Daphne

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englisch: Daphne; französisch: Daphné; italienisch: Dafne.


Leopold Ettlinger (1954)

RDK III, 1052–1057


RDK III, 1053, Abb. 1. Werkstatt Albrecht Dürers, 1502.
RDK III, 1055, Abb. 2. Wenzel Jamnitzer, um 1570, Paris.
RDK III, 1055, Abb. 3. Matth. Rauchmiller, um 1680, Wien

I. Die Sage

D., eine Nymphe, die Tochter des Flußgottes Peneus (oder Ladon), wird von Apollo geliebt, vor dem sie flieht. Apollo verfolgt sie, und auf ihr Flehen wird sie in einen Lorbeerbaum (δάφνη = Lorbeer) verwandelt (Varianten s. [1; 2]). Die von Ovid in den Metamorphosen (I, 452ff.) ausführlich erzählte Geschichte war schon im Altertum ein beliebter Bildstoff [3] und hat besonders im späten MA und seit der Renaissance oft zur bildlichen Darstellung angeregt. W. Stechow hat den nachantiken D. Darstellungen eine ausführliche Untersuchung gewidmet [4].

II. Bildtypen

a) Wir können eine Reihe von Typen klar unterscheiden. Ein bis in die klassische Antike zurückverfolgbarer Typus zeigt D. in rein menschlicher Gestalt (Pompejanisches Wandgemälde, [3] Abb. 1). Meist benutzen diese Darstellungen ein einfaches Verfolgungsmotiv (Jan Steen, Zs. f. bild. K. 61, 1927/28, 338; F. Sustris, Zeichnung in der Albertina, Kat. O. Benesch, Nr. 143) oder sie können als Frauenraub klassifiziert werden (vgl. A. Warburg, Ges. Schriften Bd. I, S. 33f.).

b) Ein zweiter Typus zeigt D. im Zustand der Verwandlung. Obgleich ihr Körper noch menschliche Formen hat, sind Arme oder Beine bereits in Zweige oder Wurzeln verwandelt. Auch dieses Motiv kommt schon in der Antike vor und wird späterhin das häufigste; wir finden es in Illustrationen zum Ovid-Kommentar des Berçuire (Gotha, cod. membr. I, 98, fol. 9 v.; oberitalienisch, frühes 15. Jh.), auf Antonio Pollajuolos kleinem Gemälde (London, National Gallery), und auf dem Umwege über eine Miniatur des Liberale da Verona (oder eine verwandte Vorlage) ist diese Form auch in die deutsche Kunst eingedrungen. Die Dürer-Werkstatt benutzte sie zur Illustrierung von Konrad Celtes’ „Quatuor libri amorum“, Nürnberg 1502 (Abb. 1). In barocker Dramatisierung erscheint das Motiv bei Rubens (Gemälde in Stockholm; W. Panneels, Stich nach Rubens; Gemälde der Rubenswerkstatt, Prado) oder auf einer Radierung Joh. Wilh. Baurs von 1639. Die Verfolgungsszene, die auf diese Weise mit der Verwandlungsszene vereinigt ist, bildet das beliebteste Motiv der Ovid-Illustratoren (vgl. M. D. Henkel, Illustrierte Ausgaben von Ovids Metamorphosen, Vorträge der Bibl. Warburg 1926 bis 27, Berlin 1930, S. 58). In der Plastik erscheint das Thema mit Berninis Marmorgruppe (Rom, Villa Borghese), die in einer Elfenbeingruppe M. Rauchmillers (Wien, Kh. Mus.; Abb. 3) nachklingt. Schlüters Gruppe auf dem Dache des Landhauses Kamecke (Berlin) betont das Verfolgungsmotiv durch die räumliche Trennung von Apollo und D. (Ernst Benkard, Schlüter, Frankfurt/M. 1925, Taf. 64f.). Innerhalb dieses Kreises bilden jene Darstellungen eine Sondergruppe, die D. zwar in menschlicher Gestalt zeigen, ihr aber Wurzeln statt der Füße geben (Agostino Veneziano, B. 317; B. Beham, B. 25; Behams Stich zeigt, daß in diesem Falle die Ikonographie des Sündenfalls die Darstellung beeinflußt haben mag). Zuweilen ist auch D. allein dargestellt worden. Eine etwa 67 cm hohe Figur Wenzel Jamnitzers (Paris, Musée Cluny; Abb. 2) kann als Tafelschmuck gedacht gewesen sein. Von dieser Figur hängt die wesentlich kleinere Abraham Jamnitzers ab (Dresden, Grünes Gewölbe, M. Rosenberg, Jamnitzer, Frankfurt/M. 1920, Taf. 58). Schließlich gehört in diesen Kreis auch die Einzelfigur der D. von René Sintenis (Berlin, Nat. Gal.; C. G. Heise, Daphne, Kunst und Künstler 29, 1930/31, 72f.).

Eine Erweiterung der üblichen Ikonographie dieses Haupttypus bilden alle jene Darstellungen, die der bewegten Gruppe von Apollo und D. die ruhende Figur des Flußgottes Peneus hinzufügen. Dieser Gegensatz von Ruhe und Bewegung wurde zuerst vom Manierismus ausgewertet (Caraglio nach Pierino del Vaga, B. 18). Der Barock benutzt das Motiv zur weiteren Dramatisierung und gibt zuweilen ganze Flußgötterversammlungen als Zuschauer (J. F. Detroy, Gemälde in Sanssouci).

c) Beim dritten Typus der D. ist nicht die menschliche Figur, die sich vor unseren Augen in einen Baum verwandelt, das eigentliche Motiv, sondern der Baum, aus dem ein Mädchenkopf hervorschaut, oder der Baum, der in merkwürdiger Weise in einem Kopf endet. Dies Motiv mag orientalischen Ursprungs sein und stellt vielleicht eine Vermischung der Repräsentation von Baumgottheiten mit D. dar. Jedenfalls kennen wir den Typus schon aus Ägypten (Ed. v. Bissing, Münchener Jb. N. F. 1, 1924, S. 212, 214). In der Antike ist er selten, begegnet dann aber charakteristischerweise in der Spätantike in koptischer Kunst (Georges Duthuit, Sculpture copte, Paris 1931, Taf. 22). Wir finden dies Motiv dann wieder auf der frühsten bekanntgewordenen D.-Miniatur (Ovide moralisé, Paris, Bibl. de l’Arsenal, Ms. 5069, fol. 4 r), und es bleibt während des 15. Jh. ziemlich häufig.

Zuweilen wird auch eine „Umkehrung“ vorgenommen: ein Menschenleib hat statt des Oberkörpers eine Baumkrone (Epître d’Othéa der Christine de Pisan, London, Br. M., Ms. Harley 4431, fol. 134 v; französischer Holzschnitt vom E. 15. Jh. in „Les cent histoires de Troye“, Paris).

III. Allegorie

Antike und Renaissance haben die D.-Erzählung einfach illustriert. Das späte Mittelalter hat den Stoff allegorisiert und moralisiert.

D. zeigt uns die Keuschheit als Opfer der Liebe (Jean Seznec, La survivance des dieux antiques, London 1940, S. 237, Anm. 4), und noch Paride Ceresara schlug das D.-Thema aus diesem Grunde Perugino zur Darstellung in Isabella d’Estes Studiolo vor (Julia Cartwright, Isabella d’Este, London 19043, Bd. I, S. 332).

Zu den Abbildungen

1. Werkstatt Albrecht Dürers, Holzschnittillustration aus Conrad Celtes, Quatuor libri amorum, Nürnberg 1502. Phot. Warburg Institute, London.

2. Wenzel Jamnitzer, Daphne. Tafelaufsatz: silberne, teilvergoldete Figur mit Korallen. Nürnberg, um 1570. Paris, Mus. Cluny (ehem. Slg. Rothschild). Phot. Edition des Musées nationaux, Paris.

3. Matthias Rauchmiller (1645–86) zugeschrieben, Apollo und Daphne. Elfenbein. Um 1680. Wien, Kh. Mus., Slg. f. Plastik u. K.gewerbe. Phot. Mus.

Literatur

1. Roscher I, 954f. – 2. Pauly-Wissowa IV, 2138–40 (Waser).3. V. Müller, Die Typen der Daphnedarstellungen, Röm. Mitt. 44, 1929, 59ff. – 4. Wolfg. Stechow, Apollo und Daphne (= Studien der Bibl. Warburg 23), Leipzig-Berlin 1932 (mit reichem Bildmaterial); Rez. Alfr. Neumeyer, Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 27, 1933, 301–03. – 5. Heinz Ladendorf, Antikenstudium und Antikenkopie, Berlin 1953, S. 44–47, 108, Taf. 35.

Verweise