Erbauungsbuch
englisch: Devotional book; französisch: Livre d'édification (spirituelle); italienisch: Libro di edificazione.
Richard Hiepe (1964)
RDK V, 941–984
I. Begriff
Als E. bezeichnet man gedruckte Bücher, die zur Vervollkommnung des christlichen Tugendlebens anleiten. In ihrer Gesamtheit heißen sie Erbauungsliteratur, eine Sammelbezeichnung, die sich gegenüber den z. T. synonym gebrauchten Begriffen Andachtsbücher und asketische Literatur (s. dazu [2] S. 2; [5]; [6] S. 7) in steigendem Maße durchgesetzt hat. Die Geschichte des E. als Ganzes kann hier nicht geschrieben werden; im folgenden soll eine Übersicht über die mit Illustrationen ausgestatteten E. gegeben werden.
Entscheidend für die Definition des E. ist die Auslegung des Begriffes Erbauung.
Im N.T. hat zumal Paulus das Wort „erbauen“ (griech. οἰϰοδομεῖν, lat. aedificare) im theologisch-pädagogischen Sinn verwendet ([12–16 a]; für die Textstellen und ihre Interpretation s. H. Pohlmann [16 c], Sp. 1049–57; ebd. Sp. 1069f. weitere einschlägige Literatur).
Frühchristliche und ma. Schriftsteller gebrauchen aedificare im Sinne von corroborare, firmare in fide, promovere ad fidem (ad veritatem etc.; Belege bei [16 b] und im Thes. l. l. Bd. 1 Sp. 927). Im Mhd. kann die wörtliche Übersetzung von aedificare, erbûwen (erbiuwen, erbouwen), zwar auch im übertragenen Sinn verwendet werden und dann soviel wie „bereiten, ausrüsten“ heißen, scheint aber (nach dem von Matthias Lexer, Mhd. Handwörterbuch Bd. 1, Lpz. 1872, Sp. 620 berücksichtigten Material) im theologischen Sinn ungebräuchlich gewesen zu sein. Diesen gab man – wie es auch Luther tat – mit bezzern (gebezzern, verbezzern) wieder; s. dazu Grimm Bd. 1, Sp. 1648 u. 1649.
Im hier interessierenden Sinn ist das Substantiv „Erbauung“ erstmals im 16. Jh. benutzt (Seb. Franck, Weltbuch, Tübingen 1534, Bl. 23 a). Als geistliche und, verallgemeinernd, geistige Erhebung [12] wurde es im 17. Jh. häufig verwendet. Auf das unter dem Einfluß der Aufklärung gewandelte Verständnis des Begriffs weist Kants Definition hin: er hält „die moralische folge aus der andacht auf das subject“ für die „angemessene bedeutung“ des Begriffes (zit. nach Grimm Bd. 3, Sp. 707). Der A. 19. Jh. unmäßig ausgeweitete Begriff Erbauung wurde seit dem späteren 19. Jh. oft auch ironisch verstanden, so wie im gegenwärtigen Sprachgebrauch (vgl. Trübner-Götze, Dt. Wörterbuch Bd. 2, Bln. 1940, S. 211f.; zur Wortgeschichte s. a. Kluge-Mitzka S. 170).
Dem oben umschriebenen Begriff E. liegt im wesentlichen die n.t.-frühchristliche Bedeutung von Erbauung zugrunde, jedoch ist ihr ekklesiologischer Aspekt weniger betont. Grimm gibt für die Verwendung von E. keine Belege, weist aber den Begriff Erbauungsschrift zur Kennzeichnung einer bestimmten Art religiöser Literatur bei Goethe nach (Bd. 3, Sp. 707). Die Wortbedeutung, die Erbauung in der Goethezeit hatte, kann für die Definition von E. nicht herangezogen werden, da sonst „die gesamte religiöse Literatur“, die stets zur Förderung unseres übernatürlichen Lebens dient, zu den E. rechnen müßte (so [14], Sp. 739).
Die heute gebräuchlichen Definitionen von E. sind z. T. von konfessionellen Anschauungen mitbestimmt. Nach kath. Auffassung unterstützen E. die „fortgesetzte, überlegte und methodische Übung der christlichen Tugend mit dem Ziel der christlichen Vollkommenheit, d. i. der Vereinigung mit Gott“ [5]. Prot. Autoren sprechen von der „seelsorgerischen Funktion“ der E., ihrer Bedeutung für das „praktizierende Christentum“ [11, Sp. 541] und ihrer Rolle für den Dienst an der Gemeinde, dessen Ziel es ist, „auf die Totalität des christlichen Lebens“ einzuwirken [2, S. 1f.]. E. wenden sich an die Individualfrömmigkeit eines anonymen Gegenübers [11, Sp. 541].
Die Abgrenzung des Stoffes bereitet Schwierigkeiten, da die Grenzen zwischen E. und diesen verwandten Werken fließend sind.
So dienen der aedificatio christianorum Gebetbuch und Gesangbuch, ferner die Auslegung biblischer Texte (s. Plenar, Postille, Homiliar, Moralisationen der Bibel im ganzen [s. Bible moralisée, erscheint im Supplement] und in Teilen, z. B. Gregors „Moralia in Iob“ [s.Hiob]), Betrachtungen über Gegenstände andächtiger Frömmigkeit (etwa Herz Jesu, Rosenkranz, die sieben Freuden Mariä, die sieben Schmerzen Mariä, die sieben Zufluchten) oder über das vorbildliche Leben biblischer und heiliger Personen, Trost- und Sterbebücher (s. Ars moriendi) sowie schließlich die Bußschriften (s. a. Via recta). All diese Schriften unterscheiden sich von den Exerzitienbüchern und von denjenigen E., die hier – vorläufig – unter der Bezeichnung „Tugendschriften“ zusammengefaßt werden, nur durch die andersartige (oder fehlende) Systematik, schildern aber doch alle den Weg des Christen auf der via recta von der Reinigung über die Erleuchtung bis zur Vereinigung mit Gott. Untereinander sind diese E. nur in dem zum Ausgangspunkt genommenen Thema, in der Planmäßigkeit der Darlegungen und im Anspruch verschieden.
Nicht als E. zu gelten haben religiöse Quellenschriften wie die Bibel im ganzen (s. Bibelillustration) und in einzelnen Büchern (Psalter) oder Teilen (Passion Christi), wie die meisten Heiligenviten (Legenda aurea; Passional) und die einzelnen Kultgegenständen, Reliquien usw. gewidmete Literatur (Heiltumsbuch); ebensowenig sind Schriften der Mystiker als E. anzusehen, da sie nicht Wege zur christlichen Tugend, sondern ein von außerordentlichen Gnaden getragenes Seelenleben schildern (Buchberger Bd. 1, Sp. 751).
II. Arten der Bebilderung
Bebilderung. Im Blick auf die Fülle der insgesamt erschienenen E. ist die Zahl der illustrierten E. klein; selbst häufig aufgelegte E. besitzen – sofern es sich nicht um Emblembücher handelt – zumeist nur in einigen Ausgaben bildlichen Schmuck.
Für nur wenige E. sind die Bilder eigens geschaffen worden. In den anderen Fällen handelt es sich um Illustrationen von allgemein bekannter Thematik, die derart auch in anderen Büchern verwendbar waren. Verlegerische Ökonomie spielt hier eine entscheidende Rolle: E. wandten sich an einen großen Leserkreis aus allen sozialen Schichten; sie mußten zu einem niedrigen Preis und dennoch mit werbend reicher Ausstattung auf den Markt kommen. Das ließ sich bei mehrfacher Verwendung der gleichen Abbildungen (sogar im selben Buch) leichter bewerkstelligen; außerdem hat man öfters ein E. in zwei Ausgaben, einer bebilderten und einer unbebilderten, herausgebracht (s. noch die Angaben bei [17]) und so auf die Kaufkraft der Leser Rücksicht genommen. In E. kleine Andachtsbilder und Einlegebilder einzufügen und dadurch eine dem Zufall und subjektivem Ermessen überlassene Ergänzung des E.-Textes um erbauliche Bilder vorzunehmen, war allgemeine Gewohnheit; da derartige Einlagen mehrfach nichts anderes als aus illustrierten E. stammende, als Einzelblätter vertriebene Bilder sind (vgl. hierüber [9]), verdient auch die regellose nachträgliche Ergänzung bildlos verkaufter E. Beachtung: sie läßt die Selbständigkeit des Bildes in der E.-Illustration deutlich werden, zeigt aber auch, daß man diese nicht nur als beiläufige Mitgift zum Text zu sehen gewohnt war.
Der Umfang der Bebilderung reicht von E. mit nur einem Titelkupfer bis zu den Seite für Seite illustrierten E. Die bei der Bebilderung von E. angewandten technischen Verfahren und künstlerischen Formen unterscheiden sich nicht von denen der übrigen Buchillustration; jedoch wird das Verhältnis von Text zu Bild bei E. fallweise durch die pädagogische Absicht (mit) bestimmt, wobei sich verschiedene Typen der Bebilderung ergeben. Die Bilder können den Text illustrieren oder auch kommentieren, sie können (als Icones) mit dem (als Epigramm einzuschätzenden) E.-Text emblematisch verknüpft, aber auch als ein vom Text nahezu unabhängiger Buchschmuck beigegeben sein, parallel zum Text wie selbständig im Dienst der Pädagogik.
Die Benutzerpraxis führte vielfach zu E. mit Bildern, die sich von bebildert gedruckten E. nur wenig unterschieden.
Sofern die Bebilderung wenig Bezug zum Text hat, pflegt sie vorzugsweise der Bibel (besonders dem N.T.) entnommen zu sein, doch kommen auch Darstellungen der Sakramente, Szenen aus der Ars moriendi und allgemein bekannte religiöse Themen vor; seltener begegnet man Personifikationen von Tugenden und Lastern. Diese Art der Bebilderung ist für das 15. Jh., die 1. H. 16. Jh. sowie für das 19. Jh. charakteristisch, für Epochen also, in denen man sich auf die Grundlagen des Glaubens und der Lehre zurückbesann.
Der besonderen seelsorgerischen Funktion von E. diente die Bebilderung zuweilen, indem in die geläufigen religiösen Darstellungen Personen einbezogen wurden, mit denen sich der gläubige Betrachter des Bildes identifizieren konnte (und sollte), oder indem man die Auswirkung der Heilstatsachen auf die Menschheit – oder auch auf den einzelnen Gläubigen – breit schilderte. Vielfach ergibt sich diese Tendenz aus der Vorliebe für Themen, die dem Gläubigen Hilfe und Trost gewähren, ihn zur Umkehr auffordern oder ihm vorbildliches Tugendleben vor Augen stellen: so erklären sich die auffallend häufigen Darstellungen des Schutzengels, des Heilsversprechens Christi und der Gottesmutter (etwa Abb. 4), der Bekehrung Pauli (Abb. 12), aber auch der Gleichnisse (s. a. Abb. 14) und der hl. Glaubenshelden (zumal in jesuitischen E.); all dies konnte sowohl real als auch allegorisch vergegenwärtigt werden.
Eine weitere Besonderheit der E.-Bebilderung ist die Zusammenstellung von Themen aus ganz verschiedenen ikonographischen Bereichen; selbst bei der Kombination biblischer Themen überrascht oft das Nebeneinander von Darstellungen sehr ungleichen Gewichtes. Hierbei zeigt sich, daß die E.-Bebilderung weniger von einem gedanklich scharf umrissenen theologischen Konzept als vielmehr von dem Bestreben ausging, bedenkenswerte und im Sinne der pädagogischen Bemühung ergiebige Themen zu vereinigen.
Als Beispiel hierfür diene das Titelblatt zu Jacobus Triglandus, „Krafft der Gottseligkeit / Das ist: Die Lehr der Wahrheit, ein wegleitung Zur Seligkeit“, Zürich 1651 (Abb. 14): in einer nach Form wie Inhalt emblematischer Typik verpflichteten Weise sind sieben Medaillons rund um den Buchtitel angeordnet (von oben beginnend, im Sinne des Uhrzeigers): Gleichnis vom Gebet des Pharisäers und dem des Zöllners (Lk. 18, 10–13); Kreuzschlepperin (= Nachfolge Christi) mit brennendem Herzen (= amor Dei) schreitet barfuß durch Dornengestrüpp (= sündige Welt); die fünf klugen Jungfrauen an der Himmelspforte (Mt. 25, 1ff.); Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Mt. 13, 24–30); antithetische Darstellung von Tugend und Laster; Verklärung Christi.
Ein anderer Typus der Illustration aber zeigt nun engste Verbindung zwischen E.-Text und Bild; so setzt vor allem in den emblematischen E. jeder neue Abschnitt mit einer bildlichen Darstellung ein, die in verschlüsselter, doch meist leicht zu enträtselnder Form den Inhalt des nachfolgenden Textes resümiert. Solche Bilder übernehmen die Rolle der Icon in den Emblembüchern, der E.-Text die Aufgabe des Epigramms (s. Emblem, Emblembuch, Sp. 95).
Von diesen emblematischen E. sind die jeweils vor Beginn eines Kapitels mit einem Holzschnitt oder Kupferstich versehenen E. oft kaum zu unterscheiden. In den Exerzitienbüchern etwa liefert meist der im nächstfolgenden Textabschnitt behandelte Gegenstand das Thema für das dem Kapitel vorangestellte unverschlüsselte Bild. Ist ein E.-Text – was selten vorkommt – fortlaufend von Bildern begleitet, dann werden mit Vorliebe im Text als Argumente herangezogene Exempel aus der Bibel oder auch aus der Geschichte im Bilde vorgestellt, die Illustration ordnet sich inhaltlich dem Text unter.
Schließlich kann die Bebilderung von E. allein auf Titelblätter (und Vortitelblätter) beschränkt sein. Solche Titelblätter bieten dann vielfach einen Querschnitt durch alle sonst bei E. vorkommenden ikonographischen Spielarten der Illustration: Darstellungen aus dem Leben Christi (vor allem die Kreuzigung), antithetische Gegenüberstellungen wie Sündenfall und Erlösung, alter und neuer Bund, Gesetz und Gnade, Tugend und Laster u. ä. scheinen hier – neben den rein emblematischen Titelblättern – vorzuherrschen (wie bei homiletischen Werken). Wie auch sonst bei Titelblättern üblich, deutet der Bildschmuck nur gelegentlich den ganzen Inhalt des Buches an: an einzelne Worte des Titels geknüpfte Assoziationen und um den Titel herum angeordnete Folgen kleinformatiger Bilder sind für viele E.-Titelblätter charakteristisch.
III. Spät-MA und 1. H. 16. Jh.
A. Für die Entstehung von E. gab der Frömmigkeitswandel im Spätmittelalter den entscheidenden Anstoß.
Die seit frühchristlicher Zeit bekannten, der Erbauung dienenden Schriften unterscheiden sich von den hier als E. bezeichneten Werken darin, daß sie überwiegend in mehr gedanklich-theoretischer als praktisch-seelsorgerischer Weise der Erbauung förderliche Themen behandeln. Dem einzelnen Gläubigen wird zwar Einsicht in die Systematik der christlichen Tugendlehre gewährt, doch ohne ihn unmittelbar anzusprechen, ohne ihm eine Anleitung zu geben, wie auf den Tugendweg zu gelangen und auf diesem fortzuschreiten sei. Für das E. im Sinne unserer Definition hat die frühchristliche und hoch-m.a. Erbauungsliteratur dadurch Bedeutung, daß sie einen Vorrat an Stoffen und Formen für deren Darstellung in Wort und Bild bereitstellte, der sich künftig gewinnbringend nutzen ließ.
Einen wichtigen Schritt auf E. hin bedeutete auch die Zubereitung der Texte für den Gebrauch von bestimmten Personengruppen, ihre Abstimmung auf die Verhältnisse des jeweils angesprochenen Benutzerkreises. Ein kennzeichnendes Beispiel hierfür ist das Speculum virginum: das anonyme, im 12. Jh. geschaffene Werk wendet sich an Priester, die mit der Seelenleitung in Frauenklöstern beauftragt sind; die wenigen lateinischen Hss. des Speculum virginum stammen ausschließlich aus Männerklöstern, dagegen die vielen späteren Übersetzungen umgekehrt sämtlich aus Frauenklöstern: aus dem hoch-ma. Handbuch für den Seelenführer war gegen 1400 ein E. für Nonnen geworden (vgl. Matthäus Bernards, Spec. virg., Köln u. Graz 1955, S. 12). Ebenfalls für den Seelsorger waren die moralisierenden Interpretationen der Bibel (Bible moralisée) bestimmt, ferner die Sammlungen von sog. exempla, Schilderungen von beispielhaftem Verhalten im Sinne der christlichen Tugendlehre (J.-Th. Welter, L’exemplum dans la littérature religieuse et didactique du Moyen Age, Paris u. Toulouse 1927), aber auch die Moralisationen antiker Dichtungen (z. B. Ovide moralisé) und die nach ihrem Vorbild geschaffenen ma. Werke; sie wurden also von Predigern genutzt, doch auch von Einzelnen. Die Zurichtung biblischen, historischen und auch naturkundlichen Faktenwissens zum erbauend-belehrenden Stoff sollte alle Gläubigen befähigen, jede eigene Lebenslage in einer schon bekannten Situation präfiguriert zu sehen und daraus die Konsequenzen für ihr persönliches Verhalten zu ziehen.
Von E. aber unterscheiden sich diese Werke dadurch, daß sie für eine möglichst große Zahl vorhersehbarer „Fälle“ exempla bereitstellen, diese aber nicht als eine kontinuierlich-fortschreitende Belehrung darbieten. Solche systematischen Anleitungen hat es im MA zwar auch gegeben, etwa Johannes Climacus’ „Himmelsleiter“ (John Rupert Martin, The Illustration of the Heavenly Ladder of J. C., Princeton 1954; dazu G. Downey, Speculum 30, 1955, 484–93, u. Klaus Wessel, Byzantinische Zs. 48, 1955, 422–24), doch wollen sie dann fast immer nur bestimmten Personengruppen den Weg zeigen, der zum letzten Ziel aller Christen führt.
Bei der Entstehung von E. wurden überkommene Kenntnisse der Typologie, moraltheologisches Wissen und mystische Vorstellungen verknüpft und den Bedürfnissen der Individualfrömmigkeit gemäß dargestellt. Entsprechende Bildkonzeptionen oder in Parallele dazu entstandene Darstellungen können die Texte unterstützen oder begleiten. Bücher wie Bilder wenden sich an den einzelnen Gläubigen, an den anonymen Leser und Betrachter, der sie selbsterzieherisch nutzen soll. Dieser Absicht gemäß sind auch die Begebenheiten aus dem Leben Christi (zumal die Passionsereignisse) als exempla vorgeführt. Schriften der Mystiker (Seuse vor allem), des Thomas von Kempen (s. Nachfolge Christi) und des Ludolf von Sachsen sind die markantesten Zeugnisse dieser Anschauung.
B. Als Vorstufen für bestimmte Gruppen von E. seien im folgenden einige bedeutende und typische Werke des ausgehenden MA beschrieben.
a) Der Gedanke, durch Enthaltsamkeit von den Freuden der Welt einen gottgefälligen Lebenswandel zu fördern, ist zahlreichen E., die hier als Tugendschriften bezeichnet werden, gemeinsam. Unter ihnen sind einige im niederländisch-burgundischen Kulturkreis entstandene, auffallend reich illustrierte Werke hervorzuheben, deren bisher kaum erforschter Einfluß auf die Erbauungsliteratur der Gegenreformation (s. IV. A) besonders groß ist.
So hat z. B. der Traktat „Le mortifiement de vaine plaisance“ des René von Anjou zahlreiche spätere Lehr- und Bildvorstellungen vorweggenommen.
Er entstand um 1455 und folgt in seinem Aufbau Boëthius’ „De consolatione philosophiae“, einem in der Bibliothek des Königs René vorhandenen Werk (Frédéric Lyna, Le mortifiement de vaine plaisance de René d’Anjou, Leiden 1926; Pierre Champion, Le roi René écrivain, Monaco 1925; für den Text: Théodore Comte de Quatrebarbes, Oeuvres complètes du roi René Bd. 4, Angers 1846, S. 1–61). In einem Dialog zwischen der „entflammten Seele“ und der „göttlichen Liebe“ kommt die Vergänglichkeit des Irdischen, die Fruchtlosigkeit irdischen Strebens und der Weg zur Ruhe in Gott zur Sprache. Die Illustrationen, die die Darlegungen begleiten, folgen bis zum Ende 15. Jh. einem in Einzelheiten abgewandelten Schema. Das erste Bild zeigt die als Nonne oder als geflügeltes nacktes Mädchen dargestellte Seele, die das Herz des Menschen an die Brust drückt; im nächsten Bild erhält die immer gefährdete Seele in „divine justice“ und „contriction“ zwei vornehme Damen als Beistand. Sodann schildern drei Gleichnisse Verirrungen und Anfechtungen der Seele, die das Herz an „crainte dieu“ (bzw. „contriction“) übergibt, woraufhin Tugenden es ans Kreuz nageln (Abb. 2) und Glaube und Reue es schließlich der geläuterten Seele zurückgeben. Die Tugendenallegorien als Begleiter des Menschen sind letztlich dem ma. Epos und dem höfischen Roman entnommen, die Kreuzigung des Herzens durch die Tugenden (Abb. 2) ist derjenigen Christi durch die Virtutes nachgebildet (vgl. H. Swarzenski, Hss. 13. Jh. S. 96 Anm. 1); andere Bildthemen aber sind unmittelbar vom Bildtext angeregt und sind für die E.-Illustration mehr durch die Art der Veranschaulichung der einzelnen Begriffe als durch das Bildthema interessant.
Die Verschmelzung von Herzsymbolik, Passionsmystik und Tugendenallegorie gehört fortan zu den beliebtesten Concetti der Erbauungsliteratur.
Dem E. des Königs René ist der 1457–61 verfaßte „Liber apologeticus de omni statu humanae naturae“ des Thomas Chaundler (Abb. 3) im Aufbau durchaus vergleichbar (Montague Rhodes James, The Chaundler Ms., London 1916).
Zunächst behandelt Chaundler die Schöpfung (Abb. j), sodann den Lebensweg des „homo dei“.
Gott schickt dem Menschen „consideratio“ und „sensus“; im Widerstreit, wem von beiden er sich anschließen soll, entscheidet sich der Mensch für „sensus“, woraufhin er vom Thron der Unsterblichkeit verstoßen wird. Gott aber erkennt die Bußfertigkeit des Gestrauchelten an und läßt ihn durch Tugenden prüfen. Eindringliche Verhandlungen führen dazu, die Laster im Menschen zu überwinden; nachdem „Todesfurcht“ durch „fortitudo“ abgeführt ist, erstattet „justitia“ dem Menschen den Mantel der Unsterblichkeit zurück, und der Geläuterte zieht, von Tugenden gekrönt, in die ewige Seligkeit ein.
Ein drittes Beispiel für diesen E.-Typus ist das „Spirituale Pomerium“, voll. 1440 (Brüssel, Bibl. roy. ms. 12 070, zw. 1447 und 1458: Louis Lebeer, Spir. Pom., Brüssel 1938), dessen – und ähnlicher Werke – Bedeutung vornehmlich darin beruht, daß die ma. Auslegungen des Hohenliedes in einer Form überarbeitet sind, die von den E.-Autoren der Gegenreformation ohne Schwierigkeit übernommen werden konnte.
Die „anima devota“ wird vom „sponsus“ (= Christus) in den mystischen Garten (dazu s. Wolfg. Stammler, Der allegorische Garten, in: ders., Wort und Bild, Bln. 1962, S. 106–16) geführt, wo sie allezeit Früchte vom Tugendenbaum kostet.
b) Für eine zweite Gruppe von E., die Pelerinagen, liefert der Vergleich des Menschenlebens mit einer Pilgerreise das Konzept. Die charakteristischsten E. dieses Types sind die zwischen 1330 und 1358 entstandenen Dichtungen des Guillaume de Guilleville, die in zahlreichen Hss. und Drucken überliefert und mit stets gleichbleibenden Illustrationen versehen sind.
Wir besitzen von diesem Autor drei in einem inneren Zusammenhang stehende Werke: „Le pèlerinage de la vie humaine“ (ed. J.-J. Stürzinger, London 1893), „Le pèlerinage de l’âme“ (ed. ders., London 1895) und „Le pèlerinage du Jesus Christ“ (ed. ders., London 1897).
Die Stationen der entbehrungsreichen, gefahrvollen Pilgerreise sind die Welt und ihre Verlockungen, denen der Mensch aber durch den Beistand von „grâce dieu“ (Abb. 1) widersteht, dann die Strecken der Läuterung und, nachdem „grâce dieu“ ihren Schützling in der Todesstunde im rechten Glauben gestärkt hat, schließlich die Vereinigung mit Gott. In allen Fährnissen und Freuden ist Christus dem Pilger Vorbild. Imitatio Christi und das Tugenden- und Laster-Thema sind in diesen Pelerinagen zu einem anschaulichen, auf die Belehrung des Gläubigen zielenden Ganzen verschmolzen.
Die Illustration der Werke von Guilleville ist in den mss. 10 176–78 der Brüsseler Bibl. roy. zu ihrer schönsten Blüte gebracht (vgl. Scriptorium 10, 1956, 233–50 u. Taf. 17–23; s. auch G. Ludwig, Jb. d. preuß. K.slgn. 23, 1902, 163ff.). John Lydgate bürgerte mit seiner Übersetzung aus dem Jahre 1426 („The Pilgrimage of the Life of Man“, ed. F. J. Furnival u. Kath. B. Locock [= Early English Text Soc, Extra Series Nr. 77, 83, 92]) das Werk auch in England ein, wo es mehrere illustrierte Ausgaben erlebte. Bei Jac. Bellaert in Haarlem erschien 1486 eine Übersetzung unter dem Titel „Boeck vanden Pelgherym“ (ferner Delft 1498; [19] Nr. 3962 u. ö.) mit sehr reicher Holzschnitt-Illustration (Beschreibung der 60 Bilder bei Conway [20], S. 245–47); die zu Beginn des 16. Jh. erschienenen Drucke besitzen entsprechenden Bildschmuck.
c) Bei aller unterschiedlichen Auswahl und Behandlung des Stoffes folgen die übrigen spät-ma. E. meist gleichen Typen: zunächst wird die Weltschöpfung behandelt, sodann der Sündenfall der Stammeltern; Schilderungen von Tugenden und Lastern sowie deren Folgen, Erwählung und Verdammung schließen sich an, wobei für die einzelnen Begriffe exempla oder Personifikationen eintreten; Hinweise auf die Heilsverheißungen und die Gnadenmittel der Kirche, auf das Vorbild Christi und der Heiligen weisen den Gläubigen den rechten Weg; allenthalben sind praktische Lebensregeln, geistliche Übungen und Gebete eingestreut. Diesen E. kommen die Gebetbücher und heilsgeschichtlichen Kompendien (wie z. B. der Schatzbehalter) in ihrem Aufbau bisweilen sehr nah.
Trotz der stattlichen Zahl solcher E. des Spät-MA beziehen sich ihre Illustrationen nur selten genau auf den Text, wurden nur ausnahmsweise eigens für ein bestimmtes E. angefertigt; im allgemeinen beschränkte man sich auf die geläufigen Bildthemen und verwendete für ihre Wiedergabe an beliebiger Stelle Holzstöcke, die zuvor für Bibeln, Heilsspiegel, Armenbibeln usw. geschnitten worden waren. Da also über die Art der Bebilderung nicht künstlerische Überlegung, sondern allein verlegerische Ökonomie entschied, sind hier E. dieses Typus ohne Interesse.
Typisch für die nur lose mit dem Inhalt verbundene Bebilderung sind die verschiedenen Illustrationstypen zu Otho von Passau, „Die 24 Ältesten“ (Wieland Schmid, Die 24 Alten Ottos von Passau [= Palaestra 212], Lpz. 1938). Hier sei nur auf den zuerst in einer Hs. von 1383 (ebd. S. 269) vorkommenden Typus hingewiesen, für den die Wiedergabe je eines Alten am Beginn eines jeden der 24 Kapitel kennzeichnend ist; er wurde im spätesten 14. Jh. und im 15. Jh. (z. B. Donaueschingen, Fürstl. Fürstenberg. Bibl. cod. 242: Albert Lehmann - Haupt, Schwäbische Federzchgn., Bln. 1930, Abb. 6–8) öfters aufgegriffen und, einer Anregung des letzten Kapitels in diesem E. folgend, dadurch bereichert, daß zu dem lehrenden und kommentierenden Alten das Bild der minnenden Seele hinzutrat, die von ihm unterwiesen wird (W. Schmid a.a.O. S. 271f.). Diese Bildkonzeption liegt auch den Holzschnitten im Frühdruck des E. zugrunde, den Anton Sorg 1479 in Augsburg besorgte. In Drucken des 16. Jh. sind Darstellungen aus der Bibel und aus dem Kultus zur Illustration herangezogen worden.
d) Für den seelsorgerischen Charakter spät-ma. E. sind die im ausgehenden 15. Jh. und im 16. Jh. zahlreich erschienenen Trost- und Sterbebücher besonders bezeichnend [4]. Ihre meist spärliche, oft nur auf das Titelblatt beschränkte Bebilderung wird vornehmlich mit Darstellungen aus der Passion Christi und der Ars moriendi bestritten (Versuchung des Sterbenden durch Teufel, Tröstung durch Engel, Kampf zwischen Engeln und Teufeln um die Seele des Verstorbenen). Totentanzdarstellungen sind erst seit dem 16. Jh. – und dann gleichbleibend häufig bis ins 19. Jh. – in größerem Umfang in die E.-Illustration einbezogen worden.
Eine geschlossene Gruppe moralisierender E. zum Thema Sünde und Sterben sind die Schriften, die in Wort und Bild Tod, Gericht, Himmel und Hölle – die vier letzten Dinge – behandeln. Im späten 15. Jh. wurden vor allem in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland zahlreiche mit Holzschnitten versehene Inkunabeln diesem Thema gewidmet (über Gerard de Vliederhovens „Cordiale“, den im 15. Jh. meist gelesenen Traktat über die vier letzten Dinge, s. Welter a.a.O. S. 427ff.; dort über 50 Hss. und über 20 Drucke des 15. Jh. nachgewiesen).
Die bei der Bebilderung all dieser E. in den Niederlanden geübten Praktiken, die denen der deutschen Verleger gleichen, sind von den Aufstellungen Conways [20] abzulesen; seine Liste der mit Holzschnitten ausgestatteten niederländischen Bücher des 15. Jh. (ebd. S. 323-47) gibt einen Überblick über die verschiedenen Arten von E.
Der Seelen Trost („Sielentroest“, „Sonderentroest“ [Abb. 4]), E. über die vier letzten Dinge (unter wechselnden Titeln, etwa: „Die vier uterste“) und Sterbebücher führen die Liste der erfolgreichsten Bücher an, es folgen die „Specula“ (z. B.: „Spiegel der kerstenen menschen“, „Spieghel der volmaectheyt“ usw.), die Minnebrief-Literatur (etwa: „Den Minnenbrief die Jhesus Cristus zeijndt tot der minnender zielen“, Antwerpen um 1491), Werke wie das „Bouxken omme te comme tot der minne Jhesu ende Marien“, Löwen 1490, Dionysius des Kartäusers „Exercitium de via purgativa“, Antw. 1492, und die mit dem Thema der Imitatio Christi verbundenen Kreuzwegbetrachtungen („Ganck die Jhesus ghinck geladen metten cruse“, Antw. um 1500). Ein interessantes Beispiel für die Auswertung eines ursprünglich für ein E. geschaffenen Satzes von Holzschnitten bieten die sieben Darstellungen zu dem E. „Vanden Dochteren van Sijon“, Antw. 1492: in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten wanderten einzelne Holzschnitte in fünf Bücher weiter, die mit E. nicht das geringste zu tun haben (nähere Angaben zu Werken und Bildern: Conway [20], S. 255).
e) Feste ikonographische Typen sind in der Bebilderung des Katechismus erkennbar, einer durch ihren didaktischen Charakter für die lehrhaft-systematisierenden Tendenzen im erbaulichen Schrifttum des Reformationszeitalters bezeichnenden Schöpfung (s. dort).
f) Schließlich ist noch auf einige erbauliche Schriften des Hoch-MA hinzuweisen, an denen das ausgehende MA, veranlaßt durch religiöse Wirren und Glaubensunsicherheit, neuerlich größeres Interesse bekundete. Diesem Rückgriff auf ältere Werke ist die Vermittlung einiger im Hoch-MA geprägter Bildthemen an E. der Neuzeit mitzuverdanken: für das im 15. Jh. sprunghaft ansteigende Interesse für das „Speculum virginum“ s. M. Bernards a.a.O. (s. Sp. 947) S. 7–9.
g) Seit dem 15. Jh. sind für E. charakteristische Stoffe auch in Flugblättern bzw. Einblattdrucken (Abb. 5) verbreitet worden. Diese Form ist ein Ersatz für die teureren Bücher, deren Thematik sie in knappster Form – in Wort und Bild – teilen. Die vier letzten Dinge (Theol. Literaturztg. 1958, Sp. 456) und die via recta (Hans Wechter: Andresen Bd. 4, Nr. 5), „Le vray miroir de pécheur“ [9, S. 155] und das Tugenden- und Laster-Thema sowie die Tugendleiter (Abb. 5) stehen auch hier an erster Stelle. Beliebt waren auch Darstellungen des Vaterunsers und der Zehn Gebote.
C. In den beiden ersten Dritteln des 16. Jahrhunderts, vielorts auch noch in der Folgezeit, sind – wie zuvor – die Trost- und Sterbebücher sowie die via recta-Schriften besonders beliebt; die meisten E. erzielten damals nur wenige Auflagen, im Unterschied zum Barock wird der gleiche Stoff nicht immer wieder unverändert neu aufgelegt, sondern stets neu bearbeitet. Aufs Ganze gesehen scheint der Beitrag des 16. Jh. für die Geschichte des E. und seiner Illustration in erster Linie in der Verbreitung von E. und der Beteiligung von E. an der Ausbildung eines neuen, künstlerisch wie buchtechnisch anspruchsvollen Typs von illustrierten Büchern bestanden zu haben. Vom Text der E. bedingt traten einige Bildthemen stärker als früher hervor, ohne jedoch mit der Bebilderung durch biblische Darstellungen in Konkurrenz zu treten. Die Zunahme an katechetischen Veröffentlichungen, eine Folge der Reformation, hat den Bilderkreis der E. ebensowenig erweitert wie das eng mit der Passionsbetrachtung verknüpfte Thema der Nachfolge Christi, das im 16. Jh. in E. und Gebetbüchern einen größeren Raum einnimmt. Folgenreicher, wenngleich für die Entstehung eines für E. charakteristischen Bilderschatzes nicht förderlich, war die systematischere Ordnung der herangezogenen Exempla. Hinweise auf den Lebensweg einzelner Heiliger und einzelner biblischer Personen werden bisweilen zum roten Faden des E.-Textes, und damit erlangen auch zyklische Schilderungen von Heiligenviten und Bibelabschnitten einen Platz in der E.-Illustration. Die Heiligenverehrung der Gegenreformation konnte hier anknüpfen.
Obwohl die Graphik der beginnenden Neuzeit vielfach Studienobjekt war, ist es nicht möglich, die E.-Illustration dieser Zeit zu überblicken. Zwischen den Bibliographien, in denen die Titel von E. aufbewahrt sind, und den formkritischen Untersuchungen der Kunstgeschichte liegt eine vorderhand nicht überbrückbare Kluft. Ob das zufällig Bekannte auch zugleich das für die E.-Bebilderung der Epoche Typische ist, kann nicht gesagt werden; wahrscheinlich ist es nicht, denn das vornehmlich durch künstlerische Qualität des Bildes bestimmte Auswahlprinzip, das die bisherige Forschung anwandte, dürfte von Anfang an dazu geführt haben, die weniger bedeutenden, aber für die E.-Illustration bezeichnenden Produkte unbeachtet zu lassen.
IV. Gegenreformation, kath. E. von etwa 1550 bis ins 18. Jh.
Die größte Bedeutung erlangten E. in der Gegenreformation. Nachdem gelegentlich in frühen prot. E. Bemerkungen über die Lehren der Reformatoren und die neuen kirchlichen Verrichtungen in den traditionellen Text der E. eingefügt worden waren, ging auch die kath. Seite sehr bald dazu über, E. als Mittel der propagatio fidei zu nutzen. Zumal die Jesuiten haben den E.-Text konsequent gestrafft, haben ihn systematisch mit ekklesiologisch-lehrhaftem Inhalt aufgefüllt und zu einem geschlossenen Lehrsystem der christlichen Tugendförderung entwickelt. Ausschlaggebend für die große Breitenwirkung dieses aus Ignatius’ von Loyola Exerzitienbuch auf die E. übertragenen Systems war die Tatsache, daß es die „Bedürfnisse der Seele wie der Sinne gleich berücksichtigt und die Gesamtheit aller geistigen und sozialen Volksschichten ... in all ihren einzelnen Phasen und Seelenzuständen umspannt“ [9, S. 61].
Beispielhaft für die Durchdringung der überlieferten E.-Texte mit Vorstellungen der Gegenreformation ist das 1581 in Tegernsee erschienene E. des Abtes Quirinus Rest O.S.B., „Der himmlische Fußsteig / auf welchem der büßende Sünder / mit Hülf der göttlichen Gnade / aus der Ungestümigkeit dieser Welt / sich wandeln und durch christlicher Güte Weg widerumb zu dem ewig Vatterland kommen kann“.
Das mit zahlreichen, doch wenig qualitätvollen Holzschnitten (Abb. 6) ausgestattete Werk ist nach ma. Vorbildern dreigeteilt in „Via purgativa“, „Via illuminativa“ und „Via unitiva“; jedem Abschnitt sind Holzschnitte mit Erklärungen beigegeben. Im ersten Teil sind, nach Schilderung der Schöpfung und des Sündenfalls, Schiffe mit Sündern, Zweiflern und Lasterhaften dargestellt, die den Meeresstürmen ausgesetzt sind. Auf sechs „Staffeln“ gelangt der Gläubige in den „Garten des Vaters“, wobei Engel die nachdrängenden Teufel von ihm abwehren. Der Garten erscheint nun als eine Bilderfolge von Landschaften, in denen jeweils ein Zaun mit Engeln und zurückgestoßenen Teufeln sichtbar ist und die mit Bäumen und Zeichen durchsetzt sind. Die symbolisch gemeinten Bäume und die ebenso sinnbildhaften Zeichen bedeuten dabei: die drei Teile der Buße, die zwölf Guttaten Gottes, die sieben Tugenden, die zwölf Artikel des Glaubensbekenntnisses, die Zehn Gebote, die fünf Gebote der Kirche, die sieben Sakramente, die sieben leiblichen und die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit, die acht Seligpreisungen, die sieben Gaben des Hl. Geistes, die zwölf Früchte des Geistes, sieben Todsünden und schwere Sünden. – Der zweite Teil beginnt mit dem Bild des Kreuzschleppers als Aufforderung zur Nachfolge Christi. Das Meer mit ragenden Klippen und hohen Wogen – als Motiv aus dem ersten Teil wieder aufgenommen – weist auf die Hindernisse, die das Fortschreiten auf dem Tugendpfad erschweren. Auch das Garten-Thema wird fortgesponnen: Mönche roden den Garten (= Ausreißen unnützer Gedanken), Engel verteidigen ihn gegen Teufel (= Abwehr der sündigen Gedanken), usw. Die letzten Illustrationen zum zweiten Teil zeigen den Gekreuzigten, den das Kreuz umarmenden Gläubigen und eine Darstellung Christi in der Kelter. – Im dritten Teil sind wiederum das Meer mit seinen Tücken (= Anfechtung durch Kleinmütigkeit) und wiederum Engel, die den Gläubigen gegen Rückfälle in sündige Gedanken verteidigen. Das letzte Bild „Von der Entzuckung des Menschen im Schoße des himmlischen Vatters“ zeigt den Gläubigen im Mönchsgewand im Schoße Gottes, den die Engelchöre umgeben.
A. Aus Anfängen im 3. Dr. 16. Jh., für die das Tegernseer E. von 1581 als Beispiel diente, erreichte dieser neue gedankenbeladene Typus des illustrierten E. in der 1. H. 17. Jh. seine endgültige Form. Antwerpener Drucker und Stecher haben damals bahnbrechend gewirkt: ihre fast ausnahmslos mit emblematischen Kupfern ausgestatteten Werke (Abb. 8–11) haben über die Konfessionen hinweg eine allgemeinverbindliche religiöse Bildersprache geschaffen, die fast zwei Jhh. lang verständlich blieb.
Die in den ersten Jahrzehnten des 17. Jh. in den Antwerpener Ausgaben von Otto van Veen, Boëthius à Bolswert, Theodor Galle u. den Brüdern Wierix geschaffene reiche Bildersprache des gegenreformatorischen E., die dann bald auch von deutschen Verlegern (zumal in München und Köln) übernommen wurde, verfällt nach der Jahrhundertmitte einer Typisierung: es beginnt für die E.-Illustration die Zeit der Nachstiche, Kopien oder nur geringfügig variierten Wiederholungen, die bis ins späte 18. Jh., ja noch bis ins 19. Jh. anhält. Die flämischen Stecher dürfen also als besonders repräsentativ für das gegenreformatorische E. angesehen werden; nur ihnen hat im übrigen die Fachliteratur eine nennenswerte Aufmerksamkeit gewidmet, während die zahllosen illustrierten E. des späten 17. und des 18. Jh. lediglich in den einschlägigen Bibliographien zu finden sind [21; 23; 25–30].
1. Im 1. Jz. 17. Jh. ließ der Jesuit Jan David drei Werke erscheinen, die den Auftakt der Antwerpener E.-Produktion von internationaler Bedeutung bilden.
Hauptstücke des christlichen Glaubens und Kennzeichen christlicher Lebensführung behandelt David im „Veridicus Christianus“ (1601; [28] S. 45). Jedes der 100 Kapitel ist mit einem Kupferstich von Theod. Galle versehen (Abb. 8). Das Werk beginnt mit einer Darstellung der Gesetzesübergabe an Moses zur Illustration von Sprüche 1, 7 sowie einem Bild zum Thema „prima sapientia est vita laudabilis“; die hier in zwei Kupfern vorgetragenen Stoffe sind charakteristisch: biblische und eingebürgerte religiöse Themen und Motive (wie z. B. dem Totentanz entlehnte Vorstellungen: Abb. 8) sowie Schilderungen aus dem Alltag, die erforderlichenfalls allegorisch stilisiert sind, werden zur Illustration herangezogen. Bei den meisten Kupfern stehen beide nebeneinander, so daß eine Addition von Bildmotiven eintritt, die es schwer macht, zu einem künstlerisch befriedigenden Bildganzen zu kommen. Die einzelnen Szenen sind mit Kapitalbuchstaben bezeichnet, auf die durch Randvermerke beim Text verwiesen wird. Diese von Schulbüchern her bekannte Aufschlüsselung vielteiliger Bilder ist in der E.-Illustration häufig anzutreffen. Sie synchronisiert Text- und Bild-Lektüre, doch ist durch lateinische, flämische und französische Zweizeiler unter dem ganzseitigen Kupferstich dafür gesorgt, das Bild auch für sich betrachten zu können: Galles Kupfer wurden auch ohne den E.-Text als nützliches und erbauliches’ Buch verlegt. Die Illustrationsweise des „Veridicus Christianus“, die deutlich in der Tradition des Manierismus steht, hat sich in der Folgezeit vielfach bewährt, zumal bei E., die auf typologischer Systematik aufgebaut sind (etwa: Jan David, „Paradisus Sponsi et Sponsae“, Antwerpen 1607; ders., „Pancarpium Marianum“, ebd. 1607: [28] S. 46, wo auch die 1617 in Augsburg erschienene dt. Übersetzung nachgewiesen ist). In anderen E. trat sie gegenüber der emblematischen Illustrationsweise zurück, die in weiteren E. Davids bereits in höherem Maße wirksam ist; so in den ebenfalls von Galle illustrierten E. „Occasio Arrepta, Neglecta, huius Commoda: illius Incommoda“ (Antw. 1605) und „Duodecim Specula Deum aliquando videre desideranti concinnata“ (ebd. 1610; deutsche Übersetzung: München 1626; [28] S. 46).
2. Mit Otto van Veens „Amoris Divini Emblemata“, Antw. 1615 ([9] S. 143; [23] Nr. 70f.; [28] S. 170), ist ein neuer Concetto in die E. der Gegenreformation eingeführt worden: Christus als amor divinus und die anima humana werden in ihrem Verhältnis zueinander geschildert, wobei die aus dem MA überkommene, aus dem Hohenlied abgeleitete Brautmystik (s. a. Braut – Bräutigam) unter dem Einfluß des klassischen Amor und Psyche-Stoffes eine neue Gestaltung fand ([9] S. 142ff.; ebd. S. 142 Anm. 7 weitere Lit., dazu jetzt Rud. Berliner, „God is Love“, Gaz. des B.-A. 95, 1953, 9-26.
Veens emblematische Kupfer veranschaulichen den Einfluß der göttlichen Liebe auf die Seele; amor divinus bewahrt die irrende, von den Eitelkeiten der Welt versuchte Seele vor dem Fall und bereitet sie, sich mit dem göttlichen Freund zu vereinigen. Amor divinus wie anima sind als geflügelte Putten dargestellt. Bemerkenswert ist die später überaus häufige Verknüpfung dieses ikonographischen Konzepts mit Bildtypen der biblischen Ikonographie; z. B. hat die Wiedergabe von Christus und der Samariterin (Joh. 4, 5ff.) für die Icon zum Lemma „Sitim extinguit“ – Erstausg. S. 85 – als Vorbild gedient. In der Anordnung der Kupfer folgt Veen älteren Emblembüchern: auf der einen Seite stehen Lemma, lateinische Zitate (zumeist aus der Bibel und der Patristik), niederdeutsche, spanische und französische Verse schließen sich an das ganzseitige Bild an.
Die Norm der E.-Bebilderung ist mit Hermann Hugo S.J., „Pia Desideria“, Antw. 1624, festgelegt worden. Das in der Erstausgabe mit 48 Kupfern von Boëthius à Bolswert ausgestattete Werk (Abb. 9) war bereits ein Jahrzehnt nach seinem Erscheinen ins Spanische, Deutsche, Französische und Flämische übersetzt und wurde bis 1757 mindestens 42mal in Latein gedruckt ([21] Bd. 4 Sp. 513–20; [23] Nr. 129f.; [9] S. 143ff.; [28] S. 83f.). Außer den Bolswertschen Kupfern haben die sie kopierenden Holzschnitte Christoph à Sichems für die Ausg. Antwerpen 16282 als Illustrationsschema und Bildvorlagen für die Nachdrucke und Bearbeitungen gedient.
Die Wirkung der Bilder kann kaum überschätzt werden. Sie waren bereits 1644 so allbekannt, daß der Nürnberger Gg. Phil. Harsdörffer im 4. Teil seiner „Frauenzimmer Gesprächspiele“, S. 212, drei der Illustrationen mit Erläuterungen versehen abbildete; Melchior Küsel stach die alten Bilder für eine deutsche Versübertragung der „Pia Desideria“ von Joh. Christian Hainzmann nach (Weingarten 1683, 16842, 16993; [21] Bd. 4 Sp. 516; [9] S. 146 Anm. 3); auch im prot. Deutschland hat Hugos E. schon früh Fuß gefaßt: für Pietistenkreise bestimmten Ausgaben Ffm. 1657 und Danzig 1657 folgten lateinische Ausg. in Gotha 1707, Leipzig 1721, Eisenach 1727, usw. [9, S. 144]; „neue Kupferstiche“ verspricht der Untertitel einer Übersetzung des 1. Teils der „Pia Desideria“, die in Bamberg 1672 verlegt wurde [9, S. 145 Anm. 4]. Nachbildungen und in Analogie zu Bolswerts Illustrationen erfundene Darstellungen finden sich in vielen E. (vgl. [28] S. 84f.); unter diesen sei, ihres großen Erfolges wegen, die um über 40 Kupfer bereicherte Ausgabe der E. von Veen und Hugo durch Mme. de la Mothe-Guyon (Paris 1717 u. ö.; [9] S. 144f.; [28] S. 84) hervorgehoben.
Bezeichnend für die Ausbreitung des Bilderschatzes und für seine Bereicherung sind die verschiedenen Ausgaben der „Amoris divini et humani effectus varii“ („... humani antipathia“) des Jac. van Zevecote (Antw. 1626; für weitere Ausg. s. [23] Nr. 121ff.; [28] S. 9f.; [9] S. 147). Dieses E. war in der Erstausg. mit 83 Kupfern von Mich. Snyders und Gillis van Schoor versehen (Abb. 10), spätere Ausgaben brachten es auf 100 (Antw. 16483) und mehr (Paris o. J.: 119). Der Bilderzyklus dieses E. ist im einzelnen weniger verbindlich gewesen als derjenige der zuvor genannten Werke. Teilweise wurde er in einer Ausg. von 56 Kupfern auf Seide wiederholt [28, S. 10]; in der textlich stark erweiterten Ausg. Salzburg 1694 gleicht die Zahl der Kupfer derjenigen der Erstausgabe, doch sind von dieser nur 37 übernommen worden, außerdem ein Kupfer aus den „Pia Desideria“.
3. Das Verdienst, die religiöse Herzemblematik mit dem Amor divinus-anima humana-Concetto verknüpft zu haben, gebührt P. Benedikt van Haeften O.S.B., der – wenige Jahre nach dem Bucherfolg der religiösen Herzemblematik Dan. Cramers und Konrad Bachmanns („Emblemata sacra“, Ffm. 1622 [?], 1624 2 u. 3; [28] S. 43f.) – 1629 in Antwerpen seine „Schola cordis“ vorlegte; als Illustrator dieses E. zeichnet wiederum Boëthius à Bolswert ([9] S. 149f.; [28] S. 75f.).
Die „Hertzen Schuel“ – unter diesem Titel erschien des Benediktinerabts C. Stengel Übersetzung (Ingolstadt 1664 [1663]; [9] S. 150) – ist in vier Bücher gegliedert: I enthält eine lange Erörterung über den Zweck der Veröffentlichung, II beschäftigt sich mit den Irrtümern des menschlichen Herzens und seiner Buße, III verweist auf die Wohltaten Gottes und schildert die Vereinigung des göttlichen und des menschlichen Herzens; mit Buch IV, das der Betrachtung der Leiden Christi und der Nachfolge Christi gewidmet ist, bringt Haeften ein in der Erbauungsliteratur seit alters bekanntes Thema in ein neues Gewand (vgl. auch Haeftens „Regia Via Crucis“, Antw. 1635; [28] S. 75). Die noch bei Jan David S.J. ganz auf die Typologie gestellte Passionsbetrachtung ist hier im Sinne der Amor-anima-Typik vorgeführt. Die Nachstiche Michiel van Lochoms erreichen zwar die künstlerische Höhe ihrer Vorlagen nicht, sind aber hier sowohl ihrer Ausg. ohne den E.-Text (Paris o. J.; [28] S. 75) als auch ihrer Bestimmung als Einlegebildchen (vgl. [9], S. 150) wegen zu erwähnen.
Wie nahe sich E.-Illustration und Produktion von kleinen Andachtsbildern kamen, zeigt die Stichfolge „Cor Jesu amanti sacrum“ von Ant. Wierix (Abb. 11), die thematisch in Analogie zum traditionellen Aufbau von E. gebildet ist und auffällig stark in Italien wirkte; dazu s. Praz [28], S. 60, 118f., 122. Spamers Inhaltsangabe und Hinweise auf die Wirkung der Kupferstichfolge erübrigen weitere Angaben an dieser Stelle [9, S. 151–54]. Die für Wierix’ Stiche bezeichnende Beschränkung der Darstellung auf das Innere des menschlichen Herzens – die Gestalt der anima ist ausgeschieden – wurde vielfach übernommen. Die Schilderungen, wie es im Herzen eines Menschen, der Gott hier wohnen läßt, wie es in einem zur Werkstatt des Teufels gewordenen Herzen aussieht, haben noch – und gerade wieder – im 19. Jh. lebhafte Anteilnahme geweckt (s. u. Sp. 981 u. Spamer [9], S. 155–57).
Mit den in ihren Hauptwerken vorgeführten Antwerpener E. des Amor divinus-anima humana-Typs und der Herzemblematik ist die Produktion der flämischen Jesuiten und Benediktiner auch nicht annähernd erschöpft. Zumindest die „Via Vitae Aeternae“ P. Ant. Sucquets S.J., die wiederum Boëthius à Bolswert mit Titelblatt und 32 Kupfern ausstattete (Antwerpen 1620; [28] S. 160), sind um ihrer nachhaltigen Wirkung in Deutschland willen zu nennen: nach einer unvollständigen, 1626 in Augsburg erschienenen Übersetzung legte der als E.-Übersetzer und -Autor verdiente Benediktinerabt Carolus Stengel 1627 in München eine vollständige vor; 1646 folgte eine Kölner Ausgabe (ebd.), und 1660 fand es G. Murer angezeigt, „Praxes ex Via Vitae Aeternae“ in Regensburg erscheinen zu lassen (ebd.).
B. Auch in Deutschland waren in erster Linie Jesuiten die Pioniere des emblematischen E., München der wichtigste Verlagsort. Jerem. Drechsel (Drexel), Jak. Balde und Gg. Stengel traten als E.-Autoren hervor, während der seine Werke zum größeren Teil in Augsburg verlegende Carolus Stengel O.S.B. vor allem als Übersetzer flämischer E. zu nennen ist (s. o. und [28] S. 158). Die Gruppe der ältesten emblematisch illustrierten Münchner E. des 17. Jh. ist durch Werke wie „Eine Schöne geistliche Betrachtung, genandt der Christglaubigen Seelen Spatziergärtlein“, 1608 [28, S. 151], gekennzeichnet. Der Stoff ist „auss etlichen alten und newen Büchern zusammen gezogen“ und mit Kupfern – hier von Barthol. Reuter – versehen. Der Name des Kompilators bleibt meist ungenannt (so auch: „Letzter Kampff dess Menschen ... Auss bewehrten Geistlichen Büchern zusamen gezogen ... allen Menschen bevor aber den Krancken zu Nutz und Trost ...“, 1623; [28] S. 98). Einen sehr aufschlußreichen Einblick in die Arbeitsweise, durch die Stoffe, Bilder und Exempla für die Bearbeitung von E. (und Predigtzyklen) zusammengebracht werden, vermittelt Jeremias Drechseis „Aurifodina artium et scientiarum«, Mchn. 1638, die vor allem für die 21 zwischen 1620 und 1638 erschienenen Schriften Drechseis als interessanter Kommentar dient. Die Veröffentlichungen Drechseis [21; 28] wurden von Mitgliedern der Stecherfamilie Sadeler, voran von Raphael und Philipp, mit Illustrationen versehen (Abb. 12,13). Die E. unterscheiden sich durch ihre meist speziellen Themen gewidmete Anlage von der Masse der erfolgreichen flämischen E.: sie behandeln z. B. die Gleichförmigkeit des menschlichen Willens mit dem göttlichen („Heliotropium“, 1627; Abb. 12), die Fasten („Aloe amari sed salubris succi“, 1637), das Almosengeben und die Wohltätigkeit („Gazophylacium Christi“, 1637), Zungensünden („Orbis Phaëton“, 1629), doch auch die Rolle der Schutzengel („Horologium Auxiliaris tutelaris Angeli“, 1622; vgl. Sp. 456 Abb. 77) und der göttlichen Prädestination für den Gläubigen auf seinem Weg zur Seligkeit („Zodiacus Christianus“, 1622; vgl. Sp. 455/56 Abb. 76). Welchen Zuspruch Drechseis E. fanden, beweisen die Auflagen und Übersetzungen sowie die Ausgaben seiner Werke. Bis 1666 wurde das Gesamtwerk siebenmal in lateinischer und fünfmal in deutscher Sprache herausgegeben (vgl. dazu und zu den Ausg. der einzelnen Werke [21], Bd. 3 Sp. 181–205). Die Bedeutung von Jakob Baldes E.-artigen Dichtungen liegt primär im Poetischen; an Totentanzvorstellungen knüpfte er mit dem Werk „De vanitate mundi“ an, das 1638 zuerst und später noch 15mal aufgelegt wurde. Zu seinem allegorischen Gedicht „Urania Victrix“, 1663 [28, S. 16], steuerte Melchior Küsel Titelblatt und Kupfer bei. In der Thematik komplexere und anspruchsvollere E. sind erst im fortgeschritteneren 17. Jh. aus Münchner Verlagen hervorgegangen. Hierher gehört Paul de Barry S.J., „Solitudo Hagiophilae: sive Instructio ad Annua octo vel decem dierum Exercitia spiritualia utiliter peragenda“, 1645 [28, S. 17], dessen Illustrationen Wolfg. Kilian nach Vorlagen von Thomas Hoffmann schuf (vgl. [9], S. 148). Mich. Cuvelier S.J., der dieses Exerzitienbuch aus dem Französischen übersetzte (ebd.), hat im folgenden Jahr in Köln ein ähnliches E. vorgelegt („Annona Spiritualis sive Meditationes Quibus per annum anima quotidie perficitur Iuxta viam purgativam, Illuminativam, Unitivam“), das 1666 in Antwerpen eine erweiterte Auflage erlebte. Mit Kupferstichen Mich. Wenings ist das interessanteste, allerdings weniger verbreitete E. des Augustinereremiten F. Fortunat, „Hochschätzbarer Seelen Ehren Thron“, Mchn. 1683, versehen [28, S. 61]; der weitläufige Untertitel gibt einen genauen Überblick über seinen Inhalt, der geradezu als Modellfall für den von E. dienen kann.
C. Köln, das als Verlagsort von E. zunächst weniger durch eigene Produktion als durch Nachdrucke flämischer E. hervortrat, hat um M. 17. Jh. dank des Wirkens von Mich. Cuvelier S.J. eine ansehnliche Reihe von E. geliefert (s. o. und die Übersetzung von Julien Hayneufve Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.], „Abrege des Méditations“, ins Lateinische: „Scala Salutis e Solidis Veritatibus“ [„Via Veritatis ad Vitam“], 1650 [1651]; s. dazu [28], S. 77). Das spärlich bebilderte E. von Heinr. Engelgrave S.J., „Coelum Empyreum“, 1668, wurde zwar mehrfach aufgelegt, steht aber dem „Himmlisch Palm-Gärtlein“ des W. Nakatenus an Wirkung erheblich nach: dieses zuerst 1660 erschienene E. gehört zu den beliebtesten des Barock (vgl. [21], Bd. 5, Sp. 1544ff.; s. Gebetbuch) und wurde noch im 19. Jh. neu aufgelegt [26, Sp. 1552ff.].
D. Die Exerzitienbücher, als die konzentrierteste und gedanklich anspruchsvollste Form der gegenreformatorischen Erbauungsliteratur, wurden auch in der Blütezeit der illustrierten E. relativ selten und dann zumeist nur in den Titelblättern bebildert. So wichtige und vielgelesene Werke wie Lorenzo Franc. Scupoli, „Certamen spirituale“, zuerst Venedig 1589, blieben anscheinend stets ohne Bildbeigaben. Eine Ausnahme bilden lediglich die „Exercitia spiritualia“ des Ignatius von Loyola, die in einer mehrfach verlegten Ausgabe mit Kupferstichen von Mich. Knobbart vorliegen (z. B. Antwerpen 1673). Die einzelnen Übungen und Textkapitel sind jedoch von Illustrationen allgemeinen Charakters begleitet, von Szenen aus der Bibel („contemplano de nativitate“: Geburt Christi; „exercitium de judicio generale“: Weltgericht; usw.) oder aus der Ars moriendi (zu „exercitium de morte“).
V. Prot. E. bis ins 18. Jh.
Protestantische illustrierte E. sind in der Zeit vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Ende des 18. Jh. bei weitem nicht so zahlreich wie die katholischen und erlebten nur selten mehrere Auflagen. Sie haben stets weniger Anteilnahme geweckt als Bilderbibeln, Postillen, homiletische Werke, Gesang- und Gebetbücher. Der Protestantismus hat nie über einen größeren Stamm von illustrierten E. verfügen können, die über eine längere Zeit hin und in allen Ländern gleichmäßig eingeführt waren; viele prot. E. sind im Umfang bescheiden und wenden sich an einen lokalen Leserkreis; die mehrfach in den Titeln vorkommende Formel, das Werk sei „auf Begehren zum Druck befördert“, scheint durchaus nicht immer nur werbend gemeint zu sein. So konnte sich im Unterschied zum kath. Bereich hier keine verbindliche Bildersprache entwickeln. Sofern die prot. E. bebildert waren, konzentrierte sich ihre Illustration auf die Wiedergabe biblischer Stoffe; außerbiblische Themen kommen fast nur in Trost- und Sterbebüchern vor. Im allgemeinen entnahm man die Bildthemen dem Vorrat der Werke des 16. Jh. oder lieh sie sich aus den landläufigen Bibelillustrationen aus. So machen die ermüdend oft wiederholten Themen und Bildformeln der prot. E.-Illustration ihre Bearbeitung zu einer wenig anziehenden Aufgabe.
Reicher dagegen war die Geschichte der emblematisch bebilderten prot. E., heute die einzige Gruppe, über die eine erste Übersicht gegeben werden kann.
A. Eine Ausnahme macht das E. von Joh. Arndt, dessen Illustration einem festen Programm folgt und das als einziges prot. E. in seiner Wirkung den berühmten Antwerpener E. an die Seite gesetzt werden kann. Von Joh. Arndts Büchern vom „Wahren Christentum“ erschien das erste Buch 1605 in Frankfurt a. M., die erste Gesamtausgabe 1609 oder 1610 (Allgem. Dt. Biographie Bd. 1, S. 549). Sein Werk gehört im Gegensatz zu den sonst für den Protestantismus charakteristischen E. – das sind: Trost-, Sterbe- und Bußschriften mit ihren der biblischen Ikonographie entnommenen Illustrationen – zu den emblematisch-allegorischen E. Die Bebilderung erfolgte in vielen Fällen unter Benutzung eines feststehenden Bilderzyklus, der, bis ins 19. Jh. unverändert wiederholt, gelegentlich auch bei der Auszierung von Kirchenbauten und -gerät herangezogen wurde (vgl. etwa Sp. 195).
Die frühesten (und viele der späteren) Ausgaben des „Wahren Christentums“ sind nicht illustriert, allenfalls mit Titelkupfern versehen (z. B. ‚Vier Bücher ...‘, Lüneburg 1629: Darstellung zu Mt. 10, 16 und, als Gegenüberstellung hierzu, Mt. 23, 3; ‚Vier Bücher ...‘, Goslar 1620: Anbetung der Drei Könige). Die ‚Fünf Bücher ...‘, Ffm. 1668, besitzen vor jedem Buch einen Holzschnitt, der in allgemeiner Weise auf den Inhalt des Buches hinweist (z. B.: Buch 1, „Liber scripturae. Wie in einem wahren Christen der alte Adam sterben, Christus aber in ihm leben soll“: Darstellung der „Wahren Kirche“ als allegorische Frauengestalt).
Das volle emblematische Illustrationsschema erscheint (nach den Ausgaben in Wolfenbüttel, Hamburg und München zu urteilen) zuerst in den ‚Vier Büchern ...‘, Riga 1679, mit den Kupferstichen von Hieron. von Hensbergen. Kurze Lemmata, die in freier Spruchform Sätze und Gedanken der Arndtschen Betrachtungen aufgreifen, sind auf allegorische Darstellungen bezogen, dabei übernehmen die einzelnen Kapitel des Textes die Funktion des Epigramms. Vor Buch 1, Kap. 1 findet sich zum Lemma „Mit aufgedecktem Antlitz“ als Icon ein Spiegel unter der Sonne, nach den – in der Rigaer Ausg. noch nicht enthaltenen – „Erklärungen“ ist darunter zu verstehen: „So spiegelt sich Gott in der reinen Seele“; im Text des 1. Kap. von Buch 1 ist die Darstellung einer Camera obscura zu dem Lemma „Verfinstert und verkehrt“ hinzugefügt, vor Buch 1, Kap. 3 zu „In Seilen der Liebe“ die Abbildung eines Wickelkindes (Abb. 16). Der vollständige Zyklus umfaßt neben einigen regellos eingestreuten Emblemen regelmäßig ein Emblem vor jedem Kapitel der ‚Vier Bücher’.
Im 18. Jh. ist das „Wahre Christentum“ endgültig auf fünf Bücher angewachsen, der Bilderzyklus bis zu 57 Emblemen vermehrt (für die Ausg. des 18. Jh. vgl. die – allerdings sehr ergänzungsbedürftige – Liste bei Heinsius [17], Sp. 127f., und Gesamtkat. der Preuß. Bibl. Bd. 7, Bln. 1935, Sp. 6–19). Sie sind oft durch kompliziertes gedankliches Weiterspinnen des Arndtschen Textes entwickelt, so daß die „Erklärungen“ für das Verständnis unerläßlich sind: zu Beginn des 4. Buches („Liber naturae“) etwa ist zum Lemma „Sieht man klar, was unsichtbar“ ein Wasserglas wiedergegeben, auf dessen Boden ein Goldstück liegt, das seinen Schatten auf die Oberfläche des Wassers wirft; die Erklärung besagt, Gottes Wort bleibe in der Natur, d. h. in seiner Schöpfung, zwar unsichtbar, dem Gläubigen aber doch überall erkennbar. Diesem emblematischen Illustrationstypus folgen im 18. Jh. u. a. auch die mit Kupfern von Georg Frdr. Esau ausgestattete Mindener Ausg. von 1730, die „erbaulichen Sinnbilder, derselben deutliche und schriftmäßige Erklärung“, die Ausg. Hamburg 1733 (,Vier Bücher ... mit zweifachem Anhang’, Schiffbek b. Hamburg, mit Kupfern von Gottfr. Chrn. Pingeling), in der vermerkt ist, es seien „die gewöhnlichen Sinn-Bilder und Kupfer, nebst ihrer doppelten und nützlichen Erklärung mit eingerückt“; in reicher Rocaillerahmung erscheint der Zyklus ferner in den ‚Sechs Büchern ...‘, Lpz. 1743, mit Kupfern von Joh. Christoph Sysang, und, mit Variationen im Detail, in der Ausg. Halle 1760, mit Kupfern von Gründler. Zusätzlich zu den herkömmlichen Illustrationen enthält schließlich die Erfurter Ausg. von 1767 vor jedem Buch ein Initialbild: zwei Jungfrauen mit Herzschilden, auf denen wichtige Glaubenstatsachen abgebildet sind; die Kupfer dieser Ausg. stach F. E. Boeck.
Noch im 19. Jh. wurde der emblematische Zyklus wiederholt, allerdings zunehmend variiert (so: „Erbauliche Sinnbilder. 56 Bilder mit Reimdeutungen und Bibelsprüchen, entnommen den alten Ausg. von J. Arnd’s wahrem Christenthum“, Stg. 1855, mit Holzschnitten von Jul. Schnorr von Carolsfeld: [26] Nr. 2235) oder gar auch mißverstanden: in der Ausg. Reutlingen 1835 heißt das Lemma zur Icon mit dem Wickelkind „In den Zeiten der Liebe“ (statt: „In den Seilen der Liebe“), und in der Ausg. Stg. 1868 erscheint zum Lemma „Nicht ohne Tränen“ anstelle der herkömmlichen Darstellung der Hand Gottes, die eine Zwiebel – d. h. einen Sünder – ausreißt, das Bild einer Zwiebeln putzenden Küchenmagd. Im Verlauf des 19. Jh. wurden die emblematischen Illustrationen schließlich immer häufiger durch Stahlstiche und Lithographien mit Motiven nach Raffael, Correggio, Murillo, Rubens und van Dyck ersetzt (vgl. etwa Ausg. Lpz. 1850).
Eine von diesem System abweichende emblematische Illustrationsform scheint sich nicht durchgesetzt zu haben. Sie taucht in der Bebilderung der ‚Vier Bücher ...‘, Lüneburg 1679 („mit schönen zur Sache dienlichen Kupfern gezieret“), auf und verrät in den Lemmata wie in den Icones den Einfluß flämisch-gegenreformatorischer E.-Illustration. Zu Buch 1, Kap. 12 („Ein Christ muß der Welt absterben“) ist z. B. das Amor-Dei – anima-Motiv verwendet: die Anima betrachtet den an einen Baum gekreuzigten Amor Dei; vor Buch 2, Kap. 24 („Wes Hertz andächtig sich in Gott versammeln kann“) ist die Anima mit zwei Lämmern im Schoß dargestellt. Auch sind Anleihen aus den Motivkreisen der Herzverehrung und der Nachfolge Christi festzustellen. Solche Verquickungen sind nicht überraschend im Gedanken an die Übertragungen und Umdichtungen jesuitischer E. durch Protestanten (etwa die anonym erschienene Bearbeitung von Herm. Hugos „Pia desideria“: „Das bußfertige, heilige und brünstige Verlangen der gläubigen Seele“, Hamburg 1751).
B. Unter den prot. E. des emblematischen Illustrationstyps heben sich die holländischen als zahlenmäßig stattlichste Gruppe heraus.
Die vergleichsweise reiche holländische Produktion scheint z. T. durch die Notwendigkeit ausgelöst, mit der Fülle der in Antwerpen erschienenen flämisch-katholischen E. in Wettbewerb zu treten. Dennoch bildete sich in Holland keine ausgesprochene Front gegen die Antwerpener E., vielmehr übernahm man hier Bildvorstellungen aus gegenreformatorischen E. und ließ sich zu kunstvollen Analogiebildungen anregen, wo die Übernahme sich verbot. So wird man in erster Linie an holländische E. denken, wenn sich in prot. E. so spezifisch gegenreformatorische Concetti wie die Herzallegorie finden. Konfessionelle Bedenken – das bezeugen zahlreiche alte Besitzervermerke ebenso wie die äußere Aufmachung mancher Werke – scheinen hier oft hinter die modische Vorliebe für Emblembücher, aber auch hinter die Aussicht auf verlegerischen Erfolg zurückgestellt worden zu sein.
Eine Eigenart der holländischen E. ist die Vorliebe für sittenbildliche Schilderungen (sowohl als Thema der Allegorie wie als Bildgegenstand). Sie und die – allerdings prot. E. jeglicher Provenienz eigene – Vorliebe für biblische Themen und spät-ma. Ikonographie (Totentanz, Ars moriendi, Memento mori: Abb. 17) sind die Voraussetzungen für die Umwandlung der festen Systematik kath. E. in eine Folge von exemplarischen Betrachtungen, die, in sich selbständig, jeweils unmittelbar auf das Endziel aller Erbauung hinweisen; in dieser an Postillen und homiletischen Werken erprobten Darstellungsweise, die letztlich spät-ma. Traditionen fortsetzt, hatte der Gedanke des Bilderzyklus innerhalb der E.-Illustration an Anziehungskraft verloren.
1. Die Adaption gegenreformatorischer E. im prot. Holland ist seit dem späten 16. Jh. nachzuweisen. Zwischen den Erscheinungsdaten in Antwerpen und in Holland liegt nur ein kurzer Zeitraum, solange die gegenreformatorischen E. noch herkömmlich angelegt sind oder spezielle Themen behandeln.
Zehn Jahre nach der Antwerpener Erstausgabe von Bernard Gerbrand Furmers „De rervm vsv et abvsv“ [28, S. 64] erschien 1585 in Amsterdam die holländische Übersetzung von Dirck Volckertszoon Coornhert unter dem Titel „Recht Ghebruyck Ende Misbruyck van tydlycke Have“ ([23] Nr. 16; [28] S. 42). Die betont bibelbezogenen Darlegungen Furmers konnten leicht übernommen werden; auch die 25 zum Teil „IH. W.“ (= Wierix) signierten Kupfer, überwiegend historische Szenen und vereinzelt Darstellungen von Personifikationen, kamen holländischer Auffassung entgegen (Abb. 7). Jedes Bild ist mit seinem Thema und einem Bibelzitat überschrieben; die Reihe der Bibelzitate – und sie mehr als die erklärenden Epigramme und Gedichte – bereitet das aus dem System der Gegenüberstellungen herausfallende Schlußbild (Weltgericht) vor. Spätere holländische Ausgaben dieses E. sind mit thematisch verwandten Werken zusammengedruckt – man glaubt, eine gedruckte Sammelhandschrift vor sich zu haben (vgl. z. B. [23], Nr. 18).
Im 1. Dr. 17. Jh., nachdem die jesuitischen E. ihre endgültige Form gefunden hatten, vergrößerte sich der Zeitraum zwischen Erstdruck und Übernahme; sie erfolgte, z. T. durch vorausgegangene Bearbeitungen vorbereitet, in den meisten Fällen erst kurz vor 1700 oder in den ersten Jahrzehnten des 18. Jh.
Otto van Veens „Amoris Divini Emblemata“ hatten in Holland weder in der ersten Auflage noch im Nachdruck von 1660 Erfolg. Erst im 1. Dr. 18. Jh. erschienen in Leiden und Amsterdam Übersetzungen, Bearbeitungen und, 1726 in Amsterdam, die „Aanmerkingen“ zu Veens E. von Cl. Bruins ([23] Nr. 72; [28] S. 170). Von den „Pia Desideria“ Herm. Hugos abhängige Bearbeitungen erschienen erst 1691 und später 1711 in Amsterdam („Goddelyke Liefde-Vlammen“; [23] Nr. 233f.; [28] S. 85), Übersetzungen – verbunden „mit dichtkunstige Verklaringen“ Jan Sudermanns und durch Veens E. ergänzt – in den Jahren 1724, 1727 und 1749 [28, S. 84].
2. Den ausgesprochen prot. Gegenstücken zu den Antwerpener E. war keine bleibende Wirkung beschieden. Inhaltlich weiter ausgreifende Werke erschienen in Holland ebenso selten wie in anderen prot. Gebieten (als Beispiel: Zach. Heyns, „Weg-Wyser ter Salicheyt“, Zwolle 1629; [28] S. 79), beliebter waren stets thematisch eingegrenzte E. wie Trostbücher.
Auffällig ist, daß mehrfach zunächst unbebildert erschienene E. wenig später illustriert herauskamen, so etwa C. B. Biens „Handt-Boecxken“, Hoorn 1627 und 16352 (dessen Bilder z.T. weiterwanderten in Biens „Profytelyck Cabinet“, 16422, das zuerst 1640 unbebildert vorgelegen hatte: [23] Nr. 162 u. 165; [28] S. 21).
In den letzten Dezennien des 17. Jh. nahm die Zahl der illustrierten E. in Holland zu.
Sie stammen in der Mehrzahl aus Amsterdamer Verlagen. Einer gewissen Beliebtheit erfreuten sich die Herzallegorien: eines der ersten E. dieser Art war die spärlich bebilderte „Levendige Herts-Theologie“ Christian Hoburghs, 1686, zu der C. Mallery die 18 Kupfer beisteuerte [28, S. 80]; es folgten Joh. Boekholt (zugeschr.), „’t Geopende en Bereidwillige Herte“, 1693 ([23] Nr. 238; [28] S. 24); Gerrit van Dulken, „Het Gereinigt Herte door ’t Geloof“, 1715, mit 12 Illustrationen, die aus Wierix’ „Cor Iesu amanti sacrum“ (s. o.) entliehen sind [28, S. 51]. Bei Trost- und Sterbebüchern oder Tugenden – Laster-Spiegeln hat man wieder, wie Übernahmen aus dem kath. Bereich beweisen, die konfessionellen Grenzen weniger streng beobachtet: der „Schat der Zielen“ z. B. war „vor veele jaren in de Spaanse taal beschreeven“, bevor er 1678 in Amsterdam verlegt wurde [28, S. 151]. Jacob C. Mayvogels „Gulden-Spiegel ofte opwekkinge tot Christelyke Deugden“ war mit seinen 5 oder 6 Auflagen zwischen 1670 und 1763 [28, S. 106] viel erfolgreicher als „De Kruys-Leer ter Zaligheydt“ von Ev. Meyster (1658; [28] S. 112).
In künstlerischer Hinsicht erreichten die holländischen E. mit den Illustrationen von Romeyn de Hooghe, von Jan und Caspar Luyken (vgl. P. van Eegben, Het Werk van Jan en Casper Luyken, Amsterdam 1905) ihre Blütezeit (Abb. 17). Zwar gab es hier – wie in anderen prot. Gebieten – auch in anderen Epochen bedeutsame Einzelleistungen, doch nur durch de Hooghe und die beiden Luyken kam es zu einer Produktion qualitätvoller ill. E., die derjenigen Antwerpens ebenbürtig, ja überlegen erscheint. Daraus erklärt sich eine gegenläufige Beeinflussung: der Sterbespiegel, den David de la Vigne 1694 in Amsterdam erscheinen ließ ([28] S. 81 u. 95), wurde kath. Lesern in frz. und spanischen Übersetzungen zugänglich gemacht.
C. In Deutschland sind die emblematischen E. des Protestantismus, abgesehen von Arndts E., in der Regel seltener und in kleineren Auflagen verbreitet worden. Pfarrer und Theologieprofessoren zeichnen als Verfasser, unter den Reichsstädten ist Nürnberg in erster Linie als Druck- und Verlagsort hervorgetreten.
Einige Beispiele: von den Exerzitienbüchern der Gegenreformation angeregt, konzipierte Johann Saubert d. Ä. „ΔΥΟΔΕΚΑΣ Emblematum Sacrorum quorum consideratio accurata ad Fidei exercitium et excitandam Pietatem plurimum facere potest: ...“, Nürnberg 1630 [28, S. 149f.]; für das „exercitium pietatis quotidianum“ schuf Joh. Gerhard seine „Meditationes Sacrae ad veram pietatem excitandam et interioris hominis profectum promovendum accomodatae“, Jena 1685 [28, S. 67], die mit einem halben Hundert herzförmiger Embleme illustriert sind. In der Regel gilt, daß die inhaltlich anspruchsvolleren, in lateinischer Sprache abgefaßten E. für einen gebildeten Leserkreis seltener illustriert wurden als die für eine breite Leserschaft deutsch geschriebenen Werke.
In Nürnberg war Erasmus Francisa besonders regsam. Für sein E. „Glantz, Krafft und Würckung der Geistlichen Wandel-Sterne“, Nürnberg 1678, in dem in 64 Betrachtungen Tugenden und Laster vorgeführt sind, gewann er die Unterstützung Sandrarts (Abb. 15). Nicht weniger umfangreich sind die 1679–83 erstmals erschienenen E., die auf den Tod vorbereiten wollen, über das Weltgericht handeln und in zwei weiteren Bänden Himmel und Hölle betrachten – eine Art Tetralogie über die vier letzten Dinge [28, S. 61f.]. In den Stichvignetten zu Joh. Frdr. Uffenbach, „Poetischer Versuch worinnen die Nachfolge Christi durch Sinn-Bilder erkläret und zu einem harmonischen Kirchenjahrgange entworffen wird“, Ffm. 1726 ([27] Nr. 1168; Abb. 18), sind Anregungen des Illustrationszyklus zu Arndts E. wirksam (Emblem, das einen Blumenstock vor einem Park zeigt mit Beischrift „Hinauf obwohlen schwach / dem größern Fürbild nach“). Unter den Buß- und Trostschriften mit emblematischen Illustrationen erschien in Nürnberg J. Sauberts d. Ä. „Schöner geistlichen Lehr undt trost figuren“ (1625–26; [28] S. 150).
VI. E. des 18. Jh.
Im 18. Jahrhundert wurde die Produktion der E. zu einem beträchtlichen Teil durch Neuauflagen, Übersetzungen und bald gekürzte, bald erweiterte Ausgaben der beliebtesten E. des 17. Jh. bestritten (s. o. IV u. V sowie [21; 28; 30] und Spamers bibliographische Hinweise [9]). Die neugeschaffenen E. variieren zumeist die überlieferten Themen und Vorstellungen und gehören den zuvor gekennzeichneten Typen auch dort an, wo einzelnes in neues Licht gerückt ist. Charakteristisch für einen Teil der E. des 18. Jh. ist die Häufigkeit und das Ausmaß der Vermischung von E., Gebetbuch und Gesangbuch, so daß ein Werk nicht selten mit gleichem Recht als E. oder als Gebetbuch gelten kann; auch die Buchtitel bringen dies zum Ausdruck. Ebenso bezeichnend für das 18. Jh. ist, daß die konfessionellen Grenzen nunmehr als weniger einschneidend empfunden, daß nun E. von mehr allgemein-christlichem als speziell-konfessionellem Inhalt immer zahlreicher verlegt wurden, eine Entwicklung, zu der gewiß auch die Aufklärung beigetragen hat. In ihrem Geist verfaßte E. („Gebetbuch für alle Christen zu Erbauung im Geiste“, Preßburg o. J.) sind wohl der interessanteste, bisher jedoch kaum untersuchte Teil der E.-Produktion des 18. Jh. Die dieser Gruppe von E. angehörenden Werke sind zumeist auf die Wirkung des Wortes abgestimmt, ihre Bebilderung ist darum vielfach auf illustrierte Vortitel- und Titelblätter beschränkt. Die spärliche Bebilderung ging mit der Preisgabe der thematischen Vielfalt Hand in Hand; man bevorzugte jetzt Schilderungen zentraler Heilsgeschehnisse, das Bild des Gekreuzigten, Schöpfung und Weltgericht, ferner auch ehemals typologisch gedeutete Szenen des A.T. (die nunmehr oft als „Fatto“ eingeführt wurden) oder Bilderzyklen, die – konfessionell neutral – seit dem Spät-MA zum festen Bestand der E.-Illustration gehörten: Tugenden und Laster und der Totentanz, z. B. [27] Nr. 706, 740, 743, 788, 1155). Michael Heinr. Rentz, dessen Totentanz („Geistliche Todts-Gedancken“, Passau u. Linz 1755) unter dem Titel „Die erwogene Eitelkeit aller menschlichen Dinge“ 1777 in Linz erneut erschien (Abb. 19; [27] Nr. 917; [28] S. 137), verarbeitete zahlreiche Motive aus dem Bilderzyklus eines anonymen Stechers zu Joh. Gustav Reinbeck, „Die Eitelkeit der Welt“, Bln. 1727 [27, Nr. 911]. Derartige künstlerische Wechselwirkungen zwischen prot. und kath. E. im 18. Jh. machen es oft schwierig, die Illustration von E. nach Konfessionen zu scheiden (freilich erschienen daneben weiterhin stets auch die konfessionell gebundenen E.).
Ist unter den illustrierten E. des 18. Jh. auch eine ansehnliche Zahl künstlerisch bedeutender Werke anzutreffen, so hat von den damals in Deutschland geschaffenen E. doch keines eine so tiefe und nachhaltige Wirkung wie die „klassischen“ E. des 17. Jh. ausgeübt, hat selten eine Ausgabe mehrere Auflagen erlebt.
Als ein Beispiel für das Fortleben der altbewährten emblematischen E.-Illustration im 18. Jh. sei das von Joh. Mich. Söckler reich mit Kupfern ausgestattete E. von Matthias von Schönberg, „Das Geschäft des Menschen“, Mchn. 1772 (1774 u. ö.; [27] Nr. 1035), erwähnt. Das Werk, ein anspruchsvolles spätes Gegenstück zu Arndts ‚Büchern vom wahren Christentum’, ist ein Kompendium gläubiger Lebenshaltung und christlicher Moral, in dem Text, Motti und Bilder besonders eng miteinander verknüpft sind. Die emblematischen Kupfer vor jedem Kapitel sind der wichtigste Teil der Illustration, doch gehören dazu auch Vignetten mit Darstellungen, die das Hauptthema eines jeden Abschnittes anschaulich zusammenfassen. So ist dem Text der Einleitung z. B. eine Vignette vorausgeschickt, die die Eitelkeit durch einen Putto personifiziert, der Seifenblasen aufsteigen läßt, oder vor Buch I, Kap. 3, das von Nutzlosigkeit irdischer Macht und Glück handelt, enthält die Vignette als Illustration des Mottos „ohne Gott, ohne Ruh“ die Darstellung eines Wechslers, der eifrig um die Vermehrung seiner Gelder bemüht ist, eine zweite, dieses Kapitel beschließende Vignette zeigt den Kompaß, der, solange er seinen Zweck nicht erreicht hat, „allezeit unruhig“ ausschlägt. Die Einleitungsvignette zu Buch II, das davon handelt, wie Gott zu dienen „das nützlichste, und das leichteste Geschäft des Menschen“ sei, ist ein Beispiel für die Einbeziehung von exemplarischen Themen der Historie in die Illustration: sie zeigt die oft beschriebene, zuweilen auch im Bilde festgehaltene Anekdote von Kaiser Domitian, der in seinem Palast Fliegen fängt (Abb. 20; s. Fliege). Mit diesem Thema weicht die Einleitungsvignette zu Buch II von der Regel ab, daß für den Kapitelbeginn im allgemeinen Szenen aus der Bibel gewählt, in den Schlußvignetten hingegen emblematisch - allegorischen Concetti der Vorzug gegeben wurde.
VII. 19. Jh.
Das Streben nach religiöser Erneuerung in der Romantik gab der Produktion illustrierter E. neuen Auftrieb. Viele, oft bedeutende Künstler der Epoche widmeten sich der Aufgabe. In einer Zeit, in der viele alles künstlerische Schaffen als „Mittel zur Beförderung des Tugendlebens“ begriffen, ist ein besonders hohes Ansehen des E. nicht verwunderlich. Während das romantische Frömmigkeitsideal in der Fülle der meist unbebilderten E. und Traktate sein Genügen fand, war die religiöse Illustration der Epoche vornehmlich auf eine Rückbesinnung auf die Heilstatsachen der Bibel gerichtet. Von der Bibelillustration aber, die in den beiden ersten Dr. 19. Jh. eine letzte große Blütezeit erlebte, unterscheiden sich Bilder für E. durch ihre betont didaktische Konzeption; unter den herkömmlich beliebten Stoffen der E. erfreuten sich Nachfolge Christi und Herzsymbolik besonderer Beliebtheit.
Da im Werk der einzelnen Künstler wie im neuen Charakter der E.-Illustration der Zusammenhang zwischen Bibel- und sonstiger religiöser Illustration enger als je zuvor war, ist hier auch auf Darstellungen nach der Bibel einzugehen.
In besonders hohem Maße darf die religiöse Illustration der Romantik als ein selbständiges Mittel zu erbaulicher Betrachtung gelten. Bezeichnend hierfür ist die Aufwertung des Bildes und die Emanzipation der Illustration vom Text. Liegt schon bei den Bilderbibeln (s. etwa Ad. Schahl, Gesch. d. Bilderbibel von Schnorr von Carolsfeld, Diss. Lpz. 1936) und den Bibelillustrationen Führichs („Bildliche Darstellung der Gesch. des A.T.“, Prag 1827; [26] Nr. 441) und Overbecks („Darstellungen aus den Evangelien“, Düsseldorf 1850–52; [26] Nr. 1529) das Schwergewicht auf der Bebilderung, so treten bei den auffallend zahlreichen Illustrationen einzelner Textabschnitte oder Begebenheiten aus beiden Testamenten die Bilder oft sogar als selbständige Zyklen neben den Text (z. B. „Die Gleichnisse des Herren nach den Worten der Schrift“, Lpz. 1869, 16 Kompositionen von Jul. Schnorr von Carolsfeld, Führich u. a.: [26] Nr. 2237; Führich, „Acht Zchgn. zur Parabel vom verlornen Sohne, frei nach Lk. 15, 11–21“, Wien 1874; [26] Nr. 461). Die Absicht, die Illustrationen als Mittel religiöser Erweckung und Vertiefung zu nutzen, kommt in der Auswahl der Darstellungen, in manchen ikonographischen Besonderheiten, aber auch in ihrer künstlerischen Formgebung (puritanische Strenge der reinen Umrißzeichnung, erlesenidealischer Charakter der einzelnen Figuren, Abkehr von naturalistischer Behandlung des Details) sowie nicht zuletzt in den oft programmatischen Titeln zum Ausdruck: „Moralische Bilderbibel“, Gotha 1805–12, mit Kupfern nach Joh. Dav. Schubert; [27] Nr. 82; „Bilder für Geist und Herz aus den biblischen Geschichten“, Lpz. 1837, 52 Steinzchgn. von Gg. Eman. Opitz; [26] Nr. 1506. Die Verselbständigung der Illustration auf Grund einer moralisch-didaktischen Auswahl („Denkblätter für unsere Zeit. Nach Worten der Heiligen Schrift geordnet und in Bilder gebracht von Jos. Führich“, Wien 1856; [26] Nr. 444) kann bis zur freien Themenerfindung führen (Ferd. Olivier, „Die Geburt des Weltheilandes“, Mchn. o. J.; [26] Nr. 1503); aufschlußreich hierfür sind die Bilderzyklen der Romantiker zu Themen der Glaubens- und Heilslehre: Frdr. Overbeck, „Die Sieben Sakramente“, Lpz. 18712 ([26] Nr. 1532; vgl. RDK IV 777/78, Abb. 1); Jos. Führich, „Die Geistige Rose“, Wien 1844 (dieser lithographierten Ausg. folgten solche in Holzschnitt und Kupferstich; [26] Nr. 451); ders. „Das Vater-unser“, Prag 1826 [26, Nr. 473]. Ganz auf die erbauliche Wirkung der Illustrationen ist auch der alte Bilderzyklus zu Arndts ‚Büchern vom wahren Christentum’ von Jul. Schnorr von Carolsfeld (Stg. 1855, s. Sp. 971 und [26] Nr. 2235) umgeprägt worden: der Arndtsche Text ist weggelassen, Bilder, Motti und Zitate sind in loser Verbindung zu einem Ganzen zusammengestellt. Am weitesten ging in der moralisch-didaktischen Vereinfachung und in der freien Abwandlung fester religiöser Vorstellungen Jos. Führich, der eifrigste Zeichner christlicher Themen der Romantik. Während er in seinem Vaterunser (s. o.) oder in der späten Folge „Aus dem Leben“ Genredarstellung und moralisierende Schilderung verknüpft und darin die volkstümlich-biedere Komponente der (Spät-)Romantik im Stile eines Ludwig Richter hervorhebt (vgl. etwa: „Beschauliches und Erbauliches“, Familienbilderbuch von L. Richter, Lpz. 1851; [26] Nr. 1854), löst er sich im „Triumph Christi“ (Mchn. 1839; [26] Nr. 470) gänzlich von den biblischen Schriftquellen und aller traditionellen Ikonographie: Anspruch und Botschaft der christlichen Idee werden in Form eines Triumphzuges mit symbolischen Darstellungen der Glaubenstatsachen und des kirchlichen Kultus vergegenwärtigt.
Die meisten dieser erbaulichen Illustrationswerke sind thematisch nicht ohne Vorgänger: längst gab es Bilderfolgen und Einblattdrucke zum Thema Vaterunser, Sakramente, Rosenkranz, Kreuzweg usw., die „erbauen“ sollten; doch haben die Ausgaben des 19. Jh. nun innerhalb des religiösen Schrifttums eine andere Stellung: durch die neue Bedeutung von Erbauung innerhalb der kirchlichen Frömmigkeit erlangten auch diese Werke den Charakter von E. (der Glaube an die christlichen Heilsverheißungen wird Gegenstand der Erbauung und Belehrung und ist nicht – wie früher – vorausgesetzt). Der veränderte Sinn von Erbauung und E. im Leben des Gläubigen (der freilich ausführlicherer Erläuterung bedürfte) zeigt sich schließlich auch in der Begrenzung der Zahl der herkömmlichen E.-Typen: Passionsbetrachtungen, Nachfolge Christi und die jetzt im romantischen Sinne umgedeutete Herzsymbolik sind die einzigen, die im 19. Jh. in größerem Umfang aufgegriffen wurden.
Rückbesinnung auf das Zeugnis der Bibel – nicht zuletzt dank einer historisierend verklärten Schau des 16. Jh. – führte zu einer Wiederbelebung der Passionsbetrachtungen. Sie reichen von den die Schrift interpretierenden „115 biblischen Geschichten aus dem Leben und Leiden unseres Herrn Jesu Christi“ Jord. Buchers, Schaffhausen 1860, mit 88 Holzschnitten Overbecks [26, Nr. 1527], bis zu den Kreuzwegzyklen, die dazu verhelfen, dem Gläubigen die Kreuzwegandacht fern von Kirche oder Stationsweg in der eigenen Kammer zu ermöglichen: z. B. Frz. Seraph Häglsperger, „Leiden des Herrn nach den 14 Stationen. Ein Passionsbüchlein für die gebildeten Stände“, Sulzbach 1829, mit 15 Holzschnitten nach Zchgn. von Karl Alex. von Heideloff: [26] Nr. 647; Jos. Führich, „Der Hl. Kreuzweg in 14 Stationen“, Regensburg 1847: [26] Nr. 457; „Andacht des Hl. Kreuzweges mit Zchgn. in Holzschnitt von C(arl Christian) Andrae“, Dresden o. J.: [26] Nr. 24.
Die Vorliebe für das Thema der Nachfolge Christi gründete sich vor allem auf die hohe Einschätzung von Thomas’ a Kempis Schrift, in der man lehrhafte Theologie und „gemütvolle Sprache“ glücklich vereint fand. Die ersten Illustrationen zur Imitatio Christi im 19. Jh. scheinen J. Gust. Schlick (Lpz. 1837; [26] Nr. 2207) sowie Eduard Jak. von Steinle in seinen Holzschnitten von 1837/38 geschaffen zu haben; 1839 folgte in St. Pölten eine Ausg. mit goldgehöhten Miniaturen, ebenfalls von Steinle [26, Nr. 2539]. Ausgaben in Prag (1843) und eine lateinische Übersetzung (1852) schlossen sich an. Overbecks Illustrationen erschienen zuerst in einer undatierten Pariser Edition [26, Nr. 1528] und in Stahlstichen – neben Arbeiten anderer Künstler – in einer Regensburger Ausgabe von 1843 [26, Nr. 1534]. Jos. Führich schuf 1868 seinen reichen Bilderzyklus zur Imitatio Christi, der 1871 in Leipzig erschien (Abb. 22; [26] Nr. 455).
Unter den die Herzsymbolik aufgreifenden E. des 19. Jh. war kein Werk so erfolgreich wie Joh. Goßners „Das Herz des Menschen, ein Tempel Gottes oder eine Werkstätte des Satans“, 1812, obwohl „diese uralte (eigentlich jesuitische) Erbauungsschrift mit gräulichen, emblematisch-symbolischen Figural-Darstellungen unter Kaiser Joseph II. schon verpönt – wegen ihres abergläubischen und aftermystischen Inhalts teils von einzelnen Ordinariaten, teils von den deutschen Regierungen lange streng verboten gewesen“ ist (so der kath.-aufklärerische „Thesaurus librorum rei catholicae“, Würzburg 1848, S. 321). Für die weite Wirkung dieses E., wegen dessen Bildschmuckes sich Goßner 1817 verantworten mußte, s. Spamer [9], S. 1 56f.
Zu den Abbildungen
1. Heidelberg, U.B. ms. Pal. lat. 1969 (Guillaume de Guilleville, „Le pèlerinage de la vie humaine“), fol. 10v, Ill. zu Vers 1499ff. (nach der Ausg. von J.-J. Stürzinger [s. Sp. 953] S. 46ff.). Frankreich, um 1360, ausgeführt für Ludwig von Anjou und seine Gemahlin Maria von Bretagne. Nach Leonardo Olschki, Illuminierte franz. Text-Hss. in dt. Bibliotheken, Genf 1932, Taf. 59 (Ausschnitt).
2. Berlin, Kk. ms. 78. C. 5 (René von Anjou, „Le mortifiement de vaine plaisance“), fol. 36v, Tugenden kreuzigen das Herz. Frankreich, um 1457 (Werkstatt des Adenot Lescuyer). Nach L. Olschki a.a.O. Taf. 47 b (Ausschnitt).
3. Cambridge, Trinity Coll. ms. R. 14.5 (Thomas Chaundler, „Liber apologeticus de omni statu humanae naturae“), Erschaffung des Menschen als Folge des Engelsturzes, Ill. zum actus primus.
England, zw. 1457 u. 1461. Nach Mont. Rhodes James a.a.O. Taf. n. S. 24.
4. Titelblatt zu „Der zielen troost“, Antwerpen 1509. Holzschnitt. Nach Aukt.Kat. Internat. Antiquariaat Menno Hertzberger, Amsterdam, 1. Febr. 1962, Nr. 1624, Taf. 21.
5. Lukas Cranach d. Ä., „Ein kurtz andechtigs himelisch Leitterlein angegeben von dem heiligen Bonauentura / An welchem die Christglaubigen leichtensteige mogen den vehsten hochen himel“. Einblattholzschnitt, von zwei Holzstöcken gedruckt, 38,9 × 29,2 cm u. 12 × 29,1 cm. Um 1512. Nach Geisberg, Einblattholzschnitt Nr. 610 u. 611.
6. Text- und Bildseite aus Abt Quirinus Rest O.S.B., „Der himmlische Fußsteig, auf welchem der büßende Sünder mit Hülf der göttlichen Gnade aus der Ungestümigkeit dieser Welt ... widerumb zu dem ewig Vatterland kommen kann“, Tegernsee 1581, Bl. 12v/13. Fot. RDK.
7. Hieron. Wierix, Hoffart und gottlose Arme. Kupferstich, 10,9 × 10,6 cm. Ill. zu Bern. Gerbrand Furmer, „De rervm vsv et abvsv“, Antwerpen 1575, Bl. C 2 recto, Kupfer 8. Nach dem Original.
8. Theodor Galle, „Mortem timet, qvem terret conscientia“. Kupferstich, 15,8 × 8,7 cm. Ill. zu Jan David, „Veridicus Christianus“, Antwerpen 1601, Kap. 88. Nach der Ausg. Antwerpen 1606, Kupfer 88 n. S. 304.
9. Boëthius à Bolswert, „amor divinus“ rettet „anima humana“ vom Schiffbruch. Kupferstich, 9,6 × 5,7 cm. Ill. zu Hermann Hugo, „Pia Desideria“, Antwerpen 1624, Buch I Kap. 11. Nach dem Original (= Kupfer 11 v. S. 81).
10. Mich. Snyders oder Gillis van Schoor, „caligo amoris“. Kupferstich, 9,6 × 6,3 cm. Ill. zu „Amoris divini et hvmani antipathia“, Antwerpen 1626. Nach Ausg. ebd. 16292, Kupfer zu Buch II Kap. 33, n. S. 142.
11. Ant. Wierix, das Jesuskind besprengt das Herz mit Weihwasser, bevor es dieses betritt. Kupferstich aus der Folge „Cor Iesu amanti sacrum“ (Alvin Nr. 1271), sign. „Anton. Wierx fecit et excud.“ 1. V. 17. Jh. Nach [9], Taf. 37,1.
12. Nach Raphael Sadeler, Bekehrung Pauli („agnitio divinae voluntatis“). Kupferstich, 9,3 × 4,9 cm. Ill. zu Jerem. Drechsel, „Heliotropivm seu conformatio humanae voluntatis cum divina“, Mchn. 1627, Buch I Kap. 1. Nach Ausg. Köln 1630, Kupfer vor S. 1.
13. Philipp Sadeler, Personifikation der Ewigkeit. Kupferstich, 7,7 × 4,2 cm. Ill. zu Jerem. Drechsel, „De aeternitate considerationes“, Mchn. 1620, Consid. 2. Nach Ausg. Mchn. 1632, S. 24.
14. Joh. Schweizer (Schwyzer), Titelbild zu Jac. Triglandus, „Krafft der Gottseligkeit“, Zürich (1651). Kupferstich. Nach Paul Leemann-van Elck, Die zürcherische Buchill. v. den Anfängen bis um 1850, Zürich 1952, S. 105 Abb. 109.
15. Joachim von Sandrart, emblematische Ill. zu Erasmus Francisci, „Glantz, Krafft und Würckung der Geistlichen Wandel-Sterne“, Nürnberg 1678. Kupferstich. Fot. RDK (mit frdl. Erlaubnis der Hzg. August-Bibl. Wolfenbüttel).
16. Kupferstich-Ill. zu Joh. Arndt, „Vier Bücher vom Wahren Christentum“, Riga 1679, Buch 1 Kap. 3. Fot. RDK (wie Abb. 15).
17. Jan Luyken, Memento mori. Kupferstich, 8,2 × 8,7 cm. Ill. zu Jan Luyken (Luiken), „De onwaardige Wereld“, Amsterdam 1728, S. 204, Kupfer 50. Nach dem Original.
18. Joh. Frdr. Uffenbach, Kupferstich-Ill. zu ders., „Poetischer Versuch worinnen die Nachfolge Christi durch Sinn-Bilder erkläret ... wird“, Ffm. 1726, Bl. 173, 185, 227 und 267. Fot. RDK (wie Abb. 15).
19. Mich. Heinr. Rentz, Kupferstich-Ill. zu ders., „Geistliche Todts-Gedancken“, 1753; nach Ausg. Passau und Linz 1755. Fot. ZM.
20. Joh. Mich. Söckler, Kaiser Domitian fängt Fliegen. Kupferstich. Ill. zu Matthias von Schönberg, „Das Geschäft des Menschen“, Mchn. 1772. Nach dem Original.
21. Ludwig Richter (Entw.) und F. Reusche (Ausf.), Ill. zu Wilh. Müller, „Lobsinge dem HERRN meine Seele und vergiß nicht was er dir Gutes gethan. Erbauungsbuch“, Lpz. 1856. Holzschnitt, 16,5 × 10,5 cm. Fot. St.Gr.Slg., München.
22. Jos. von Führich (Entw.) und K. Oertel (Ausf.), „Silentium“. Holzschnitt. Ill. zu Thomas à Kempis, Nachfolge Christi, 1868. Nach Heinr. von Wörndle, Jos. Ritter von Führich, sein Leben und seine Kunst, Mchn. 19252, Abb. 46.
Literatur
allgemein: 1. C. J. Cosack, Zur Gesch. der ev.-ascetischen Literatur in Deutschland, Basel 1871. – 2. Herm. Beck, Die Erbauungsliteratur der ev. Kirche Deutschlands, 1. Teil. Von Dr. M. Luther bis Martin Moller, Erlangen 1883. – 3. Ders., Die religiöse Volkslitteratur der ev. Kirche Deutschlands in einem Abriß ihrer Gesch. (= Frdr. Zimmer, Handbibl. der praktischen Theologie Bd. 10, Abt. c), Gotha 1891. – 4. C. Grosse, Die alten Tröster. Wegweiser in die Erbauungslitteratur der ev.luth. Kirche des 16.–18. Jh., Hermannsburg 1900. – 5. Max Huber in: Theolog.-praktische Quartalschrift 54–56, 1901–03, passim. – 6. Paul Althaus, Zur Charakteristik der ev. Gebetsliteratur im Reformationsjahrhundert, Lpz. 1914. – 7. Gg. Domel, Entstehung des Gebetbuches und seine Ausstattung, Köln 1921. – 8. Paul Althaus d. Ä., Forschgn. zur ev. Gebetsliteratur, Gütersloh 1927 (mit weiterer Lit.). – 9. Spamer, Andachtsbild. – 10. Mario Praz, Studi sul Concettismo (= Biblioteca Sansoniana critica 9), Florenz 1946. – 11. F. Heiler u. F. Bartsch, Erbauungsliteratur, in: R.G.G. Bd. 23, 1958, Sp. 540–47.
Zu I: 12. E. Chr. Achelis, Erbauung, in: Realencyklopädie für prot. Theologie und Kirche Bd. 5, Lpz. 1898, S. 446–48. – 13. Frdr. Niebergall u. Mulert, Erbauung, in: R.G.G. Bd. 21, Sp. 428–34. – 14. F. Schubert, Erbauung, in: Buchberger Bd. 32, Sp. 738f. – 15. G. Friedrich u. M. Doerne, Erbauung, in: R.G.G. Bd. 23, Sp. 538–40. – 16. H. Schlier u. R. Angermair, Erbauung, in: Buchberger Bd. 33, Sp. 959–62. – 16 a. Herb. Haag (Hrsg.), Bibel-Lexikon, Einsiedeln u. Köln 1951, Sp. 405f. – 16 b. Otto Michel in: G. Kittel, Theologisches Wörterbuch zum N.T. Bd. 5, Sp. 139–51. – 16 c. H. Pohlmann, Erbauung, in: R.A.C. Bd. 5, Sp. 1049–70.
Bibliographien u. ä. Werke: 17. Wilh. Heinsius, Allgem. Bücher-Lexikon Bd. 1–11, Lpz. 18122–1855. – 18. Hain. – 19. Joh. Gg. Theodor Graesse, Trésor de livres rares et précieux ou Nouveau dictionnaire bibliographique, Mailand u. New York 1950 (Neudruck), 8 Bde. – 20. William Martin Conway, The Woodcutters of the Netherlands in the 15th C. (Ill: List of the Books Containing Woodcuts), Cambridge 1884 (Neudruck: Hildesheim u. Nieuwkoop 1961). – 21. Augustin de Backer, Alois de Backer u. Charles Sommervogel, Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, Brüssel u. Paris 1890–19003. – 22. Hain-Copinger. – 23. Gerard Chrn. de Vries, De nederlandsche emblemata. Geschiedenis en bibliographie tot de 18. eeuw, Amsterdam 1899. – 24. Hain-Reichling. – 25. Jacques-Charles Brunet, Manuel du libraire et de l’amateur de livres, Bln. 19215, 6 Bde. – 26. Arthur Rümann, Die ill. dt. Bücher des 19. Jh. (= Taschenbibliographien für Büchersammler 4), Stg. 1926. – 27. Ders., Die ill. dt. Bücher des 18. Jh. (= Taschenbibliographien für Büchersammler 5), Stg. 1927. – 28. Praz. – 29. Curt von Faber du Faur, German Baroque Literature, New Haven 1958. – 30. John Landwehr, Dutch Emblem Books, Utrecht 1962.
S. im übrigen die Lit. zu Buchillustration, Emblem, Emblembuch, Gebetbuch, Gesangbuch, Katechismus.
Verweise
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.