Diadem
englisch: Diadem; französisch: Diadème; italienisch: Diadema.
Margarete Braun-Ronsdorf (1954)
RDK III, 1373–1377
D. ist ein mehr oder minder mit Edelsteinen oder Perlen verzierter, vorn über der Stirn ansteigender Bügel aus Edelmetall, der wie die Krone getragen wird. Im Unterschied zu ihr hat das D. keinen geschlossenen Reifen, sondern ist hinten offen.
Das griechische Wort διάδημα bezeichnete zunächst die einfache, von Frauen und jungen Männern getragene Stirnbinde aus Stoff oder Metall, dann aber vor allem ein Abzeichen herrscherlicher Würde von gleicher Art, wie es namentlich im Orient im Gebrauch war. Bis ins hohe MA wurden die Namen diadema und corona synonym gebraucht, so daß die Quellen, soweit sie D. nennen, nicht notwendig auf die oben beschriebene Form, mit der wir es hier allein zu tun haben, bezogen werden müssen. Über das D. als spätantikes, byzantinisches und m.a. Insignum s. demnach Krone (vgl. auch Jos. Deér, Art. „Diadem“ im RAC [in Vorbereitung], sowie [2] und Ed. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Würzburg 1942).
In der m.a. Kunst wird das D. immer als Hoheitssymbol gebraucht; so für die Engel im Bereich der byzantinischen Kunst, in Anlehnung an die Antike, noch als weiße Binde im Haar (Ravenna, Mosaiken). Im späteren MA tritt das D. nur vereinzelt bei den Engeln auf: z. B. Engel der thronenden Muttergottes aus Glatz, um 1350, in Berlin; musizierende Engel des Genter Altars und Verkündigungsengel des Jan van Eyck in Washington, Nat.Gall. (L. Baldass, 1952, Taf. 74 und 114); fast immer ist es sonst die Krone, abgesehen von Flügeln u. a. Attributen, die den Engel kennzeichnet. Einige Male werden die gottgeweihten Jungfrauen der frühchristlichen Kunst (S. Apollinare nuovo, Ravenna) mit dem D. dargestellt, die Heiligen ebenfalls selten (Duccio, hl. Agnes, Domopera Siena; [2] Taf. 177). Jedoch bezeichnen die Inventare auch den Nimbus zuweilen als D. („Un Ymage de S. Pierre, portant sur sa teste son tiare à 3 couronnes . . et derrière sa teste a son dyadème“, Inv. des Ludwig von Anjou z. J. 1360, Gay 1 548).
Die Frührenaissance verwendet das D. oft als Kennzeichen für die Sibyllen; z. B. Andrea del Castagno in den Fresken von Sta. Apollonia in Florenz, 1445–50 (Abb. 1); Konr. Witz im Heilsspiegelaltar in Basel. Es sind kostbare Goldschmiedearbeiten dargestellt.
Die ital. Hochrenaissance wie auch die Barockzeit, vor allem in Frankreich, kennzeichnen mit dem D. oft die antiken Göttinnen (z. B. Tizian, Erziehung des Amor, Rom, Gall. Borghese, oder Venus mit dem Spiegel, Washington, Slg. Mellon; Veronese, Jugend und Alter, Venedig, Dogenpalast, Sala del Consiglio; Lorenzo Lotto, Triumph der Sittenreinheit, Rom, Slg. Principe Pallavicini). Seit der Hochrenaissance verliert das D. seine Bedeutung als symbolhaftes Hoheitszeichen nahezu ganz und wird vielfach als reich verzierter Schmuck des Haares getragen (Tizian, Mädchen mit Fruchtschale). Die nicht in Goldschmiedearbeiten hergestellten, sondern nur noch aus Perlen bestehenden, in der Mitte betonten Schmuckstücke sind allerdings keine eigentlichen D., sondern dem Haarschmuck zuzurechnen.
In der Kostümgeschichte spielt das D. auch eine Rolle als Haubenform. In der Limburger Chronik wird diese Form 1344 erstmalig erwähnt: „Die hohen Hauben der Frauen sind als man die Heiligen malt mit den Diadement“ (A. Wyss, Die Limburger Chronik, Hannover 1883, S. 84). Die D.-Haube wurde bis gegen E. 14. Jh. in Deutschland getragen, selten in Frankreich und den Niederlanden, gar nicht in Italien [3, S. 13]. In Holland kommt die D.-Haube in der 1. H. 17. Jh. häufiger vor [1].
Erst im Klassizismus erhielt bei seiner Vorliebe für antike Formen auch das D. neue Bedeutung. Die französischen Juweliere waren um 1800 führend in der Anfertigung prunkvollen Schmucks. Zu dieser Zeit gewinnt das D. mehr und mehr Verbreitung als modisches Schmuckstück für festlichen Haarputz. Eine große Anzahl wertvoller D. sind erhalten (Abb. 3).
Das 1796 für die Vermählung von Josephine Beauharnais mit Napoleon angefertigte D. von Nitot [2, Abb. S. 722] gibt mit der Vorliebe für antike Kameen den Geschmack der Zeit wieder. Auf dem Krönungsbild von J.-L. David trägt die Kaiserin allerdings einen leichteren Schmuck aus Edelsteinen und Brillanten (Abb. 2).
Zu den Abbildungen
1. Andrea del Castagno, Cumäische Sibylle. Florenz, S. Apollonia, Refektorium. Fresko (heute auf Leinwand), um 1450. Phot. Ausst. „Quattro maestri del primo Rinascimento“ Florenz, Pal. Strozzi, 1954.
2. Jacques-Louis David, Kaiserkrönung Napoleons I. („Le Sacre“), Ausschnitt: Kopf der Kaiserin Josephine. Öl auf Leinwand, 1805–07. Paris, Louvre. Nach André Maurois, J.-L. David, Paris o. J., Taf. nach S. 31.
3. München, Schatzkammer der Residenz (Kat. 1931 Nr. 495). Perlendiadem mit Brillanten, aus dem Nachlaß König Ottos I. von Griechenland. Deutsch um 1830. Phot. Bayer. Schlösserverw., München.
Literatur
1. Fr. V. Thienen, Das Kostüm der Blütezeit Hollands, Berlin 1930. – 2. Ant. Santangelo, Art. „Diadema“ in Encicl. Ital. XII, 1931, S. 721–23. – 3. Marg. Ronsdorf, Frauenkleidung der Spätgotik, Opladen 1933. – 4. Joan Evans, A History of Jewellery, London 1953, S. 185–91.
Empfohlene Zitierweise: Braun-Ronsdorf, Margarete , Diadem, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1954), Sp. 1373–1377; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=92994> [14.09.2024]
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