Damastgrund
englisch: Damask pattern; französisch: Fond damassé; italienisch: Fondo damascato.
Gunther Thiem (1953)
RDK III, 1004–1007
D. (damaszierter Grund) nennt man in der Glasmalerei, aber auch in der Buch- und Tafelmalerei eine den Damaststoffen ähnliche, gleichmäßig verlaufende Musterung des Bildgrundes. Sie wird mittels Schablone aufgetragen oder aus dem getönten Grunde herausradiert.
Der eigentliche D., der im Ornament den orientalischen und europäischen Damastmustern und Seidenbrokaten entspricht, ist in der deutschen Malerei erst seit dem ausgehenden 15. Jh., wohl durch Anregungen aus Burgund, üblich. Seine Vorläufer sind die Ranken- und Blätter-D. des 12. bis 14. Jh. in verschiedenen, der Stilentwicklung folgenden Formen. In der Goldschmiedekunst findet sich auf Buchdeckeln und Schreinen Nächstverwandtes.
Schon Theophilus spricht in Buch II Kap. 21 der Schedula diversarum artium (um 1100) von D. (ornatus): „De ornatu picturae in vitro. Sit etiam quidem ornatus in vitro, videlicet in vestibus, in sedibus, et in campis, in saphiro, in viridi et albo, purpureoque colore claro.“ Man solle einen Grund mit Schwarzlot dünn bemalen und die Ornamente mit dem Pinselstiel ausradieren oder hineinmalen, wie man es in den Feldern der Initialen tue: „In reliquo autem fac circulos et ramos, et in eis flores ac folia eodem modo, quo fiunt in litteris pictis, sed campos, qui coloribus implentur in litteris, debes in vitro subtilissimis ramusculis pingere“ (W. Theobald, Technik des Kunsthandwerks im 10. Jh., Berlin 1933, S. 40 und 243). Der D. geht also in seiner ältesten Form zumindest ins 11. Jh. zurück. Früheste erhaltene Beispiele der im 12. Jh. vorherrschenden Kreis- und Spiralranke mit stilisiertem Blattwerk sind die Scheiben des Gerlachus von 1170–80 im Städel-Mus. Frankfurt a. M. und in Berlin (Abb. 1; [1] S. 20; hierzu: Eva Kraft rez. H. Wentzel, Kunstchronik 5, 1952, 277). Spätere Beispiele finden sich in Goslar, A. 13. Jh.; Erfurt, 1230; Marburg, um 1240 [1, Abb. 61, 66, 36] (zu den spätromanischen Rankengründen s. ferner H. Wentzel in „Phoebus“ Bd. 2, Basel 1949, 91f. und im Wallr.-Rich.-Jb. 14, 1952, 66).
Um Mitte 13. Jh. entsteht die naturalistische Eichblatt-, Efeu- und Weinranke. Erst begleitet sie den geometrisch gemusterten Laufteppich der Medaillonfenster, später tritt sie als selbständiges, den Bildgrund belebendes Motiv auf. Als Beispiel für die ersteren genügt Hinweis auf die Naumburger Heiligenfenster, um 1250 [1, Abb. 79–81], für letztere auf eine Grisaillescheibe in Köln, um 1320 (Ausst. Kat. „Meisterwerke alter dt. Glasmalerei“, München B.N.M. 1947, Taf. 7). Diese Entwicklung zeichnet sich auch in den zwischen 1290 und 1320 entstandenen Eßlinger Glasgemälden ab [1, Abb. 100–09]. Für diese Stufe mit einem Rankenornament von pflanzenhaftem Charakter in freier Entfaltung trifft die Bezeichnung D. nur bedingt zu. Hingegen haben die dichten Blattgründe der 2. H. 14. Jh. den unendlichen Rapport der Damastmuster und werden deshalb auch Blätterdamaste genannt. So z. B. die Muttergottes im Goethe-Nat.Mus. Weimar, 2. H. 14. Jh. [1, Abb. 174] und die Glasfenster von Maria am Gestade in Wien, 1392–95 (F. Kieslinger, Glasmalerei in Österreich, Wien 1947, Abb. 24ff.).
Im 15. Jh. setzt sich die Federranke durch, als dichtes Federwerk auch Federgrund (Fiedergrund) genannt. Frühe Beispiele: Erfurter Domchorfenster, nach 1423 [1, Abb. 182–84]; Außenseiten der Flügel des Tiefenbronner Altars von Lukas Moser, 1431. Außerdem tragen die Rückwände der Altarschreine häufig mit Modeln eingepreßte D., während die auf den Goldgründen der Tafeln angebrachten D. meist mit der Punze eingedrückt sind.
Der gefiederte D. hält sich bis ins 16. Jh. neben dem seit 2. H. 15. Jh. vorherrschenden eigentlichen D., der entweder als Stoffbahn hinter den Figuren aufgehängt ist (z. B. auf den Gemälden des Bartholomäusmeisters) oder mit seinen Mustern den Hintergrund gleichmäßig füllt. In der altdeutschen und altniederländischen Malerei ist die Hinterlegung der Bilder mit D. weit verbreitet. Das häufigste Muster ist – wie in der Textilkunst selbst – der Granatapfel in durchschnittener, stilisierter Form und spitzovalem Rahmen.
In der Glasmalerei hat dies Hauptmotiv der burgundischen Prachtstoffe des 14. und 15. Jh. kein Künstler so vielfältig abgewandelt und durch Ranken und Rosetten bereichert wie Peter Hemmel von Andlau und seine bedeutende Straßburger Werkstatt [1, Abb. 212f.]. In seiner Nachfolge stehen die Scheiben des Meisters W. B. (z. B. aus Neckarsteinach im Darmstädter Landes-Mus. [1, Abb. 227] und in Hanau, um 1500 [1, Abb. 242]), sowie die Scheiben der Freiburger Ropsteinwerkstatt ([2]; [1, Abb. 240f.]), die den dortigen Münsterchor 1511–13 mit Glasfenstern ausstattete. Ihre D. beschränken sich auf wenige typische Muster von großer Dichte, Kleinteiligkeit und Schärfe, während die D. der Straßburger Scheiben sich durch Reichtum und Wechsel des großformigen, locker gestreuten Ornaments auszeichnen. Diese Art des D. hat eine letzte Blüte bei der Verglasung der Metzer Kathedrale durch Valentin Busch (1520–21) erlebt, der seine aufwändigen Renaissancearchitekturen mit Seidenbrokatbehängen hinterlegte [1, Abb. 243f.].
Häufig trifft man D. als Hintergründe auf Wappenscheiben an, bei welchen dann zwischen der großen textilen Musterung des D. und der Damaszierung des Wappenschildes unterschieden wird (Abb. 2).
Zu den Abbildungen
1. Meister Gerlach (Mittelrhein, um 1170–80), Kreuzigung Christi. Glasmalerei. 56 × 33 cm. Ehem. Berlin, Schloßmuseum Inv. Nr. 1887–1107 (1945 zerstört). Ausschnitt. Phot. Mus.
2. Meister von Meßkirch, Wappenscheibe des Klosters St. Georgen in Isny, aus Heiligkreuztal. 1532. 81 × 46 cm. Stuttgart, Württ. Landes-Mus. Nach Leo Balet, Schwäbische Glasmalerei (= Kat. der Kgl. Altertümer-Slg. in Stuttgart Bd, II), Stuttgart u. Leipzig 1912, Nr. 57 Taf. VI.
Literatur
1. Hans Wentzel, Meisterwerke der Glasmalerei, Berlin 1951. – 2. Claus Hermans, Die Glasgemälde des Freiburger Münsters im Hochchor und ihr Meister Hans von Ropstein, Diss. Freiburg Br. 1953 (masch.) – 3. Renate Jaques, Dt. Textilkunst in ihrer Entwicklung b. z. Gegenwart, Krefeld 19532. – 4. Dies., Textildruck am Rhein, Kevelaer (1950), S. 65–70: Das Granatapfelmuster.
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