Dioskuren
englisch: Dioscuri; französisch: Dioscures; italienisch: Dioscuri.
Erich Hubala (1955)
RDK IV, 41–50
I. Name und Wesen der D.
Unter der Bezeichnung D. (Διόσκουροι = Söhne des Zeus; ältester Beleg des Namens die Inschrift am hl. Fels der Stadt Thera, E. 8. Jh. v. Chr.) konkretisierten die Griechen eine wohl allen Indogermanen gemeinsame Vorstellung vom hilfreichen, siegverkündenden und entrückenden Wirken eines jugendlichen göttlichen Brüderpaars, dessen lakonische Individualnamen Kastor (κάδ = das Gänzende) und Polydeukes (etym. unerklärt) sich schließlich allgemein durchsetzten. „Das Natursubstrat ihres Wesens ist das Licht, und zwar nicht in seiner Ruhe, sondern in seinem Übergang vom und zum Dunkel“ [2]. Darauf deutet die Verbindung der D. mit Zeus, mit den Rollen und seit dem 4. Jh. v. Chr. der Pileus, ihre sternbekrönte Spitzmütze, hin.
II. Die griechischen D.-Sagen und das D.-Bild der röm. Spätantike
Für die abendländische Vorstellung von D. wurde von Bedeutung: 1. die literarische Ausgestaltung des D.-Glaubens durch griechische (meist peloponnesische) Sagen; 2. die römische Überlieferung des D.-Bildes in der hellenistischen Deutung als dialektische Darstellung des Kosmos und als Mythologisierung des Sternbilds der Zwillinge [11]; 3. D.-ähnliche Mythen keltischer oder germanischer Prägung (s. III.).
1. Als Söhne des Zeus sind die D. Heroen. Um die Dialektik des D.-Bildes zu wahren, macht die Sage aus Kastor, der als Wagenlenker gerühmt wird, den sterblichen Sohn der Leda und des Tyndareos (D. = „Tyndariden“) und aus Pollux (= lat. Form von Polydeukes), dem Faustkämpfer, einen unsterblichen Zeussohn. Aus dem Ei der Leda geboren, retten die D. ihre Schwester Helena aus den Händen des Perithoos, geraten wegen der Teilung der Rinderbeute mit den Aphariden in Streit, rauben die Töchter des Leukippos, Phoibe und Hilaira, machen den ehernen Helden Thalos unschädlich, sind unter den Argonauten und nehmen an der Kalydonischen Eberjagd teil (Nachweis der betr. Stellen antiker Autoren bei H. Hunger, Lexikon der griech. und röm. Mythologie, Wien 1953, S. 91–93). Die D. sind Schützer der Freundschaft und der Frauen, sie werden als Heilgötter angerufen. Den Schiffer retten sie aus dem Sturm, als siegverkündende Reiter erscheinen sie in der Schlacht [2; 3; 4; 10].
2. Die staatspolitische Bedeutung des D.-Kults bei den Römern, die bereits auf ihre ersten Denare (268 v. Chr.) das Bild der D. schlagen ließen [9; 10], gründet sich auf die Legende vom hilfreichen und siegverkündenden Erscheinen der D. in und nach der Schlacht am See Regillus (499 v. Chr.). Der D.-Tempel (E. Ruggiero, Il foro romano, Rom 1913, S. 164ff.) und das Heiligtum der Fonte Giuturna (Fr. Altheimer, Juturna und die D., in: Griechische Götter im alten Rom, Gießen 1930, S. 4–39) auf dem Forum monumentalisierten das Andenken an dieses Ereignis ebenso wie die „Transvectio Equitum“, die jährliche Musterung der römischen Ritter (Pauly-Wissowa VI A 2, 2178 – 87) und der Pileus libertatis (G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, München 19252, S. 139) der Freien und Priester („servos ad pilleum vocare“ im Sinne von freilassen bei Livius XXX, 45; E. Samter, Der Pileus der römischen Priester und Freigelassenen, Philologus 53, 1894, 515), während die Schwüre des Römers bei den D. („Edepol“ und „Mecastor“) sowie die zahlreichen D.-Darstellungen von der Volkstümlichkeit des Kultes zeugen [1]. Die Kaiserzeit sieht in den D. vor allem ein Symbol ewigen Ruhmes von Staat und Persönlichkeit.
So erscheint ihr Bild an Triumphbogen (Heinz Kähler in: Winckelmann-Progr. Berlin 1936, S. 1ff.) und auf Münzen („Aeternitas“ ist die Umschrift einer D.-Münze des Maxentius; [9]; A. M. Woodward, Sparta and Asia Minor under the Roman Empire, IV: Coin-types showing the Dioscuri or Symbols representing them, in: Studies presented to David M. Robinson II, St. Louis 1953, S. 876–79).
Im privaten Bereich ist die Bedeutung der D. als Sinnbilder von Werden und Vergehen die Ursache ihrer häufigen Darstellung auf Sarkophagen ([1] S. 156ff.; Fr. Cumont, Recherches sur le symbolisme funéraire des Romains, Paris 1942, S. 83), in der Regel zu seiten einer Familienszene [11] oder einer mythologischen Metapher (Tod des Meleager, Raub der Leukippiden), bisweilen inmitten einer Allegorie des Kosmos ([3] Abb. 2431, S. 252; vom selben Typus ist der spätantike Sarkophag des Grabmals Fiesco in S. Lorenzo fuori le mura in Rom, Leo Bruhns, Kg. der Stadt Rom, Wien 1951, Abb. 183).
Häufig werden die D. mit Morgen und Abend, mit den Laren, Penaten, auch den Dadophoren des Mithrasbildes identifiziert (Cumont a.a.O. S. 74). Neben den geläufigen Attributen (Roß, Lanze, Chlamys, Schwert und stets dem Pileus) werden ihnen auch Okeanos und Terra zugeordnet. In dem Maße, in dem die Mysterienkulte an Bedeutung gewinnen, wird die entrückende Wirkung der D. stärker betont, z. B. in den Stuckreliefs im Hauptraum der Basilica sotterranea bei Porta Maggiore in Rom (J. Carcopino, La basilique pythagoricienne de la Porte Majeure, Paris 1926), wo der Leukippidenraub typologisch der Entführung des Ganymed als Symbol des Ewigkeitsstrebens der Seele zugeordnet ist. Damit aber wurde der Übernahme von D.-Darstellungen in die christliche Bildwelt bereits vorgearbeitet.
III. Gallische und germanische D.
D.-ähnliche Mythen sind wohl allen Indogermanen der Frühzeit eigen gewesen ([4], Sp. 1111; [12]; H. Graßmann, Graeco – ägyptische Gottheiten, Vorträge d. Bibl. Warburg 1923/24, S. 189ff.; F. Myriantheus, Açvins oder arische Dioskuren, München 1876; Grobcov, Dakosarmatische religiöse Elemente in der Gedankenwelt des russischen Volkes, Trudy gossudarstvennojo istor. Mus. Razojad Arch., Moskau 1926, S. 7–36; D. Tudor, I cavalieri danubiani, Ephemeris Dacoromana 7, 1937, 189 bis 356 und 8, 1938, 445–49). Unter den Namen Divanno und Dinomogetimarus verehrt, verschmolz das keltische D.-Bild mit dem der römischen D., wie zahlreiche Darstellungen zeigen (älteste Nachricht davon aus 3. Jh. v. Chr.): so die gallorömische Stele aus La Horgue-au-Sablon b. Metz, oder das Goldhorn von Gallehus aus dem 5. Jh. [16, Abb. 20 u. 21]. Von den german. „Narhavalen“ (= Vandalen?) berichtet Tacitus (Germ. Kap. 43), sie verehrten unter dem Namen „Alcis“ ein jugendliches, den D. im Wesen verwandtes Brüderpaar; auf einem Bronzemesser aus Jütland im Nat.Mus. Kopenhagen, um 900 v. Chr., ist dies Brüderpaar in Orantenstellung, mit Strahlenkranz um die Häupter, dargestellt (W. Schultz, Altgerman. Kultur in Wort u. Bild, München 1934, Taf. 19). Auch die Interpretation der Edda und der bronzezeitlichen Felsbilder [15; 16] läßt erkennen, „wie von Haus aus erbeigentümlich der Zwillingsbrüdergedanke dem mystischen Denken Germaniens war“ (Naumann [15] S. 97). – D.-Darstellungen, vor allem im Dekumatenland und in den beiden germanischen Provinzen, zeigen dann die Verschmelzung mit dem römischen D.-Bilde, das oft durch die Mysterienkulte seinen besonderen Charakter erhalten hat, auch schon in Beziehung zu christlichen Vorstellungen (Bodenmosaik im Landesmus. Trier, 2. H. 5. Jh., mit einer Darstellung der Geburt der D., H. Eiden in Trierer Zs. 19, 1950, 52–71; zur ikonographischen Deutung René Louis, Notes iconographiques sur la mosaïque de la naissance des D. au Mus. de Trèves, Mémorial d’un voyage d’étude de la Soc. nat. des Antiquaires de France en Rhénanie, Paris 1953, S. 217–26). Als fremdländischer Import erwiesen sich die bisher festgestellten D.-Darstellungen in Britannien (Emil Krüger, Die drei in Britannien gefundenen D.-Denkmäler, Trierer Zs. 18, 1948, 248–53).
IV. D.-Darstellungen im MA
Den Versuchen, ein Fortleben des D.-Kultes in christlichen Legenden – insbesondere in der Kosmas und Damian-Legende – nachzuweisen [5; 6], ist von anderer Seite scharf widersprochen worden (Künstle II S. 5; Buchberger VI Sp. 219). Es gibt bei einigen christlichen Autoren Stellen, die auf die D. bezogen werden können [15]: so in der Vita s. Martini des Sulpicius Severus († um 420/25; Migne P. L. 20, 168, Kap. 14), in der Beschreibung der Taten Chlodwigs bei Gregor v. Tours (Hist. Franc. II, 37; M. G. SS. rer. Mer. I, 101) oder in der Vita s. Emmerami des B. Arbeo v. Freising († 783; M. G. SS. rer. Mer. IV, 494). Auch im Bilde der „beiden guten Hirten“ (Comte du Mesnil du Buisson im Bull. de la Soc. nat. des Antiqu. de France 1939/40, S. 190, und 1941, S. 237) mögen gewisse Nachklänge des D.-Kultes und wohl auch Darstellungstypen spürbar sein, wie sie z. B. auch in der Mariendarstellung zwischen Petrus und Paulus vermutet worden sind [11, S. 345f.]. Jedenfalls erklären heidnische Vorstellungen von Zwillingsgottheiten die christlichen Analogien nicht; sie förderten höchstens deren Verbreitung (L. Deubner, Kosmas und Damian, Leipzig 1907, bespr. von P. Maas in Byz. Zs. 17, 1908, 602ff.).
Neben dieser Auflösung des antiken D.-Bildes gibt es aber im christlichen Bereich in vor- und früh-ma. Zeit auch vereinzelte Beispiele echter Wiederholung des antiken Bildtypus und der ursprünglichen Bedeutung.
So auf christlichen Sarkophagen: neben einer Heiratsszene ([8] I, 2, Abb. 852; Ebd. Sp. 2628 weitere Beispiele) oder zu seiten einer Löwenjagd (merowing. Sarkophag in Toulouse: Fr. Cumont, Recherches etc., Paris 1942, S. 545); ferner auf Elfenbeintafeln (Triest, Mus. Civico, A. 6. Jh.: W. Fr. Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen MA, Mainz 19522, Nr. 82, Taf. 26; Darmstadt, Landesmus. Inv. Nr. 33/36, 9./10. Jh.) und auf alexandrinischen und byzantinischen Stoffen (z. B. Maastricht, Stoff aus d. Servatiusschrein, um 600, Abb. 1; hier stehen die D. auf einem säulenförmigen Altar, vielleicht in Erinnerung an den Leuchtturm von Pharos, der – nach Strabo 17,791 – den D. geweiht war; den Altar umgeben fliegende Genien und Opfertiere heranbringende Gläubige). In einem Kämpferrelief der Pfarrkirche zu Dackenheim Krs. Dürkheim (Abb. 2) wird der eindeutig heidnische Charakter der D. durch die Anbringung eines Bannkreuzes „entschärft“ [16], ebenso wie in einem illustrierten Aratos-Kommentar in Leiden, 9. Jh. (Cod. Leyd. Vossianus lat. 79; ähnlich Boulogne-sur-Mer, Bibl. municipale ms. 188, fol. 22 r., um 1000), wo die D. über dem sternbekrönten Pileus noch ein Kreuz tragen. Stark entstellt, doch durch den Zusammenhang, vor allem aber durch den Pileus erkennbar, erscheinen Züge des D.-Bildes in den Jahreszeiten-Figuren eines Fuldaer Blattes in Berlin (3. Dr. 10. Jh., ehem. Staatsbibl., Cod. theol. lat. fol. 192; A. Boeckler, Dt. Buchmalerei vorgot. Zeit, Königstein 1952, Abb. 22).
V. D. als Sternbild der Zwillinge
Die wichtigste Möglichkeit einer Bewahrung des Darstellungstyps und der alten Bedeutung der D. sind jedoch Sternbilder (E. Panofsky und Fr. Saxl, Classical Mythology in Mediaeval Art, Metropolitan Museum Studies 4, 1932/33, 228ff.). Seit Eratosthenes ist die Gleichsetzung von Kastor und Pollux mit dem Sternbild der Zwillinge üblich, begründet durch die Tatsache, daß die beiden Sterne der 3. Tierkreiskonstellation niemals zusammen erscheinen (Morgen- und Abendstern), was den Hinweis auf das mythische Schicksal der D. ermöglicht („eosdem poetae alternis vivere alternis mori narrant“ schon bei Lactantius, De falsa religione, Kap. 10; Migne, P.L. 6, Sp. 162; auch Boccaccio bezieht sich im Buch 11 der Genealogia deorum gentilium auf diese Deutung). Neben dem Typus der stehenden nackten D. findet sich bereits im frühen MA ihre Darstellung als ein sich umschlungen haltendes Kinderpaar, so auf dem Sternenmantel Heinrichs II. im Bamberger Domschatz (E. Bassermann-Jordan Taf. 2; s. a. Tierkreiszeichen).
Diese Darstellung bleibt bis ins späte MA und in die Neuzeit die gewöhnliche (Dürers Holzschnitt der nördl. Hemisphäre des Himmels, 1515, B. 151; Jonas Silber, Sternkarte als Schalenbild, ehem. Schloßmus. Berlin, 1589: Rosenberg III3 Taf. 90 bis 92), auch auf den Darstellungen der Planetenkinder, wo sie den Merkur begleiten (Hausbuchmeister, Panofsky-Saxl a.a.O. S. 254 Abb. 30; Georg Pencz; Barthel Beham) sowie in einigen Monumentalbildern des Quattrocento (Gewölbefresko der Sagrestia Vecchia bei S. Lorenzo in Florenz, um 1440, Panofsky-Saxl a.a.O. S. 236 Abb. 9; Pal. Schifanoia in Ferrara, um 1470). – Über die Vermutung, Dantes Prophetie eines kommenden Führers und Retters der Welt sei unter dem Bilde der D. gesehen vgl. Leo Olschki, The Myth of Felt, Univ. of California Press 1949. – Die Deutung der D. als Sternbild und als Schützer auf See sowie die antike Sage vom Elmsfeuer als himmlisches Zeichen der D. findet ihren Niederschlag auch in der manieristischen Emblematik: zwei Sterne oder Flammen am Schiffsmast bedeuten die Gegenwart der glückbringenden D. (Frances A. Yates, The Emblematic Conceit usw., Warburg Journal 6, 1943, 109f.).
VI. D.-Darstellungen in der Neuzeit
Findet man im MA die D. nur ausnahmsweise in den Illustrationen antiker Sagenstoffe (Wandbilder um 1380 im Pal. Chiaramonte in Palermo, Darstellungen des Trojanischen Krieges; Ezio Levi und E. Gabriel, Lo Steri di Palermo e le sue pitture, 1932), so treten sie seit der Renaissance häufiger auf: im Gefolge der Argonauten (italien. Cassonebilder in Padua, Mus. Civ. Nr. 324; Verona, Mus. Civ. Nr. 1135; Paris, Mus. des Arts décor.; P. Schubring, Cassoni, Leipzig 19232, Taf. 136, 145, 83), auf Darstellungen des Raubes der Leukippiden (nach Giulio Romano in Karlsruhe, Kunsthalle, Kat. 1929 Nr. 436; Rubens, um 1615/17, München, A. Pin., Kat. 1936 Nr. 321, R. Oldenbourg, Kl. d. K.4 S. 131), als Kinder der Leda (Leonardo, alte Kopie in Rom, Gal. Borghese, W. Suida, Leonardo u. s. Kreis, München 1929, Abb. 168; Franc. Libertini gen. Bacchiacca, Berlin, ehem. Slg. Schweitzer, Ebd. Abb. 167; Franciabigio, Brüssel, Ebd. Abb. 166; Stiche des ital. Monogrammisten I B mit dem Vogel, B. 3; Abb. 3) oder in selteneren Szenen (die D. führen ihre Schwester Helena zu Menelaus, Gemälde von Henri Aug. César Serrur, 1820, im Musée de Lille, Kat. 1893 Nr. 721).
Von weitaus größerer Bedeutung als diese aus der literarischen Überlieferung geschöpften Darstellungen war für die neuere Kunst jedoch die ununterbrochene Auseinandersetzung mit jederzeit sichtbaren Bildwerken der D., vor allem mit den kolossalen Statuen der Rosse haltenden D. in Rom (Kopien der hadrianischen Zeit nach griechischen Originalen der 2.H. 5. Jh. v. Chr., 1587 vor dem Quirinal aufgestellt). Während die Graphia aureae urbis Roma etwa 1030–1155 (P. E. Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio II [= Stud. der Bibl. Warburg 17], Leipzig 1929, S. 88f.) die beiden Jünglinge als Philosophen und ihre Nacktheit als Zeichen alles durchdringender Klarheit und Weisheit deuten, beschäftigt sich die neuere Kunst stets mit dem Formgehalt dieser Gruppen: Pisanello (Zeichnung, Ambrosiana, Mailand) über Donatello (Fries an der Kanzel in S. Lorenzo, Florenz), Mantegna (Triumphzug Caesars, Teil 9), Raffael (Urteil Salomons, Stanza della Segnatura, Rom), Michelangelo (David, Florenz), G. Romano (Zeichnung, Albertina, Wien), Peter Vischer d. J. (Zeichnung, Erlangen, U. B.; Abb. 4), Nic. Poussin (Zeichnung, Chantilly) bis zu Hans von Marées (Pferdeführer und Nymphe, Entwürfe und Gemälde in München; J. Meier-Gräfe II S. 440–44). (S. hierzu auch: H. Ladendorf, Antikenstudium und Antikenkopie, Berlin 1953, S. 44 u. Taf. 34).
Seit dem 15. Jh. verbindet sich das künstlerische Interesse oft mit dem archäologischen; die Kolosse erscheinen nicht nur in der Topographie, sondern auch in römischen Stadtbildern mit mythologischer Staffage (z. B. in einer Gruppe von Gemälden von Antoine Caron, Warburg Journal 8, 1945, Taf. 49). In der Barockzeit treten zu den künstlerischen noch allegorisierende Absichten, z. B. wenn die D. im Rahmen von Trionfi auftreten (schon beim Einzug Leos X. in Florenz, 1515, J. Burckhardt, Gesch. d. Renss. in Italien, Eßlingen 19247, S. 372; Einzug Karls IX. in Paris, 1572, J. Seznec, La survivance des dieux antiques, London 1940, S. 277; Einzug Ferdinands v. Österreich in Antwerpen, 1635, Gervatius, Pompa Introitus Ferdinandi Austriaci etc., Antwerpen 1635). – Nach römischen Münzbildern rekonstruierten Vicenzo Cartari (Imagini degli Dei delli Antichi, Venedig 1571; Ausg. Padua 1615, S. 170) und Jan van Vianen (Antiquitates Romanorum explicatae, Antwerpen 1726; Eug. Droulers, Dict. des attributs etc., Turnhout [1950], Taf. 9) ihr D.-Bild, ohne aber dabei den mythischen Kern der antiken D.-Vorstellung zu erreichen.
Eine säkularisierte Nachblüte erlebte die D.-Darstellung dann in Gestalt der spätbarocken Paraphrasen der sog. Rossebändiger nach dem Vorbild der römischen Kolosse auf dem Quirinal: Mich. Bernh. Mändl, 1695, vor der Hofstallschwemme in Salzburg; Matth. Braun in Leitomischl; Joh. Seitz vor dem Marstall in Ehrenbreitstein, 1763; Kassel-Auegarten; Potsdam, Marstall des Stadtschlosses.
In Gestalt einer spätbarocken Allusion auf die Besteller („Die brüderliche Liebe unter der Fabel des Kastor und Pollux vorgestellt“) erschienen die D. auf einem (verlorengegangenen) Fresko des Pfeffelschen Hauses in Augsburg, gemalt von Joh. Ev. Holzer, wie eine Stichreproduktion des J. E. Nilson (M. Schuster, Joh. E. Nilson. Ein Kupferstecher des süddt. Rokoko, Augsburg 1936, Oeuvre-Kat. Nr. 20) und zwei Ölkopien in den Städt. K. Slgn. in Augsburg (Abb. 5) und im Ferdinandeum in Innsbruck beweisen. Der gemalte Sternbilder-Zyklus des J. A. Weißenkirchner im Festsaal des Schlosses Eggenberg bei Graz (1684/85) stellt bei den Zwillingen ausnahmsweise die Klage des Pollux um den von Idas getöteten Kastor dar, in offenbarer Parallele zu der biblischen Szene von Kain (Wilh. Suida, Österr. Kunstschätze, Wien 1914, Taf. 41 u. 64).
Im deutschen Klassizismus sind es – abgesehen von der meisterhaften Erneuerung des D.-Mythus in der Argonautenfolge nach Zeichnungen von Jakob Asmus Carstens 1797 (Les Argonautes selon Pindare, Orphée et Apollonius de Rhodos ... inv. et dess. par A. J. Carstens et grav. par Jos. Koch, Rom 1799) – hauptsächlich Kopien nach antiken D.-Bildwerken (Weimar, Brunnen der alten Wache; Glienicke, Gartenhof des Schlosses; Berlin, Altes Mus., Eisengußgruppen von Chr. Fr. Tieck auf dem Dach, 1828: K. Fr. Schinkel, hrsg. v. d. Akad. d. Bauwesens, Berlin I. Teil, Berlin 1941, S. 54 Abb. 23), welche die literarischen Bestrebungen zur Erneuerung des antiken Götterbildes der D. in der bildenden Kunst begleiten.
Zu den Abbildungen
1. Maastricht (Holland), St. Servatius, Kirchenschatz. Alexandrinisches Seidengewebe, um 600 (Nachzeichnung von Paul Schulze im V.A.M. London). Nach O. M. Dalton, Byzantine Art and Archaeology, Oxford 1911, Abb. 377.
2. Dackenheim (Pfalz), Dorfkirche. Kämpferfries am nördl. Chorbogenpfeiler. Um 1220. Fot. Städt. Kulturinstitute Worms (Curt Füller).
3. Monogrammist I B mit dem Vogel (Italien 1. Dr. 16. Jh.), Leda mit ihren Kindern. Kupferstich (Kopie), 15,8 × 12,1 cm. Anf. 16. Jh. Fot. St. Graph. Slg. München.
4. Peter Vischer d. J., Rossebändiger. Rotstiftzchg. auf Papier, 19,7 × 29,5 cm. Erlangen, U.B. Nr. 220. Vor 1528. Nach E. Bock, Taf. 91.
5. Alte Kopie nach dem (zerst.) Fresko von Joh. Ev. Holzer am Pfeffelschen Haus in Augsburg. Ölbild. Augsburg, Städt. K. Slgn. Original um 1736. Fot. Carl Lamb, München.
Literatur
1. M. Albert, Le culte de Castor et Pollux en Italie, Paris 1883. – 2. Roscher I, 1, 1154–77 (A. Furtwängler). – 3. Daremberg-Saglio, Dict des antiquités grecques et romaines II, 1, Paris 1892, 249–65 (M. Albert). – 4. Pauly-Wissowa V 1087–1123 (E. Bethe). – 5. J. Rendel-Harris, The Dioscuri in the Christian Legends, London 1903 (dazu Rez.: Analekta Boll. 23, 1904, 427ff.). – 6. Karl Jaisle, Die Dioskuren als Retter zur See bei Griechen und Römern und ihr Fortleben in christlichen Legenden, Tübingen 1907. – 7. Sal. Reinach, Essai sur la mythologie figurée et l’histoire profane dans la peinture italienne de la renaissance, Revue d’archéol. 1911, 94ff. – 8. Cabrol-Leclercq IV, 1, 1044f. (H. Leclercq). – 9. S. L. Cesano, I Dioscuri sulle monete antiche, Bull. della Comm. Archeol. Com. 4, 1927. – 10. Enciclop. Italiana 12, Mailand 1931, 949–52, (G. Bendinelli). – 11. Fernand Chapouthier, Les Dioscures au service d’une déesse, Paris 1935. – 12. Emil Krüger, Die gallischen und germanischen Dioskuren, Trierer Zs. 15, 1940, 8ff.; 16, 1941, 1ff. – 13. Ders. in: Forschungen und Fortschritte 20, 1944, 73–75. – 14. Fernand Benoit, (Fouilles du Vieux-Port à Marseille), Bull. de la Soc. nat. des Antiquaires de France 1945–47, 245–51. – 15. Hans Naumann, Neue Beiträge zum altgermanischen Dioskurenglauben, Bonner Jbb. 150, 1950. 91–101. – 16. Georg Troescher, Keltisch-germanische Götterbilder an romanischen Kirchen?, Zs. f. Kg. 16, 1953, 18–24. – 17. Karl Schefold, Helena im Schutz der Isis, in: Studies presented to David M. Robinson II, St. Louis 1953, S. 1099–1101.
Verweise
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