Cyrus

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englisch: Cyrus; französisch: Cyrus; italienisch: Ciro.


Edmund W. Braun (1953)

RDK III, 899–912


RDK III, 901, Abb. 1. Erlangen, Gumpertusbibel, vor 1195.
RDK III, 903, Abb. 2. Br. Anton Pelchinger, 1459, München.
RDK III, 903, Abb. 3. Erhard Schön, 1531.
RDK III, 905, Abb. 4. Hans Kels, 1537, Wien.
RDK III, 905, Abb. 5. Hans Kels, 1537, Wien.
RDK III, 909, Abb. 6. Adriaen Collaert nach Märten de Vos, E. 16. Jh.

I. Der geschichtliche C.

Cyrus I., der Große, 558–529 König von Persien, der Begründer des persischen Weltreiches, als a.t. Kores der Befreier des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, ist für die abendländische Kunstgeschichte vor allem durch die von Herodot (I 107ff.), Ktesias und in Xenophons romanhafter Cyropädie überlieferte Jugendgeschichte sowie durch die mythischen Berichte von seinem Tod von Bedeutung geworden.

Über den geschichtlichen C. der 550 den letzten Mederkönig Astyages entthronte, 547 den lydischen König Croesus vernichtend schlug, 539 die babylonische Hauptstadt einnahm und 529 im nordöstlichen Teil seines Riesenreiches gefallen ist, siehe [1].

Der jüngere C., Sohn Darius’ II. (ca. 430–401), kann hier außer Betracht bleiben (über ihn s. [1] Sp. 1166–77).

II. Kores im AT

Im AT tritt C. als Kores mehrfach auf. Nach der Einnahme Babylons durch Kores ging Jesajas Prophezeiung (Jes. 44, 28; 45, 1) in Erfüllung: den Juden wurde (538/37), nach 70jähriger Gefangenschaft, die Heimkehr nach Jerusalem unter Mitnahme ihrer Tempelgefäße erlaubt (2. Chr. 36, 22f.; Esra 1, 1ff.). Die Bibelillustration hat als Initial zum Buch Esra schon bald die Befreiung Israels bildlich dargestellt.

So stellt die Bibel des 12. Jh. aus dem Gumpertuskloster in Ansbach (Erlangen, U. B., Cod. 121, Fol. 288 v) die Juden mit ihren Tempelgefäßen vor C. dar (Abb. 1). Ebenso die um 1240 entstandene Bibel aus Heisterbach in Berlin (St. Bibl., Hs. theol. lat. fol. 379; H. Swarzenski, Die lat. ill. Hss. d. 13. Jh., Berlin 1936, Taf. 22 Abb. 109), die auf fol. 188 v als Bild zum Prolog Esra C. zeigt, wie er dem Judenfürsten Sesbazar die Tempelgefäße vorzählen läßt. Die gleiche Szene findet sich auch in der 2. H. 12. Jh. in der Hs. 741 in Wien, Nat.Bibl. (Beschr.Verz. N.F. II, Abb. S. 69), sowie in der Berry-Bibel in Manchester, Rylands Libr.Ms. 17 (H. Swarzenski a. a. O. S. 92 Anm. 10), und der Farfa-Bibel (G. Swarzenski, Salzb. Mal. S. 134). Auch die frühen gedruckten Bibeln haben die Befreiung dargestellt, wenn auch auf einfachste Weise: zu beiden Seiten eines Initial-I zum Buch Esra stehen links C., rechts in einem Torbogen Esra, im Hintergrunde als Stadtbilder das Meder- und Perserreich; so in der Bibel von Günter Zainer, Ulm 1477, Bl. 186 r, und, im Gegensinne, in der deutschen Bibel Johann Sensenschmidts, Nürnberg 1476–78 (Schramm, Frühdrucke II, Abb. 624; XVIII, Abb. 253).

Die Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft wird auch im typologischen Sinne verstanden, als Vorbild für die Sprengung der Höllenpforte durch Christus: in der Bilderbibel der Wiener Nat.Bibl., Ms. 1179, fol. 133 (Jb. Z. K. 5, 1861, S. 93), erscheint die Darstellung mit dem Begleittext: „Rex Cyrus, qui Judaeos destructos ad se truxit et alios destruxit, Christum significat, qui ad inferos descendit et diabolum destruxit et omnes prophetas et amicos a pessima Servitute liberavit“ (s. a. Höllenfahrt Christi).

C. ist weiterhin mehrfach im Buch Daniel erwähnt, vor allem in den letzten Kapiteln (13, 65 und 14, 29–41; bei Luther apokr.). Die Erzählung, nach der Daniel abermals, nun von C., in die Löwengrube geworfen und darin von dem Propheten Habakuk durch die Luft versorgt wird, ist in den Armenbibeln als Typus zum Noli me tangere verwendet; der Darstellung wird zuweilen eine Königsgestalt außerhalb des Zwingers beigegeben, die (wegen Dan. 13, 65) C., aber auch Nabuchodonosor oder gar nicht benannt wird (Frz. Jacobi, Die dt. Buchmalerei in ihren stilistischen Entwicklungsphasen, München 1923, Abb. 24–30).

III. C. in der Legende

Fruchtbarer für die bildende Kunst als die a.t. Erwähnungen waren die – übrigens schon in der Antike (z. B. von Cicero) als romanhaft erkannten – Berichte über C. Geburt und Jugend, die vor allem auf Herodot zurückgehen (Ergänzungen bei Justinus I, 4–7,2 und Valerius Maximus I, 7 ext. 5). Diese sind z. T. eng verknüpft mit anderen Mythenkreisen (genauere Darstellung bei [1]).

Die wichtigste Erzählung ist folgende (Herodot I, 107–30): Astyages, König der Meder, hatte keinen Sohn. Durch den Traum von einem aus dem Schoß seiner Tochter Mandane sich über ganz Asien ergießenden Wasserstrom veranlaßt, vermählte er seine Tochter mit einem Perser namens Kambyses. Ein zweiter Traum, wonach Mandanes Schoß ein ganz Asien überschattender Weinstock entsproß, und dessen Deutung besagte, ein Sohn Mandanes werde anstelle Astyages’ König, bewog diesen, Mandane aus Persien heimzurufen und ihr Kind nach der Geburt seinem Vertrauten Harpagos zur Tötung zu übergeben. Harpagos aber, aus Furcht vor der Thronerbin, beschloß, das Kind durch einen Hirten aussetzen zu lassen; dessen Weib, Kyno, ließ ein eigenes totgeborenes Kind anstelle des königlichen Knaben bestatten und zog C. als ihren Sohn auf. Im Alter von 10 Jahren wurde C. einmal beim Spiel zum König gewählt und ließ einen Knaben vornehmer Herkunft wegen Ungehorsam züchtigen. Durch verschiedene Zufälle erhielt Astyages nun Kenntnis davon, daß der Hirtensohn sein Enkel C. sei und schickte ihn zu seinen Eltern nach Persien, nachdem er Harpagos grausam bestraft hatte. Mandane verbreitete jetzt die Sage, der Sohn sei von einer Hündin (= Κυνώ) gesäugt worden; dies zeige seine Rettung als ein göttliches Wunder. Den weiteren Verlauf s. bei [1]. – Justinus gibt eine Variante insofern, als der Hirt den Knaben aussetzt, ihn aber auf Bitten seines Weibes wieder im Walde holt, wo er ihn von einer Hündin gesäugt findet. Ganz anders berichtet Xenophon die Frühgeschichte C., wonach der Knabe als Königssohn in Persien aufwächst und das Mederreich von der letzten Erbin erheiratet.

Wichtig sind noch Herodots reich ausgeschmückte Angaben über C. Tod [1, Sp. 1156]: C. wirbt um die Hand der Königin der Massageten Tomyris, deren Reich jenseits des Kaspischen Meeres liegt, die ihn aber abweist, worauf er den Feldzug gegen ihr Land eröffnet. Durch eine List gelingt es C., die Massageten am Araxes zu schlagen und den Sohn der Königin zu fangen. Tomyris fordert ihn unter Drohungen, die C. mißachtet, zurück; der Gefangene, von seinen Fesseln befreit, entleibt sich selbst. In der darauffolgenden Schlacht siegen die Massageten, C. fällt inmitten zahlreicher Perser. Tomyris läßt seinen Leichnam suchen und das abgeschlagene Haupt in einen mit Blut gefüllten Schlauch stecken, um ihn, wie sie ihm angedroht hatte, mit Blut zu sättigen. Diese Erzählung war im Altertum weithin bekannt (Val. Max. IX, 10 ext. 1 u. v. a.); bei einigen wird Tomyris Königin der Skythen, Saken oder auch Goten genannt; bei Diodor (II 44, 2) läßt Tomyris den gefangenen C. kreuzigen (s. auch Pauly-Wissowa II. Reihe Bd. VI, 2, Sp. 1702 bis 1704).

a) der Traum des Astyags

Die Kenntnis dieser Erzählungen hat sich durchs MA erhalten. Schon der Traum von dem aus Mandanes Schoß entsprießenden Weinstock findet sich als typologisches Gegenstück zur Verkündigung der Geburt Christi im 3. Kapitel des Heilsspiegels, Vers 41–56. Der Text argumentiert wie folgt: durch den Traum wurde Astyages angekündigt, daß seine Tochter einen königlichen Sohn haben werde; dieser, der große C., habe später die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft befreit. So sei auch Joachim verkündigt worden, daß seine Tochter Maria den König Christus gebären werde; dieser habe die Juden aus der Gefangenschaft des Teufels befreit. Maria habe der Welt den wahren Weinstock geboren. Der Autor bezieht sich auf Petrus Comestor, Historia scholastica, Lib. Danielis, Kap. 16 (De Cyro), oder auf Justinus Kap. 1.

Bei J. Lutz und P. Perdrizet, Speculum hum. salv., Leipzig 1907/09, findet sich der lateinische Text (Bd. I S. 8f.) sowie Abbildung der Szene aus der Schlettstadter Heilsspiegel-Hs. in München, Clm. 146 (Taf. 5), der Münchner Hs. Clm. 23 433 (Taf. 99) und auf dem Mülhausener Speculumfenster von ca. 1350 (Taf. 101). Etwas anders in der Anordnung ist die Darstellung auf einer kolorierten Federzeichnung in der Papier-Hs. des G. N. M. (Hs. 22 401, fol. 5 v). Gewisse Miniaturisten lassen den Weinstock aus Mandanes Brust hervorgehen (Paris, Bibl. nat. lat. 9585 und 9586).

Ohne die typologische Beziehung finden wir das Traumbild auf einigen Majolikatellern, z. B. auf einem Urbinoteller der Botega des Francesco Xanto Avelli da Rovigo, dat. 1535 (R. Grani, Das K.Gew. Mus. Leipzig, 1929, Taf. 12 a), dem wohl eine graphische Vorlage zugrunde lag; ferner auf einem Spielstein des Brettspiels von Hans Kels d. Ä. im Kh. Mus. Wien, 1537 (Abb. 4; vgl. Jb. Kaiserh. 3, 1885, 67).

b) C. Geburt

Die Geburt des C. ist in einem Holzschnitt des Hans Weiditz in der deutschen Übersetzung der Cyropädie von Hieronymus Boner, Augsburg bei Heinr. Stainer 1540, fol. II r, dargestellt.

Dieser Entwurf wiederholt eine oft benutzte Komposition, die auf die Geburt des Herkules zurückgeht. Der Polifilomeister des Venezianer Ovid von 1497 brachte sie zuerst in einem Holzschnitt (E. W. Braun in Mitt. d. Ges. f. vervielf. K., Beilage der „Graphischen Künste“, Wien 1915, S. 39), den Dürer in seinen Bremer Zeichnungen zu dem (jetzt verschollenen) Krugpokal des Fürsten Lobkowitz in Schloß Raudnitz benutzte (Relief von 1511 auf dem genannten Pokal; M. J. Friedländer in Jb. Z. K. 7, 1913, 170ff.). Hans Weiditz wiederholte Dürers Komposition im Gegensinne für verschiedene Darstellungen (Geburt des Cicero, Augsburger Ausg. „De officiis“ 1531; Petrarca 1532; E. W. Braun a. a. O.).

c) von einer Hündin gesäugt

Die Sage von der Ernährung C. durch eine Hündin (oder Hindin), in mythologischem Zusammenhang mit der Romulus-Remus-Sage stehend, kehrt in typologischem Gewande wieder im Defensorium inv. virg. b. M., wo sie als wunderbares Ereignis aus der Historie unter die Vorbilder der unbefleckten Empfängnis zählt.

In den Hss., Blockbüchern und Drucken des Defensorium tritt sie unter Hinweis auf Petrus Comestor auf; so in Clm. 18 007, der Hs. des Bruders Anton Pelchinger von Tegernsee von 1459 (Abb. 2). Abweichend hiervon geben die Szene die Blockbücher von Frdr. Walther (1470) und Joh. Eysenhut (1471, ehem. Gotha; J. v. Schlosser in Jb. Kaiserh. 23, 1902, Taf. 21) und das Wiener Medaillonblatt (Ebd. Taf. 16), während der Reysersche Druck (1475–80) und die Schleißheimer und Stamser Tafeln die Darstellung nicht haben. Der Text lautet in der Hs. und den Blockbüchern: „Si Cyrus a canicula nutritus (enitritus) claret, Christum cur iuvencula virgo non generaret“.

d) C. Jugend

Unter den 12 Gerechtigkeitsdarstellungen, die Erhard Schön 1531 als Holzschnitte schuf (Geisberg, Einblattholzschnitt XXX, 32 bis 33) und die mit den Interkolumnienmalereien im Nürnberger Rathaussaal zusammenhängen, findet sich auch eine Szene, wo C. von seinem Lehrmeister geschlagen wird (Abb. 3). Die Beischrift lautet: „Von Ciro dem kunig. Cirus der kunig persarum das ehr noch ein knab, unter den knaben von wegen eins rocks unerlich het geurtailet, wurde ehr von dem lehrmaister geschlagen“. Diese Szene stammt aus Xenophons Cyropädie.

In der deutschen Ausgabe (Hieronymus Boner, Augsburg 1540 bei Heinr. Stainer, fol. V r) erzählt der junge C. seiner Mutter, daß unter seinen Gefährten „eyner war, der hett nach vermög seines alters, ein starck groß corpus, und geraden leyb, aber gar ein kleines röcklin an. Der het ein ander kleyn knäblin, der ein großen rock het den selbigen außzogen, vnd jm sein kleines röcklin angelegt, vnd er denselbigen großen rock, jm selb angelegt. Da ich sy nun gegeneinander verhört, het ich erkannt am geschicklichsten sein, das ein jeder den rock haben solt, der sich seiner größ vnd kleine vergleichen möcht. Inn diser sach hat mich mein meyster geschlagen“. – Die Erzählung muß einem der Nürnberger Kleinmeister, etwa H. S. Beham, aus der Literatur – wohl durch Vermittlung eines der Nürnberger Humanisten – bekannt gewesen sein. Ihre Aufnahme in einen Zyklus z. T. wenig bekannter Gerechtigkeitsdarstellungen im Nürnberger Rathaussaal liegt also vor Erscheinen der deutschen Xenophonausgabe.

Auch Hans Sachs hat sich in seinen Gedichten öfters mit der Geschichte C. beschäftigt. Er besaß u. a. Quellen eine dt. Übersetzung des Justinus von Hieronymus Boner (Augsburg 1531; Die antiken Quellen des Hans Sachs, Gymnasialprogramme der Cannstatter Realschule 1897 und 1899).

e) C. Taten

Die Taten C. als König sind mehrfach und schon frühzeitig in der bildenden Kunst dargestellt worden. Schon in den Wandbildern der karolingischen Pfalz zu Ingelheim findet sich die von Herodot erzählte Geschichte (I, 189), nach welcher C. aus Zorn darüber, daß eines seiner heiligen weißen Rosse auf dem Zug gegen Babylon im Flusse Gyndes (= Diala, Nebenfluß des Tigris) ertrunken war, diesen Fluß bestrafen ließ, indem er seine Wasser ableitete (Ermoldus Nigellus, De laude Hludowici IV, Vers 246–49; Schlosser, Schriftquellen Nr. 1007). – In dem Glossar des Salomon von Konstanz, Prüfening 1158 (Clm. 13 002, fol. 12 v; A. Boeckler, Regensb.-Prüf. Buchmal., München 1924, Taf. XI. Abb. 15) wird in einer Folge moralisch-theologischer Darstellungen dem thronenden C. der gefesselte König Croesus von Lydien vorgeführt. Opulentia, mit dem Spruchband „Sic juvo“ in der Hand, führt ihn vor, während die blinde zweigesichtige Fortuna dabeisteht. So bestraft sich (nach Ps. 34, 11) der unmäßige Reichtum, wohingegen Weisheit (Prudentia) zur Belohnung des Frommen durch irdische Güter führt: vor dem thronenden Joseph erscheinen seine 11 Brüder im entsprechenden Gegenbild.

Die Geschichte C. wurde 1470 in einem vom Grafen von Lucena für Karl den Kühnen verfaßten „Traitté des faictz et haultes provesses de Cyrus“ behandelt, nach dem eine Folge von C.-Teppichen der Kirche Notre-Dame in Beaune gewirkt wurde (H. Chabeuf in Revue de l’art chrétien 1900, 195f.).

Der Brüsseler Manufaktur des Jan van Tiegen entstammt eine 1560 entstandene C.-Teppichfolge von 10 Behängen in spanischem Staatsbesitz (Göbel I, 1, 327) mit folgenden Darstellungen: die Kindheit C.; Astyages erkennt den Jüngling; C. läßt Astyages gefangennehmen; C. im Kampf mit Croesus; Croesus’ Begnadigung (Ebd. I, 2, Abb. 279); C. untersagt den Lydiern das Waffentragen; C. und Artemisia; C. erlaubt den Juden die Ausübung ihres Glaubens; C. empfängt Boten von Tomyris; Tomyris läßt das Haupt C. in ein blutgefülltes Becken tauchen. Diese Folge wurde noch um 1745 von der Madrider Manufaktur van der Goten wiederholt (Ebd. II, 1, 475 und II, 2, Abb. 492). Eine andere C.-Folge von 14 Behängen schuf Jan van Tiegen 1570 in Köln für den Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (Ebd. I, 1, 327; III, 1, 20, 263, 272); sie kam 1764 von Kassel ins Schloß Weißenstein (Inv. des Schlosses Kassel von 1732). – 1566 lieferte Jan van der Straet in Florenz für die dortige Manufaktur zwei Patronen für eine C.-Geschichte (Göbel II, 1, 386). Nikolaus Reynbouts in Brüssel schuf eine Folge von 4 Teppichen des Lebens C., die sich 1619 in seinem Nachlaß fand (Ebd. I, 1, 335). Eine andere Folge „Das Leben des C.“ aus einer Manufaktur in Nancy nennt ein Inventar von 1621 als Eigentum des Grafen de Koeurs (Ebd. II, 1, 360). Um 1630–40 entstand eine ähnliche Folge von Bernaert van Brustom in Brüssel, von der ein Teppich (Begegnung C. mit Croesus) in Skokloster, Schweden, erhalten ist (Ebd. I, 1, 368).

Große Bedeutung für die Teppichfolgen des späteren 17. Jh. mit den Taten C. hatte der 1649–58 in zehn Bänden erschienene Roman von Madeleine de Scudéry „Artamène ou le Grand Cyrus“, in welchem Namen und Ereignisse der verschiedenen antiken Quellen in willkürlich-phantastischer Weise zu einem Liebesroman zwischen C. und Mandane vermengt sind (kurze Inhaltsangabe bei Göbel I, 1, 196f.). Der Roman wurde von Frç. Chauveau illustriert (Warburg Journal 14, 1951, Taf. 50).

Eine große Teppichfolge mit Illustrationen dieses Romans bestellte Graf Antoine de La Rocheaymon bereits 1661 bei Jean Boffinet in Aubusson; die Folge ist zerstreut (Göbel I, 1, 198; II, 1, 249 und 527). 1669 wurde bei Erasmus de Pannemaker in Brüssel eine C.-Folge von sechs Behängen bestellt (Ebd. I, 1, 376). Jakob van Zeunen, Brüssel, schuf um die gleiche Zeit eine Folge für das Schloß in Turin (Joh. Gg. Keyßlers Reisen, Hannover 1776, Bd. I, S. 193). – Nach Entwürfen von Cl. de Beaumont schuf die Turiner Manufaktur 1754 eine in Rom und Turin erhaltene Folge von Teppichen aus der Geschichte des jüngeren C. (nach Xenophons Anabasis), mischte aber Darstellungen von der Jugendgeschichte und vom Tod des älteren C. mit hinein (Göbel II, 1, 454).

Eine Begegnung C. mit Darius hat Hans Glöckler auf einem Gouachebild von 1618 in der Fstl. Fürstenbergschen Gem. Gal. Donaueschingen wiedergegeben (Kat. 1921, S. 28, Nr. 392). – C. auf dem Streitwagen zeigt ein Stich von Pietro Santo Bartoli im Kk. Berlin. – Ein Stich G. Batt. Galestruzzis aus einer Folge antiker Historien nach Polidoro da Caravaggios Friesgemälden am Pal. Milesi (Bartsch XXI, S. 33) zeigt den Sieg C. über Spargabise.

f) Tomyris mit dem Haupt des C.

Die bildende Kunst hat sich auch des legendären Todes des großen Königs angenommen. Schon in den genannten karolingischen Fresken in der Ingelheimer Pfalz fand sich nach dem Zeugnis des Ermoldus Nigellus (IV, Vers 250f.) die Darstellung der Tomyris, die C. abgeschlagenes Haupt in einen blutgefüllten Schlauch steckt (Schlosser, Schriftquellen Nr. 1007). Im „Spiegel menschlicher Behaltnis“, bei P. Drach in Speyer 1478 (Schramm, Frühdrucke 16, Abb. 442), befindet sich ein Holzschnitt, auf dem die Königin „Ahamari“ C. Haupt in einen Bottich wirft.

Der Meister von Flémalle hat die Szene in einem Gemälde dargestellt, von dem sich eine Kopie in Berlin befindet (Jb. d. preuß. K.slgn. 19, 1898, 104). Noch figurenreicher als dieses ist eine Nürnberger Zeichnung der ehem. Slg. Edw. Habich, Kassel (Aukt. Kat. Stuttgart, April 1899, Nr. 303 m. Abb.); sie war offenbar Vorbild für eine Treibarbeit eines Nürnberger Goldschmiedes. – Hans Kels gibt auf einem Stein seines Brettspiels die Darstellung ganz einfach (Abb. 5), doch ist die Haltung der Tomyris mit der genannten Nürnberger Zeichnung verwandt.

Tomyris mit dem abgeschlagenen Haupt des C. zeigt ein Stich von Gg. Pencz (B. 70) aus der Folge von Darstellungen aus der antiken Sage (H. W. Singer, Die Kleinmeister, Bielefeld-Leipzig 1908, S. 46 Abb. 55). Das gleiche Thema hat Rubens zweimal behandelt: in einem vielfigurigen Gemälde in englischem Privatbesitz, 1616–18, und in dem schönen Bild im Louvre von 1620–23 (R. Oldenbourg, Kl. d.K., S. 175; 237; Stich von P. Pontius, Nagler, Kstl. Lex. XIII, S. 127, Nr. 89). Auch Marten van Cleve hat die Szene dargestellt (Stich eines unbekannten Stechers im Kk. Berlin). Eine fünffigurige Frankenthaler Porzellangruppe von Simon Feylner um 1770 zeigt die thronende Tomyris, vor der das abgeschlagene Haupt des C. in eine Schüssel geworfen wird (Aukt. Kat. Weinmüller, München, Nr. 53 v. 1./2. 10. 1952, Taf. III).

Ein frei erfundenes Bildnis der Tomyris findet sich bei Begerius, Thesaurus Brandenburg. 1697, I, 212; an der Haube seltsamerweise als oberer Abschluß das Profil des C. (s. Zedlers Universallexikon, Art. „Tomyris“).

IV. C. als Vertreter des zweiten Weltreichs

Als Gründer des zweiten Weltreichs tritt C. schon früh im MA auf (über die Vertreter der vier Weltreiche s. G. Jacob und J. A. Endres in Zs. f. chr. K. 13, 1900, 117–24 und 363–76; zur Entwicklung des m.a. Geschichtsbildes vgl. O. Lauffer, Die Begriffe „Mittelalter“ u. „Neuzeit“ im Verh. z. dt. Alt.kde., Berlin Hatte man ursprünglich die vier Reiche als das chaldäische, medische, persische und griechisch-mazedonische angesehen, so trat schon bald das medisch-persische an zweite, das griechische an dritte und das römische an vierte Stelle. Infolgedessen finden wir in den Wandmalereien der Ingelheimer Kaiserpfalz Ninus, C., Alexander und Romulus dargestellt (Schlosser, Schriftquellen Nr. 1007), während das Malerbuch vom Berg Athos Nabuchodonosor, Darius, Alexander und Augustus als Vertreter der Monarchien nennt (Godeh. Schäfer, Das Hdb. d. Malerei vom Berge Athos, Trier 1855, S. 139). Auch im Annolied, um 1105, ist Vers 189ff. die Einteilung in die vier Königreiche übernommen; als Beherrscher des zweiten werden Cyrus und Darius genannt (ed. M. Roediger, M. G. H. Dt. Chron. I, S. 119). In den Deckengemälden von St. Emmeram in Regensburg wurde die Vision Daniels, bald nach 1160, mit den vier Tieren dargestellt, auf denen Nabuchodonosor, C., Alexander und Caesar reiten. Der spätere Kanon ist: Ninus (auch Nimrod), C., Alexander und Caesar.

In Anknüpfung an die Vision Daniels (Dan. 7, 2–8) wird C., der Gründer des 2. Weltreichs, als Reiter auf einem Bären dargestellt; so schreibt es das Malerbuch vom Berg Athos für Darius vor, so erklärt es der Titulus für die Decke von St. Emmeram. Einen anderen Zyklus der vier Reiche, ebenfalls in Regensburg, bilden die vier lebensgroßen Sandsteinskulpturen an der Domfassade (Mitte 14. Jh.; die Originale heute im Dom-Mus.; Abb. des Cyrus: J. A. Endres, Beiträge z. Kunst- u. Kulturgesch. des m.a. Regensburg, Regensburg o. J., Taf. geg. S. 192); auch hier erscheinen die Herrscher als Reiter auf den Tieren, die in der Vision Daniels aus dem Meer aufsteigen: dem geflügelten Löwen, dem Bären, dem Pardel mit vier Flügeln und vier Köpfen und dem Tier mit elf Hörnern. – Erhalten hat sich ferner, wenn auch stark übermalt, ein Freskenzyklus mit Darstellung der vier Herrscher im spätromanischen Karner zu Hartberg, Stmk., aus 1. H. 13. Jh. Die vier Reiterkönige erscheinen (nach Endres a. a. O.) als Vorläufer des christlichen Weltreichs, dessen Schlüssel Christus dem Apostel Petrus übergab.

In der Lutherbibel von Hans Lufft, Wittenberg 1530, findet sich bei der Illustration der Vision Daniels ebenfalls die Darstellung der vier Weltreiche; Virgil Solis hat sie für seine Bibelillustration von 1560 im Gegensinne verwendet.

Die klassische Einteilung der antiken Geschichte in die vier Weltreiche brachte der Geschichtsschreiber Joh. Sleidanus in seinem Buch „De quattuor summis imperiis, Straßburg 1556, das bis 1676 wiederholt nachgedruckt wurde, für die Neuzeit wieder zur Geltung.

Auf dem Spielbrett des Hans Kels in Wien erscheint neben Ninus, Alexander und Romulus auch der Kopf C., als Orientale mit Turban, Schnurrbart und Ohrring (Jb. Kaiserh. 3, 1885, Taf. VI). – Eine Flagge mit einem Widder im Arm, von einem Bären begleitet, so ist C. unter den Weltherrschern auf den Reliefs der französischen Marsschüssel aus Zinn wiedergegeben (H. Demiani, François Briot, Caspar Enderlein und das Edelzinn, Leipzig 1897, Taf. 24). Dieser offenbar französ. Entwurf wird auch für einzelne Plaketten wiederverwendet (Aukt. Kat. der Slg. Arthur Löbbecke, München 1908, Taf. 46). – Leonhard Kern hat als Balkonbekrönungen der beiden Portale der Nürnberger Rathausfassade die Monarchen in kolossalen Steinfiguren dargestellt: C. sitzt auf dem Bären und hält das Zepter; der zeichnerische Entwurf für die Figuren geht auf Christ. Jamnitzer zurück (1617; die Originale im G. N. M.; Ernst Mummenhoff, Das Rathaus zu Nürnberg, Nürnberg 1891, S. 137f.). – Als Krieger im Turban tritt C. in den Monarchenbildern des Titelblattes zu Merians Cosmographie von 1628 wieder auf. – Mit Turban und Fahne als türkischer Fürst erscheint er E. 17. Jh. auf einer Ofenkachel von Gg. Leupold in Nürnberg (Mitt. a. d. G. N. M. 1902, S. 15). – Nur durch ihre Tiere vertreten sind die Weltherrscher auf einem silbernen Globuspokal aus A. 17. Jh., der ehemals in der Slg. der Universität Altdorf war und verschollen ist (Stich von Joh. Häuser 1620 in dem Werk von Gg. Andr. Will, Der Nürnbergischen Universität Altdorf Denkwürdigkeiten, Nürnberg 1765, Taf. 13): die Weltkugel wird von dem knienden Caesar getragen; auf den vier Seiten des getriebenen Sockels erscheinen in Muschelkartuschen ein geflügelter Löwe (Assyria), ein Bär (Persa), eine Hydra (Graeca) und die kapitolinische Wölfin (Roma).

Eine Folge der vier Weltherrscher als triumphierende Reiter hat Marten de Vos E. 16. Jh. geschaffen und Adriaen Collaert gestochen (Abb. 6): C. läßt sein Pferd über den zu Boden gestürzten Ninus schreiten, ein Bär taucht neben C., der wieder die Flagge mit dem Widder trägt, aus dem Meer auf. In der deutschen Stichfolge des gleichen Entwurfs, die von Gregor Fentzel gestochen im Nürnberger Verlag von Paul Fürst erschien (Mitt. a. d. G. N. M. 1914/15, S. 52–55), lautet die Bildunterschrift:

„Obgleich mein Ahnherr mich wolt tödten in der Wiegen, Must doch der Perser reich durch mich sein anfang kriegen“.

In den Kolonnaden der Orangerie im Weikersheimer Schloßpark, beg. 1719, stehen die vier Monarchen, je zu zweit, zwischen Pax und Minerva, ausgeführt von den Hohenloheschen Hofbildhauern Gebr. Sommer, 1722 bezahlt (M. H. v. Freeden in: Württ. Franken N. F. 22/23, 1948, 145ff.); weitere Darstellungen finden sich im Kaisersaal des Fuldaer Abtschlosses und im Pommersfeldener Marmorsaal. – 1736 schuf der Stukkateur Joh. Max Pöckhl eine Herrscherfolge mit C. im Deckenstuck des Rathaussaals zu Schwäbisch Hall.

C. erscheint auch in der Folge der neun guten Helden, z. B. an der rechten Drehsäule der Prachttür in der Lüneburger Ratsstube des Albert von Soest (H. Wentzel, Albert v. Soest, Hamburg 1947, Taf. 43).

Zu den Abbildungen

1. Erlangen, Univ. Bibl., Cod. 121. Bibel aus dem Gumpertuskloster in Ansbach, fol. 288 v. Salzburger Hs. vor 1195. Phot. Stoedtner 73 895.

2. München, St. Bibl., Clm. 18 077. Defensorium-Hs. des Bruders Anton von Tegernsee, fol. 52 v, Ausschnitt. 1459. Phot. RDK.

3. Erhard Schön (um 1491–1542), Holzschnitt aus einer Folge von zwölf Gerechtigkeitsbildern (Geisberg, Einblattholzschn. XXX, 32–33). Orig. Gr. 12 × 2,8 cm. 1531. Phot. G. N. M.

4. und 5. Hans Kels d. Ä. (um 1480/85 bis 1559), zwei Spielsteine aus einem Brettspiel, wahrscheinlich für Kaiser Ferdinand I. geschnitzt. Buchsbaum, Dm. 6,5 cm. 1537. Nach Jb. Kaiserh. 3, 1885, Taf. XII.

6. Adriaen Collaert (um 1560–1618), Kupferstich aus einer Folge von vier Weltherrschern nach Entwürfen von Marten de Vos (Le Blanc 368–71). Orig. Gr. 22,3 × 25,8 cm. Ende 16. Jh. Phot. St. Graph. Slg. München.

Literatur

1. Pauly-Wissowa, Suppl. Bd. IV, 1128–66 (Weißbach). – 2. Gg. Hüsing, Beiträge zur Kyrossage, Berlin 1906 (Oriental. Lit. Ztg. 1903–06). – 3. H. Leßmann, Die Kyrossage in Europa, Wiss. Beilage zum Jahresber. der Städt. Realschule Charlottenburg 1906.