Eimer
englisch: Bucket, pail; französisch: Seau; italienisch: Secchia, secchio.
Hans Martin von Erffa (1956)
RDK IV, 966–971
I. Begriff, Namen und Arten
Der E. (ahd. ambar, einpar oder ampri, von amphora [ἀμφι-φορεύς]; mhd. ember, einber [volksetym. ein + beran = tragen an einem Henkel], eimer) ist ein zylindrisches oder – meist – konisches Gefäß von Holz, Metallguß, Blech, Leder, Ton, Steingut, Porzellan oder verwandten Materialien, das zum Schöpfen und Tragen, seltener auch zum Aufbewahren von Flüssigkeiten oder dgl. dient. Sein Hauptkennzeichen ist ein beweglicher, halbkreisförmiger Bügel als Tragevorrichtung, der in Ruhestellung auf dem oberen E.-Rand aufliegt; doch kann der E. auch zwei oder mehrere Trageringe am oberen Rand oder am Gefäßkörper besitzen.
Holz-E. können aus dem Stamm gearbeitet sein, üblicher ist die Zusammenfügung aus Dauben in Böttcherarbeit (Zuber). Metallguß-E. werden meist in einem, aber auch in mehreren Stücken gegossen, während man Blech-E. aus einzelnen Teilen zusammennietet und verlötet. Leder-E. werden genäht und verpicht.
II. Verwendung
E.-förmige Metallgefäße waren bereits in der assyrischen Kultur bekannt. Im Abendland dienten konische E. (situlae; s. Forrer, Taf. 83 und Taf. 211–13) seit der Hallstattzeit als Behälter und – reich mit figürlichen Friesen verziert – als Siegespreise; etruskische situlae besaßen einen doppelten Bügel, der auseinandergeklappt auf dem Rand des Gefäßes ruhte. Die Römer benutzten E. ohne und mit Fuß (Abb. 1) in Bronzeguß, aber auch aus vergänglicherem Material. Sie kannten ferner eine hohe, steile Form des E. mit leichter Schultereinziehung, die in zahlreichen Exemplaren als römischer Import in Deutschland gefunden wurde (z. B. [2] Abb. S. 150).
Den Germanen diente der E. zu einem nicht näher bekannten Brauch im Bestattungskult. Man verwendete hierzu hölzerne und Bronze-E., aber auch tönerne Nachbildungen solcher Gefäße, die in kleinem Maßstab eigens für den genannten Zweck angefertigt wurden (Frz. Pfützenreiter, Toneimer als Kultgefäße in ostgermanischen Gräbern, Fs. Bruno Ehrlich z. 70. Geb. [= Elbinger Jb. H. 15], Elbing 1938, S. 144 u. Taf. 32). Aus der Merowingerzeit sind Holz-E. mit schmiedeeisernem Bügel und Reifen bekannt (Hans Wühr, Alte Küchen und Küchengeräte [= Wohnkunst und Hausrat einst und jetzt Bd. 7], Darmstadt 1954, Abb. 31). In Haithabu wurden Reste eines reich mit Bronze und Eisen beschlagenen Holz-E. aus dem 9./10. Jh. gefunden (Nachbildung [2] S. 180 Abb. 2).
Im frühen Mittelalter fand der E. als Weihwasserbehälter Aufnahme in das liturgische Gerät. Die Mitnahme des Taufwassers zum Besprengen der Äcker und Weinberge wird bereits von Gregor von Tours berichtet (s. RAC 2, 192), doch kamen eigene Gefäße für das zum Besprengen dienende Weihwasser erst etwa im 8./9. Jh. in Gebrauch (Braun, Altargerät S. 585). Aus dem 9. Jh. ist die E.-Form der Weihwassergefäße schon sicher bezeugt: zwei Darstellungen auf dem Elfenbeinbuchdeckel des Drogosakramentars, um 855 (Paris, B.N.; Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen 1, Nr. 74 a u. Taf. 30), zeigen kleine E. in den Händen von Diakonen (daß der E. um die M. 9. Jh. nicht die einzige Form des Weihwasserbehälters war, beweist ein steinernes Becken mit der Inschrift „Clero et populo xpiano a ... m benedictam ...“ in Mainz: Die Dt. Inschriften II, 2 [Fritz Vikt. Arens, Stadt Mainz 2], Waldsee 1952, S. 346f. Nr. 651). Im Jahr 915 nennt das Testament Riculfs von Elne einen Weihwasserkessel mit Henkel: „ansatus aereus unus ad aquam benedictam“ (Braun a. a. O. S. 583). Die Bezeichnung situla für den Weihwasserkessel deutet ebenfalls auf seine E.-Form. Aus dem späteren 10. Jh. sind dann die ältesten Beispiele erhalten, und zwar kostbare elfenbeinerne E. in Mailand, Aachen, London (ehem. Leningrad) und New York (ehem. Kranenburg Krs. Kleve; Braun a. a. O. Abb. 471–73 u. 476; Pantheon 12, 1933, 358). Zahlreicher sind Bronze-E. als Weihwasserkessel aus dem 12. und 13. Jh. auf uns gekommen. Bei einer Anzahl von ihnen (z. B. [2] Abb. S. 190; Weltkunst 22, 1952, Nr. 4 S. 12) ist allerdings die ursprüngliche liturgische Verwendung nicht gesichert, doch spricht das vergleichsweise wertvolle Material für eine solche. Diese Bronze-E. waren häufig mit Reliefs verziert (Abb. 2), doch finden sich auch im 12. Jh. schon ganz schlichte Formen, wie sie später die Regel wurden; sie sind dann meist einfach konisch nach unten verjüngt, haben ein oder mehrere umlaufende Bänder und stehen zuweilen auf Füßen ([2] Abb. S. 189, 192, 195; ein vielleicht schon dem 11. Jh. angehöriger Weihwasser-E. mit einem – allerdings erneuerten – eisernen Henkel in der Pfarrkirche zu Beckum i. W.: Ausst.Kat. „Westfalia sacra“, Münster 1951/52, Nr. 139). Im späteren MA bildete sich dann eine eigene Form des Weihwasserkessels heraus, die sich mehr und mehr von der des E. entfernte; auch hölzerne Weihwasser-E. fanden Verwendung (Abb. 4).
Zum Ganzen s. Weihwassergerät und Braun, Altargerät, S. 581–98.
E. in dauerhafter Ausführung in Bronzeguß dienten den Gemeinden (neben flachen Becken u. a. Gefäßen; s. Hohlmaß) als Eichmaße für Flüssigkeiten. Ein schwerer bronzener Eich-E., der in Zapfen drehbar ist, hat sich im Ortsmuseum zu Ochsenfurt erhalten (Abb. 6); er ist mit Reliefs geschmückt und am oberen Rand mit einer Inschrift und der Jahreszahl 1458 versehen (s. a. Inv. Bayern III, 1, S. 183f.; Ausst. Kat. „Franconia sacra“, Würzburg 1952, D 22).
Wenn auch für den gewöhnlichen Gebrauch in Haus und Wirtschaft wohl meist einfache hölzerne E. (Zuber) dienten, fertigte man doch auch, vornehmlich in Norddeutschland, immer wieder formschöne Bronze-E. selbst für profane Verwendung (Abb. 3); ihr Schmuck beschränkt sich – darin sind sie den Mörsern ähnlich – auf schlichte Profilierung. Für das Feuerlöschwesen besaßen die Gemeinden zuweilen lederne Lösch-E. in größerer Anzahl; derartige E. waren, zur Vermeidung der Verwechslungen bei gemeinsamen Aktionen mehrerer Gemeinden, oft mit dem Stadtwappen bemalt. Auch auf Gütern und Schlössern haben sich solche, mit dem Familienwappen des Besitzers gekennzeichnete Leder-E. erhalten (Abb. 5). Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach besitzt eine Anzahl derartiger Feuerlösch-E. (Kat. in Vorbereitung).
III. E. als Attribut
Als Attribut dient der E. in der christlichen Kunst vor allem dem hl. Florian, dem Schutzpatron gegen Feuersnot, wenn dieser nicht wie üblich einen Kübel mit festem Griff trägt. Der hl. Damian, von Beruf Arzt, trägt ein kleines, E.-artiges Gefäß auf einem Kölner Tafelbild der M. 15. Jh. (Städel-Jb. 7, 1932, 79). Einen E.-förmigen Weihwasserkessel trägt zuweilen der hl. Petrus auf Darstellungen des Marientodes (Abb. 4). In Kreuzigungsbildern wird Stephaton öfters mit einem E. außer dem Essigschwamm wiedergegeben (z. B. Rabulas-Kodex in Florenz, Ende 6. Jh.; Hortus deliciarum; Gebetbuch der hl. Hildegard, München, St. B. Clm. 935, fol. 61 v, vor 1179).
Eines der ältesten Stadtsiegel mit einem Wappenschild ist ein Siegel der Stadt Emmerich mit einem E. im Schild (Hinweis Dr. O. Neubecker).
Zu den Abbildungen
1. Bremen, Focke-Mus., Inv. Nr. B 36, römischer Eimer (Fund aus der Weser). Bronze, ohne Bügel 30 cm h. 3. Jh. n. Chr. Nach [2] Abb. 151.
2. Mainz, St. Stephan, Weihwassereimer mit Relieffiguren Christi, Mariä, des hl. Heribert u. des Abts Hartmann. Bronze, ehem. vergoldet, 13,5 cm h. Um 1185. Fot. Marburg 14 062.
3. Schwerin, Mus., Inv. Nr. 246, Eimer. Bronze, 21 cm h. 17. Jh. Nach [2] Taf. XXXI.
4. Martin Schaffner, Marientod vom Wettenhausener Hochaltar (Ausschnitt). Fichtenholz. München, A. Pin. Nr. 674 (vgl. Kat. 1938, Abb. 45). 1478/79. Fot. O. Poss, Regensburg, 8542/33–34.
5. Neunhof (Mfr.), Freiherrlich von Welsersche Familienstiftung, Löscheimer. Rindsleder mit Holzversteifungen, 36,5 cm h., Inschrift W:N-H. (= Welser Neunhof), Wappen und Jahreszahl 1783 Ölfarbe. Fot. Besitzer.
6. Ochsenfurt, Mus., Eicheimer. Bronze, 48,5 cm h. Dat. 1458. Fot. Bayer. L.A. f. Dpfl., München.
Literatur
1. Grimm 3, 111f. – 2. Walter Dexel, Deutsches Handwerksgut. Eine Kultur- und Formgesch. des Hausgeräts, Berlin 1939.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Erffa, Hans Martin von , Eimer, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1956), Sp. 966–971; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=93134> [15.09.2024]
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