Ehrgeiz
englisch: Ambition; französisch: Ambition; italienisch: Ambizione.
Ernst Guldan (1956)
RDK IV, 874–885
I. Antike
Obwohl der Begriff E. in der literarischen Überlieferung der Spätantike bereits in einer reichen Skala von Variationen begegnet (ambitio, crescendi cupiditas, studium laudis, cupiditas gloriae), fehlt nach bisheriger Kenntnis der Nachweis gleichartiger Zeugnisse aus der bildenden Kunst. Die Angabe bei Droulers (S. 11, leider ohne Quellenbeleg), wonach die Römer den E. als barfüßige, geflügelte Gestalt dargestellt und ihm einen Tempel geweiht haben sollen, steht im Widerspruch zu der Beobachtung, daß der Begriff E. zumindest seit hellenistischer Zeit stets im negativen Sinne verstanden worden ist. Besonders durch die Stoa wurde dem steigenden Bildungsbedürfnis der Gesellschaft eine Populärphilosophie geboten, die auf ethische Grundwahrheiten und praktische Lebensfragen gerichtet war; Wanderprediger und Bettelphilosophen haben in ihren Vortragsdialogen ebenso wie die eng verwandte römische Satire den E. meist neben Habgier und Vergnügungssucht angeprangert [22, S. 62ff.]. Als „ambitus“ fand eine spezielle Ausprägung des politischen E. Aufnahme in das römische Strafrecht. Die Gewinnchancen des gewählten republikanischen Beamten für Macht- und Gelderwerb hatten zu Mißbräuchen bei der Stimmenwerbung geführt, so daß seit dem 5. Jh. v. Chr. immer wieder Gesetze de ambitu erlassen worden sind [21].
Auch das N.T. enthält in einigen seiner sog. „Lasterkataloge“ ähnliche Zusammenstellungen von verwerflichen Eigenschaften des Menschen, wobei vielfach der entsprechende „Tugendkatalog“ gleich zugeordnet wird; Gal. 5 findet sich der E. als „Werk des Fleisches“ neben Unzucht, Götzendienst, Zank, Eifersucht, Selbstsucht, Zwietracht, Neid, Schwelgerei usw.
II. Mittelalter
Der moraltheologische Bilderkreis des MA hat vereinzelt auch Darstellungen des E. aufgenommen, und zwar vor allem in jenen allegorischen Zyklen, die sich aus den Tugend- und Lasterkatalogen entwickelten. In den 1165 entstandenen Zusätzen zum Glossar des Bischofs Salomo von Konstanz (Clm. 13 002) ist auf zwei benachbarten Seiten, die eine Reihe antithetischer Begriffspaare der christlichen Tugendlehre verbildlichen, eine solche Gegenüberstellung abgebildet, wobei dem E. („honoris appetentia“, fol. 3 v) die Langmut („longanimitas“, fol. 4 r) zugeordnet wird. Wie die übrigen Laster und Tugenden erscheint der E. hier nicht allein als Personifikation, sondern ist zugleich durch eine attributive Szene veranschaulicht (Abb. 1; Boeckler, Regensburg S. 20ff.).
Der E. wird illustriert durch die Darstellung des am Galgen erhängten Haman nach Esth. 7, 10 und durch die Personifikation seines Hauptlasters mit dem Spruchband „sic levo“. Als Moral-Inschrift dient Ps. 74, 11 „Cornua peccatorum confringam“, der sich in der zugehörigen Longanimitas-Szene (Ehrung des Mardochäus nach Esth. 6, 11) mit „et exaltabuntur cornua justi“ vollendet. Die Personifikation der Langmut ist dort mit dem Worte „salvo“ abgebildet und als Moral-Inschrift ein Zitat aus dem Gebet des Mardochäus beigefügt: „Timui honorem dei mei transferre ad hominem“ (Esth. 13, 14). Mit dieser kunstvollen Kontraposition der ausgewählten Texte wurde das biblische Paradigma des ehrgeizigen Haman und des von ihm verfolgten Juden Mardochäus in die scholastische Bildersprache übersetzt.
Etwa gleichzeitig und in ähnlichem Zusammenhang findet sich eine Darstellung des E. im „Hortus deliciarum“ (Walter, Taf. 34). Dem Wagen der Misericordia wird der von einem Fuchs und einem Löwen gezogene „currus avaritiae“ gegenübergestellt; beide Zugtiere verbindet das Spruchband „Avaritia dicit: lingo fraude dolo (quasi vulpis) vel vi sectans lucra rodo (ut leo crudelis“). Die Inschrift „Ambitio est leo“ weist den Löwen als eine Allegorie des E. aus; er befindet sich in der Gesellschaft zahlreicher, ebenfalls durch Tiere verbildlichter Laster: Philargiria (Geier), Sordiditas (Schwein), Tenacitas (bellender Hund), Violentia (Bär), Rapacitas (Wolf) und Fames (Ochse).
Diese Darstellungsform des E. in einer Enzyklopädie legt es nahe, auch den gelben Löwen in der Vision vom Antichrist der Hildegard von Bingen († 1179) als Allegorie des E. im weiteren Sinne zu deuten (Maura Böckeler, Hildegard von Bingen: Wisse die Wege – Scivias, Salzburg 1954, Taf. 32 und S. 321; Hiltgart L. Keller, Mittelrhein. Buchmalereien usw., Stg. 1933, S. 116).
Die Frage nach der Herkunft dieser Motive muß vorerst offen bleiben.
Die Konzentration der uns bekanntgewordenen Beispiele von E.-Darstellungen in der 2. H. 12. Jh. ist immerhin bemerkenswert. Der gleichzeitige erneute Einbruch antiker Stoffe in die abendländische Bildungswelt kann diese Erscheinung erklären als eine Reaktion der symbolfreudigen Moraltheologie auf das Andrängen des heidnischen Bilderkreises um den antiken Ruhmkult.
Eine direkte Beziehung zur alten Mythologie ist erst im 14. Jh. nachweisbar: im „Fulgentius metaforalis“ des Oxforder Theologen Johannes Ridewall werden antike Götter im Dienste der christlichen Ethik als Sinnbilder für Tugenden und Laster vorgeführt; in mehreren Fassungen des 14. und 15. Jh. erscheint der E. als Phaeton („ymago ambicionis sub nomine ffetontis“), dessen Abstammung und Schicksal nach dem Vorbild der stoischen Allegorese auch auf Naturkräfte und Elemente bezogen werden. Phaeton (die Frucht) ging hervor aus der Verbindung von Helios (Sonne) und der Nymphe Klymene (Feuchtigkeit); die maßlose Herausforderung der Zeugungskraft der Sonne aber hat für die gereiften Früchte den Brand wie für Phaeton den Sturz zur Folge [Hans Liebeschütz, Fulgentius metaforalis [= Stud. d. Bibl. Warburg 4], Lpz. u. Bln. 1926, S. 4, 51, 56f., 116 und Abb. 6). Auch A. 15. Jh. – während das italienische Quattrocento in seinen Trionfi diese Bildtradition neu belebte – fehlt die Darstellung des E. nicht: im Cod. 1404 der Bibl. Casanatense in Rom, betitelt „Omnium virtutum et viciorum delineatio“, findet sich fol. 13 r das Bild dreier Männer, von denen der erste Sand ißt, der zweite über einer Schwefelgrube steht und der letzte mit offenem Mund auf einem Tempeldach sitzt; Beischriften erklären diese drei als Repräsentanten der Laster-Trias Geiz, Gefräßigkeit und E. („Vane glorie ambiciosus“; Fritz Saxl, „Aller Tugenden und Laster Abbildung“, in: Fs. f. Jul. Schlosser, Wien 1927, S. 118).
III. Neuzeit
a) Allegorien, Embleme, Hieroglyphen
Der neuzeitliche Motivschatz übernahm von den ma. Bildvorstellungen im 16. Jh. zunächst nur die indirekte Darstellung des E. im Rahmen einer allegorischen Szene oder als Emblem bzw. Hieroglyphe. Leitgedanke ist die Askese gegenüber den Verlockungen weltlicher Ehren und irdischen Ruhmes; diese noch ganz im Bereich der christlichen Tugendlehre verwurzelte Moralisation kreist um das Zentralthema des honor mundi, verstanden als gloria vana (vgl. Ehre, Eifersucht, Fama, Geiz, Hochmut, Ruhm, Vanitas). Die antikisierende Gedankenwelt der Trionfi hat jedoch in der 1. H. 16. Jh. die abwertend akzentuierte E.-Darstellung noch in den Hintergrund gedrängt; ein Vergleich zwischen den frühen Alciati-Ausgaben [1], die das E.-Motiv zuerst völlig meiden, später dann nur am Rande der jeweiligen Bildmoral anklingen lassen, und den auffallend zahlreich vertretenen E.-Emblemen bei Bocchi [2] verdeutlicht das.
In den Emblemata des Alciati (Ausg. Lyon 1574) wird der E. nur in anderen Zusammenhängen erwähnt. Das Emblem „In temerarios“ charakterisiert am Beispiel des Phaeton-Sturzes den kurzatmigen Erfolg des unbesonnenen E. der Jugend [1, S. 69]; ein anderes stellt am raubgierigen Wolf die Unersättlichkeit des Geizigen und Ehrgeizigen, nicht den E. selbst dar [1, S. 78]. Am Bildexempel des Rex Tantalus, dessen Begierden im Acheron keine Erfüllung mehr finden, soll die Verwandtschaft von Geiz und E. noch einmal verdeutlicht werden; es ist aber bezeichnend, daß hier der Hauptakzent schon durch den Titel „Avaritia“ von vornherein nicht auf dem E. liegt ([1] S. 96; vgl. dazu die E.-Komposition im „currus avaritiae“ des Hortus deliciarum).
Auch bei Bocchi überwiegen die aus dem profanen bzw. mythologischen Motivkreis gewonnenen Darstellungen, das einzelne Beispiel wird jedoch prägnanter und die Moral schärfer formuliert. Das Symbolum der Pandora [2, S. 254f.] verdeutlicht den E., der schon zum Feuerraub des Prometheus geführt hatte, als eine Götterstrafe über die Menschheit; im Erklärungstext wird die weitläufige Aufzählung der Plagen und Nöte, die durch Pandoras Schuld in die Welt kamen, zu einer Genealogie irdischen Elends, an deren Spitze der E. steht. Eng verwandt ist die Auffassung, die zu dem Symbolum mit der Devise „A publica re exterminandum esse ambitum“ führte [2, S. 176f.], denn „altrix multorum, et magnorum causa malorum Ambitio fuit, ac pessima semper erit“; die Darstellung zeigt das Strafgericht Kaiser Alexanders über einen Ehrgeizling („qui auram popularem summo captabat sollicitus studio“), der an einen Pfahl gefesselt und verbrannt wird. Noch bis ins 18. Jh. war die Meinung verbreitet, daß die antike Rechtspflege de ambitu (vgl. I) dieses Verbrechen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Tode bestraft habe (Benjamin Hederich, Reales Schul-Lexicon, Lpz. 17312, Sp. 201f.).
Aber gerade im 16. Jh. wird eine vorübergehende – auch im Norden feststellbare – Loslösung von dem durch die christliche Tugendlehre geprägten Wertmaßstab deutlich. Auch hierfür liefert Bocchi [2] aufschlußreiche Beispiele, indem er neben Symbola, die eine grundsätzliche Ablehnung des E. fordern, solche stellt, die zwischen wahrer und falscher Ehre und demzufolge zwischen gesundem und verwerflichem E. unterscheiden. Offenkundig wird die Abwendung vom ma. Gloria-vana-Begriff in jener weltklugen Moralisation, die – verbildlicht durch das Motiv gebändigter Rosse – Prudentia daedala als Herrscherin über Ambitio und Libido empfiehlt [2, S. 240f.]. In dieselbe Kategorie gehören auch die Symbola [2] S. 186f. und 204f., sowie die Embleme bei Holtzwart [5, Embl. 37] und Horozco [6, III, S. 127ff.].
Mit dieser Akzentverschiebung, die den E. mehr psychologisch als moralisch betrachten und einschätzen lehrt, ist der Weg frei zur Persiflage des E. in einer Gruppe von Darstellungen der 2. H. 16. Jh. Ein Emblem bei Junius [4, S. 56] bildet Fama und ein zu Bett liegendes Paar mit der ironischen Beischrift ab: „Die tot eeren comen wilt, die moet schouwen sijnen buyck, pluymen, en vrouwen.“ Christoph Murer (1558–1614) belächelt den Esel aus der Aesop-Fabel, der ein Heiligtum auf seinem Rücken trägt und – von E. verblendet – glaubt, die Huldigungen gälten ihm selbst [12, Embl. 8]. Vom gleichen Künstler stammt ein Kupferstich (Andr. 8), der den Sturz des Ehrgeizigen vom Baum „Ambitio“ und die Schadenfreude eines Zuschauers darstellt (Abb. 2); die Bibelzitate (Sprüche 16, 18; Lk. 14, 11) täuschen nicht darüber hinweg, daß hier ein typisches Thema der Commedia dell’Arte in die Bildsatire übertragen worden ist.
Die Allegorie des 17. Jh., weitgehend im Dienst der Gegenreformation, verdrängte in zunehmendem Maße E.-Darstellungen, die das Verdammungsurteil über die mundana gloria vana nicht eindeutig aussprechen. Damit wurde die in der moralisierenden Bildwelt des Nordens nie völlig unterbrochene Tradition ma. Gedankengutes erneut in den Vordergrund gerückt. Wie schon Bocchi (s. o.) und Holtzwart [5, bes. Embl. 68] im 16. Jh., so haben jetzt vor allem Friedrich [8, S. 48, 82, 116], Schoonhoven [9, S. 18f.], Zetter [10, Alleg. 3], Sucquet [11, Consid. 9, 22 u. 23] und J. Mich. Dilherr [14, S. 343ff.] die Vergänglichkeit des honor mundi gepredigt und neben Sinnenfreude und Geldgier den E. als Dämon der bona temporalia gebrandmarkt.
Während schon seit A. 17. Jh. homiletische Kompendien dem E. einen festen Platz im System der allegorischen Barockpredigt zuwiesen [7, s. Register s. v. „ambitio“], bevorzugte die bildliche Darstellung zunächst noch das antik-mythologische Motiv als Ausdrucksträger für ein christlich - theologisches Programm. „Cultura mundi“ ist ein nach Marten de Vos (1532–1603) gestochenes Blatt betitelt, das diese Doppelschichtigkeit schon andeutet (Abb. 3): der Weltmensch, begleitet von den weiblichen Personifikationen der „Ambitio“ und „Avaritia“, tritt vor den Thron des „Mundus“, über dem die vom Kreuz bekrönte Weltkugel schwebt, und bringt dem Idol den durch E. erworbenen Lorbeer und den durch Geiz gehorteten Gewinn, mit beiden aber auch sein Herz als Opfer dar. In Zetters Speculum [10, Alleg. 3] tritt die christliche Ausdeutung des mythologischen Motivs klar hervor: Jupiter, auf dem Wolkenthron, verstößt Cupido, der hier als Repräsentant von E., Zanksucht und Neid erscheint. Das Motto: „Wie bistu vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!“ (Jes. 14, 12) bezieht sich auf den „hellisch Cupido“, der im Text mit dem Satan identifiziert wird und „durch sein Ehrgeitz vnd böse Tück ... Vatter Adam“ verführt hatte.
Mit dieser Auslegung gewinnt der E. jene zentrale Bedeutung, die ihm auch schon Bocchi im Pandora-Symbolum zuerkannt hatte (s. o.). Die protestantische Emblematik vertritt eine Generation später dieselbe Auffassung (Abb. 4; [14] S. 343ff.). Im Inneren einer Weltkugel, die von der Klaue des Teufels gehalten wird und auf die Gottes Hand das Kreuz setzt, erscheint eine nackte „Bockmenschin“ als Personifikation „des Ehrgeitz und der irdischen Phantasei“ (Geiz, Hoffart, Unzucht). Der E. wird im Text als die Triebkraft bezeichnet, die zum Sündenfall führte: „Denn so bald nur der höllische Lügengeist der Even sagte, daß sie durch Nießung der verbotthenen Baumfrucht würde Gott gleich seyn, fuhr sie zu, brach ab und fraß ein“ [14, S. 348].
Das innerhalb eines Jahrzehntes in sieben Auflagen erschienene und im 17. Jh. in acht Sprachen übersetzte Werk des Jesuiten Sucquet ([11]; vgl. dazu Praz S. 160) schildert in zahlreichen allegorischen Darstellungen irdische Laster, die als Versuchungen den Lebensweg des Menschen kreuzen. Der E. wird entweder als Teufel mit Krone und Fackel [11, Consid. 22] oder als weibliche gekrönte Gestalt am Rande eines Tümpels verbildlicht, aus dem die Lasterhaften trinken, obwohl er in den Höllenrachen mündet: „jucundatur calice aureo Babylonico“ [11, Consid. 9].
Die Emblematik des späteren 17. und des 18. Jh. hat neben der lehrhaften moraltheologischen Allegorie einen enzyklopädischen Bilderkreis geschaffen, der wieder jene bereits im 16. Jh. nachgewiesene säkularisierte Auffassung des E. fortsetzte.
Im „Mondo simbolico“ des Picinelli [13] werden die E.-Embleme teils aus mythologischen Stoffen gewonnen (z. B. Prometheus: [13] S. 135, 84), hauptsächlich aber nach „hieroglyphischer Art“ gebildet; Vogel, Lamm, Kamel (so schon [6] III, S. 127), Fisch, Krokodil (so schon [2] S. 204f.), Chamäleon und Schnecke, aber auch Palme, Kerze, Eimer, Mühle, Rakete, Schiff und Sonnenuhr dienen zur Verbildlichung des E. in allen nur denkbaren psychischen Abarten und faktischen Äußerungen [13, s. Register]. Eine weitere Variante findet sich später bei Poot [15, I, S. 346], der unter Hinweis auf Valeriani [3, S. 75] der Ameise als E.-Hieroglyphe den Vorzug gibt, wobei er sich auch auf die literarische Autorität des sinaitischen Abtes Johannes Klimakus († ca. 650) berufen kann.
b) Personifikationen
Schon in der um 1600 entstandenen Darstellung des Marten de Vos (Abb. 3), aber auch in manchen Allegorien der Folgezeit wird der E. nicht mehr indirekt durch Repräsentanten, attributive Szenen oder Embleme verbildlicht, sondern erhält durch Personifikation unmittelbare Anschaulichkeit, wie sie auch das MA kannte. Während jedoch im Beispiel des 12. Jh. (Abb. 1) die E.-Personifikation noch keine individuellen Züge trug, sondern allein durch Beischrift und Spruchband charakterisiert war, hat M. de Vos seine Personifikation bereits in einer charakteristischen Pose dargestellt: die weibliche Gestalt, die als Begleiterin des Weltmannes eindeutig am Bildgeschehen teilnimmt, wendet sich mit verlangender Gebärde der davonfliegenden Fama zu. Eigentliche Attribute oder sonstige Merkmale aber fehlen; die Beischrift „Ambitio“ ist für das Verständnis noch unerläßlich. Die für den Barock verbindliche Personifikation des E. hat Ripa geliefert ([16] S. 21f.; vgl. Abb. 5).
Ripa stellt zwei Möglichkeiten zur Wahl: in beiden Varianten eine jugendliche weibliche Gestalt ([17] S. 37ff. als „Dirne“ bezeichnet), einmal von Efeuranken umkleidet und einen steilen Fels emporstrebend, auf dessen Gipfel einige Zepter und Kronen locken, im anderen Falle grün gekleidet, das Gewand leicht gerafft, barfuß, geflügelt und mit verbundenen Augen, mit beiden Händen gierig mehrere Zepter und Kronen über dem Haupt festhaltend. Dieser zweite Typus ist in sämtlichen Ausgaben abgebildet, allerdings wird seit 1645 zu Füßen der weiblichen Gestalt ein Löwe dargestellt, den Ripa ursprünglich nur als Attribut für die erste, nicht abgebildete Variante im Text erwähnte. In der Folgezeit blieb diese Motiv-Kompilation verbindlich; man verzichtete fortan also auf die Unterscheidung Ripas, der für seinen zweiten Typus vorwiegend theologische Quellen (Hebr. 5 und Thomas v. A.) herangezogen, das Löwen-Attribut des ersten Typus jedoch nach Plautus und Chr. Landino erklärt hatte.
Im 18. Jh. wurden Ripas Personifikationen vielfach attributive Allegorien beigegeben, die als Neben- oder Hintergrundszenen das ursprüngliche Bildmotiv dramatisierten. In zwei deutschen Ausgaben finden sich solche Beispiele. Zur Personifikation des E., die Ripa folgt, trat zunächst ein Repräsentant des E. („Der Ehrgeitzige“) in Gestalt des Damokles, der angesichts des drohenden Schwertes „nichts mehrers wünschet, als widerumb seines mittelmäßigen Standes zu genießen“ [18, S. 157f. und 166]. Später wird der E. sowohl personifiziert als auch durch zwei ineinander verwobene Szenen aus der römischen Geschichte charakterisiert (Abb. 5). Eine Beischrift liefert Hinweise zur Erläuterung der beiden Darstellungen: im Latiner-Feldzug hatte der Sohn des Consuls Manlius Torquatus gegen das väterliche Verbot in der feindlichen Arena einen Zweikampf siegreich bestanden; Manlius statuierte daraufhin ein drohendes Exempel und ließ seinen Sohn öffentlich hinrichten. Der Charakter dieser Episode erklärt den merkwürdigen Doppel-Titel („Severitas – Die Ehrsucht, Ehrgeitz“), auf den die dargestellte E.-Personifikation im Ripa-Typus jedoch keine Rücksicht nimmt.
Am weitesten ausgesponnen wurde dieses System der ergänzenden „Fatti“ in der letzten großen italienischen Ripa-Ausgabe, wo zur Exemplifizierung des E. auf Absalom (2. Sam. 15–18), Alexander d. Gr. und Phaeton hingewiesen wird [20, S. 83ff.].
Zu den Abbildungen
1. München, St.B. Clm. 13 002, fol. 3 v, Ausschnitt. Glossar des B. Salomo von Konstanz. 1165. Fot. Bibl.
2. Christoph Murer (1558–1614), Sturz des Ehrgeizigen. Radierung (Andr. 8), 32,4 × 20,9 cm. Anf. 17. Jh. Fot. St. Graph. Slg., München.
3. Marten de Vos (1532–1603), Cultura mundi. Kupferstich, 20,1 × 25,4 cm. Um 1600. Fot. St. Graph. Slg., München.
4. Melchior Küsel I. (1626 – um 1683) nach Georg Strauch (1613–75), Kupferstich aus J. M. Dilherr, „Augen- und Hertzens-Lust“ [14]. Etwa ¾ Orig. Gr. 1661. Fot. Verf.
5. Christian Halbauer nach Gottfried Eichler d. J. (1715–70), Kupferstich aus Cesare Ripa, ed. J. Gg. Hertel [19]. 19,4 × 13 cm. Um 1760. Fot. RDK.
Literatur
I. Zitierte Quellen: 1. Andrea Alciati, Emblematum liber, Augsburg 1531 (zit. nach Ausg. Lyon 1574). – 2. Achille Bocchi, Symbolicarum Quaestionum de universo genere, Bologna 1555. – 3. Giov. Pierio Valeriani, Hieroglyphica, Basel 1556 (zit. nach Ausg. Venedig 1704). – 4. Hadrianus Junius (Adriaan de Jonge), Emblemata, Antwerpen 1565 (zit. nach holl. Ausg. Antwerpen 1575). – 5. Matthias Holtzwart, Emblematum Tyrocinia .. Eingeblümete Zierwerck, Straßburg 1581. – 6. Juan de Horozco y Covarrubias, Emblemas morales, Segovia 1589. – 7. Hieron. Lauretus, Sylva allegoriarum, Köln 1612 (zit. nach Ausg. Köln 1701). – 8. Andreas Friedrich, Emblèmes nouveaux, Frankfurt a. M. 1617. – 9. Florentius Schoonhovius (Schoonhoven), Emblemata, Gouda 1618. – 10. Jacob de Zetter, Speculum virtutum et vitiorum, Frankfurt a. M. 1619. – 11. Antoine Sucquet, Via Vitae Aeternae, Antwerpen 1620 (zit. nach Ausg. Wien 1672). – 12. Christoph Murer, XL Emblemata miscella nova, hrsg. v. Joh. Rud. Wolff, Zürich 1622. – 13. Filippo Picinelli, Mondo simbolico, Mailand 1653 (zit. nach Ausg. Mailand 1680). – 14. Joh. Mich. Dilherr, Augen- und Hertzens-Lust, Nürnberg 1661. – 15. Hubert Kornelisz. Poot, Het Groot Natuur- en zedekundigh Werelttoneel of Wordenboek, Teil 1, Delft 1743. – 16. Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1603 (zit. nach Ausg. Venedig 1645). – 17. Ders., Erneuerte Iconologia, Teil 1, Frankfurt a. M. 1669. – 18. Ders., Der Kunst-Göttin Minerva Liebreiche Entdeckung, Augsburg 1704. – 19. Ders., Sinnbilder und Gedancken, . . eine hierzu taugliche Historiam oder Gleichnis beygefüget von Joh. Georg Hertel, Augsberg o. J. (ca. 1760). – 20. Ders., Iconologia, . . Notabilmente accresciuta d’Imagini, di Annotazioni, e di Fatti dall’Abate Cesare Orlandi, Bd. 1, Perugia 1764.
II. Schrifttum: 21. Pauly-Wissowa 1, Sp. 1800–03 (Hartmann). – 22. Anton Vögtle, Die Tugend- und Lasterkataloge im N.T., Münster i. W. 1936.
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