-Bilder jedoch typisch (Abb. 16; ferner: Aachen, Domschatz, Evangeliar Kaiser Ottos III., fol. 16: s. u. Sp. 1085) und sonst nur noch in Echternach zu belegen [43, Bd. 2 Nr. 23].

Das (aus der Antike stammende) Motiv der E., die ihre beiden Arme zur Seite ausbreitet (und gelegentlich Zweige oder Bäume in den Händen hält), ist vor allem für halbfigurige E.-Bilder bezeichnend (Abb. 3, 26), doch bisweilen auch auf ganzfigurige E.-Darstellungen übertragen (etwa Abb. 14).

Die Kleidung der E. kann sehr verschiedenen Zuschnitt haben. Oft trägt die E. ein Gewand, das die Brüste oder eine Brust unbedeckt läßt (Abb. 25, 31, 33, 34), häufiger noch nur einen Rock (Abb. 4b, 5ff., 11, 18, 21, 29, 32); doch kommt auch die mit einem Kleid versehene E. vielfach vor (Abb. 8, 14, 19, 23), wobei – was Kostbarkeit der Gewandung und Häufigkeit der Beispiele anbelangt – Byzanz das Abendland weit übertrifft. Die Musterung des Kleiderstoffes mit Pflanzen- und Blattmotiven ist um 1000 erstmals nachzuweisen (Abb. 14; s. dazu auch Sp. 1011). Mancherlei Umdeutung haben das kleine, abgewehte Schultermäntelchen der E. (Abb. 10) und der über ihrem Kopf gehaltene geblähte Schleier erfahren (s. u. Sp. 1084).

Das Repertoire der Attribute ma. E.-Personifikationen ist in vielen Fällen aus dem der antiken E.-Ikonographie gespeist. Mehrfach unterlegte man den antiken Motiven jedoch einen völlig neuen Sinn; damit hängt es auch zusammen, daß manche der in der Antike nur selten benutzten Attribute (z. B. die Schlange) bei ma. E.-Bildern zu den gebräuchlichsten Beigaben gehören. Die motivische Übereinstimmung oder wenigstens Nähe zu antiken E.-Darstellungen ist nur für die Beispiele aus den ersten Jahrzehnten des 9. Jh. charakteristisch. Bereits im 3. Dr. 9. Jh. beginnt sie, sich zu verflüchtigen; nachdem exaktere Übereinstimmungen schon im 11. Jh. nur noch ziemlich selten zu beobachten sind, bedeuten sie bei Darstellungen nach 1100 ein sicheres Indiz dafür, daß die betreffende Darstellung ältere Vorlagen kopiert. Das Abstoßen der in der Antike und in der hochkarolingischen Kunst gebräuchlichen E.-Attribute wird durch das Aufkommen neuer Attribute teilweise kompensiert.

Füllhorn: Nur in der Karolingerzeit und, schon mit Einschränkungen, in der ottonischen gehört das Füllhorn zu den gebräuchlichsten E.-Attributen (Abb. 4 b, 6–8, 11; mit topfartigem Gefäß statt des Füllhorns: Abb. 31). Gewöhnlich entwachsen ihm Ähren, Zweige u. dgl. (Abb. 6–8, 11, 31), selten aber enthält es (wie die Füllhörner antiker E.-Bilder) Früchte (Abb. 4 b).

Die E. pflegt das Füllhorn in der Hand (des zur Seite gestreckten Armes) zu halten (z. B. Abb. 8, 33) oder, gleichsam es umarmend, an den Körper zu pressen (Abb. 4 b, 7, 11). Wenn der E. keine weiteren Attribute gegeben sind, erhält sie bisweilen zwei Füllhörner (Abb. 6): dieses (von karolingischen Buchmalern erfundene?) Motiv kommt später nur noch dort vor, wo karolingische E.-Bilder kopiert wurden (Abb. 38) oder deren Typus anregend wirkte (vgl. Crispin de Passe d. Ä.: Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 15, S. 210 Nr. 622 m. Abb.). Vom 12. Jh. an dient das Füllhorn nur noch ausnahmsweise als E.-Attribut.

Zweige: E.-Personifikationen – ganzfigurig dargestellte (Abb. 5, 19) und, besonders häufig, solche in halber Figur – halten vielfach in einer Hand oder auch in beiden Händen Zweige (Abb. 3). Solche Zweige ersetzen (vom späteren 9. Jh. an) in zunehmendem Maße das Füllhorn; vgl. z. B. Abb. 8 mit Abb. 18 (ferner: Abb. 19). Halbfiguren der E. können aus ihrem Mund Zweige hervorwachsen lassen (Abb. 3). Ob die Zweige auf dem Kopf der E., zumal in byzantinischen E.-Darstellungen (wie Abb. 10) und ihnen nahestehenden süditalienischen beliebt (Abb. 14), als Krone oder als aus dem Haupt der E. hervorwachsend erachtet wurden, läßt sich kaum entscheiden.

Baum: Karolingische Darstellungen lassen vielfach in der Nähe der E.-Personifikation einen Baum aufwachsen (etwa Abb. 8); ob man ihn für ein E.-Attribut hält, bleibt eine Ermessensfrage. Die ottonische Kunst präzisiert den Zusammenhang E. und Baum: sie läßt die E., so wie sie früher das Füllhorn im Arm hatte, den Baum umarmen (Hildesheim, Dombibl., ms. 18, fol. 174, Evangeliar des B. Bernward von Hildesheim; in der Kunst des Maasgebietes mehrfach zu belegen, z. B. Boulogne-sur-Mer, Bibl. municipale, ms. 20, fol. 65, Psalter des Abtes Odbert von St-Bertin, dat. 999: Leroquais, Psautiers Taf. 20; ferner [45], Taf. 69 Abb. 161) oder einen Stamm ergreifen (Abb. 14; eine Verbindung beider Motive: Sp. 626 Abb. 2). Ferner kann, wenn die E. als aus dem Boden hervorschauender Kopf vorgestellt ist, aus ihrem geöffneten Mund ein Baum hervorwachsen (Abb. 15) oder die E. vor einem Baum abgebildet werden und dessen Stamm umfassen (Abb. 16). Während der Baumwuchs in den „realen“ Darstellungen der E. eine gleichbleibend große Rolle spielte, wurde das Baumattribut bei E.-Personifikationen im 12. Jh. selten (Abb. 21) und verschwand dann rasch. Wo es später noch anzutreffen ist, hat man es mit Kopien spätantiker (Abb. 33) oder karolingisch-ottonischer Vorbilder zu tun (Abb. 38).

Kinder: Kindhaft klein dargestellte nackte Menschen – Nachfahren der antiken Karpoi – sind nur karolingischen E.-Bildern in größerer Zahl beigesellt (Abb. 4 b). Abwandlungen des Motivs – Beschränkung auf ein oder zwei Figürchen – sind, dank völliger Umdeutung, etwas länger gebräuchlich geblieben. Das von der E. emporgehobene Figürchen ist zunächst als Abbildung der „Veritas“ gedeutet worden (s. u. Sp. 1043; Abb. 23), ottonische Buchmaler verstanden das Figürchen als Adam (Abb. 11; vgl. auch Abb. 10) oder als den aus E. geschaffenen, auf der E. lebenden Menschen (s. Erdteile Abb. 3). Seit dem 3. Dr. 9. Jh. sind der E. mehrfach zwei solcher Figürchen beigegeben: die E. hält sie im Arm (Abb. 8) oder säugt sie (Abb. 7). Gelegentlich sind die beiden deutlich als Mann und Frau gekennzeichnet (so [43], Bd. 2 Nr. 8), sie sollen wohl die Stammeltern vorstellen. Diese Deutung ist zumal dann offenkundig, wenn außer den beiden Figürchen ein Baum, um den sich eine Schlange mit einem Apfel im Munde windet, der E. als Attribut zugeteilt ist (so im Bernwardsevangeliar a.a.O., fol. 174). – Im Verlaufe des 11. Jh. ist die Bildtradition dieses Attributs erloschen; ganz sporadische Beispiele aus dem späteren MA (wie Abb. 31 u. 37) wird man als Reflex älterer Darstellungen zu erklären haben.

Tiere: Etwa seit der Jahrtausendwende sind Tiere die beliebtesten, oft auch die einzigen Attribute einer E.-Personifikation. Zuvor hatte nur die Schlange, die auch fortan das häufigste Tierattribut der E. blieb, einen festen Platz in der E.-Ikonographie erlangt: die E. sitzt auf einer Schlange (Abb. 33), die Schlange windet sich um den Arm der E. (Abb. 8, 18) oder (und) „ißt E.“, d. h.: sie saugt an den Brüsten der E. (Abb. 5, 17, 34; RDK IV 1260/61, Abb. 1; ebd. Sp. 1266, Abb. 3 d; ebd. Sp. 1268, Abb. 4 b), bisweilen ernährt die E. gleich zwei Schlangen (ein zumal in der Ottonischen Kunst des Maasgebietes beliebtes Motiv, vgl. etwa den Odbert-Psalter a.a.O. und [45], Taf. 69 Abb. 161; Abb. 29). Eine byzantinische Variante ist die E., die der Schlange einen Kelch zum Trinken darreicht s. u. Sp. 1084). Von den übrigen Tieren, die die E. begleiten oder, häufiger, von ihr gesäugt werden, steht das Rind (die Kuh) an erster Stelle (Abb. 17; s. a. RDK IV 1268, Abb. 4 b), seltener kommt die Sau – ebenfalls Opfertier im Tellus-Kult der Antike – vor (Abb. 34), nur sporadisch der Kentaur (Abb. 32) sowie (als Hinweis auf das Hirtenleben?) Widder, Ziege und Hund (Abb. 14). Der vereinzelt dargestellte Drache ist wohl nur eine Gestaltvariante der Schlange. Bisweilen begegnet man auch solchen Personifikationen, die gleichzeitig für die E. und Oceanus-Aqua charakteristische (Tier-) Attribute besitzen: es handelt sich um Darstellungen der E. im Sinne von „orbis“ (= vom Meer umflossenes Land); s. dazu Sp. 1025ff. So ist es durchaus möglich, daß z. B. der Fisch zum (allerdings nie einzigen) Attribut einer E.-Personifikation werden konnte (vgl. Abb. 21, sofern das Relief tatsächlich die E. und Eva mit Kindern vorstellt).

Geräte der Feldarbeit wie Hacke und Spaten sind nur Darstellungen der E. in männlicher wie in weiblicher Gestalt beigegeben (Abb. 25). In ikonographischer Hinsicht sind sie als Analogiebildung zum Ruder-Attribut des Meeres (Abb. 33) zu verstehen, bezeichnenderweise mit diesem gelegentlich sogar verwechselt worden (Abb. 35).

Krone, Diadem u. ä. gehören zu den seltener vorkommenden E.-Attributen (Krone: Abb. 26, 32, 38) und sind allenfalls für einige Überlieferungszweige der byzantinischen E.-Ikonographie charakteristisch (s. u. Sp. 1084). Im Abendland ist die Darstellung der E. mit unbedecktem, bisweilen auffällig langem (Abb. 3, 4 a, 8, 16, 18, 25) oder im Wind spielendem Haupthaar (etwa Abb. 17) die Regel. Zweige, Blumen und Gesträuch können der E. wie eine Krone auf das Haupt gesetzt sein (Abb. 14).

Neben den genannten Attributen besitzen E.-Darstellungen noch eine stattliche Zahl weiterer Beigaben, die aber nur in Verbindung mit dem Text, den das betreffende E.-Bild illustriert, sinnvoll sind und keine allgemeine Bedeutung für die E.-Darstellung besitzen, so z. B. der Nimbus (Abb. 3), Ruten (s. Sp. 1041) usw.

B. Illustration des Wortes E.

Die Illustration des Wortes E. in Büchern religiösen Inhalts – in der Bibel (1), liturgischen Büchern (3), homiletischen Werken (2) – bietet keinen vollständigen Überblick über den Umfang und die Form, in denen die christlichen E.-Vorstellungen Bildgestalt gewannen. Es gibt zahlreiche Bibelstellen, die für E.-Darstellungen formal außerordentlich bedeutsam sind, in der Buchillustration jedoch als Bild zu der betreffenden Stelle fast nie vorkommen z. B. Jes. 66, 1, und Mt. 5, 34f.; s. u. Sp. 1065ff.). Hier sind nur diejenigen Textstellen zu berücksichtigen, die mehrfach mit E.-Bilder enthaltenden Darstellungen wiedergegeben wurden; die themengleichen Beispiele aus der Wandmalerei und der Skulptur sind an entsprechender Stelle mitbehandelt.

1. Bibel

Eine verbindliche Norm, welche Textstellen der Bibel mit einer E.-Darstellung zu versehen seien, gab es nicht. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit kommen E.-Bilder bei der Schilderung der Schöpfung vor (a); in der Psalterillustration (b) finden sich besonders interessante Beispiele, die allerdings zu keiner Zeit in das allgemeine Repertoire der Miniatoren eingingen; die Apokalypse ist weit seltener mit E.-Darstellungen illustriert, als man bei der mittelbaren Bedeutung einiger ihrer Textstellen für die E.-Ikonographie erwarten möchte (c). E.-Bilder in Werken, die Nacherzählung des betreffenden Bibelberichtes oder Kommentare zu diesem bieten – etwa in Genesisdichtungen und Hexaemeron-Traktaten –, sind nicht gesondert aufgeführt.

a. Schöpfungsgeschichte

Die verschiedenen Erwähnungen der E. im biblischen Bericht von der Schöpfung sind für die bildende Kunst von ungleicher Bedeutung. Während 1. Mos. 1, 1 veranlaßte, Himmel und E. als Attribute ihres Schöpfers darzustellen (s. u. Sp. 1073; s. a. Himmel und Erde), hat 1. Mos. 1, 9f. (bzw. 1, 9–12) den Anstoß zu vielen E.-Darstellungen gegeben, die den Text unmittelbar illustrieren; die Gesamtheit des in den drei ersten Tagen verrichteten Schöpfungswerkes – die Erschaffung von Himmel, E. und Meer – regte zur Schilderung der drei *Weltteile (partes mundi) an.

Den größten Teil aller E.-Darstellungen zum Schöpfungsbericht machen Schilderungen des dritten Schöpfungstages aus. Die künstlerische Bedeutung dieser Beispiele steht im Gegensatz zu ihrer Häufigkeit: meist wurde die E. als Demonstrationsfigur wiedergegeben (als Kreis oder Scheibe, bisweilen auch als Kugel, in die die Einteilung in drei Erdteile eingetragen sein kann, ebenso auch findet man gelegentlich die „rota elementorum“); um größere Anschaulichkeit bemühte Illustrationen (wie z. B. Chantilly, Mus. Condé, ms. 1632, fol. 3: Abb. 28 oder die Bibel aus Souvigny in Moulins, Bibl. municipale, ms. 1: Louis Bréhier, La bible de Souvigny, Paris 1910) sind selten, eher schon wird die E. als Landschaft mit Pflanzen und Bäumen wiedergegeben (vgl. etwa Sp. 561/62 Abb. 3, Sp. 631 Abb. 6, Sp. 635/36 Abb. 8). Die wichtige Frage nach etwaiger Aufnahme von Motiven aus der wissenschaftlichen oder halbwissenschaftlichen Ill. in die Genesisdarstellung ist bisher noch nicht aufgeworfen worden (einige Hinweise Sp. 1026ff.; vgl. auch Abb. 28). Nur vereinzelt und wie es scheint nicht vor dem 11. Jh. kommen Personifikationen (von E. und Meer) vor.

Die Schilderung der drei ersten Schöpfungstage im Uta-Evangelistar aus Kloster Niedermünster in Regensburg, um 1025, die einem Bildprogramm zum Prolog des Johannesevangeliums eingegliedert ist, bietet das älteste bisher bekanntgewordene Beispiel (München, B.St.B., cod. lat. 13 601, fol. 89: G. Swarzenski, Regensburg S. 102 B u. Taf. 33): die E. ist als am Boden liegende, mit einem Schurz bekleidete Frau mit langen gescheitelten Haaren wiedergegeben; um ihr linkes Bein windet sich eine Schlange. – Einen anderen Bildtypus findet man bei jüngeren, untereinander schulmäßig zusammenhängenden Miniaturen: vor einer Bergkulisse sitzt eine Frau mit langem Rock und entblößtem Oberkörper und säugt zwei Schlangen (die merkwürdig unmotivierte Beinhaltung ist vielleicht als Reflex einer E.-Darstellung zur „Precatio terrae“ – s. o. Sp. 1028f. u. Abb. 33 – zu erklären); Beispiele für diesen E.-Bildtypus enthalten die Gebhardsbibel in Admont und die Gumbertsbibel in Erlangen (G. Swarzenski, Salzburg Taf. 27 Abb. 92 und Taf. 34 Abb. 114) sowie das Hexaemeron des Ambrosius in München, B.St.B., cod. lat. 14 399, fol. 40 (Abb. 29).

In der Buchmalerei des Maasgebietes ist im späten 11. Jh. sporadisch ein stark abweichender E.-Bildtypus nachzuweisen: die E. ist eine nackte oder nur mit langem Rock bekleidete Frau, die einen Baumstamm (oder deren zwei) umgreift (Tournai, Priesterseminar, ms. 1, fol. 6, dat. 1084: Sp. 626 Abb. 2; Brüssel, Bibl. roy., ms. II 1179: [45] Taf. 96 Abb. 222). Während die süddt. Beispiele einen E.-Bildtypus benutzten, der aus anderen Bildzusammenhängen übernommen wurde und keine konkreten Hinweise auf den Schöpfungsvorgang enthält, ist das Baumattribut der maasländischen, gemäß 1. Mos. 1, 11f., als Anspielung auf die Fruchtbarkeit der E. zu verstehen, dem Text näher. Das gleiche Attribut hält auch die nur mit dem Oberkörper aus Erdschollen hervorkommende Frau in einer Darstellung der „constitutio mundi et elementorum“ in der Flavius Josephus-Hs. Paris, B.N., ms. lat. 5047, fol. 2, 12. Jh., doch ist es bei aller Nähe zu Typen der E.-Personifikation zweifelhaft, ob diese Wiedergabe als solche zu bezeichnen ist: auch mehrere andere Tagewerke sind hier (z. T. gleichgekleideten) Frauengestalten wie Attribute zugeteilt (Phil. Lauer, Les enluminures romanes des mss. de la B.N., Paris 1927, S. 81f., Taf.

Als Beispiel für ein E.-Bild bei Schilderung der Pflanzenschöpfung sei ein Deckengem. des 14. Jh. in Decani genannt: der Herr gebietet der E., einer am Boden sitzenden Frau in einem Kleid, das eine Brust freiläßt, Pflanzen hervorzubringen; aus dem Haupt der E. wächst ein Strauch hervor, in ihrer Linken hält sie eine Pflanze, während sie mit ihrer Rechten den Herrn grüßt (Vladimir R. Petković, La peinture serbe du moyen âge [= Mus. d’hist. de l’art. Monuments serbes VII], Belgrad 1934, S. 44, Taf. 133).

Keine der E.-Darstellungen in personifizierter Gestalt, die den dritten Schöpfungstag illustrieren, hat über den lokalen Schulkreis hinausgewirkt; mit dem Erlöschen der Schultradition endigt auch die Überlieferung des E.-Bildtyps. Die zahllosen Schilderungen des Sechstagewerkes in der Gotik sind fast alle mit formelhafter Wiedergabe der E. ausgekommen.

b. Psalter

Auf Verse des Psalters bezogene E.-Darstellungen unterscheiden sich von denen zu anderen Bibelstellen dadurch, daß sie so gut wie nie schematische Figuren benutzen: die E. wird entweder durch Landschaft, Anhäufung von Landtieren und Schilderungen von Feldarbeit oder durch (die hier allein interessierenden) Personifikationen vorgestellt. Die meisten Beispiele finden sich in karolingischen Psalterhss., einige in der byzantinischen Wandmalerei. Eine Regel, welche der vielen das Wort E. enthaltenden Textstellen mit einem E.-Bild zu illustrieren sei, bestand nicht. Die im Utrecht-Psalter, um 830 (ed. Ernest T. de Wald, The Ill. of the Utrecht Psalter, Princeton N. J. 1933), und dessen Kopien (London, B.M., Ms. Harley 603, A. 11. Jh.: Francis Wormala, English Drawings of the 10th and 11th C., New York 1953; Cambridge, Trinity College, Ms.R. 17. 1, Canterbury, um 1150: ed. Montague Rhodes James, The Canterbury Psalter, London 1935; Paris, B.N., ms. lat. 8846, Ende 12. Jh. u. 14. Jh.: ed. H. Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.], Psautier illustré – 13e s. [= B. N. Département des mss., 3], Paris 1906) mit E.-Personifikationen illustrierten Perikopen sind in keinem Falle identisch mit denen, die der Miniatur des Stuttgarter Psalters im 1. V. 9. Jh. mit solchen versah (Stuttgart, L. B., cod. Biblia fol. 23: ed. E. T. de Wald, The Stuttgart Psalter, Princeton 1930). Ein Teil der E.-Darstellungen in Psaltern folgt dem Text so eng, daß es kaum denkbar ist, außerhalb der Psalterillustration liegende Bildquellen hätten nennenswerten Einfluß auf ihre Konzeption gehabt. Bei anderen ist es verhältnismäßig leicht, hinter dem bald mehr, bald weniger dichten Schleier textbedingter Hinzufügungen antike E.-Bildtypen als Grundformel zu erkennen. Nur im Stuttgarter Psalter sind fast alle E.-Bilder Varianten eines Typs, im Utrecht-Psalter wechselt die Bildform von Beispiel zu Beispiel. Auch in ihrem Textbezug gleichen sich die E.-Bilder nicht alle: neben der bildlichen Nacherzählung des Textes stehen „topographische“ Darstellungen und solche, die der Interpretation des Psalmtextes ihre Entstehung verdanken. Nur auf dem Weg der Umdeutung konnte ein höchstwahrscheinlich für die Psalterillustration geprägter Typus auch außerhalb ihrer Tradition aufgegriffen werden (s. u. zu Ps. 85 [84], 12).

Ps. 24 (23), 1ff. (München, B.St.B., cod. slav. 4, fol. 33, 14. Jh. nach spätantiker Vorlage: Jos. Strzygowsky, Die Miniaturen des serbischen Psalters der Kgl. Hof- und Staatsbibl. in München [= Denkschriften d. Kaiserl. Akad. d. Wiss. in Wien, phil.hist. Klasse, Bd. 52], Wien 1906, S. 27f. u. 95, Taf. 11; Belgrad, Nat.Bibl., ms. 185, fol. 49: ebd. S. 28): die Beziehung zum Text wird durch die Art der Landschaftsdarstellung hergestellt, nicht durch die Bildform der E., die auf einer Thronbank sitzt und ihre Füße auf einen kubischen Schemel setzt, die einen roten, ihre rechte Brust unbedeckt lassenden Mantel und Blumenschmuck (?) im Haar trägt und in ihrer Linken ein Füllhorn hält. Die offensichtlich motivisch nicht korrekt kopierte Darstellung (darüber ebd. S. 95) gehört zu den (zumal außerhalb der Psalterillustration) seltenen Beispielen für die thronende E.

Ps. 42 (41), 7 (Stuttgarter Psalter fol. 54): die E. als nackte, nur mit dem Oberkörper aus dem Erdboden hervorkommende Frau mit gescheitelten, langen Haaren ist die Grundformel der E.-Bilder in dieser Hs. Hier trägt die E. eine (Korallen?-)Halskette und ein nach Korybantenart über den Kopf geschwungenes Tuch. Die E. veranschaulicht die Ortsangabe „terra Jordanis et Hermoniim“.

Ps. 50 (49), 11ff. (Utrecht-Psalter fol. 28v): die Perikope ist ähnlich wie die Parallelstelle Ps. 24 (23), 1ff. (s. o.) durch eine auf einem Thron mitten im Acker sitzende Frau wiedergegeben, die zwei Füllhörner, denen ährenschwere Halme entsprießen, im Schoß hat. Die E. hält in ihren Händen zwei sehr lange Ruten (?): eine benutzt sie wie eine Peitsche gegen die Sünder zu ihrer Linken (vgl. V. 16ff.), mit der anderen hält sie Opfertiere, die Fromme zum Altar treiben wollen, von diesem fern (vgl. V. 9). Die E. vollzieht hier Handlungen, die Gott dem Volk Israel als seine eigenen vorstellt. Die E.-Darstellung ist im strengen Sinne nicht Textillustration, sondern Antwort auf den Text: die E. = Menschheit geht den von Gott gewiesenen Weg der Frömmigkeit. In der Pariser Kopie des Utrecht-Psalters ist die Bildform stark verändert: es fehlen nicht nur die Ruten, sondern die E. erscheint als thronender und gekrönter, bärtiger Mann mit Krone, der zwei Füllhörner im Schoß hat und seine Hände wie ein die Wundmale vorzeigender Christus hält, die Handflächen nach außen (Abb. 38; zur Datierung und Lokalisierung s. a. Millard Meiss, The Journ. of the Walters Art Gall. 4, 1941, 70–76).

Ps. 60 (59), 4 (Boulogne-sur-Mer, Bibl. mun., ms. 20, Psalter des Abtes Odbert von St-Bertin, fol. 65, dat. 999: Leroquais, Psautiers Taf. 20): die Bemerkung, Gott habe die E. „bewegt und zerrissen“, ist nur indirekt Veranlassung, die Initiale D(eus) mit den Personifikationen von E. und Meer zu versehen: die inhaltlich weit ausgreifende (ekklesiologische, z. T. auch kosmologische) Interpretation des Psalmes motiviert sie. Die E., eine nur mit einem knielangen Rock bekleidete Frau, sitzt auf einem Berghang und hält sich an einem Bäumchen fest; sie säugt zwei Schlangen, die sich um ihre Arme winden; aus ihrem Haupt wächst eine Pflanze, eine zweite hält sie in der erhobenen Linken.

Ps. 85 (84), 12, „Veritas de terra orta est“, ist in Psalterhss. und wegen der typologischen Bedeutung der Perikope (zumal als Typus der Geburt Christi), in Hss. liturgischen und typologischen (Bild-)Inhalts (Abb. 26 u. 27) wiedergegeben worden. Die älteste bekannte Darstellung enthält der Utrecht-Psalter (fol. 49v; von de Wald a.a.O. nicht erkannt, vgl. Erwin Panofsky, Studies in Iconology, New York 1939 [Nachdruck ebendort u. Evanston 1962], S. 157f. Anm. 98 [desgl.]; Ad. Katzenellenbogen, Allegories of the Virtues and Vices in Mediaeval Art ... [= Studies of the Warburg Inst., 10], London 1939, S. 40f.): die E. hebt ein nacktes Kind, die „Wahrheit“, empor, der sich herabneigenden „Gerechtigkeit“ entgegen. Motivverwandte Darstellungen besitzen nicht nur die Kopien des Utrecht-Psalters (z. B. Abb. 23): ein sächsischer (?) Zeichner des 10. Jh. deutete die Personifikation der „Veritas“ als Adam um und fügte die E. mit Adam als Attribut einem Kreuzigungsbild hinzu (Abb. 11); ein kölnischer Miniator der Zeit um 1050 stellte die E. (das Element) entsprechend dar: wie Wasser den Fisch, Luft den Mond und Feuer die Sonne hält die E. ein kleines nacktes Kind empor, den aus E. geschaffenen, auf der E. lebenden Menschen (Bamberg, St.B., Bibl. 94, fol. 154v, s. Erdteile Abb. 3). Im 11. Jh. macht sich die Tendenz geltend, die E. bei Illustration dieses Psalmverses nicht mehr in personifizierter Gestalt zu schildern: Im Sakramentar des Abtes Manasse von Berges-St-Vinoc, etwa 1025 in Lüttich entstanden (Paris, B.N., ms. lat. 819, fol. 13: [45] Taf. 83 Abb. 192) ist die E., aus der die Wahrheit hervorwächst, nur noch durch Schollen angedeutet; in Helmarshausener Buchmalereien der 2. H. 12. Jh. vergegenwärtigt ein dicht mit Pflanzen bewachsener Halbkreis die E. (Abb. 27; Städel-Jb. 7/8, 1932, S. 264 Abb. 211 und S. 269 Abb. 219); im Helmstedter Evangeliar von 1194 ist dann, wie später fast immer, die anschauliche Darstellung des Textes durch das Bild Davids (als des Autors der Perikope) ersetzt (ebd. S. 275 Abb. 223). – Als Beispiel für die Darstellung des Psalms in einer Hs. liturgischen Inhalts ist das im 2. V. 12. Jh. in Salzburg geschaffene Sakramentar cod. Biblia fol. 20 der L.B. Stuttgart zu nennen, wo die Wahrheit, dem typologischen Verständnis der Perikope entsprechend, durch das Christkind in der Krippe vorgestellt ist, darunter die Halbfigur der gekrönten E. (Abb. 26).

Ps. 90 (89), 2 (Utrecht-Psalter fol. 53, Abb. 4a): die Abbildung der E. als thronende Frau, über deren Unterkörper ein Tuch drapiert ist, die in ihrer Rechten die E. (orbis) als Attribut hält und ihre Füße auf einen kubusförmigen Schemel setzt, ist eines der frühesten Beispiele für die erst in der Neuzeit häufiger vorkommenden Darstellungen der E. (terra) mit dem „orbis terrarum“ als Attribut. Die Darstellung ist wohl von spätantiken *Stadtpersonifikationen herzuleiten (eine andere Erklärung sieht in dem Attribut ein Tympanum – vgl. J. J. Tikkanen, Die Psalterillustration im MA Bd. 1, Helsingfors 1895, S. 237 –, nimmt also die Übernahme von Vorstellungen aus der Ikonographie der Cybele [s. Sp. 1009] an).

Ps. 95 (94), 4f. (Stg.-Psalter fol. 110v): ausnahmsweise ist die aus dem Boden herauswachsende E.-Personifikation mit einem Füllhorn als Attribut durch eine Inschrift namentlich bezeichnet. Wenn diese Perikope, anders als die zahlreichen Parallelstellen im Psalter, von dem Miniator der Stuttgarter Hs. durch ein E.-Bild ausgezeichnet wurde, dürfte das mit der in den folgenden Versen vorgetragenen Gebetsaufforderung zusammenhängen, derethalben Ps. 95 (94) in der homiletischen Literatur öfter zitiert wurde.

Ps. 97 (96), 1 u. 4 (Stg.-Psalter fol. 111): die nackte, fast nur mit dem Kopf aus der E. herauskommende E. ist ein ziemlich selten erscheinender Typ der E.-Personifikation (vgl. aber Apokalypsenillustrationen mit E.-Bildern: s. Abb. 2 u. Sp. 1045f.).

Ps. 102 (101), 18ff. (Utrecht-Psalter fol. 58, Abb. 4b): die E.-Darstellung folgt einem aus der Antike überlieferten Typus, der jedoch in charakteristischer Weise umgebildet ist: bei der am Boden hingelagerten Frau mit entblößtem Oberkörper und Füllhorn stehen fünf Kinder – mehr als bei allen antiken E.-Bildern – und gliedern sich durch ihre Bewegungen als selbständig Handelnde in die Textillustration ein. Wiederum ist die E.-Personifikation nicht so sehr bildliche Wiedergabe des Sachbegriffes E. als vielmehr der auf ihr lebenden Menschen.

Ps. 104 (103), der sog. „Schöpfungspsalm“, wurde, wie es scheint, nie unter Benutzung einer E.-Personifikation illustriert, sondern stets durch anschaulichere Abbildungen des Geschaffenen. Gelegentlich hat die V. 5 getroffene Feststellung auf die E.-Ikonographie eingewirkt (vgl. etwa Abb. 13).

Ps. 136 (135), bes. V. 6 und 25 (Stuttgarter Psalter fol. 151v, Abb. 3): Wiedergabe der E. als nimbierte Frau, aus deren Mund Weinranken wachsen und die Ähren und Pflanzen in ihren Händen hält; V. 25, „dat escam omni carni“, hat den Miniator zur Benutzung einer im karolingischen Kulturkreis sonst nicht aufgegriffenen Bildformel veranlaßt, die – nach zeitlich jüngeren Parallelen zu urteilen – im Bereich der byzantinischen Kunst gebräuchlich war (vgl. auch Abb. 10).

Ps. 1 4 8, 7ff. (z. B. Lesnovo, Wandgem., 14. Jh.: Vl. R. Petkovič a.a.O. [Sp. 1040], S. 54, Taf. 155): die E., eine schöngekleidete Frau, liegt auf einem Bettpolster in einer Landschaft und schaut zu dem in einer Aureole erscheinenden Schöpfer empor. In ihren Händen hält sie einen Schlangenring (?).

c. Apokalypse

Den oft mit Kommentaren versehenen Text der Apokalypse begleiten vielfach in dichter Folge Illustrationen, deren Eigenart die unmittelbare, genaue Umsetzung von Metaphern sowie poetischen Bildern und Ausdrücken in anschauliche Form ist. Da in der Apok. das Wort „terra“ besonders häufig gebraucht wird (über sechzigmal), kommen, dieser Illustrationsweise entsprechend, in größerer Zahl E.-Darstellungen vor. Die meisten sind „reale“ Abbildung der E.: Erdschollen, Berge, Bäume, Pflanzen und Tiere, die entweder für sich allein wiedergegeben oder zu landschaftsartigen Bildern zusammengestellt wurden; in der Regel illustrieren sie topographische Angaben des Textes. Wenn dieser auf einzelne, für die Erscheinung der E. bezeichnende Merkmale hinweist, wurden sie von vielen Illustratoren ins Bild gebracht (so z. B. finden sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Bildern zu Apok. 6, 12–17, Öffnung des sechsten Siegels, Bäume und Berge, in deren Klüften sich Menschen vor den fallenden Sternen bergen). Die „reale“ Darstellung der E. hat im ausgehenden Hoch-MA alle übrigen Arten der E.-Wiedergabe in der Apok.-Illustration verdrängt (wie die Überprüfung der wichtigsten Hss. der verschiedenen Illustrations-Familien anhand der RDK I 781 und bei Réau II, 2, S. 725f., verzeichneten Literatur ergab).

Darstellungen der E. in personifizierter Gestalt oder mittels Bildformeln, die volkstümliche Anschauungen von der Form des Orbis und geographische Charakteristika seiner Erscheinung mit naturkundlichen Demonstrationsfiguren verknüpfen (s. o. Sp. 1025), sind auch in den früheren Epochen ziemlich selten. Ausschlaggebend dafür, wann derartige E.-Schilderungen den „realen“ E.-Bildern vorgezogen werden konnten, war der Inhalt der zu illustrierenden Textstelle: Personifikation der E. setzte voraus, daß der Text die E. als aktiv an den Geschehnissen der Endzeit teilnehmend schildert; die E.-Bildformeln (mit-)benutzenden Darstellungen finden sich in Illustrationen zu Textstellen, in denen von der E. im ganzen (oft in der Formel „Land und Meer“ = Orbis) gesprochen wird oder Näheres von der Beschaffenheit des Orbis mitgeteilt ist (etwa Apok. 7, 1, wo von den vier Ecken der E. die Rede ist). Kartographische Darstellung der E. scheint die Apok.-Illustration nicht zu kennen (die zum festen Bestandteil des Bilderzyklus der Beatus-Hss. gehörenden Weltkarten beziehen sich nicht auf den Text der Apok., sondern auf den „Prologus de Ecclesia et Synagoga“ und sollen die Missionsgebiete der Apostel vorstellen).

Die E.-Personifikationen kommen fast ausschließlich auf Bildern zu Apok. 12, (15–)16 vor: „(misit serpens ex ore suo post mulierem aquam tanquam flumen, ut eam faceret trahi a flumine.) Et adjuvit terra mulierem, et aperuit terra os suum, et absorbuit flumen, quod misit draco de ore suo.“ Von den illustrierten karolingischen Apokalypse-Hss. (Henri Omont, Mss.ill. de l’Apoc. aux IXe et Xe s., Bull.Soc.Fr.Mss. 6, 1922, 62–95) liefert nur die Trierer ein Beispiel für die Abbildung der Textstelle unter Zuhilfenahme einer E.-Personifikation (Abb. 2); in den übrigen Hss. jener Epoche ist die E., wenn überhaupt, „real“ dargestellt. Gleiches gilt auch für die Beispiele des 11. Jh. Unter diesen nimmt sich die Miniatur fol. 31v der Bamberger Apok., Reichenau um 1020, insofern ungewöhnlich aus, als hier der Drache den Wasserstrom nach oben gegen den wie eine Wolke anmutenden Erdhügel speit, über dem das bedrohte Weib schwebt (Heinr. Wölfflin, Die Bamberger Apok., Mchn. 19212, Taf. 31). Unter den themengleichen Bildern in den Beatus-Hss. ist Burgo de Osma, Kathedralbibl., cod. 1, fol. 117v, dat. 1086, erwähnenswert, weil hier die Metapher „os terrae“ als im Querschnitt gezeigter Erdspalt veranschaulicht ist (Wilh. Neuß, Die Apok. des hl. Joh. in der altspanischen und altchristl. Bibel-Ill. [= Spanische Forschgn. der Görresges., 2. Reihe Bd. 2/3], Münster i. W. 1931, Taf. 107). – Seit wann man den „Mund der E.“ als Tierkopf mit weit aufgerissenem Maul schilderte, läßt sich nach den vorliegenden Veröffentlichungen nicht genau ermitteln; sollte für die Illustrationen zum „Liber floridus“ des Lambert von St-Omer (vgl. Léopold Delisle, Notice sur les mss. du ‚Liber floridus’ de Lambert, chanoine de St-Omer, Notices et extraits des mss. de la B.N. et autres bibl. 38, 1906) die Bildformel in der Wolfenbütteler Hs. Gudianus lat. I, fol. 15v, von Anfang an typisch gewesen sein (vgl. Max Huggler, Der Bilderkreis in den Hss. der Alexander-Apok., Antonianum 9, 1934, 308), dann hätte man seit etwa 1120 mit dieser Variante zu rechnen. In zwei Hss. der Alexander-Apok. ist die Szene in der Weise geschildert, daß der Wasserstrom „in das geöffnete Maul eines braunen, in die E. gebetteten Tierkopfes“ fließt (ebd. S. 112 u. S. 136 Nr. 41). Ein Reflex jener Art der E.-Darstellung scheint das in einer Erdmulde liegende, am Geschehen jedoch unbeteiligte Tier zu sein, das in einigen Hss. der „ersten Familie“ (nach der Gruppierung von Montague Rhodes James, The Apoc. in Art, London 1931) dargestellt wurde, z. B. New York, Morgan Libr., Ms. 524, S. 16 (R. Freyhan, Journ. of the Warburg and Courtauld Inst. 18, 1955, Taf. 56 d). – In den französischen Apok.-Hss. ist auch für diese Szene die „reale“ Wiedergabe der E. bevorzugt worden (wie schon im Apok.-Zyklus der Bible moralisée: Comte Alex. de Laborde, La Bible moralisée usw., Paris 1921, Tafelbd. 4).

Hier sind auch diejenigen Illustrationen zu Apok. 6, 9–11 zu nennen, die am unteren Rand des Bildfeldes eine Halbfigur mit Nimbus und zur Seite ausgebreiteten Armen zeigen (Lissabon, Archivo Torre do Tombo, Beatus-Hs., fol. 111, dat. 1189: W. Neuß a.a.O. Taf. 70 Abb. 104): zwar handelt es sich da nicht um eine Personifikation der E., sondern – wie sich aus dem Text ergibt – um eine solche der „vox animarum interfectorum“, doch ist der Bildtyp der E.-Ikonographie entlehnt. Diese Übernahme dürfte dadurch gefördert worden sein, daß in der Bibel an mehreren Stellen die E. in Zusammenhang mit dem Schrei des gerechten Blutes genannt wird (vgl. 1. Mos. 4, 10; Ps. 9, 13; Mt. 23, 35 und diese Stellen illustrierende Darstellungen).

Wenn auch die Verwendung von E.-Bildformeln viel zahlreicher zu belegen ist, so sind es doch nur wenige Textstellen, bei deren Bebilderung man sich ihrer bediente; typisch ist ihr Gebrauch nur in Illustrationen zu Apok. 7, 1 („... vidi quatuor angelos stantes super quatuor angulos terrae, tenentes quatuor ventos terrae, ne flarent super terram neque super mare, neque in ullam arborem“). Sofern man überhaupt auf die Angaben des Textes näher einging, konnte man auf zwei (einander nicht unbedingt ausschließende) Bildformeln zurückgreifen: die schematische oder auch figürliche Darstellung der Wind-Rota oder aber geographische Abbildungen des Orbis. Beide Möglichkeiten wurden ergriffen (für die hier nicht weiter zu behandelnde erste s. etwa die Beispiele bei W. Neuß a.a.O. Taf. 75f. Abb. 110f.). Die nächstliegende – allerdings für das abendländische MA ungewöhnlichste – Formel boten Darstellungen der viereckigen, meerumflossenen E. (vgl. Sp. 1026f. und Abb. 1). Sie wurden von den Illustratoren der Beatus-Hss. aufgegriffen (Valladolid, Bibl. S.Cruz, Beatus-Hs. v. J. 980, fol. 101: W. Neuß a.a.O. Taf. 77 Abb. 113); mehrfach aber haben sie die Ecken des Rechteckes abgerundet, ins Oval übergehende (Abb. 9) oder tatsächlich ovale Darstellungen des Festlandes gegeben (Beispiele ebd.), selten kreisförmige (ebd. Taf. 73 u. 85), die nach ebd. S. 69 das Original des Beatus von Liébana am getreuesten reflektieren sollen, eher aber doch als Versuche zu bezeichnen sind, den gängigeren Vorstellungen in der Illustration zu ihrem Recht zu verhelfen (in Analogie dazu ist m. E. – mit Konrad Miller, Mappae mundi, Stg. 1895–98, Bd. 1 S. 24ff., gegen W. Neuß a.a.O. S. 62–65 – die originale Form der Beatus-Weltkarten eher in der rechteckigen als in der runden zu sehen, wofür es auch spricht, daß die nach Neuß dem Original nächststehende runde mit einer Anzahl längerer erklärender Legenden aus Isidors von Sevilla „Etymologiae“ versehen ist und dadurch das Streben nach Angleichung an den damals modernen Stand des Wissens verrät). Nicht zur Gruppe der Beatus-Apok. gehörende Hss. des 9.–13. Jh. scheinen zur Illustration der Textstelle keine wissenschaftlichen Formeln bemüht zu haben; selbst späte Beatus-Hss. wie Paris, B.N., ms. lat. nouv. acq. 2290, fol. 78, vom A. 13. Jh., begnügen sich mit „realer“ Abbildung (ebd. Taf. 84).

Vom 13. Jh. an begegnet man zwei neuen Bildformeln, deren Verwendung anscheinend zusammenfällt mit der generellen Klassifizierung der illustrierten Apok.-Hss. Bestrebt, die Vorstellung vom runden Orbis mit den im Text genannten vier Ecken der E. zu harmonisieren, griff man auf Darstellungen des Orbis tripartitus zurück, die diesen als auf die Spitze gestelltes Quadrat mit kleinen Kreisen zeigten, in denen die Namen der Himmelsrichtungen stehen (vgl. etwa Wien, N.B., cod. 387, fol. 14, 9. Jh.: [38] Abb. 56): man ondulierte die Seiten des Quadrates und legte dieses auf einen Kreis, dessen Durchmesser kleiner als die Diagonale des Quadrates ist, so daß die Ecken des Quadrates außerhalb der Peripherie des Kreises liegen. Auf diese Ecken stellte man (ganzfigurige) Engel, die übrige Fläche des Quadrates füllte man mit den – vom Text geforderten – Bäumen, mit weidenden Tieren, einzelnen Bauten, Bergen u. ä. aus, die Kreissegmente mit blauen Wellenlinien, Fischen und Booten ohne Ruderer und erhielt so ein Bild, das die auf dem Ozean schwimmende und von diesem rings umgebene E. anschaulich vorstellt (Abb. 36). Einer der Gründe dafür, daß Boote wie Land von Menschen unbesetzt sind, mag in der Auslegung der Textstelle zu suchen sein: „per terram et mare omnes gentes, per arborem autem principes gentium figurantur“ (L. Delisle und Paul Meyer, L’Apoc. en français au XIIIe s., Paris 1901, Textbd. S. XIX Anm. 19). Diesem von der Hs. Oxford, Bodleian Libr., Ms. Douce 180, um 1260–70 bezeugten Typus (zur Datierungsfrage: M. R. James, The Apoc. in Latin and French, Bodl. Ms. Douce 180 [= The Roxburghe Club], Oxford 1922, S. 6–12; Averil Grafton und William Owen Hassall, The Douce Apoc, London 1961, S. 7f.) steht ein zweiter gegenüber, den in der gleichen Bibliothek Ms. D. 4. 17, fol. 5v, 13. Jh., bezeugt (H. O. Coxe, The Apoc. of St. John the Divine, Represented by Figures ... from a Ms. in the Bodl. Libr. [= The Roxburghe Club], Oxford 1876; s. a. Paris, B.N., ms. fr. 403, fol. 10v: Franz Juraschek, Das Rätsel in Dürers Gottesschau, Salzburg 1955, Abb. 96). Ihn kennzeichnet die Mandelform des Orbis; das Land ist vom Meer nicht umflossen, sondern von diesem in zwei Teile geschieden: auf dem mit „mare“ bezeichneten breiten Fluß fährt ein unbemanntes Schiff; auf dem Land wachsen zwei Bäume. Die vier aus Wolken hervorkommenden Engelhalbfiguren sind jeweils an den Spitzen der Mandorla und ihr zuseiten angeordnet. Auch für diesen Typus scheinen naturwissenschaftliche Bildformeln vorbildlich gewesen zu sein: mehrfach finden sich bei schematischer Darstellung der E. in kosmologischen Figuren (Tierkreis) die E. in zwei Teile trennende, unterschiedlich gedeutete Streifen (so Paris, Ste-Geneviève, ms. 2200, fol. 119, 13. Jh.: [38] Abb. 49). – Die Vermischung beider Typen bezeugt die einschlägige Darstellung auf einem Bildteppich in Angers, 1376/77–79 nach Entwürfen von Jean de Bondol [Hennequin de Bruges] von Nicolas Bataille ausgeführt (René Planchenault, Les tapisseries d’Angers, Paris o. J., Abb. 15): der Typus der Douce-Apok. liefert die Grundlage, die Abteilung eines Stückes Land durch einen breiten „Fluß“ und die Vereinfachung der Darstellung des Landes – bis auf die Bäume fehlen alle „realen“ Motive – weisen auf den zweiten Typus zurück. Zahl und Genauigkeit der vorliegenden Bildbeschreibungen gestatten es nicht, die Typengeschichte der beiden Formeln hier genauer darzulegen.

Rechteck (oder Quadrat) und Kreis kommen gelegentlich auch in anderem Zusammenhang in der Apok.-Illustration als Chiffren für „E.“ vor. Zur Gruppierung fehlen vorderhand noch die Unterlagen. In einigen Beatus-Hss. dient ein Rechteck – bisweilen mit TERRA beschriftet oder mit Pflanzendarstellungen versehen – dem Engel, der einen Fuß auf die E. und einen auf das Meer setzt (Apok. 10, 2), als Basis (W. Neuß a.a.O. Taf. 98f., bes. Abb. 141); bei anderen Bildern derselben Hss.-Gruppe ist es nicht bündig zu entscheiden, ob man in den Darstellungen E.-Abbreviaturen oder nur rechteckige Bildfelder zu sehen hat (ebd. Taf. 103 u. Taf. 105 Abb. 153). Immerhin ist auffällig, daß bei keiner der Darstellungen die E. rund vorgestellt wird. Auch in der Kreml-Apok. ist sie rechteckig: der Mittelstreifen der in drei Zonen eingeteilten Schilderung stellt die Vorgänge auf der E. dar, und in den vier Ecken stehen die vier Engel, die die strampelnden Windgötter festhalten (Michele Alpàtov, Il maestro del Cremlino, Mailand 1963, Taf. 30 u. 31). – Zahlreich sind die Wiedergaben der E. durch einen Kreis, der detailliertere Angaben enthalten kann. Diese Bildformel kommt regelmäßig in Illustrationen zu Apok. 5, 3 in den Hss. der Alexander-Apok. vor (M. Huggler a.a.O. S. 107 u. S. 125 Nr. 10; s. a. den Londoner Apok.-Altar der Werkstatt des Meisters Bertram: Hans Heubach, Jb. d. kh. Inst. der k. k. Zentralkomm. f. Dpfl. 10, 1916, Abb. 75 Nr. 6 n. S. 134), doch ausnahmsweise – mit Erdstücken ausgefüllt – auch als Abbildung der bebenden E. (Ill. zu Apok. 16, 17–21: M. Huggler a.a.O. S. 118 u. S. 143 Nr. 63). Für die nicht speziell der Apok.-Illustration eigenen Motive der E.-Rota als Attribut oder Fußschemel des Weltenrichters s. *Weltkugel als Attribut und unten Sp. 1065ff.

2. Homilien

Das Vorkommen von E.-Darstellungen als Illustration zu Homilien scheint eine spezifische Eigenart der byzantinischen Buchmalerei zu sein. Die Beispiele und die Anlässe zu ihrer Entstehung sind hier nur deshalb zu erwähnen, weil die benutzten E.-Bildtypen – im ganzen oder in charakteristischen Details – ältere Vorbilder reflektieren, die auch für die abendländische E.-Ikonographie wichtig sind.

Die Auslegung des Gleichnisses von den zehn Drachmen, Lk. 15,8ff., durch Johannes Chrysostomus (Migne, P. G. 61, Sp. 781ff.) wurde zum Anlaß, die E. in personifizierter Gestalt wiederzugeben. Das älteste erhaltene Beispiel stammt aus dem 10. Jh. (Athen, Nat.Bibl., ms. 211, fol. 34v, Abb. 10; zur Deutung: André Grabar, Miniatures gréco-orientales II: Un ms. des Homélies de Saint Jean Chrysostome à la Bibl. Nat. d’Athènes, Seminarium Kondakovianum 5, 1932, 272–77, Taf. 18, 1). Die E., dargestellt als Brustbild einer unbekleideten Frau, aus deren Haupt Pflanzen hervorwachsen, hält in ihrer Rechten den (aus E. geschaffenen) ersten Menschen Adam, den Christus dem Tode entriß. Der E.-Bildtyp weist formal-ikonographisch auf antike Vorbilder zurück (Grabar a.a.O.). Daß jedoch nicht jede Illustration der Homilie eine E.-Darstellung besitzt, zeigt u. a. das Malerbuch vom Berg Athos.

Ebenfalls halbfigurig, aus dem Erdboden hervorkommend und die Arme zur Gottesmutter streckend, ist die E. in Hss. des 12. Jh. dargestellt, die die Marienhomilien des Mönches Jakob aus Kloster Kokkinobaphos enthalten (Rom, Bibl. Vat., ms. gr. 1162, fol. 147: Cosimo Stornajolo, Miniature delle Omilie di Giacomo Monaco [= Codd. e Vaticanis selecti phototypice expressi, ser. minor I], Rom 1910, S. 16, Taf. 64; Paris, B.N., ms. gr. 1208, fol. 200: Ausst.Kat. „Byzance et la France médiévale“, Paris, B.N., 1958, S. 21ff. Nr. 36). Die E.-Darstellung folgt dem Text, einer Betrachtung der Heimsuchung Mariä (Orationes encomiasticae in SS. Virginem Deiparam V, 15f.: Migne, P. G. 127, Sp. 676f.), auf das engste. Der ziemlich ungewöhnliche Verzicht auf Attribute der E. bezeugt indirekt, wie unmißverständlich der hellenistische Bildtypus der aus dem Boden kommenden weiblichen Halbfigur auch dem byzantinischen Hoch-MA noch war.

In den Katenen zum Buch Hiob (etwa: Rom, Bibl. Vat., ms. gr. 1231, fol. 243v, Ende 13./A. 14. Jh.) ist zur Illustration von Hiobs Antwort auf die zweite Rede des Eliphas auch die E. dargestellt worden; die biblische Bezugstelle ist Hiob 16, 18 (19). Die E. ist eine Frau in knielangem, trägerlosem Kleid, die ihre Arme zur Seite streckt und in jeder Hand eine Pflanze hält; aus dem Haupt der E. wächst ein Strauch. Die E. reitet auf einem Löwen: dieses Motiv dürfte auf E.-Darstellungen in byzantinischen Weltgerichtsbildern zurückgehen (s. Sp. 1084), zu denen sich der Bezug auch über die illustrierte Hiobperikope leicht herstellen ließ.

3. Liturgie

Die Erwähnung der E. in liturgischen Texten hat in Byzanz wie im Abendland gelegentlich den Anstoß zu Darstellungen der E. gegeben. Die betreffenden Textstellen wurden vornehmlich unter Zuhilfenahme von E.-Personifikationen illustriert, doch konnten diese jederzeit durch schematische Darstellungen oder solche einer Landschaft oder bäuerlichen Beschäftigungen nachgehender Menschen ersetzt werden. Während im Abendland derartige Illustrationen zu liturgischen Texten in der Regel auch äußerlich in enger Verbindung mit dem jeweiligen Text stehen, hat im Geltungsbereich des ostkirchlichen Ritus die Wandmalerei in hervorragendem Maße Anteil an der Überlieferung jener Bildkonzeptionen. Bezeichnenderweise sind mit Vorliebe Textstellen aus Hymnen und Weihegesängen, die an Hauptfesttagen der Kirche(n) intoniert wurden, die Schriftquellen für E.-Bilder. Die ältesten erhaltenen Beispiele für die einzelnen Bildkonzeptionen zeigen fast immer stärkeres Eingehen auf die in der Schriftquelle niedergelegte Vorstellung; früher oder später lockerte sich dieser Zusammenhang, und man begann, E.-Darstellungen von allgemeiner Art zur Illustration heranzuziehen. Ob es sich bei diesem Vorgang um einen Rückgriff auf die allgemeine Überlieferung des E.-Bildes, die vorübergehend für den jeweils besonderen Fall abgewandelt wurde, oder um eine Verselbständigung des Bildes gegenüber dem Text – das Ergebnis einer ikonographischen Weiterbildung – handelt, ist bei der Lückenhaftigkeit der erhaltenen Zeugnisse kaum zu entscheiden; wahrscheinlicher dürfte die zuerst genannte Erklärung sein.

An Weihnachten wird in der Ostkirche der Hymnus ‚Was sollen wir dir darbringen’ (Menäon, Ausg. Venedig 1895, Bd. 12, 25. Dez.: Τί σοι προσενέγϰω μεν Χριστὲ, . .) gesungen, in dem aufgezählt ist, was dem göttlichen Kinde bei seiner Geburt dargebracht wurde: Lobgesänge von den Engeln, Stern vom Himmel, Gaben von den Drei Königen, Anbetung von den Hirten, (Geburts-)Grotte von der E. (zur Vorstellung, Christus sei in einer Grotte geboren, s. Geburt Christi), Krippe von dem „Elend“ (Wüste, ρημος) und Maria, des Kindes Mutter, von den Menschen. Diese Vorstellungen waren, mit Ausnahme der Geschenke von E. und Elend, in den byzantinischen Geburtsbildern enthalten, wie sie seit dem 11. Jh. üblich waren; das zunächst noch Fehlende wurde – zu einem noch nicht genauer fixierten Zeitpunkt – hinzugefügt: Personifikationen der E. und des Elends bringen ihre Gaben dar (vgl. Gabriel Millet, Recherches sur l’iconographie de l’Évangile aux XIVe, XVe et XVIe s. d’après les monuments de Mistra, de la Macédoine et du Mont-Athos, Paris 1916 [Neudruck 1960], S. 163–69; E. Georgievskij-Druzinin, Les fresques du monastère de Therapon, in: „Les arts Byzantins chez les Slaves“ II, 1 [= Orient et Byzance V, 1], Paris 1932, S. 128–34). Die E. wird durch eine häufig mit kostbarem Gewand bekleidete Frau dargestellt, sie hält in ihren Händen einen großen Felsbrocken, in dem sich die Grotte befindet; gewöhnlich kniet die E. oder schickt sich dazu an (vgl. die Beispiele bei André Grabar, La peinture religieuse en Bulgarie [= Orient et Byzance I], Paris 1928, S. 330f., Taf. 54 a). Erst in nach-ma. Zeit ist bisweilen an die Stelle dieser E.-Personifikation die aus anderen Themenkreisen bekannte, halb sitzende, halb liegende Frauengestalt getreten, die eine Ranke wie ein Sprungseil über den Kopf hält (z. B.: N. P. de Likhatcheff, Matériaux pour l’hist. de l’iconographie russe, Paris, Petersburg u. Lpz. 1906–08, Atlas Bd. 2, Taf. 226 Nr. 409).

Im Abendland beginnen die kirchlichen Feiern der Auferstehung Christi (jetzt) mit dem Gottesdienst am Morgen des Karsamstages; deren zweiter Teil besteht in der Weihe der Osterkerze und beginnt mit dem Weihelied „Exsultet jam Angelica turba caelorum“ (im einzelnen s. Exsultetrolle). In diesem wird die E. aufgefordert, sich zu freuen: „Gaudeat et tellus tantis irradiata fulgoribus: et aeterni Regis splendore illustrata, totius orbis se sentiat amisisse caliginem“. Dieser Passus gab den Anstoß zu Darstellungen der E., von denen hier nur diejenigen in Gestalt von Personifikationen interessieren (andere Formen der Veranschaulichung: schematische Darstellung: Myrtilla Avery, The Exultet Rolls of South Italy, Princeton N. J. 1936, Taf. 131; Landschaft mit Tieren: ebd. Taf. 64; Landarbeit: ebd. Taf. 89). In den vom 10.–14. Jh. ausnahmslos in Süditalien entstandenen Exsultetrollen kommen drei verschiedene Typen der E.-Personifikation vor. Der die Schriftquelle am genauesten ins Bild bringende Typus wird durch Miniaturen der Exsultetrollen in Rom (Bibl. Vat., ms. lat. 9820; Bibl. Casanatense 724 B 13; ebd. Taf. 139 u. 122) und Salerno belegt (Bibl. Capitolare: ebd. Taf. 156): die E. erscheint als liegende Frau mit entblößtem Oberkörper, hält in ihrer Rechten ein Füllhorn und säugt einen Stier und einen Hirsch; mit der Linken weist sie „tenebrae“ und „caligo“ ab. – Dem zweiten Typ gehören Miniaturen des 11. Jh. aus Montecassino an (Rom, Bibl. Vat., cod. Barb. lat. 592; London, B.M., Add. Ms. 30 337; ebd. Taf. 148 u. 45): hier säugt die aus dem Boden hervorkommende E. eine Schlange und einen Stier; die E. breitet die Arme aus, über ihrem Kopf und über den leicht gewinkelten Armen sind Pflanzen wiedergegeben, zu beiden Seiten von ihr je ein Baum. – Der dritte Typus findet sich auf der um 1000 entstandenen Exsultetrolle in Bari (Abb. 14); die E., eine prunkvoll gekleidete Frau, aus deren Haupt Sträucher hervorwachsen, steht zwischen zwei Bäumen, deren Stämme sie mit den Händen ergreift; Tiere – Schaf, Ziege, Hund und Sau (s. o. Sp. 1035) – begleiten sie.

Auch Ill. zu gleichbleibenden Textteilen der röm.-kath. Messe, in denen die E. erwähnt wird, besitzen gelegentlich E.-Bilder; für diese seltenen und ihrem Vorkommen nach untypischen E.-Darstellungen vgl. Sp. 1074 (Ill. zum „Sanctus“: „... Pleni sunt caeli et terra gloria tua ...“) und Sp. 1059f. (Ill. zum „Te igitur“).

C. Christus und die E.

Eine große Zahl von E.-Darstellungen verdankt ihre Entstehung der Absicht, das Verhältnis von Christus zur E. – seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen – in bildlicher Form zu vergegenwärtigen. Im Sechstagewerk (s. a. Sp. 1038f.) wie auch in der Geschichte des Geschaffenen, die durch Christi Eingreifen zur „historia salutis“ wird, ist es vielfältig zu fassen. Im folgenden Abschnitt ist von Darstellungen des heilsgeschichtlichen Zusammenhanges zwischen Christus und Erde die Rede. An erster Stelle stehen mehr oder weniger figurenreiche Schilderungen der Kreuzigung Christi, die durch Beifügung von Personifikationen heilsgeschichtlich oder (und) ekklesiologisch interpretiert werden (1), – dem für sich allein dargestellten Gekreuzigten wurde nie ein E.-Bild assoziiert. Nur ganz vereinzelt hat man E.-Personifikationen – gewöhnlich zusammen mit solchen des Meeres – sonstigen Szenen aus dem Leben Jesu beigesellt (2). Hingegen treten E.-Darstellungen jedweder Bildform sehr oft in Bezug zu Bildern des thronenden Christus (3), dessen Gestalt hier als formal-ikonographisches Motiv verstanden wird (freilich kommt der thronende Christus in verschiedenen thematischen Zusammenhängen vor und ist Träger unterschiedlicher Bedeutung: weshalb auch ihm zugeordnete E.-Bilder sehr verschieden motiviert sein können); dieser Beschränkung entsprechend kann hier nur die Art der E.-Darstellung zur Sprache kommen und auf die Vorstellungen hingewiesen werden, die für die motivische Zuordnung ausschlaggebend sind. Mit der Gestalt des stehenden Christus ist die E. – sieht man von Darstellungen des Sechstagewerkes ab – selten verbunden worden (4): als ikonographischer Typus ist nur die sog. Syndesmos-Figur zu fassen, doch gehören hierher auch so bedeutende Sonderleistungen wie Abb. 16. Schließlich sind dem Themenbereich „Christus und E.“ noch eine Reihe von Darstellungen zuzurechnen, die meist in einmalig gebliebener Bildform komplizierte theologische Gedanken ins Bild bringen und allenfalls durch ihre Bestimmung als Ill. zum Prolog des Johannesevangeliums (5) z. T. untereinander verbunden sind.

1. Kreuzigung Christi

Zu den durch liturgische Texte angeregten E.-Bildern gehört aller Wahrscheinlichkeit nach auch das Urbild jener thematisch komplexen karolingischen Darstellungen der Kreuzigung Christi, deren ältestes erhaltenes Beispiel ein um 870 in Reims (?) geschaffenes Elfenbeinrelief ist ([43] Bd. 1 Nr. 41; RDK IV 1189/ 90, Abb. 1, und ebd. Sp. 1259/60, Abb. 1). Es enthält keine Gestalt und kein Motiv, die nicht auf den Text des Gottesdienstes am Karfreitag zurückgeführt werden könnten. Die hier allein interessierenden Personifikationen kosmischer Begriffe sind am zwanglosesten auf Verse der während der Adoratio crucis gesungenen Hymne „Pange lingua“ des Venantius Fortunatus zu beziehen: durch das Blut des Gekreuzigten werden „terra, pontus, astra, mundus“ reingewaschen (nach dieser Erklärung wäre die bisher ohne zwingende Argumente als „Roma“ bezeichnete, zwischen Land und Meer sitzende Personifikation als „Mundus“ zu erachten, Sonne und Mond als Wiedergabe der „Astra“). Die E. ist eine am Boden sitzende Frau mit entblößtem Oberkörper; Füllhorn und Schlange sind ihre Attribute. Das Motiv der an der Brust der E. saugenden Schlange, das auf ältere E.-Bilder zurückgeht (Abb. 5), erscheint hier als Reflex von 1. Mos. 3, 14 (Gott flucht der Schlange, sie solle lebenslang „E. essen“). Durch die Umdeutung eines überlieferten Bildtyps wird aus der Wiedergabe der E. und ihrer Eigenschaften jetzt eine solche der heilsgeschichtlichen Stellung der E., ein Bild der „sündigen E.“. Dieser enge Bezug auf das Thema Sündenfall und Erlösung ließ einen E.-Bildtyp entstehen, der zur Veranschaulichung des naturkundlich-objektiv verstandenen Begriffes E. (E. = Planet E.; E. = Element E.) ungeeignet und dem daher keine dauerhafte Wirkung beschieden war.

Bis zum Ende der ottonischen Zeit sind in einem geographisch eng umgrenzten Gebiet (Hzgt. Niederlothringen und südlich daran anschließende Gebiete mit Metz und Trier) eine Reihe weiterer Elfenbeinreliefs mit verwandtem Bildprogramm entstanden. Unter diesen meist die Bucheinbände von Evangeliaren schmückenden Werken bilden nur die in Metz geschaffenen oder Metzer Vorbildern folgenden Beispiele eine (auch hinsichtlich der E.-Darstellung) geschlossene Typengruppe (Abb. 8; [43] Bd. 1 Nr. 78, 83, 85, 88; sonstige Beispiele: ebd. Bd. 1 Nr. 44, 54, 100).

Die E. erscheint hier als auf den Boden hingelagerte oder auf ihm sitzende Frau mit nacktem Oberkörper; um einen ihrer Arme windet sich eine Schlange. Weitere Attribute sind ein Füllhorn und zwei kindhaft klein wiedergegebene Menschen, die z. T. deutlich als Mann und Frau – Adam und Eva – charakterisiert sind, eine Umbildung der antiken Karpoi. Die Schnitzer der Metzer E.-Bilder wandeln einen anderen antiken E.-Bildtypus ab als die der Liuthard-Gruppe (Abb. 7), stellen jedoch ebenfalls die „sündige E.“ dar, die durch Christi Kreuzestod entsühnt wird. Charakteristisch für die Metzer Beispiele ist die addossierte Darstellung von E. und Meer.

Die ottonische Kunst brachte eine Anzahl ikonographischer Weiterbildungen der karolingischen Bildkonzeption. In diesen durchweg weniger figuren- und szenenreichen Darstellungen wird die Tendenz erkennbar, die Personifikationen kosmischer Begriffe auf Kreuzigungsbildern mit dem Zyklus der vier Elemente zu koordinieren. Dabei wurden Sonne und Mond mit Feuer und Luft in Verbindung gebracht (gelegentlich auch Personifikationen dieser Elemente als Attribute zugeteilt: vgl. Erdteile Abb. 3), Land und Meer als E. und Wasser umgedeutet: auf diese Weise implizierte man der aus gleichwertigen Begriffspersonifikationen bestehenden Vierer-Reihe der Elemente ein dualistisches Prinzip und kam zu einer Darstellung von Himmel und E. im Rahmen der vier Elemente. Mit dieser Umbildung, durch die der Akzent auf die Schöpfung von Himmel und E. (sowie deren Neuschöpfung durch Christi Opfertod) gelegt wurde, sind bedeutsame Konsequenzen für die E.-Darstellung verbunden: auf die Verschuldung der E. durch den Sündenfall hindeutende E.-Attribute traten immer häufiger zurück zugunsten von solchen, die der E. bei der Schöpfung verliehene Eigenschaften andeuten. Die Fruchtbarkeit der E. wird durch Baum- und Pflanzenwuchs vergegenwärtigt (Abb. 16, 19); die E. ernährt (= säugt) Menschen und Tiere (Abb. 11, 17). Der Prozeß der Angleichung von Darstellungen von E. = Land und Element E. fand erst um 1200 einen gewissen Abschluß, als im Engelberger Reliquienkreuz (vgl. RDK IV 1268, Abb. 4 b) die formale Koordination der E.-Wiedergabe mit denen der übrigen Elemente-Personifikationen gelungen war: alle reiten auf einem Tier; die Möglichkeit, in Wasser und E. auch Land und Meer dargestellt zu sehen, ist dadurch aufgehoben, daß den Oceanus eine weibliche Personifikation des Wassers abgelöst hat; das Motiv der an den Brüsten der E. saugenden, E. essenden Schlange ist dadurch seiner sinnfälligen heilsgeschichtlichen Bedeutung entkleidet, daß die E. gleichzeitig eine Kuh säugt. Während des 10. bis 12. Jh. entstand eine Reihe von themengleichen Darstellungen, die als Sonderfälle der E.-Ikonographie bei Kreuzigungsbildern einzuschätzen sind. Die dem Lukasevangelium vorangestellte Kreuzigung im Hildesheimer Bernwardsevangeliar (Abb. 15) zeigt die E. als Frauenkopf, der aus Erdschollen vorwächst und aus dessen geöffnetem Mund ein Baum hervorsprießt. Im Missale des B. Ellenhard von Freising (1052–78)– Bamberg, St.B., cod. Lit. 2 (alt: III, 11) – ist auf fol. 11 der Beginn des Canon Missae (Te igitur) wie üblich mit einer Kreuzigungsdarstellung geschmückt, ungewöhnlicherweise ist sie mit der Abbildung von E. und Meer verbunden (Ernst Frdr. Bange, Eine bayerische Malerschule des 11. u. 12. Jh., Mchn. 1923, S. 73f., Taf. 26 Abb. 65). Die E. hält eine Schlange in der Hand: eine sonst bei E.-Bildern bei der Kreuzigung unbekannte Bildform, die darauf hinweist, daß es sich hier nicht um die Übertragung einer herkömmlichen Komposition handelt. Tatsächlich ist im „Te igitur“, das dem Rahmen um die Miniatur einbeschrieben ist, von dem ‚ganzen Erdkreis’ (totus orbis terrarum) die Rede, so daß anzunehmen ist, die Erwähnung der E. – orbis = die vom Wasser umflossene E. – habe zur Darstellung von E. und Meer angeregt. Die Miniatur gibt einen Hinweis auf die Textquellen, von denen her die Zusammenstellung von Kreuzigung und Personifikationen der E. und des Meeres motiviert wird.

Die E. – wie Sonne und Mond – trauernd darzustellen (wie im Psalter aus Kloster Altzelle – Leipzig, Univ.bibl., ms. 774, fol. 30, in der 2. H. 11. Jh. in Soignies geschaffen: Rob. Bruck, Die Malereien in den Hss. des Kgr. Sachsen, Dresden 1906, S. 24ff., Abb. 23) bürgerte sich nicht ein. – Die auf dem Kreuzfuß von St. Omer vorgestellte E. hat einen Spaten als Attribut (Abb. 25); durch dieses Attribut wird darauf hingewiesen, daß man – noch immer – die „sündige E.“ in Verbindung mit der Kreuzigung zu vergegenwärtigen trachtet. – E.-Personifikationen wie die auf einem maasländischen Kreuzfuß des späten 12. Jh. im B.N.M. sind von Darstellungen der Prudentia nicht mehr zu unterscheiden (RDK IV 1266, Abb. 3 d).

Äußerst selten kommen Beispiele dafür vor, daß die E. auf Kreuzigungsbildern weder Oceanus-Aqua noch Darstellungen der übrigen Elemente zugeordnet ist. Der früheste Beleg hierfür ist die Federzchg. im Evangeliar aus Kloster Abdinghof in Paderborn, die ein sächsischer (?) Illuminator im 10. Jh. schuf (ehem. Kassel, L. B., cod. theol. 60, fol. 1; Abb. 11). Er bediente sich dabei eines Bildtyps aus der Psalterillustration (s. o. Sp. 1043), der hier allerdings wohl umgedeutet wurde: das der E. außer dem Füllhorn als Attribut gegebene Kind wird eher den aus E. geschaffenen Stammvater als die aus der E. hervorgegangene Wahrheit darstellen. – Auf dem um 990 in Echternach entstandenen Elfenbeinrelief, das den Codex aureus im G.N.M. ziert, trägt eine Karyatide, die am Fuß des Kreuzes kauert, das Suppedaneum mit der Aufschrift TERRA ([43] Bd. 2 Nr. 23; abweichender Datierungsvorschlag – „um 1050“ – bei Karl Oettinger, Der Elfenbeinschnitzer des Echternacher Cod. Aureus u. die Skulptur unter Heinrich III., Jb. d. Berliner Mus. 2, 1960, 34–54).

Mit dieser Darstellung setzt die stattliche Reihe der Kreuzigungsbilder mit figürlichen Darstellungen zu Füßen Christi ein, die bald als E.-Bild, bald als Darstellung Adams in Anspruch genommen werden (Alfr. A. Schmid, Zum Torso eines Kruzifixes im Mus. von Freiburg i. Ü., in: „Der Mensch und die Künste“, Fs. für Heinr. Lützeler, Düsseldorf 1962, S. 377–93). Ein vergleichsweise später Reflex der Vorstellung von der E. beim Kreuz Christi ist das Ende 13. Jh. in Konstanz (?) geschaffene Vortragekreuz in Beromünster, wo unter dem Gekreuzigten eine antike Kamee mit einer Darstellung der Danae angebracht wurde (Inv. Schweiz 35, S. 80, Abb. 69 u. 73). – Ob man die zu einem Hügel getürmten Erdschollen, in die das Kreuz Christi eingepflockt ist, als E.-Wiedergabe zu verstehen hat, ist fraglich; eher dürfte damit Golgatha angedeutet sein (der von Walter Ueberwasser eingeführte Begriff ›terra undulata‹ ist keine ikonographische Bezeichnung, sondern eine motivbeschreibende: Dt. Architekturdarstellung um das Jahr 1000, in: Fs. für Hans Jantzen, Bln. 1951, S. 45–70).

Ohne Parallele im derzeit bekannten Denkmälerbestand ist die Wiedergabe von E. und Meer oder Wasser auf einer um 1150 in Worcester (?) angefertigten Federzchg. (Oxford, Corpus Christi College, Ms. 157, fol. 77v: [45] Abb. 279): zur Rechten des Gekreuzigten steht die durch einen Nimbus ausgezeichnete Witwe von Sarepta (vgl. dazu RDK IV 1382f.), zu seiner Linken ein bärtiger Mann, der ohne Kenntnis des zugehörigen Textes nicht mit Sicherheit zu identifizieren ist (Johannes d. T.?; Jonas?: vgl. etwa C. R. Dodwell, The Canterbury School of Illumination 1066–1200, Cambridge 1954, Taf. 61 c; Sohn der Witwe?); der Mann steht auf einem Fisch, die Frau auf einem Erdhügel (= E.).

2. Szenen aus dem Leben Jesu

Vereinzelte Beispiele bezeugen, daß hie und da auch zu Szenen aus dem Leben Jesu, die bisher noch nicht genannt wurden, E.-Darstellungen hinzugefügt werden konnten (E. bei der Geburt Christi s. o. Sp. 1053, bei der Kreuzigung s. o. Sp. 1056ff.). Stets hat die E. die Personifikation des Meeres als Pendant. Für keines der im folgenden zu nennenden Themen ist die Verbindung mit dem Personifikationspaar typisch; bisweilen ist sogar die Frage, ob sie auf gedanklicher Interpretation des Themas oder auf mißverständlicher Wiedergabe von Bildvorlagen beruht, kaum zu entscheiden. Eines aber ist sie bestimmt nicht: Kompilation des Künstlers, der Nebenfiguren aus jeweils anderen komplexen Szenen des Lebens Jesu, vorab der Kreuzigung, herauslöst und in andere Bildzusammenhänge einstellt.

Ein um 1000 entstandenes Elfenbeinrelief im S.L.M. Zürich mit der Darstellung der Taufe Christi [43, Bd. 2 Nr. 74] zeigt – statt der beiden Jordanquellen – Personifikationen von E. und Jordan. Die linke der Personifikationen mit der Schlange, die sich um ihren Arm windet, schließt an den von Metzer Elfenbeinen her bekannten E.-Bildtyp an (vgl. etwa Abb. 8), mit der herkömmlichen Ikonographie der Taufe Christi – d. h. als Flußpersonifikation motiviert – ist sie durch ihr Attribut (Fisch) verbunden, ferner durch die Wiedergabe als Rückenfigur. Wenn hinter dieser „orbis“-Darstellung eine absichtliche Umbildung des Gebräuchlichen zu sehen sein sollte, so kann sie nur auf die Absicht zurückgeführt werden, die Epiphanie bei der Taufe zu betonen.

Für die Wiedergabe von E. und Meer bei der Himmelfahrt Christi ([43] Bd. 2 Nr. 37; s. a. Sp. 1077) liefert offenbar der Introitus zur Vigil von Christi Himmelfahrt die Schriftquelle: „usque ad extremum terrae“ soll der triumphale Einzug Christi in den Himmel verkündet werden. Wiederum könnten imperiale Vorstellungen die Sonderform der Darstellung bestimmt haben.

3. thronender Christus

In der ma. Kunst wurden E.-Darstellungen in allen geläufigen Bildformeln mit der Darstellung des thronenden Christus verknüpft. Wenn auch in Motivierung und Form große Unterschiede zwischen den Beispielen bestehen, so ist doch der Grundgedanke in der Regel gleich: Christi Schöpfermacht soll verherrlicht werden (daher traten an Christi Stelle bisweilen Darstellungen, die exakter als Bild des Christ-logos zu bezeichnen wären, oder, wie im Bernwardsevangeliar in Hildesheim, fol. 1, solche der „Sapientia divina“).

Der Grundgedanke wurde auf verschiedene Weise veranschaulicht: auf Grund biblischer Metaphern wird die E. Christus attributiv zugeordnet (a); ebenso können Himmel und E. als Werk seiner Hände zusammen mit dem Schöpfer abgebildet (b) oder die Elemente – hier als Schöpfungsmaterie verstanden – seinem Bild zugeordnet sein (d); schließlich kann das Personifikationspaar „Land und Meer“ – als bildliche Wiedergabe der imperialen Bezeichnung „terra marique“ oder als dem Himmel kontrastierter Begriff E. – mit dem thronenden Christus verbunden werden (c).

a. Für die Verknüpfung von Darstellungen des thronenden Christus und der E. liefert Jes. 66, 1 (und Apostelgesch. 7, 49; s. a. Mt. 5, 34f.) eine bildhafte Metapher: der Himmel wird als Stuhl, die E. als Fußbank (scabellum) ihres Schöpfers bezeichnet. Seit frühchristl. Zeit ist sie wörtlich ins Bild übersetzt worden (Rom, Lateranmus., Sarkophag Nr. 174, um 350–60; [17] Sp. 1175 Abb. 12), wobei man entweder eine der vielen Bildchiffren für den Begriff E. benutzte (α) oder, der biblischen Metapher gemäß, die Fußbank als E.-Bild verwendete (β).

α. Die ma. Beispiele sind zahllos. Am gebräuchlichsten war die formelhafte Abbildung der E. durch einen Kreis (mit Inschrift TERRA: Pommersfelden, Schloßbibl., ms. 333 [2776], fol. 2, Trier, zwischen 1067 und 1077; mit Inschrift TERRA SCABELLVM ...: Boulogne-sur-Mer, Bibl. municipale, ms. 11, gegen 1000: Walter W. S. Cook, The Art Bull. 6, 1923/24, Taf. 16 Abb. 26), bei reliefplastischen Werken oft auch durch einen Kugelabschnitt (vgl. etwa [43], Bd. 2 Nr. 46f. u. 80; Abb. 13). Beiden konnte das Einteilungsschema der Noachidenkarte einbeschrieben werden (z. B. Brüssel, Bibl. roy., ms. 944 [alt: II 2570]: ebd. S. 6 Abb. 1; London, B.M., Add. Ms. 28107, fol. 136, dat. 1097: [45] Abb. 224; ausnahmsweise mit den Namen der Erdteile bezeichnet und mit weiteren Einträgen versehen: Leipzig, Stadtbibl., ms. 165, fol. 2, M. 12. Jh.: R. Bruck a.a.O. [Sp. 1060], Abb. 37); an seine Stelle trat später vielfach das kartographische Bild der E. (Weltkarte von Hereford, um 1290: Leo Bagrow u. R. A. Skelton, Meister der Kartographie, Bln. 1963, Taf. 24; s. Globus sowie *Weltkugel [als Attribut]). Ferner konnte die E.-Rota mit Schemel (etwa: Arras, Bibl. mun., ms. 435, Bd. 2 fol. 142, um 1030: [45] Abb. 170), mit Erdschollen (so zuerst in der Buchmalerei von Tours, vgl. Cook a.a.O. S. 48 Taf. 14 Abb. 21, spätere Beispiele: Abb. 12; Wien, N.B., cod. 791, fol. 1: Beschr.Verz. 8, 2, Taf. 17) oder mit Pflanzendekor, später auch mit einem Landschaftsbild (oft in einer Art Glaskugel) versehen werden oder als Rahmen einer figürlichen E.-Darstellung dienen (Andeutung eines Frauenkopfes: Zürich, Stadtbibl., ms. C 80, fol. 83, M. 10. Jh.: [44] Bd. 1 Taf. 87). In vielen Fällen enthält die E.-Rota verderbte Wiedergaben von Demonstrationsfiguren. Personifikation der E. ist in diesem thematischen Zusammenhang sehr selten (Tympanon 1. H. 12. Jh. in Semur-en-Brionnais, Abb. 20). Ein Sonderfall ist die Miniatur auf fol. 9 der Hs. Bamberg, St.B., Bibl. 94 (s. Erdteile Abb. 3 und Sp. 1043). Wie der Kreis konnte auch der Halbkreis als E.-Chiffre benutzt werden. Man bediente sich dabei einer der byzantinischen Orbis-Formel (Abb. 22) nachgebildeten, diese fast immer vereinfachenden Darstellung (Cook a.a.O. Taf. 6f., Taf. 11 Abb. 12 u. Taf. 19 Abb. 34); bisweilen ist der Halbkreis als halbierte Elemente-Rota gekennzeichnet, tritt also an die Stelle des Globus, auf dem Christus sitzt (s. u.). Statt des Halbkreises ist vielfach nur dessen zu einem breiten Band verbreiterte Peripherie dargestellt; diese die Verwendung als Fußschemel verdeutlichende Form findet sich vor allem bei Wiedergaben des „auf dem Regenbogen“ in der Mandorla thronenden Christus, wurde jedoch auch auf Bilder sitzender oder stehender Heiliger übertragen (und hat da vielfach keine Erklärung gefunden).

β. Inwieweit man die Fußbank des Thronenden bewußt als E.-Abbildung verstand, läßt sich nicht sagen. Gewiß ist sie oft so wiedergegeben worden, daß sie auf Sprüche Salomos 9, 1 zu beziehen ist, doch fehlt es nicht an Beispielen dafür, daß sie durch Inschrift (Suppedaneum-Inschrift TERRA: s. o. Sp. 1061, dazu Ernst Grube, Maiestas und Crucifix, Zs. f. Kg. 20, 1957, 268–87) oder Pflanzendekor (z. B. Franz Rademacher, Der thronende Christus der Chorschranken aus Gustorf [= Beihefte der Bonner Jbb., Bd. 12], Köln u. Graz 1964, S. 18f. Abb. 9f.) ausdrücklich auf die Jes.-Metapher bezogen ist. Auch die sehr regelmäßige Darstellung des Fußschemels der thronenden Terra als Kubus = E. (s. Sp. 1021), vor allem aber die Übertragung des Motivs auf andere Schilderungen von Begebenheiten aus Christi Leben, läßt darauf schließen, daß die Vorstellung recht geläufig war. – Eine interessante Sonderform ist der als Kubus dargestellte Altar, der als Fußbank dient; vgl. z. B. die einer Psalterhs. vom A. 13. Jh. vorgebundene Miniatur auf fol. 1v in 4° cod. ms. 24 der Univ.bibl. München (Ausst.Kat. „Bayerns Kirche im MA“, München, B.St.B., 1960, S. 40 Nr. 199, Abb. 44) oder Chantilly, Mus. Condé, ms. lat. 1596, fol. 10 (Meurgey a.a.O. [Sp. 1101], Taf. 59).

Gelegentlich wurde die Jes.-Metapher mit der Ps. 104 (103), 5 fixierten Vorstellung von der auf ihren Säulen stehenden, ewig nicht wankenden E. verbunden: so erscheint auf einem kölnischen Elfenbeinrelief der 1. H. 11. Jh. (Abb. 13) der thronende Christus, der seine Füße auf die einem Säulenkapitell aufliegende E.-Rota setzt, wie die Bekrönung eines Säulenmonumentes.

b. α. Als Alternative zur Mandorla kommen – zumal in der karolingischen und ottonischen Kunst – häufig ihr formal ähnliche, aus zwei Teilen bestehende Figuren vor (zur Ikonographie der sog. Globus-Mandorla s. Cook a.a.O. S. 38–60, bes. S. 47ff.). Wie Inschriften bezeugen, kann dabei ein Kreis als E.-Formel dienen, ein zweiter (oder eine kleine Mandorla) als solche für den Himmel (Upsala, Univ.bibl., Evangeliar aus Goslar, fol. 3v, Echternach, um 1045; mit Beischriften von Ps. 114 [113], 16). Außer oder neben Beischriften können Farbigkeit (lichte Farbe für den Himmel – satte, dunklere für die E.) oder motivischer Dekor der Flächen (gestirnter Himmel – pflanzenbesäte E.) für die Verständlichkeit der Formel Himmel und E. sorgen (mit Äskulap-Darstellung verbunden in dem wohl in Fulda im 10. Jh. geschaffenen Herbarium der Kasseler L.B., ms. phys. fol. 10: [44] Bd. 1 Taf. 19). Gewöhnlich dient die Peripherie der E.-Rota Christus als Sitz, denn der Herr „sitzt über dem Kreis der E.“ (gyrus terrae, Jes. 40, 22; urspr. sah man jedoch in dem Sitz Christi nicht die E., sondern den Globus oder den Himmelsthron [Cook a.a.O. S. 38ff.], und diese Auffassung ist – zumal in Italien – stets die geläufigste geblieben).

Sehr oft setzt der in der Globus-Mandorla wiedergegebene thronende Christus seine Füße auf die E.-Rota oder eine andere E.-Abbreviatur (Beisp. bei Cook a.a.O.); würde man diese Formel als Abbild von Himmel und E. verstehen, dann wäre es befremdlich, daß die E. gleich zweimal auf demselben Bild erscheint. Spezialuntersuchungen über die Mandorla hätten zu ermitteln, ob und welche Bedeutung(en) man den aus einer Vermischung verschiedener Typen entstandenen Formeln beimaß.

„Himmel und Erde“-Schemata sind auf andere Darstellungen aus Christi Leben übertragen worden.

Als Beispiel seien nur Wiedergaben der Verklärung Christi (etwa: [8] S. 303 Abb. 220f.) oder der Himmelfahrt Christi genannt (ein Elfenbeinrelief des späten 11. Jh. auf einem Tragaltar im Hess. L.M. Darmstadt – [43] Bd. 2 Nr. 102 e – zeigt den zum Himmel aufsteigenden Christus in einer sternenbesäten Mandorla auf einem Fußschemel stehend, der in die Fläche der Mandorla eingepaßt ist).

β. Die oft gebrauchte Metapher, die besagt, daß Himmel und E. „in Gottes Hand ruhen“, ist eine der Wurzeln für die Abbildung von Himmel und E. als Christus in die Hand gegebenen Attributen (s. Himmel und Erde sowie *Weltkugel [als Attribut]). Als Beispiel sei hier nur die Darstellung fol. 9v des cod. Brev. 128 der L.B. Stuttgart, 2. V. 12. Jh., genannt, wo Christus in der Rechten den Himmel, in der Linken die E. hält (celu[m] palmo metit[ur] – terra[m] palmo c[on]cludit; Karl Löffler, Schwäbische Buchmal. in romanischer Zeit, Augsburg 1928, Taf. 19).

c. Das Bild des über Land und Meer thronenden Christus ist ein Sonderfall der Darstellungen von Christus mit Himmel und E., von diesen nur ikonographisch, nicht aber inhaltlich abzusetzen. Zwar war das antike Herrscherepitheton „terra marique“ (vgl. Arnaldo Momigliano, Journal of Roman Studies 32, 1942, 53–64) dem MA durch die literarische Tradition bekannt (Friedrich II. gebrauchte die Formel: Ernst Kantorowicz, The King’s Two Bodies, Princeton 1957, S. 66 Anm. 52), doch war die Bildtradition abgerissen. Im übrigen war die Formel, die weder Bibel noch Liturgie gebrauchen (frdl. Auskunft von P. Dr. Emmanuel Severus, Abtei Maria Laach/Eifel), inhaltlich der biblischen Begriffsdreiheit Himmel – Land oder E. – Meer oder Wasser integriert (2. Mos. 20, 4; Ps. 69 [68], 35). Dem entspricht es, daß die ma. Darstellungen von Land und Meer stets das vom Meer umflossene Festland meinen und wie auch immer beschaffenen Wiedergaben des Begriffes Himmel korrespondieren; Land und Meer sind differenzierte Veranschaulichung des Begriffes E. (orbis). Sie wurden Christus zugeordnet, wenn nicht nur seine Schöpferherrlichkeit, sondern die (diese einschließende) Majestas Domini veranschaulicht werden sollte. So ist denn auch die Darstellung des Himmels nur ausnahmsweise in Gestalt einer Personifikation gegeben (wie in Abb. 16), vielmehr wird – ausgehend vom Text des Sanctus der röm.-kath. Messe (s. o. Sp. 1054) – das himmlische Lob Christi (durch Seraphim, durch die Ältesten der Apokalypse, durch die Evangelistensymbole) dem Begriffspaar Land und Meer zugeordnet, das nach dem Text des Sanctus zugleich auch als topographische Angabe verstanden werden darf: das Lob gilt dem, der im Namen des Herrn auf die E. kommt. Die Vergabe der Personifikationen von Land und Meer als Attribute bleibt stets mit der Adventus- und Triumphvorstellung verbunden (wie ja die Auswahl der Szenen aus dem Leben Jesu, denen das Personifikationspaar beigefügt wurde, deutlich zeigt; s. o. Sp. 1063f.).

Die beiden ältesten Darstellungen stammen aus der Buchmalerei der Jahre um 870. In dem Sakramentarfragment Paris, B.N., ms. lat. 1141 ([13] S. 284 Abb. 312; Detailabb. der E.: [45] Taf. 5 Abb. 9), sind Meer und E. zu Füßen Christi in der Mandorla, den Seraphim verehren, dargestellt; die Miniatur illustriert den Text des Sanctus. Im cod. lat. 14 000 der B.St.B. München begleitet das Personifikationspaar die Anbetung des Lammes durch die Ältesten der Apokalypse (Abb. 6); die Darstellung nimmt den Platz ein, den in Evangeliaren gewöhnlich das Bild der Majestas Domini innehat. Als Titulus dient ein Gedicht Alcuins, in dem es heißt: „Omnia quae praesens tellus producit alendo / et maris haec facies limbo circumvenit amplo“ (Gg. Leidinger, Der Cod. aureus der B.St.B. in München, Mchn. 1921, Bd. 6 S. 102ff. zu Bd. 1 Taf. 11). Wenig älter ist ein Elfenbeinrelief vom Bucheinband der Hs. Paris, B.N., ms. lat. 323 (Exposé 265: [43] Bd. 1 Nr. 71 a), auf dem die Attribute von Land und Meer einer Personifikation zu Füßen Christi zugeteilt sind. Als Beispiel aus dem 10. Jh., bei dem die Evangelisten und ihre Symbole, Personifikationen von Sonne und Mond zum Bild des von Seraphim verehrten, über Land und Meer thronenden Christus hinzugefügt sind, sei hier ein St. Galler Elfenbeinrelief erwähnt [43, Bd. 1 Nr. 163 a]; sein Titulus lautet: „Hic residet Christus virtutum stemmate septus.“ Im 11. Jh. bezeugt ein heute in Oxford aufbewahrtes Elfenbeinrelief (Abb. 18) das Fortleben der Vorstellung. Hier setzt Christus einen Fuß auf das Haupt der E.-Personifikation, den anderen auf das des Oceanus: dieses Motiv geht letztlich auf Apok. 10, 2 zurück (dazu Rich. Salomon, Opicinus de Canistris [= Stud. of the Warburg Inst. I A], London 1936, S. 197; motivische Parallele: die thronende Muttergottes setzt ihre Füße auf Personifikation von E. und Meer: Köln, St. Pantaleon, gemaltes Tympanon: [8] S. 460f. Taf. 30). Auffällig ist das Fehlen der Seraphim, außer unserem Personifikationspaar begleiten nur die Evangelistensymbole Christus. Mit der zunehmenden Verbindlichkeit der einfachsten Bildformel der Majestas Domini im 12. Jh. kam das Personifikationspaar außer Gebrauch. Die E.-Personifikation zu Füßen Christi im Tympanon von Semur-en-Brionnais (Abb. 20) ist als ein letzter, schwacher Nachklang, aber vorwiegend als Bild der Fußschemel-Metapher einzuschätzen.

Hier ist die Besprechung zweier bisher ungedeuteter Elfenbeinreliefs auf (oder von) Tragaltären in Dumbarton Oaks (ehem. in Melk a. Donau) und im Bischöfl. Mus. zu Münster i. W. anzuschließen. Auf jedem von ihnen ist – neben oder unter der aus Wolken hervorkommenden, einen aus einem gewundenen Tau gebildeten Kranz haltenden und von Engeln adorierten Hand Gottes – das Personifikationspaar Land und Meer dargestellt, zwischen beiden einmal ein nimbierter Mann (Melk), einmal drei aus Erdschollen hervorkommende Auferstehende. Goldschmidt hat diese Darstellungen vermutungsweise als verselbständigte Bildmotive aus komplexen Kreuzigungsbildern beschrieben ([43] Bd. 2, S. 40 Nr. 105 d und S. 41 Nr. 115). Die ungedeuteten Darstellungen sind folgendermaßen zu bestimmen:

Der ehem. Melker Tragaltar besitzt eine Inschrift, in der Johannes d. T. gefeiert wird, weil er „voce praeconis“ von dem Lamm Gottes gesprochen hat. Seine Prophetie gipfelt – wie die dreimalige Wiederholung des Gedankens (Joh. 1, 15. 27. 30) darlegt – in der Bezeichnung Christi als des, der war, ist und kommen wird. Der Gedanke ist vom Propheten des N.T., dem Verfasser der Apokalypse, aufgenommen worden (Apok. 1, 4. 8) und bildet in dieser Formulierung das Bildprogramm des Melker Tragaltars. Die drei in der ikonographischen Bestimmung unklaren Darstellungen stellen Christus als den, der da kommen wird, dar: die von Goldschmidt als „Teil einer Himmelfahrt“ bezeichnete Schilderung ist eine der Wiederkehr Christi (worauf auch Buch und Kreuz [-stab] als Attribut des in der Mandorla thronenden, von Engeln verehrten Weltenrichters hinweisen; bestimmend für die Verwandtschaft von Himmelfahrtsbildern und Darstellungen der Parusie Christi: Apostelgesch. 1, 11 [= Introitus und Lectio der Messe am Himmelfahrtstag]). Der nimbierte junge Mann, der aufblickend zwischen E. und Meer steht und mit seiner Linken einen Redegestus ausführt, ist Johannes, der Autor der Apokalypse; die hinweisende Gebärde seiner Rechten entspricht der zugrunde gelegten Perikope Apok. 1, 7f. („Siehe, er kommt mit den Wolken ....“). Der tauartig gewundene Kranz veranschaulicht Christi „Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Apok. 1, 6). Die Wiedergabe der beiden Personifikationen hat in der Schriftquelle keinen direkten Ansatzpunkt; sobald man aber die Bezeichnung Christi als „princeps regum terrae“ (ebd. 1, 5) und die Herrschermetapher „terra manque“ in Bezug setzt, erklärt sie sich zwanglos. – Die Darstellung auf dem Münsteraner Elfenbeinrelief bestätigt die Deutung: hier sind zwischen den Personifikationen die Apok. 1, 7 genannten „tribus terrae“ dargestellt (Abb. 19). – Ob diese Schilderungen der Parusie an Bilder der Himmelfahrt (vgl. etwa das rheinische (?) Elfenbeinrelief v. Ende 11. Jh., jetzt in Schweizer Priv.bes.: [43] Bd. 2 Nr. 37 sowie Herm. Schnitzler, Fritz Volbach u. Peter Bloch, Slg. Kofler-Truniger, Luzern. Skulpturen. Europäisches MA Bd. 1, Luzern u. Stg. 1964, S. 11 Nr. S 4) anknüpften, bedürfte noch genauerer Untersuchung.

d. Nur sehr selten findet man Beispiele für die Zuordnung der Elemente zum Bild des thronenden Christus (die in so vieler Hinsicht ungewöhnliche Hs. Bibl. 94 der St.B. Bamberg, Köln um 1050 – [s. Erdteile Abb. 3] –, wäre auch hier als Beleg aufzuführen). Die in Frage stehenden Darstellungen kamen entweder dadurch zustande, daß das Bild des thronenden Annus durch ein solches Christi ersetzt wurde (vgl. unten Sp. 1088), oder daß man einem Christusbild ein kosmologisches Bildschema beigab, in dem – ausnahmsweise – auch die Elemente berücksichtigt sind.

4. stehender Christus

Die E. oder der Mundus mit der E. als Mittelpunkt ist seit dem Hoch-MA mit dem stehenden Christus in einer Darstellung verbunden worden, die als Syndesmos-Figur in die Ikonographie eingegangen ist: sie zeigt den stehenden Christus, der in seinen ausgebreiteten Armen eine kreisrunde Scheibe hält, auf der die E. oder der Mundus schematisch vorgestellt wird. Die Scheibe ist zumeist so groß, daß nur Kopf, Hände und Füße Christi von ihr unverdeckt bleiben (Abb. 30). Die formal so einfache Darstellung veranschaulicht recht komplexe theologisch-heilsgeschichtliche Vorstellungen: mit der symbolischen Auslegung der vier Dimensionen des Kreuzes Christi und der Ausdehnung des ans Kreuz gehefteten in die vier Himmelsrichtungen ist die Vorstellung von Christus als Weltenschöpfer verbunden, der die E. oder den Mundus in seinen Armen hält. Auch wenn das Kreuz nicht eigens dargestellt ist, handelt es sich um ein Bild Christi, der am Kreuz die von ihm geschaffene Welt umfängt: „Expansis manibus sic totum amplectitur orbem / In cruce confixus Christus ...“, wie ein anonymer Dichter der karolingischen Epoche die seit frühchristlicher Zeit oft literarisch behandelte Vorstellung knapp zusammenfaßt (ausgewählte Textbelege bei A. C. Esmeijer, La macchina dell’universo, in: „Album discipulorum J. G. van Gelder“, Utrecht 1963, S. 5 – 15).

Eines der ältesten bekannt gewordenen Beispiele zeigt Christus mit einer Elementen-Rota vom Typus der Abb. 9 b, doch ist hier der Mittelkreis der Figur – wie sonst bei kosmologischen Schemata – als TERRA bezeichnet (Cambridge, Gonville and Caius College, Ms. 428, Tractatus de Quaternio, fol. 10, um 1100; ebd. Abb. 3). Während die E. – in Form der Noachiden-Karte (Abb. 30) oder in detaillierterem Kartenbild (ehemals Hannover, Ebstorfer Weltkarte von 1284; Bern, Burgerbibl., cod. 120, fol. 140, gegen 1200: ebd. Abb. 8 u. 10) – mehrfach vorkommt, ist die Windrota nur ausnahmsweise Christus in die Hand gegeben (Linz, Studienbibl., cod. 490, fol. 3v, Mitte 13. Jh.: Ausst.Kat. „Romanische Kunst in Österreich“, Krems a. Donau 1964, S. 84 Nr. 47, Abb. 6). Die dem gedanklichen Gehalt des Bildthemas am besten entsprechende Verbindung von Christusgestalt und Makrokosmos-Schema war offenbar auch am gebräuchlichsten: in Illustrationen zu Hildegard von Bingen, Scivias I, visio 3 (übers. v. Maura Böckeler, Salzburg 1954, S. 109ff.), ist bisweilen die Gestalt des Homo quadratus in das Bildschema eingefügt (Lucca, Bibl. governativa, ms. 1492, fol. 9: Esmeijer a.a.O. Abb. 5; zur Verkoppelung von Syndesmos-Figur und Homo quadratus s. a. Herb. von Einem, Der Mainzer Kopf mit der Binde [= Arbeitsgemeinschaft für Forschg. des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswiss. H. 37], Köln-Opladen 1954); die beiden bekanntesten Beispiele stammen aus dem spätesten 13. und dem 14. Jh., es sind (als Beispiel für Ill. zu Thomas von Chantimpré, De natura rerum) die Miniatur auf fol. 104 des cod. lat. 2655 der B.St.B. München (Abb. 37) und Piero di Puccios monumentale Darstellung im Pisaner Camposanto (Esmeijer a.a.O. Abb. 6 und 1).

Außerhalb aller ikonographischen Konventionen stehende Darstellungen können hier nur an ihrem berühmtesten Beispiel (Abb. 16) behandelt werden.

Die einzige E.-Personifikation in Verbindung mit einem religiösen Bildthema, die aus der Reichenauer Buchmalerei stammt und in der Zeit um 1000 entstand, findet sich auf fol. 20v des cod. lat. 4454 der B.St.B. München (Abb. 16). Die aus der Erde hervorkommende E.-Personifikation ist vor einem Baum abgebildet, dessen Stamm sie wie eine Karyatide umgreift. Die Darstellung ist – entgegen neueren psychologischen Erklärungen des Bildbefundes – von Gg. Leidinger zutreffend als Darstellung „Christi als Heilands der Welt“ bezeichnet worden (Evangeliarium aus dem Domschatz zu Bamberg, cod. lat. 4454 [= Miniaturen aus Hss. der B.St.B. in München, Bd. 6], Mchn. o. J., S. 25ff.). Sie hat in der Hs. zwischen Kanonbögen und Beginn der Evangelien ihren Platz, steht also an der Stelle, die gewöhnlich dem Bild der Majestas Domini eingeräumt wurde (Ernst Schlee, Die Ikonographie der Paradiesesflüsse [= Stud. über chr. Dkm., H. 24], Lpz. 1937, S. 159f.). Ein Titulus erläutert, was hier dargestellt werden sollte (aber nur z. T. vorgestellt ist, es fehlen z. B. die „signa victoris [Christi]“); er zeigt – klarer als das ihm künstlerisch weit überlegene Bild –, daß hier die inhaltlich komplexe Majestas-Vorstellung in einige ihrer konstituierenden Gesichtspunkte zerlegt wurde und aus diesen ein detailliert-anschauliches neues Bild komponiert ist, das verschiedene Phasen des heilsgeschichtlichen Wirkens Christi vergegenwärtigt. Anstelle des thronenden Christus der Majestas Domini erscheint der stehende (der Himmelfahrts- und Parusiedarstellungen). Er ist – wie der Christus der Majestas – von den Evangelistensymbolen umgeben, die hier, gängiger typologischer Erklärung entsprechend, mit den Personifikationen der Paradiesesflüsse verbunden sind: diese tragen sie (wie Propheten die Apostel) und geben zugleich ihrem Bild ekklesiologisch-sakramentale Vorstellungen bei (Wort Gottes – Paradiesesflüsse). Außerdem ist Christus von Personifikationen seiner Schöpfungswerke umgeben: Himmel und E., Sonne und Mond (= Tag und Nacht). Christi Linke ergreift das „Baumattribut“ der E., das hier in die Mandorla wächst, seine Rechte eine kreisförmige Scheibe, die Figur des Mundus (oder des Caelus?). Christus hält sein Schöpfungswerk in den Händen. Nicht mehr mit zeitgenössischen Bildparallelen (wohl aber mit literarischen Quellen) zu belegen ist die Interpretation des Baumattributes als Lebensbaum (die die E.-Personifikation in die Nähe von Darstellungen des „Paradisus“ rücken würde).

5. Prolog zum Johannesevangelium

Die Illustrationen zum Prolog des Johannesevangeliums, in denen E.-Darstellungen vorkommen, sind nur in der ottonischen Epoche in einiger Zahl nachzuweisen. Stets handelt es sich dabei um vielteilige, gedanklich z. T. äußerst komplizierte Bildprogramme, die den Text auslegen. Die Erklärungen bieten Hinweise auf die Weltschöpfung, die Geburt Christi und die in beiden Heilstatsachen zum Ausdruck gekommene „Sapientia divina“. Hier können nur einige charakteristische Beispiele aus der deutschen Kunst erwähnt werden.

New York, Pierpont Morgan Libr., Ms. 333, fol. 85, Bibel des Abtes Odbert von St-Bertin, um 1000 ([45] S. 50, Taf. 69 Abb. 161). – Hildesheim, Dombibl., ms. 18, fol. 174, 1. V. 11. Jh. (Stephan Beissel S.J., Des hl. Bernward Evangelienbuch im Dom zu Hildesheim, Hildesheim 1891, S. 11, Taf. 21; ebd. eine Einführung in das ikonographische Problem). – München, B.St.B., cod. lat. 13 601, Evangelistar, fol. 89, Regensburg um 1025 für die Äbtissin Uta von Niedermünster geschaffen (s. o. Sp. 1039). – Bamberg, St.B., cod. Bibl. 94, fol. 174v, Köln um 1050 ([13] S. 303, Abb. 332; s. a. Erdteile Abb. 3).

D. Sonstige Darstellungen

Die sonstigen E.-Darstellungen können in vier Gruppen vorgeführt werden: solche, die in Bildern oder Bildprogrammen religiöser Thematik vorkommen (1), sind relativ zahlreich, wohingegen die E.-Personifikation in der Kaiserikonographie des MA nur in einem Beispiel erscheint (2). Illustrationen in enzyklopädischen Werken (3), die entweder eine Art bildlicher Capitulatio sind oder den lehrhaften Text demonstrieren, bilden eine ebenso klar abgrenzbare Gruppe wie die Darstellungen antiker E.-Göttinnen (4).

1. religiöse Themen

Die E.-Personifikationen, die in Schilderungen religiöser Themen erscheinen, sind nur in einem Falle als geschlossene Gruppe zu fassen:

Zu den dem Weltgericht unmittelbar vorausgehenden Ereignissen gehört die Herausgabe der Toten, die Meer (vgl. Apok. 20, 13) und Land bergen. Die biblisch nicht ausdrücklich bezeugte Freigabe der Toten durch die Tiere der E. ist per analogiam schon früh erschlossen worden (Ephraem der Syrer; vgl. Gg. Voss, Das Jüngste Gericht in der bild. K. des frühen MA, Lpz. 1884, S. 66). In der byzantinischen Kunst ist die Herausgabe der Toten durch E. und Meer eine der zahlreichen Nebenszenen von Weltgerichtsbildern. Bereits in der ältesten bisher bekannten monumentalen Darstellung des Themas, dem kurz nach 1028 entstandenen Fresko der Panagia Chalkeon in Saloniki, scheint die Herausgabe der Toten durch die E. mit der Abbildung einer E.-Personifikation verbunden: die E. wird als eine im Damensitz auf einem Löwen (?) reitende Frau vorgestellt, die in ihrem rechten Arm ein Füllhorn hält (D. E. Evangelides, ὴ Παναγία τῶν Χαλχέων Thessaloniki 1954, S. 68, Abb. 13; vgl. auch Paris, B.N., ms. gr. 74, fol. 51v, 11. Jh.). Hier ist das Bild der „reitenden“ E. erstmals zu belegen. Der Löwe ist der E. wohl auf Grund des at. Bildes vom „leo rapiens et rugiens“ (Ps. 22 [21], 14, antitypisch verknüpft mit 1. Petrus 5, 8) als Reittier gegeben (vgl. auch Jes. 38, 13 sowie 2. Tim. 4, 17); als Indiz für Zusammenhänge mit E.-Cybele-Vorstellungen ist der Löwe nicht zu betrachten.

Der Typus der auf dem Löwen reitenden E. ist in den folgenden Jhh. in dem gleichen thematischen Zusammenhang immer wieder anzutreffen (a), daneben jedoch auch andere E.-Bildtypen (b).

a. Auffällig ist der häufige Wechsel der Attribute und die Verschiedenheit der Gewandung der Löwenreiterin. In den Fresken des 12. Jh. in der Erlöserkirche in Neréditsa bei Nowgorod hält die E. in ihrer Linken eine Schale, „aus der eine riesige, sich von der Erde hoch in die Lüfte hebende Schlange trinkt“ (Phil. Schweinfurth, Gesch. der russischen Mal. im MA, Den Haag 1930, S. 91 u. 94). In Sopocani wurde die E. im 3. V. 13. Jh. in sehr erlesener Kleidung dargestellt (Attribute nicht erkennbar; Gabriel Millet, La peinture du moyen âge en Yougoslavie, fasc. 2, Paris 1957, Taf. 23, 1). Um 1332–33 ist in Asinou ἡ Υῆ– so die Beischrift – als gekrönter Mann wiedergegeben, der eine Schlange am Schwanz faßt und in seiner Rechten einen Kelch hält; der Körper der Schlange beschreibt einen Halbkreis über dem Kopf des Mannes, was einleuchtend als Abwandlung des spätantiken Schleiermotivs (s. o. Sp. 1032) erklärt wurde (A. Grabar, La peinture religieuse en Bulgarie (= Orient et Byzance I], Paris 1928, S. 292 und 334 zu den E.-Darstellungen des 15. Jh. in Dragalevci und in Kremikovci, die allerdings die E. nicht auf einem Löwen reitend zeigen). Auch in den Weltgerichtsbildern der Athosklöster ist die Löwenreiterin anzutreffen: typengleiche Darstellungen in der Trapeza in Dionysiou, 1547 und 1603, und in Dochiariou, 1568, schildern die E. mit ausgebreiteten Armen, mit den Händen jeweils einen Zweig und das Ende einer Schärpe haltend (Gabriel Millet, Monuments de l’Athos, I: Les peintures, Paris 1927, Taf. 210, 2 u. 247, 1).

Dieser byzantinische Bildtypus hat einige Male als Vorbild für themengleiche Darstellungen im Abendland gedient; er scheint jedoch hier in keinem Falle genau wiederholt worden zu sein. Auf einem römischen Tafelgem. des 13. Jh. in der Pin. Vat. reitet die E. auf einem Stier (wie die E.-Personifikationen einiger südital. Exsultetrollen und die des Engelberger Reliquienkreuzes) und hält in ihrer Linken einen kindhaft klein wiedergegebenen Menschen empor; irrtümlich ist der E. ein Ruder als Attribut gegeben (Röm. Jb. f. Kg. 2, 1938, S. 315 Abb. 21; Abb. 35). In Torcello fehlt zwar die E.-Personifikation bei der Herausgabe der Toten, doch besitzt hier die Personifikation des Meeres der E. charakteristischstes Attribut, das Füllhorn (ebd. S. 328, Abb. 276).

b. Die sonstigen E.-Personifikationen (vgl. die Beispiele bei A. Grabar a.a.O. 1928, S. 84 Anm. 3) sind gewöhnlich in einer (Fels-) Landschaft sitzende oder hingelagerte Frauen mit Zweigen, Schlange u. a. Attributen (Dragalevci, Kremikovci, s. o.). Enger auf das Bildthema bezogen ist ein Typus, den Fresken in Râşca und in Voronet bezeugen: hier hält die E. in ihrer Rechten einen Sarkophag, dem ein Auferstehender entsteigt (I. D. Stefanescu, L’évolution de la peinture religieuse en Bucovine et en Moldavie depuis les origines jusqu’au XIXe s. [= Orient et Byzance II], Paris 1928, Taf. 64, 1 u. 95, 1). Sarg und Zepter weist die E.-Darstellung in der Himmelfahrtskirche zu Vladimir vor (Ph. Schweinfurt a.a.O. S. 186). Im Athoskloster Vatopedi sitzt die E. auf einem von zwei Löwen und zwei Adlern gebildeten Thron, Blumen und Schlange sind ihre Attribute (G. Voss a.a.O. S. 53). Vgl. ferner: Ausst.Kat. „Byzantine Art“, Athen 1964, Nr. 264. Die Fülle der E.-Bildtypen, die die byzantinische Kunst bei der Schilderung der Herausgabe der Toten durch die E. benutzte, kann hier nicht deutlich gemacht werden.

2. Herrscherikonographie

In der ma. Herrscherikonographie findet sich das Bild der E., die den Fußschemel des Kaisers trägt, auf einer Reichenauer Miniatur des 4. V. 10. Jh. (Aachen, Domschatz, Evangeliar Kaiser Ottos III., fol. 16). Über die vielbesprochene und in ihrer Deutung umstrittene Darstellung unterrichtet Ernst Kantorowicz (a.a.O. [Sp. 1072]; ebd. weitere Lit.).

3. enzyklopädische Illustration

Die E.-Darstellungen, die als enzyklopädische Illustration dienen, sind in zwei Gruppen zu scheiden: die Beispiele der ersten bestehen aus illustrativen Hinzufügungen zu einem Text, der über die E. oder die Elemente handelt, und sind mehrfach figürlicher Initialschmuck am Beginn des Kapitels (a); die E.-Bilder der zweiten Gruppe sind Demonstration dessen, was der Text im einzelnen über die E. sagt, und in ihrer Masse unfigürliche Demonstrationszeichnungen (b).

a. In der Montecassinenser Hs. 132, die Hrabanus Maurus, „De naturis rerum“ enthält und 1023 in Süditalien (nach einer deutschen Vorlage?) mit Miniaturen versehen wurde, ist dem Abschnitt „der terra“ (= XII, 2) eine E.-Personifikation vorangestellt (Abb. 17). Sie schildert die E. als junge Frau mit wehenden Haaren; die Gestalt wächst mit dem Oberkörper aus der Erde hervor und säugt ein Rind und eine Schlange. Für den Bildtyp sind E.-Darstellungen auf Exsultetrollen (s. o. Sp. 1054) zu vergleichen. – Der Zwiefaltener Zeichner, der im 12. Jh. Isidors Etymologien mit Initialbildern versah, hält sich in seinem Initialschmuck zu XIV, 2, (De) o(rbe), nur scheinbar enger an den Text: er führt den „orbiculus“ vor, die vom Meer umgebene E. mit ihrer Lufthülle, teilt ihn jedoch – im Gegensatz zu Isidor – nicht nach dem Noachidenschema ein, sondern nach den fünf Klimazonen, deren drei er durch Bäume, Landtier bzw. Vogel charakterisiert (Abb. 24). – In den ill. Hss. von Brunetto Latini, „Le Livres dou Tresor“ (ed. Francis J. Carmody, Berkeley u. Los Angeles 1948), kommen E.-Darstellungen gewöhnlich nur in „realer“ oder schematischer Abbildung vor, besonders als Bild zu Buch 1 Kap. 3 („Comment la nature de toutes choses est divisee en .iii. maniers“). Als eines der nicht sehr häufigen Beispiele für die Addition figürlicher Darstellungen zu naturkundlichen Formeln sei die Miniatur fol. 28 der ehem. als Ms. 74 in der Henry Yates Thompson Libr. aufbewahrten Hs. genannt: sie zeigt die „rota elementorum“ und in deren Mittelkreis (= terra) einen Arzt bei einem Krankenbesuch (Ill. from One Hundred Mss. in the Libr. of H. Y. Thompson Bd. 7, London 1918, S. 19, Taf. 66; s. im übrigen *Enzyklopädie). Der Betonung naturkundlicher Gesichtspunkte in „De proprietatibus rerum“ des Bartholomäus Anglicus (s. ebd.) entspricht die Ill. dieser Enzyklopädie insofern, als sie der E. in ihren „realen“ und kosmographischen Erscheinungsformen ziemlich breiten Raum zubilligt und öfters naturkundliche Formeln und gegenständlich-anschauliche Abbildung der E. verschmilzt; in Paris, Ste-Geneviève, ms. 1028, sind der E. nicht weniger als drei Miniaturen gewidmet, Ill. zu den Büchern 13 bis 15 (fol. 226, 238 u. 250: A. Boinet, Bull. Soc. Fr. Mss. 5, 1921, S. 125). Bisweilen kommen jedoch auch E.-Personifikationen als Ill. zu Buch 14 vor: als auf einem Wagen sitzende gekrönte Frau mit zwei Hähnen ist sie z. B. ebdort., ms. 1029, fol. 156v(ebd. S. 119) abgebildet, wozu offenbar mythologische E.-Bilder die Vorlage lieferten (vgl. für diesen Typus die Sp. 1088f. genannten Beispiele).

Als Beispiel für lose mit dem Text verbundene enzyklopädische Illustrationen sei auf cod. 12 600 der N.B. Wien verwiesen: in dieser Sammelhs. mit astrologischen Texten ist fol. 30 die Gruppe der vier Elemente dargestellt (Abb. 32; Beschr.Verz. 8, 2, S. 78 Abb. 38). Die E., eine gekrönte Frau mit langem Rock, säugt hier einen Kentaur, auf dem sie „reitet“. Das Reittier der E. ist so ungewöhnlich, daß man sein Vorkommen auf Mißverständnis des Prüfeninger Zeichners zurückführen wollte. Die Verbindung E.– Kentaur ist aber viel zu sinnvoll, um diese Annahme zu gestatten: beide sind in der medizinisch-pharmazeutischen Illustration öfter abgebildet worden, die E. im Zusammenhang mit der „Precatio terrae“ als Hervorbringerin der Heilpflanzen, der Kentaur Chiron als der Erfinder der Heilkunst in Miniaturen zu Ps.-Apuleius’ Kräuterbuch (z. B. London, B.M., Cotton Ms. Vitellius C III, 11. Jh.: F. W. T. Hunger, The Herbal of Ps.-Apuleius ... in the Abbey of Monte Cassino ..., Leiden 1935, Teil 2 S. 2 m. Abb.).

b. Die Demonstration des Textes wissenschaftlicher Handbücher bestreiten beinahe immer schematische Darstellungen, die seltenen Ausnahmen von dieser Regel sind in Medaillons wiedergegebene Frauenköpfe als Bild des von den Elementen umgebenen Annus (s. u.) oder des Planeten E. in Darstellungen der Planetenstellungen (im Typus von Figuren zu Isidor von Sevilla, De natura rerum XXIII, 4: J. Fontaine a.a.O. [Spalte 1018f.], S. 260 bis; die ganzfigurige Wiedergabe der E., wie sie etwa die Sammelhs. cod. lat. 645 der Bibl.Vat. zeigt, Abb. 5, ist in diesem Zusammenhang vereinzelt). Sporadisch sind E.-Personifikationen in ganzer Figur in thematisch ungewöhnlichen Schemata anzutreffen, vgl. z. B. die „Imago locorum inferorum“ mit der thronenden, gekrönten Tellus im cod. lat. 1960 der Bibl.Vat., fol. 265, 14. Jh. (Fritz Saxl, Verz. astrolog. u. mytholog. ill. Hss. des latein. MA in römischen Bibl., Sitz.ber. der Heidelberger Akad. d. Wiss., phil.-hist. Klasse 1915, 6./7. Abhdlg., S. 77, Taf. 18). Wenn den Schemata figürliche Motive einbeschrieben sind, handelt es sich gewöhnlich um die Interpolation theologischer Vorstellungen in die naturwissenschaftlich-objektiven Bildformeln (zu der in dieser Weise charakterisierbaren Gruppe von Werken sind im weiteren Sinne auch nicht der Buchmalerei angehörende Schöpfungen zu rechnen, etwa die Glasgem. der Rose in der Kath. zu Lausanne [38] oder die 1794 zerst. Fußbodenmosaiken im Chor von St-Rémi in Reims, auf denen die E. und das Meer sowie der „Orbis terrae“ personifiziert und außerdem die E. anscheinend in einer Abb. 1 vergleichbaren Art „real“ abgebildet waren: Henri Stern, Recueil gén. des mosaïques de la Gaule I, 1, Paris 1957, S. 91f.). Dabei können ikonographische Mischformen entstehen; so ist z. B. in der Aldersbacher Hs. von Thomas von Chantimpré, De natura rerum (um 1295; Abb. 37), die Syndesmos-Figur in die Demonstrationsfigur eingefügt. In anderen Fällen ist an die Stelle des von den Elementen umgebenen „Annus“ (vgl. z. B. Göttingen, Univ.bibl., ms. theol. lat. fol. 231, fol. 250, Fulda, gegen 975: Bildarchiv Maria Laach/Eifel, 842/3; Köln, St. Kunibert, Annusteppich: [8] S. 736 Abb. 490; ferner, um die Personifikation des „Locus“ gruppiert: Rob. Forrer, Unedierte Federzchgn. und Initialen des MA, Straßburg 1907, S. 6f., Taf. 3) die Gestalt Christi getreten; diese inhaltliche Umdeutung der in den Schemata fixierten Ordnung ist zumal dort anzutreffen, wo man eine vom Text des Lehrbuchs abgelöste Darstellung Christi als Schöpfer des Kosmos geben wollte, ohne auf die in den Schemata kodifizierten formalen Gliederungssysteme zu verzichten (s. o. Sp. 1020f.).

Ein anderer Typus der wissenschaftlichen Ill., der die Lehrmeinungen über die Einteilung der Natur vergegenwärtigt, berücksichtigt das Element E.; dessen Wiedergabe in künstlerisch beachtlicher Form ist in diesem thematischen Zusammenhang recht selten (vgl. etwa Paris, B.N., ms. lat. 6734 Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Augustod., Clavis Physicae], 12. Jh.; Frances A. Yates, Ramon Lull and John Scotus Erigena, Warburg Journ. 23, 1960, Taf. 3 n. S. 40).

4. E.-Göttinnen

Darstellungen einer antiken E.-Göttin unter ihrem Eigennamen sind in der ma. Kunst selten. Sie kommen am ehesten als Illustration zu Werken der mythographischen Überlieferung s. o. Sp. 1005ff.) vor. Die Beispiele aus der hoch-ma. Buchmalerei sind ganz vereinzelt: vgl. das Bild der E.-Cybele im cod. lat. 14 271 der B. St.B. München, der den Kommentar des Remigius von Auxerre zu Martianus Capellas „De nuptiis Philologiae et Mercurii“ enthält (RDK III 896, Abb. 1), und das E.-Bild in einer Reihe von antiken Götterbildern in der um 1180 entstandenen Hs. von Augustinus „De civitate dei“ in Schulpforta (Comte Alexandre de Laborde, Les mss. à peintures de la Cité de Dieu de Saint Augustin, Paris 1909, S. 218ff., Taf. 2). Erst im Spät-MA wurden mythologische E.-Darstellungen Bestandteil fester Illustrationstypen. Das reichste Material liefern franz. Hss. von Augustinus soeben genanntem Werk, Ill. zu dessen 7. Buch. Ein um 1400 entstandenes Ms. – Paris, B.N., ms. fr. 20 (Abb. 39; ebd. S. 196 u. 294) – zeigt „Cybele-Terra“, eine hohe Turmkrone auf dem Haupt, auf einem Thron in einem von zwei Löwen gezogenen Wagen sitzend. Die Darstellung bezieht sich offenbar auf die Textstelle, in der auf die alljährliche kultische Waschung des Götterbildes hingewiesen ist. Dieser Bildtyp kehrt bei einigen Hss. desselben Werkes wieder, so im ms. 9294 der Bibl. roy. in Brüssel (ebd. S. 269 sowie S. 304, 307, 436). Im wesentlichen typengleich ist in einem Straßburger Holzschnitt vom A. 16. Jh., der in der Folgezeit mehrfach wiederholt wurde, Cybele vorgestellt (Abb. 44), ein interessanter Beleg für die spät-ma. Komponente in der „Renss.-Ikonographie“ nördlich der Alpen. Einige dem 15. Jh. angehörende Hss. schildern „Cybele-Terra“ (unter Bezug auf „De civitate dei“ VII, 26) unter den „Dii selecti“ – neben Jupiter, Janus und Saturn – als stehende Frau mit der Mauerkrone auf dem Haupt und einem Schlüssel in der Hand (Abb. 40; weiteres Beispiel: ebd. S. 367, Taf. 37). Dieser Typus ist später in die Holzschnittillustrationen der Frühdrucke eingegangen (Ausg. Abbeville, Raoul de Paelles, 1486: ebd. S. 489, Taf. 136).

An anderer Stelle des Werkes (X, 12) gedenkt Augustinus der römischen Jungfrau Claudia Quinta, die – u. a. nach Ovid, Fasti IV, 305–344 – ein mit einem Cybelebild (oder -symbol) beladenes, auf einer Sandbank im Tiber gestrandetes Schiff wunderbarerweise an Land ziehen konnte und dadurch ihre Keuschheit erwies (s. Claudia, RDK III 788–91). In der ma. Exempelliteratur ist die Geschichte der Claudia öfter erzählt; für die bild. Kunst war besonders ihre Erwähnung in Boccaccios „De claris mulieribus“ (s. *Frauen, berühmte) und im „Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae“ des Dominikaners Franz von Retz (s. RDK III 1214) von Bedeutung: sie veranlaßte, die Begebenheit seit dem 14. Jh. häufig darzustellen (für Ill. zu Boccaccios Werk s. die Verz. der Hss. und Drucke bei A. Hortis a.a.O. [Sp. 1011], S. 764–69, 797–819 u. 912–15; für das Defensorium s. RDK III 1212f.). Viele der Claudia-Bilder zeigen ein nicht näher charakterisiertes Götterbild als Fracht des Schiffes, doch hin und wieder findet man statt solcher summarischer Abbildungen auch für die Ikonographie der E.-Cybele bemerkenswerte Beispiele.

In Italien sind E.-Ill. zu „De deorum imaginibus libellus“ seit dem frühen 15. Jh. nachweisbar: der Miniator des cod. Reg. 1290 in der Bibl.Vat. stellte auf fol. 3vCybele mit Mauerkrone und Zepter dar; mit der Rechten entmannt sie den neben ihr stehenden knabenhaften Attis; drei Männer neben dem Wagen weisen sich durch ihre Vogelfüße als „galli“ aus (Abb. 41; [30] Taf. 21). Im cod. Palat. 1066, der wie die vorige Hs. aus dem 1. V. 15. Jh. stammt, ist fol. 234v Cybele in einem von vier Schimmeln gezogenen Wagen abgebildet; kriegerische Gestalten im Hintergrund sind wohl als Korybanten zu verstehen, und ein von Küken umgebener Hahn stellt einen „gallus“ vor [30, Taf. 15, Abb. 23].

VIII. 1450-1550

In der Zeit von etwa 1450–1550 schufen eine neue Art der Naturbetrachtung, die einschneidende Veränderungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes im Gefolge hatte, und Rückbesinnung auf die Antike, ihre Mythologie wie ihre Bildwerke, gänzlich neue Voraussetzungen für die E.-Ikonographie (auch die der folgenden Jhh.). Die in den beiden voraufgegangenen Jhh. ziemlich erstarrte E.-Ikonographie wurde in mannigfacher Weise wieder belebt.

Die bestimmenden Merkmale der E.-Ikonographie jenes Jh. sind die Bemühungen um anschaulich-konkrete Schilderung des kosmologischen E.-Begriffes (A) und die Wiederbelebung der E.-Personifikation, die untrennbar mit derjenigen der mythologischen E.-Gestalt verbunden ist (B). Weiterbildung des in Ansätzen bereits Überlieferten und Rückgriff stehen nebeneinander; sie sind nicht verschiedene Mittel, um dasselbe vorzustellen: die kosmologische E.-Vorstellung büßt – wie bei den naturwissenschaftlichen Entdeckungen in jener Zeit beinahe zu erwarten ist – eine Reihe der ihr seit Jhh. integrierten Inhalte ein und gibt diese an den jetzt erstmals zu hoher naturkundlich-philosophischer Bedeutung gekommenen Begriff „Natur“ ab. Gleichzeitig reduziert humanistisch-antiquarische Gelehrsamkeit den mythologischen E.-Begriff zu einer Art „Persönlichkeit aus der mythologischen Geschichte“. Die Folge dieser Wandlung ist eine Veräußerlichung und Materialisierung der E.-Vorstellung. Sie ist ikonographisch an der Tatsache ablesbar, daß E.-Bilder in rasch zunehmendem Maße fast nur noch als Darstellungen des Elementes E. innerhalb der Folge der vier Elemente vorkommen, die Eigenschaften der E., ihre Fruchtbarkeit und ihr Reichtum, immer häufiger durch spezialisierte Personifikationen zum Ausdruck gebracht werden: Ops und Tellus ersetzen häufig E.-Cybele oder werden (durch Konjektur der Attribute) mit dieser verschmolzen. Jedoch konnte auch eine der Fruchtbarkeitsgöttinnen oder -Personifikationen durch einfache Umbenennung – die bisweilen erläuternde Beischriften unterstützen – als Terra vorgestellt werden, wie z. B. Jamnitzers Tafelaufsatz zeigt (Abb. 48; vgl. dazu Arno Schönberger, Kgw.Mus. [Bln.]. Ausgewählte Werke, Bln. 1963, Nr. 93: Goldschmiedemodell für die abgebildete Figur).

A. Reale E.-Darstellung

Durch Illustrationen zu Frühdrucken der gebräuchlichsten Handbücher wurde die Kenntnis der gängigen kosmologischen Demonstrationsfiguren neuerlich verbreitet. Blieben auch die E.-Bildformeln (und ihre Stellung in größeren Zusammenhängen) vielfach unverändert, so ist doch in weit größerem Ausmaß als je zuvor die Tendenz am Werk, die abstrakten E.-Formeln durch an schaulich-konkrete Schilderungen zu ersetzen. Es ist bezeichnend, daß etwa Vasari an der „semplicità“ des abstrakten ma. Kosmosschemas Anstoß nahm (ed. Milanesi Bd. 1, S. 513ff.). E.-Darstellungen durch das Bild einer Landschaft oder durch kartographisch detailliertere Abbildungen wurden immer zahlreicher (einige Beisp. bei S. K. Heininger jr., Some Renss. Versions of the Pythagorean Tetrad, Stud. in Renss. 8, 1956, 7–35). Meist handelt es sich allerdings um recht kärgliche Bilder (vgl. etwa Abb. 45 u. Sp. 569/70 Abb. 7), da dem Holzschnitt im kleinsten Format nicht mehr abzugewinnen ist. Auffälligerweise entspricht der Veranschaulichung des E.-Bildes keineswegs eine solche der übrigen kosmologischen Zonen. Daß man tatsächlich die E.-Landschaften nicht nur als vordergründige Konkretisierung zu verstehen hat, geht aus zahlreichen literarischen Äußerungen der Zeit hervor; unter diesen nimmt Lionardos da Vinci Bemerkung über das Leben des Erdkörpers insofern eine Sonderstellung ein, als sich hier naturkundliche Einsicht und Anthropomorphisierung der E. zu einem Gleichnis verbinden (Leicester-Hs. fol. 34: L. d. V., Tagebücher und Aufzchgn., Lpz. 19522, S. 20f.; vgl. Hans Schimank, Epochen der Naturforschung, Bln. 1930, S. 101ff.).

Ein aufschlußreiches Beispiel dafür, daß auch Personifikationen zur Veranschaulichung naturkundlicher Ansichten dienen können, ist Cellinis Saliera für Franz I., 1539/40–43 (Wien, Kh. Mus.); hier soll durch Personifikationen gezeigt werden, „wie das Meer sich mit der E. verbindet“: zwei Figuren, „die mit verschränkten Füßen gegeneinander saßen, so wie man die Arme eines Meeres in die E. hineinlaufen sieht“, sind dargestellt (Benvenuto Cellini, Vita III, 2 [= II, 1, 2], übers. von Joh. Wolfg. von Goethe: Werke, 1. Abt., Bd. 44, S. 13). Die E. ist eine Frau „von so schöner Gestalt und so anmuthig, als ich nur wußte und konnte“ (ebd.), ein Tempel und ein Füllhorn sind ihre Attribute, die Handgebärde assoziiert das Motiv der säugenden E. (Abb. 47).

Früher als in kosmologischen Demonstrationsfiguren ist die Wiedergabe der E. durch eine Landschaft in Schilderungen des Elementes E. gebräuchlich gewesen. So anschauliche Beispiele wie die „microcosmus“-Darstellung im Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg (fol. 16v: Straub-Keller Taf. 6) waren im MA relativ selten, vom ausgehenden Hoch-MA an nahm ihre Zahl zu. Zumal in der Buchmalerei wurde es gebräuchlich, bei Schilderung der vier Elemente in vier Miniaturen die E. als Landschaft (fast immer mit Bauwerken) vorzustellen (vgl. z. B. [13], Bd. 2, S. 304 Abb. 334); Ill. zu poetischen Werken, z. B. zu dem Epos „Die Erlösung“ (s. dort; Abb. 42), unterstützten die Verbreitung solcher Elemente-Darstellungen. Im Verlauf des 15. und 16. Jh. ist die konkrete Schilderung des Elementes E. mehrfach so weit getrieben, daß man ein paar Erdschollen oder ein Stück Rasen, auf dem eine Figur steht, sitzt oder liegt, als E.-Darstellung ansah (Abb. 43; vgl. auch Dora und Erwin Panofsky, Pandora’s Box, London 1956, S. 25 Anm. 20). Solche E.-Darstellungen sind ikonographisch nur dann noch zu fassen, wenn man sie auf Grund der Feststellung, daß die vier Elemente vorgestellt werden sollten, erschließen muß. Die Verflüchtigung in nicht mehr qualifizierbare Motive ist eine der Voraussetzungen für die aus Pflanzen, Blättern, Früchten usw. komponierten „E.-Bildnisse“ des Giuseppe Arcimboldo und des Heinr. Göding (vgl. RDK IV Sp. 1281 und Sp. 1278 Abb. 10), aber auch für Bildinterpretationen, wie sie Donat de Chapeaurouge kürzlich versuchte (Zur Symbolik des Erdbodens in der Kunst des Spät-MA, Das Münster 17, 1964, 38–58).

Ein weiteres charakteristisches Motiv für die veränderte Einstellung zum E.-Thema ist die seit dem 15. Jh. sehr häufige (und bis ins 18. Jh. ständig zunehmende) Vergabe der E. als Attribut. Während dieses Attribut im MA in der Regel nur dem Weltenschöpfer oder einer Person der Dreifaltigkeit zuerkannt wurde, erhielten es jetzt auch Personifikationen (vgl. im einzelnen *Weltkugel als Attribut), z. B. die Natur (etwa: Wien, N.B., cod. philos. graec. 2, fol. 1: Beschr.Verz. 8, 6, 4, S. 62f., Taf. 24), wissenschaftliche Disziplinen, deren Pflege die E. befruchtet (z. B. die Grammatik: Paris, B.N., ms. lat. 8500: Prince d’Essling u. Eugène Müntz, Petrarque, Paris 1902, S. 51), Tugenden, denen man Macht und Verbreitung über die ganze E. wünscht (wie die Gerechtigkeit; Gem. des Piero Pollajuolo in den Uffizien, Florenz: [13] Bd. 2, S. 35 Abb. 38; s.a. ebd. S. 61 Abb. 72), ferner Fortuna (z. B. Münze auf den Antwerpener Bürgermeister Anthonis van Stralen, dat. 1565: Ausst. Kat. „De triomf van het Manierisme“, Amsterdam, Rijksmus., 1955, S. 190 Nr. 404, Abb. 79 c), Fama (vgl. [13], Bd. 2, S. 125 Abb. 143) und viele andere. Als Attribut von Lastern ist die E. Hinweis auf Verkettung mit dem Irdischen. In allen diesen Fällen pflegt die E. in mehr oder weniger schematischer Weise abgebildet zu werden: als Kreis mit dem Einteilungsschema des „orbis tripartitus“, als Erdglobus oder auch als einem Kreis (oder einer Kugel) einbeschriebene Landschaft.

In Zusammenhang mit dem Streben nach Veranschaulichung sind auch die im 16. Jh. aufgekommenen Darstellungen der E., meist des Elementes E., durch Szenen aus Mythologie, Bibel und Geschichte zu sehen. Durch die Exempla (Fatti) wird die E. einige Male als Schöpfungsmaterie gewürdigt (Erschaffung Adams „de limo terrae“; Hendrik Goltzius: Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 8, Nr. 495 u. 209; s. a. RDK IV 1276 u. Sp. 1271 Abb. 6 a; Junius Brutus als Hinweis auf die Tiberinsel, die aus dem in den Tiber geworfenen Korn von den Tarquinischen Feldern entstanden sein soll, Livius II, 4–5: Deckenmal. in der Stanza della Segnatura des Vatikans); häufiger tritt sie handelnd auf, indem sie Frevler verschlingt (Untergang der Rotte Korah, 4. Mos. 16: Abb. 53) oder Opfer aufnimmt (Marcus *Curtius). Untersuchungen, die über die Anfänge und die Häufigkeit dieser Art von E.-Darstellungen im 16. Jh. unterrichten, stehen noch aus. Am frühesten und zahlreichsten scheinen mythologische und historische Ereignisse als Exempla des E.-Begriffes herangezogen worden zu sein (s. RDK IV 1269ff.).

Wie schon im MA, doch nun in viel größerem Umfang, konnten Tiere als Hinweis auf die E. dargestellt werden (vgl. die – ergänzungsbedürftige – Liste RDK IV 1279f. sowie ebd. Sp. 1285). Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden, man vgl. die einzelnen Tieren gewidmeten Artikel (z. B. Schildkröte, Skorpion).

B. Personifikationen

Über die E.-Personifikationen des späten 15. Jh. und der beiden ersten Drittel des 16. Jh. ist derzeit noch keine genauere Vorstellung zu gewinnen. Ohne Zweifel haben zumal italienische Künstler in diesem Zeitraum zahlreiche E.-Bilder geschaffen, meist kleinfigurige Darstellungen in der sog. Dekorationsmalerei (so etwa das E.-Bild aus einer Elementenfolge an den Fensterlaibungen der Capp. Eroli am Dom zu Spoleto) und der „dekorativen Skulptur“, bald in mythologischen Schilderungen oder in Szenen mythologisierender Allegorie, bald im Ensemble der vier Elemente oder auch für sich allein in größere Bildprogramme eingeordnet. Von den vielen Beispielen sind nur die veröffentlicht, die zufällig berühmte Künstler als Schöpfer haben oder an hervorragender Stelle angebracht sind. Ob die bislang bekanntgewordenen Beispiele tatsächlich das Ergebnis individueller Auseinandersetzung mit antiken Bildtypen, E.-Vorstellungen und Darstellungsanlässen sind (wie es heute erscheint) oder ob diese Auseinandersetzung in den Bahnen breiterer typengeschichtlicher Entwicklung verlief, ließe sich erst auf Grund erweiterter Denkmälerkenntnis entscheiden. Sicher ist jedoch, daß das Wiederaufkommen von E. - Personifikationen eine Folge der Beschäftigung mit der Antike ist. Besonders häufig ist die Auswirkung von antiken Münzbildern auf die E.-Ikonographie zu belegen. Der thematische Anschluß an kaiserzeitliche Münzen ist Ende 15. Jh. in der von Bertoldo di Giovanni geschaffenen Schaumünze auf Sultan Mohammed offenkundig: auf der Rückseite ist der Herrscher im Triumphwagen gezeigt, darunter im Abschnitt das aus der imperialen Ikonographie der Spätantike wohlbekannte Personifikationspaar E. und Meer (Oceanus; zuerst Jul. Friedländer, Die ital. Schaumünzen des 15. Jh., Bln. 1882, S. 163f., Taf. 32). Haltung und Attribut (Füllhorn) der E. gleichen antiken (und ma.) Bildtypen, ohne Vorbild ist (in Italien) jedoch die Wiedergabe der E. als ganzfigurige nackte Frau. Die Nacktheit, wohl als Charakteristikum antiker Kunst verstanden, macht Bertoldos E.-Personifikation „antiker“ als ihre antiken Vorbilder. – Die als Exemplum herangezogenen antiken Bildtypen sind durchaus nicht immer solche von E.-Darstellungen. Correggios E.-Personifikation (Element E.) in der Klausur von S. Paolo in Parma, 1518/19, ist eine Kompilation aus zwei hadrianischen Münzbildern, einem der „Tellus stabilis“ und einem der „provincia Africa“ (Erwin Panofsky, The Iconography of C. ’s Camera di S. Paolo [= Stud. of the Warburg Inst., Bd. 26], London 1961, S. 81ff., Abb. 61ff.), wobei die für die „Africa“ bezeichnenden Attribute (darüber s. Erdteile, Kap. II) so dominant sind, daß dieses E.-Bild gelegentlich als Afrika beschrieben wurde. Auch die E.-Personifikation in der Sala degli Elementi des Pal. Vecchio in Florenz, 1555/56 von Cristofano Gherardi nach Programmentwurf von Vasari gemalt (vgl. Vasaris „Raggionamenti“, Giornata I, 1: ed. Giorgio Vasari, Le Vite de’più eccelenti pittori, scultori e architettori Bd. 7 [= Coll. Salani. I Classici], Florenz 1932, S. 300ff.), schließt auf das engste an den E.-Typus auf antiken Kaisermünzen an; lediglich hält die E. das Füllhorn in der Hand, die sonst auf dem Himmelsglobus ruhte, deren Haltung aber unverändert blieb [13, Bd. 2, S. 306 Abb. 337]. Gleichzeitig, um 1555–57, schuf Ammannati für den Sechsfigurenbrunnen, der urspr. an der gegen die Uffizien liegenden Schmalseite der Sala grande des Pal. Vecchio in Florenz aufgestellt werden sollte, eine E.-Personifikation, die einen antiken Venustypus abwandelt (Herb. Keutner, Münchner Jb. d. bild. K. III. F. 14, 1963, S. 85 Abb. 11). Hier hat das „halb wissenschaftliche Programm“ des Bildschmuckes (Frdr. Kriegbaum, Mitt. d. Kh. Inst. Florenz 3, 1929, S. 84) den Anschluß an E.-Bildtypen der Antike unmöglich gemacht: Raffaello Borghini beschreibt dieses E.-Bild als „Ceres, die sich die Brüste preßt und Wasser aus ihnen hervorspringen läßt, was bedeuten sollte, daß aus der E. mit Hilfe der Luft die Flüsse und die Quellen entstehen“ (ebd. S. 72). Rücksichtnahme auf die Programmkonzeption hatte schon Sebastiano del Piombo daran gehindert, seinem E.-Bild in der Farnesina eine der gängigen antiken Bildformeln zugrunde zu legen: die E. erhebt sich, vom belebenden Hauch Zephirs getroffen, aus ihrem Winterschlaf – infolgedessen muß sie hier aller auf ihre Fruchtbarkeit hinweisenden Attribute entbehren (Abb. 46; Federico Hermanin, La Farnesina, Bergamo 1927, S. 47; die Zuordnung von E. und Frühling (statt Herbst, s. o. Sp. 1020) ist ungewöhnlich, wurde aber im Laufe der Neuzeit immer gebräuchlicher.

Wie E.-Bilder aus inhaltlich E.-Darstellungen fremden Bildformeln herausgebildet wurden, konnten umgekehrt auch E.-Bildformeln benutzt werden, um andere Begriffe zu personifizieren. Als Beispiel hierfür sei die Schilderung vom Traum des Astyages auf einer 1536 von Franc. Xanto Avelli geschaffenen Majolikamalerei genannt: hier ist vermittels der aus der E. hervorwachsenden Halbfigur „Asia“ vorgestellt (Faenza 30, 1942, Taf. 15).

Eine Neuerung des 16. Jh. ist die Wiedergabe von E.-Personifikationen, die am Schicksal sterblicher Menschen Anteil nehmen und nicht durch theologische oder kosmologische Themen motiviert sind. Vasaris Beschreibung unverwirklicht gebliebener Planphasen von Michelangelos Juliusgrab (erst in der Zweitaufl. der „Vite“, Florenz 1568: ed. Gaetano Milanesi, Florenz 1906, Bd. 7 S. 164) ist zu entnehmen, daß zeitweise als Krönung des ganzen Werkes zwei Figuren geplant waren, „che una era il Ciclo, che ridendo sosteneva in sulle spalle una bara insieme con Cibele dea della terra, pareva che si dolessi, che ella rimanessi al mondo priva d’ogni virtù per la morte di questo uomo“ (vgl. dazu Erwin Panofsky, The First Two Projects of Michelangelo’s Tomb of Julius II., The Art Bull. 19, 1937, 561–79). Während hier der Begriff E. in einem noch immer ma. Vorstellungen tradierenden Sinne gebraucht ist (E. = Menschheit), hat man später E.-Personifikationen einzelnen Menschen beigesellt, um sie als Lebende vorzustellen (so in der „Begegnung der Familie Friedrichs V. an der Pforte der Ewigkeit“, von Gerard und Willem van Honthorst: Ausst.Kat. „England und Kurpfalz“, Heidelberg 1963, S. 33 Abb. 12).

Etwa seit M. 16. Jh. ist allenthalben die Tendenz festzustellen, exakter den antiken E.-Bildtypen zu folgen als dies zuvor üblich war. Man wird darin eine Auswirkung der in jenen Jahren erschienenen mythographischen Handbücher (s. o. Sp. 1011f.) zu sehen haben (der sich später die von Ripas Personifikationen hinzugesellten, s. o. Sp. 1015). Schon Vasaris Beschreibung der Ops-Darstellung in dem ihren Namen tragenden Saal des Pal. Vecchio in Florenz ist bis in die Formulierung hinein ohne das Streben nach antiquarisch-gelehrter Exaktheit nicht verständlich (Raggionamenti, Giornata I, 3: s. [31], S. 256f.). Als Ammannati 1572/73 den Reichtum der E. personifizierte, eine der acht Statuen für das Studiolo des Prinzen Francesco im gleichen Palast (Herb. Keutner, Burl. Mag. 100, 1958, S. 428 Anm. 10), folgte er zwar dem Figurentypus, den er schon früher benutzt hatte (s. o.), ergänzte ihn jedoch um eine Reihe der Standardattribute von Cybele (Mauerkrone, Löwe).

Darstellungen einer antiken E. -Göttin in Schilderungen mythologischer Geschehnisse sind (soweit sich derzeit darüber ein Bild gewinnen läßt) anscheinend nur sehr zögernd wieder aufgekommen.

Wenn die Wiedergaben des Kampfes von Herkules mit Antäus (s. Herkules und Antäus) typisch für die mythologischen E.-Darstellungen des 15. und 16. Jh. sind, so wäre geradezu von einem erstaunlichen Desinteresse an der Abbildung der E. in ihrer mythologischen Gestalt zu sprechen: die zahlreichen Schilderungen des Themas im 15. Jh. und die weitaus meisten des 16. Jh. (vgl. Pigler II S. 105f.) sind ohne die Gestalt der Terra ausgekommen. Nicht in Italien, wo das Thema besonders beliebt war, sondern in den Niederlanden scheint man zuerst Terra wieder in diesem Bildzusammenhang abgebildet zu haben:

Zchgn. des Simon Jansz. Kies überliefern die Darstellungen von Wandgem. des Frans Floris, die verschollen sind (Thieme-Becker Bd. 7 S. 475 und Bd. 12 S. 125 sowie Bd. 20, S. 273); unter diesen zeigte eine den Herkules-Antäus-Kampf in Anwesenheit der Terra. Die Komposition ist durch Stich des Cornelis Cort, der 1563 bei Hieron. Cock in Antwerpen erschien (Abb. 50; J. C. J. Bierens de Haan, L’œuvre gravé de C.C., Den Haag 1948, Nr. 180) bekannt geworden: Terra, eine an einen baumbestandenen Hügel gelagerte Matrone, wird von dem mit Herkules ringenden Antäus noch mit einem Fuß berührt. Ein Epigramm erläutert: „Deficit hic pugnax Antaeus in aere victus / Nullaque sublato Terra ferebat opem.“ Komposition und Epigramm wiederholt ein 1565 bis 1579 in der Antwerpener Manufaktur des Michel de Bos gewirkter Teppich, der zu der Folge „Die Stärke des Herkules“ gehört (München, Residenz, Neuer Herkules-Saal: Göbel I, 1, S. 453f.; Luisa Hager in: Fs. der Bayer. Schlösserverwaltung zur Eröffnung des Fest- u. Konzertsaales in der Münchner Residenz, [Mchn. 1953], S. 12f.). – Während bei Darstellungen von Herkules und Antäus immerhin einige Male die Gaia zugegen ist, scheint sie bei Behandlung des Erichthonius-Stoffes in der Neuzeit – im Gegensatz zur Antike – nie vorzukommen.

IX. 1550 bis Ende 18. Jh.

Fast alle nicht nur formelhaften E.-Darstellungen aus der Zeit von 1550 bis Ende 18. Jh. sind solche des Elementes E. oder der E. in ihren Teilen. Es kann daher hier mit Verweisen auf die im Art. Elemente, RDK IV 1269–87, gegebene Übersicht und auf den Art. Erdteile sein Bewenden haben.

Zu den Abbildungen

1. Nikopolis, St. Demetrius (= „Basilika A“), Fußbodenmosaik im n Qusch. 2. V. 6. Jh. Nach Dumbarton Oaks Papers 6, 1951, Abb. 18.

2. Trier, Stadtbibl., ms. 31 (Apokalypse), fol. 39, Personifikation der E., Ill. zu Apok. 12, 16. Trier (?), A. 9. Jh. Nach [45], Taf. 72 Abb. 168.

3. Stuttgart, L.B., cod. Biblia fol. 23 (Psalter), fol. 151v, Personifikationen von E., Sonne und Mond, Ill. zu Ps. 136 (135), 25. 1. V. 9. Jh. Nach E.T. de Wald, The Stuttgart Psalter a.a.O. (Sp. 1041).

4 a und b. Utrecht, Univ.-bibl., ms. 484 (Psalter), fol. 53 (= a) und 58 (= b), Ausschnitte aus den Ill. zu Ps. 90 (89) und 102 (101). Gesamtabb.: E. T. de Wald, The Ill. of the Utrecht Psalter a.a.O. (Sp. 1040). Reims (?), um 830. Nach ebd.

5. Rom, Bibl.Vat., cod. lat. 645 (Sammelhs.), fol. 67v, Planetensphäre. 3. V. 9. Jh. Fot. Bibl.

6. München, B.St.B., cod. lat. 14 000 (Codex aureus von St. Emmeram in Regensburg), fol. 6, Personifikation der E., Ausschnitt aus einer Darstellung der Anbetung des Lammes durch die 24 Ältesten. Gesamtabb.: Gg. Leidinger, Der Codex Aureus usw. a.a.O. (Sp. 1075), Bd. 1 Taf. 11. Hofschule Karls des Kahlen, um 870. Nach ebd.

7. München, B.N.M., Inv.Nr. MA 160, Personifikation der E., Ausschnitt aus einer Darstellung der Kreuzigung Christi. Gesamtabb.: [43] Bd. 1, Taf. 21 Nr. 44. Elfenbeinrelief, 22 × 10,2 cm (Gesamtmaße); von einem Bucheinband. Liuthard-Gruppe, 3. Dr. 9. Jh. Fot. Mus.

8. London, V.A.M., Inv.Nr. 250.67, Personifikationen von E. und Meer, Stephaton und Longinus sowie Auferstehende, Ausschnitt aus einer Darstellung der Kreuzigung Christi. Gesamtabb.: [43] Bd. 1, Taf. 36 Nr. 85. Elfenbeinrelief, 21,1 × 12 cm (Gesamtmaße); urspr. auf dem Bucheinband eines Evangeliars. Jüngere Metzer Schule, Ende 9./A. 10. Jh. Nach ebd.

9. New York, Morgan Libr., Ms. 644 (Beatus-Hs.), fol. 115v, Ill. zu Apok. 7, 1. San Miguel de Escalada bei León, M. 10. Jh. Nach W. Neuß a.a.O. (Sp. 1046), Bd. 2, Taf. 78 Abb. 115.

9 a und b. Darstellungen der E. in wiss. Demonstrationszchgn. des MA. Zchgn. des Verf.

10. Athen, Nat.Bibl., ms. 211 (Johannes Chrysostomus, Homilien), fol. 34v, allegorische Darstellung zur Ill. der Homilie über Lk. 15, 8. Byzanz, 10. Jh. Nach Cab. archéol. 7, 1954, Taf. 64, 1 vor S. 161.

11. Ehem. Kassel, L.B., cod. theol. fol. 60 (Evangeliar aus Kloster Abdinghof in Paderborn), fol. 1, Kreuzigung Christi mit Personifikation der E., der Sonne und des Mondes. Sächsisch (?), 10. Jh. Nach [44], Bd. 1 Taf. 82 A.

12. Koblenz, Staatsarchiv, cod. 701 (Evangeliar aus S. M. ad Martyres in Trier), fol. 127, thronender Christus. Trier, 4. V. 10. Jh. Nach [44], Bd. 2 Taf. 14 A.

13. Köln, Schnütgenmus., Inv.Nr. B 98, thronender Christus mit den hll. Viktor und Gereon sowie Märtyrern der thebaischen Legion. Elfenbeinrelief, 17,7 × 9,8 cm; von einem Bucheinband (ehem. eines Evangeliars). Köln, um 1000. Fot. Dr. Wolff & Tritschler, Ffm., 2417/95.

14. Bari, Archivio della Cattedrale, Tellus-Darstellung von einer Exsultetrolle. 39 cm breit. Süditalien (Bari?), um 1000. Nach M. Avery a.a.O. (Sp. 1053), Taf. 5/6.

15. Hildesheim, Dombibl., ms. 18 (Evangeliar), fol. 118v (obere Hälfte), Kreuzigung Christi mit Personifikationen von E. und Meer sowie Sonne und Mond und Symbol des Evangelisten Lukas. Gesamtabb.: St. Beissel S.J., Des hl. Bernward Evangelienbuch usw. a.a.O. (Sp. 1082), Taf. 19. Hildesheim, 1. V. 11. Jh. Fot. Bildarchiv Maria Laach/Eifel, 844/3.

16. München, B.St.B., cod. lat. 4454 (Evangeliar), fol. 20v, Christus als Heiland der Welt. Reichenau, A. 11. Jh. Fot. Teufel (Foto Marburg).

17. Montecassino, Klosterbibl., ms. 132 (Hrabanus Maurus, De naturis rerum), Personifikation der E., Ill. zu Buch XII, Kap. 1 des Werkes. Süditalien, dat. 1023. Nach Ambrogio Maria Amelli, Miniature sacre e profane dell’anno 1023 illustranti l’enciclopedia medioevale di Rabano Mauro (= Documenti per la storia della Miniature e dell’iconografia), Montecassino 1896, Taf. 71.

18. Oxford, Bodleian Libr., Majestas Domini mit Personifikationen von Land und Meer. Elfenbeinrelief, 16 × 9,5 cm; vom Bucheinband des Evangeliars Ms. Douce 292. Lüttich, 1. H. 11. Jh. (?). Nach [43], Bd. 2, Taf. 16 Nr. 51.

19. Münster i. Westf., Bischöfl. Mus., Darstellung nach Apok. 1, 4–8. Walroßzahn, aus zwei Stücken zusammengesetzt, 7,9 cm br.; von einem Tragaltar. Deutsch, 2. H. 11. Jh. Nach [43], Bd. 2, Taf. 36 Nr. 115.

20. Semur-en-Brionnais (Saône-et-Loire), ehem. Prioratskirche, Personifikation der E., den Fußschemel Christi tragend; Ausschnitt aus einem Bogenfeld mit Darstellung der Majestas Domini. Gesamtabb.: Joan Evans, Cluniac Art of the Romanesque Period, Cambridge 1950, Abb. 116 a. Burgund, 1. H. 12. Jh. Fot. Marburg 42 071.

21. Verona, S. Zeno, Personifikation der E. und Eva, die Kain und Abel säugt (oder: Personifikationen von E. und Meer?). Bronzenrelief in Durchbrucharbeit, vom 1. Flügel der Hauptportaltüre. 12. Jh. Nach Piero Gazzola, S. Zeno. Bible des pauvres. Porte de bronze de Verone, Lausanne 1956, S. 70.

22. Ehem. Smyrna, evang. Schule, Oktateuch, ms. B 8, fol. 5v, Erschaffung der E., Ill. zu 1. Mos. 1, 10. Byzantinisch, 12. Jh. Nach D.-C. Hesseling, Miniatures de l’octateuque grec de Smyrne (= Codd. graeci et latini, suppl. VI), Leiden 1909, Taf. 2 Nr. 5.

23. Cambridge, Trinity College, Ms. R. 17.1 (Psalter), fol. 150v, Ausschnitt aus der Ill. zu Ps. 85 (84). Gesamtabb.: M. R. James a.a.O. (Sp. 1040), fol. 150v. Canterbury, M. 12. Jh., Kopie nach dem Utrecht Psalter. Nach ebd.

24. Stuttgart, L.B., cod. poet. et philol. fol. 33 (Isidor von Sevilla, Etymologiae), fol. 118v, Darstellung des „Orbis“, Ill. zu Buch 14, Kap. 2 des Werkes (de orbe). Zwiefalten, 2. H. 12. Jh. Fot. Bibl.

25. St-Omer, Mus., Personifikation des Elementes E., Detail vom Kreuzfuß aus St-Bertin. Gesamtabb.: [45] Taf. 178 Abb. 397. Bronzeguß, vergoldet. Maasgebiet, um 1180. Fot. Marburg 48 978 (Ausschnitt).

26. Stuttgart, L.B., ms. Biblia fol. 20 (Sakramentar), fol. 80v, Praefationszeichen mit Bildlicher Darstellung typologischen Inhalts. Salzburg, 2. V. 12. Jh. Nach G. Swarzenski, Salzburg, Taf. 112 Abb. 382.

27. Unbekannter dt. Priv.bes., Geburt Christi mit typologischen Darstellungen. Einzelblatt (aus einem Evangeliar?). Helmarshausen, 4. V. 12. Jh. Nach Städel-Jb. 7/8, 1932, S. 264 Abb. 211.

28. Chantilly, Mus. Condé, ms. 1632 (Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae), fol. 3, erster und dritter Schöpfungstag, Ausschnitt aus einer Darstellung des Sechstagewerkes. Gesamtabb.: Jacques Meurgey, Les principaux mss. à peintures du Mus. Condé à Chantilly (= Publications de la Soc. Franç, de Repr. des Mss. à Peinture, Bd. 14), Paris 1930, Taf. 6. Frankreich, Ende 12. Jh. Nach ebd.

29. München, B.St.B., cod. lat. 14 399 (Ambrosius, Hexaemeron), fol. 40, der dritte Schöpfungstag. Regensburg-Prüfening, 3. V. 12. Jh. Nach Boeckler, Regensburg, Taf. 21 Abb. 25.

30. London, B.M., Add.Ms. 28681 (Psalter), fol. 9v, Syndesmos-Figur. England, um 1200. Nach A. C. Esmeijer a.a.O. (Sp. 1080), Abb. 7.

31. Paris, Kath. N.-D., Personifikation der E. Relief vom r. Gewände des n W-Portales. Um 1200. Fot. Marburg 33 699.

32. Wien, N.B., cod. 12600 (Sammelhs. von astrologischen Texten), fol. 30. Personifikationen der vier Elemente. Regensburg-Prüfening, um 1210 bis 1220. Nach Beschr.Verz. 8, 2, Abb. 38.

33. Wien, N.B., cod. 93 (Sammelhs. mit medizinisch-pharmazeutischem Inhalt), fol. 33, Autorenbild des Ps.-Musa mit Darstellung der E. Italien, 1. H. 13. Jh., Kopie nach spätantiker Vorlage. Fot. Bibl.

34. Limburg a. d. Lahn, ehem. Stiftskirche St. Georg, Personifikation des Elementes E. Freskomal. im Gewölbe des Msch. 2. V. 13. Jh. Nach [8], S. 510 Abb. 360.

35. Rom, Pin.Vat., Auferstehung der Toten mit Personifikationen der E. und des Meeres, Ausschnitt aus einer Darstellung des Weltgerichtes. Gesamtabb.: Kg. Jb. d. Bibl. Hertziana (Röm. Jb. f. Kg.) 2, 1938, S. 315 Abb. 271. Rom, 2. V. 13. Jh. Archivio Fot. delle Gall. e Mus.Vat., Nr. VI-35-1.

36. Oxford, Bodleian Libr., Ms. Douce 180 (Apokalypse), S. 19, Ill. zu Apok. 7, 1. England, 3. V. 13. Jh. Nach Montague Rhodes James, The Apocalypse in Latin and French (= The Roxburghe Club), Oxford 1922, Taf.-S. 19.

37. München, B.St.B., cod. lat. 2655 (Thomas von Chantimpré, De natura rerum), fol. 105, schematische Darstellung des „Mundus“. Aldersbach, um 1295. Nach [38], Abb. 54.

38. Paris, B.N., ms. lat. 8846 (Psalter), fol. 86v, Ill. zu Ps. 50 (49). Deckfarbenmal. eines italienischen oder katalanischen Miniaturisten des 14. Jh. über Zchg. des späten 12. Jh. Kopie (einer Kopie?) des Utrecht-Psalters. Nach H(enri) O(mont) a.a.O. (Sp. 1040), Taf. 58.

39. Paris, B.N., ms. fr. 20 (Augustinus, La Cité de Dieu), fol. 187v, Berecinthia. Frankreich (Paris?), um 1400. Nach Comte Alex. de Laborde, Les mss. à peintures de la Cité de Dieu a.a.O. (Sp. 1088), Taf. 18 c.

40. Paris, B.N., ms. fr. 9005 (Augustinus, La Cité de Dieu), fol. 256v, antike Götter. Flämisch, um 1410. Nach ebd., Taf. 24 b.

41. Rom, Bibl.Vat., cod. Reg. lat. 1290 (De imaginibus deorum libellus), fol. 3v, Cybele entmannt Attis. Norditalien, um 1420. Fot. Bibl.

42. Nürnberg, Stadtbibl., ms. Solger 15 fol. (Sammelhs.), fol. 97v, die vier Elemente. Ill. zu dem Epos „Die Erlösung“ (s. dort). Lavierte Federzchg. 1465 im unteren Neckartal entstanden. Fot. Bibl.

43. Zürich, Zentralbibl., Melancholiker, Ausschnitt aus einer Darstellung der vier Temperamente. Kolorierter Einblattholzschnitt, 21 × 28 cm (Gesamtgröße). Schweiz, um 1450–60. Nach Repr. unbekannter Herkunft (Verf.).

44. Hier. Greff (?), Cybele, Ill. zu Seb. Brant (Hrsg.), Virgil, Opera, Straßburg 1502, Bl. 84, Georgica III. Holzschnitt, 14 × 11,2 cm (Ausschnitt). Fot. Verf.

45. Hier. Greff (?), Mundus, Ill. zu Seb. Brant (Hrsg.), Virgil, Opera, Straßburg 1502, Bl. 49v, Georgica I. Holzschnitt, 18,1 × 14,4 cm. Fot. Verf.

46. Sebastiano del Piombo, Zephir haucht die E. an. Wandmal. in der Sala di Galatea der Farnesina, Rom. 1511ff. Fot. Anderson, Rom, 27 893.

47. Benvenuto Cellini, Salzfaß. Goldtreibarbeit, Einzelheiten gegossen, Gold- und Kaltemail, größte Br. 33,5 cm, 26 cm h. Wien, Kh. Mus., Inv.Nr. 881. 1539/40–43. Nach Kat. Ernst Kris, Taf. 25.

48. Wenzel Jamnitzer, E.-Personifikation, Detail vom sog. Merkelschen Tafelaufsatz. Gesamtabb.: Gaz. des B.-A. 20, 1898, Abb. S. 224. Silber, vergoldet, u. Kaltemail, Gesamth. 1 m. Amsterdam, Rijksmus. Vor 1549. Fot. Mus.

49. Bernard Salomon (zugeschr.), Attribute der Cybele. Holzschnitt-Ill. zu Gabriele Simeoni, Les illvstres observations antiques, Lyon 1558, Bl. C 1. Nach Ruth Mortimer, French 16th C. Books, Cambridge/Mass. 1964, Bd. 2 S. 611.

50. Cornelis Cort, Kampf des Herkules mit Antäus. Kupferstich, 21,5 × 28,5 cm. München, St.Gr.Slg., Inv.Nr. 28009. 1583 in Antwerpen verlegt. Fot. Slg.

51. Joachim von Sandrart, Magna Mater. Kupferstich-Ill. zu Ders., Iconologia deorum, Nürnberg 1680, Taf. G (nach S. 72), Ausschnitt. Fot. Walter Glock, Mchn.

52. Jan van Vianen, Cybele-Darstellungen. Kupferstich, 15 × 8,8 cm. Ill. zu Franc. Pomey, Pantheum Mythicum, Utrecht 1697, Taf. vor S. 143. Fot. W. Glock, Mchn.

53. Gottfr. Eichler (Entw.) u. Joh. Wangner (Ausf.), Personifikation des Elementes E. Kupferstich, 19,5 × 12,7 cm. Ill. zu Joh. Gg. Hertel, Pars I des ... Caesaris Ripae allerley ... Sinnbildern und Gedancken, Augsburg o. J. (um 1760), Kupfer 9. Fot. W. Glock, Mchn.

54. Bernh. Rode, Darstellung der E. Kupferstich, 14,5 × 12 cm. Ill. zu Karl Wilh. Ramler, Allegorische Personen zum Gebrauch der bild. Künstler, Bln. 1788, Abb. 11. Fot. W. Glock, Mchn.

55. Adolf von Grundherr zu Altenthann und Weyerhaus (1848–1908), Personifikation des Elementes E. Federzchg. unbekannter Größe. Aus: Martin Gerlach, Allegorien und Embleme, Wien 1882, Taf. 37. Fot. W. Glock, Mchn.

Literatur

Allgemein: 1. Ferd. Piper, Mythologie u. Symbolik der chr. Kunst Bd. 1, Abt. 2, Weimar 1851, S. 726 (Reg.). – 2. Adolphe Napoléon Didron, Symbolisme chrétien des quatre éléments, Ann.archéol. 18, 1858, 235f. – 3. Otte Bd. 1 S. 499 u. 500. – 4. X. Barbier de Montault, Traité d’iconographie chrétienne, Paris 1890, Bd. 1 S. 377 u. 403 (Reg.), Bd. 2 S. 475 u. 509 (Reg.). – 5. Gg. Thiele, Zu den vier Elementen des Empedokles, Hermes. Zs. f. klass. Philol. 32, 1897, S. 68ff. – 6. Bergner S. 576 u. 577. – 7. Krauss-Sauer (s. Reg.). – 8. Clemen, Roman.Mon.Mal. S. 509. – 9. Sauer S. 468 (Reg.). – 10. Künstle I S. 114 u. 453f. – 11. Mâle I S. 154. – 12. Eugen Fehrle, Art. „Erde“, in: Bächtold-Stäubli Bd. 2, S. 895–908. – 13. van Marle, Iconographie. – 14. Knipping. – 15. Maria Wellershoff-von Thadden, Erde, 1955 (Ms.). – 16. Hertha Elisabeth Killy, Art. „Buchmalerei“. Nachleben antiker Bildelemente, in: RAC Bd. 2, Sp. 769 Nr. 130. – 17. Ilona Opelt, Art. „Erde“, in: RAC Bd. 5, Sp. 1113–1179. – 18. Princeton Index.

Zu III und IV: 19. Adolf Gerber, Naturpersonification in Poesie und Kunst der Alten, Jbb. f. class. Philol. Supplementbd. 13, Lpz. 1883, S. 246ff. – 20. (Wilh.) Drexler, Art. „Gaia“, in: Roscher Bd. 1, 2, Sp. 1566–86. – 21. Rapp, Art. „Kybele“, in: Roscher Bd. 2, Sp. 1638–72. – 22. O. Eitrem, Art. „Gaia“, in: Pauly-Wissowa Bd. 7, Sp. 467–79. – 23. Gg. Wissowa, Art. „Tellus“, in: Roscher Bd. 5, S. 331–45. – 24. Schwenn, Art. „Kybele“, in: Pauly-Wissowa Bd. 11, Sp. 2250–98. – 25. Albrecht Dietrich, Mutter Erde, Lpz. 19253 (bearb. von Eugen Fehrle). – 26. St. Weinstock, Art. „Terra Mater und Tellus“, in: Pauly-Wissowa Bd. 5 A, 1, Sp. 791–806. – 27. Doro Levi, Antioch Mosaic Pavements, Princeton, London u. Den Haag 1947, Bd. 1 S. 263–69. – 28. George Maxim Anossov Hanfmann, The Season-Sarcophagus in Dumbarton Oaks (= Dumbarton Oaks Studies 2), Cambridge/Mass. 1951, Bd. 2, Reg. S. 220, 228, 235. – 29. Ilona Opelt, Art. „Demeter“, in: RAC Bd. 3, Sp. 682–694. – 30. Hans Liebeschütz, Fulgentius Metaforalis (= Studien der Bibl. Warburg Bd. 4), Lpz. u. Bln. 1926. – 31. Seznec.

Zu V: 32. F. E. Robbins, The Hexaemeral Literatur, Chicago 1912. – 33. Carl Holzhey, Das Bild der E. bei den Kirchenvätern, in: Festgabe für Alois Knöpfler, Freiburg i. Br. 1917, S. 177–87. – 34. Jean Daniélou, Terre et Paradis chez les pères de l’église, Eranos-Jb. 22, 1953, 433–72.

Zu VI: 35. J. M. McCrindle, Christian Topographie of Cosmas, an Egyptian Monk, London 1897. – 36. Peter Vossen, Über die Elementen-Syzygien, in: „Liber floridus“. Mittellat. Studien, Paul Lehmann gewidmet, St. Ottilien 1950, S. 33ff. – 37. Wolfgang Marcus, Typen altchristlicher Kosmologie in den Genesiskommentaren, Philosophisches Jb. der Görres-Ges. 65, 1957, 106–19. – 38. Ellen Beer, Die Rose der Kath. von Lausanne, Bern 1952. – 39. Harry Bober, An Ill. Medieval School-book of Bede’s ‚De Natura Rerum’, The Journal of the Walters Art Gall. 19/20, 1956/57, 65–97. – 40. Bernard Teyssèdre, Les ill. de ‚De natura rerum’ d’Isidore, Gaz. des B.-A. 102 (56), 1960, 13–34. – 41. H. Bober, In principio. Creation Before Time, in: „De artibus opuscula XL“. Essays in Honor of Erwin Panofsky, New York 1961, S. 13–28. – 42. O. K. Werckmeister, Three Problems of Tradition in the pre-Carolingian Figure-style from Visigothic to Insular Ill., Proceedings of the Royal Irish Acad. 63, Sect. C Nr. 5, 1963, 167–89.

Häufig zitiert wurden: 43. Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen. – 44. Goldschmidt, Buchmalerei. – 45. Hanns Swarzenski, Roman. Art.

Vgl. ferner die Lit. zu den Art. Cybele (RDK III 899), Elemente (RDK IV 1288), Erdteile, *Enzyklopädie (am Ende dieses Bandes), Globus, Himmel und Erde, *Kosmologie, *Land und Meer, Mandorla, Planeten, Tierkreis, *Weltkugel (als Attribut).

Bei der Abfassung des Artikels konnten die Ergebnisse eines Kolloquiums benutzt werden, das unter der Leitung des Verf. im Winter 1963/64 im Zentralinstitut für Kunstgesch. in München stattfand; von den Teilnehmern des Kolloquiums sind Frau Dr. Liselotte Andersen und Herr Dr. Hans-K. Lücke, beide München, an der Autorenarbeit zu den Kap. III und IV maßgeblich beteiligt.

Verweise