Christus in der Kelter
englisch: Christ in the winepress; französisch: Christ au pressoir; italienisch: Cristo nello strettoio.
Alois Thomas (1953)
RDK III, 673–687
I. Quellen der Kunstvorstellung
Die Darstellung Christi in der Kelter geht auf symbolische Vorstellungen zurück, die von der Bibel ihren Ausgang nahmen. Die meisten Bilder tragen als Beischrift die Jes. 63, 3 entnommenen Worte: Torcular calcavi solus, „Ich trat die Kelter allein.“ Die neueren Exegeten erklären die Worte als eine Schilderung des Kampfes und Sieges Jahwes über die Feinde Israels, vielfach auch als Weissagung vom Siege des Messias und seiner Kirche. Die frühchristlichen Exegeten hingegen sahen in ihnen eine Allegorie bzw. eine direkte Vorhersage des Leidens Christi, der durch dieses über seine Feinde triumphiere. Darum verbanden sie gerne damit die Schilderung in der Apokalypse (19, 15), in der Christus beim Endkampf als siegreicher Kämpfer erscheint und „mit blutgetränktem Kleide“ die „Weinkelter des allmächtigen Gottes tritt“. Zugleich dachten sie an 1. Mos. 49, 11 im Jakobssegen, wo nach ihrer Ansicht das Leiden und Sterben am Kreuze vorbedeutet sei, weil er „sein Kleid im Wein und im Traubenblut sein Gewand wäscht“. In Verbindung damit brachten sie dann noch jene Stelle im Hohenlied (1, 14), in der der Bräutigam als „Zypertraube aus den Bergen von Engaddi“ bezeichnet wird. Es sei Christus, der im Leiden als Edeltraube ausgepreßt wurde. Weitere Vorstellungen von der Weintraube als Symbol des leidenden Heilandes nahmen von der Bibelstelle 4. Mos. 13, 18–25 ihren Ausgang, indem man die Stange der Kundschafter mit dem Kreuze und die Traube mit dem an diesem hängenden Christus verglich. In der Kunst kamen diese Gedanken in einer eigenen großen Gruppe zur Darstellung; in der exegetischen Auslegung wurden sie mit den übrigen Vorstellungen vom mystischen Keltertreter verbunden. In diese Betrachtungsweise hineingezogen wurden auch die Worte Pro torcularibus, die den Psalmen 8, 80 und 83 als Überschriften beigesetzt sind. Meistens verglichen dabei die älteren Exegeten die Kelter mit der Kirche, deren Glieder gleich Trauben unter der Presse zu leiden haben, vielfach dachten sie aber auch an Christus, der als Haupt der Kirche zuerst als Edeltraube ausgepreßt wurde. Und da man selten nach streng hermeneutischen Gesetzen vorging, nahm man in diese Gedankenwelt gern die Stellen hinein, in denen vom Weinberg Gottes die Rede ist (im A.T. besonders Jes. 5, 1 und 27, 2–5; im N.T.: Mt. 21, 33–45; Mk. 12, 1–12; Lk. 20, 9–19 und Joh. 15, 1ff.).
Wir finden die Vorstellung von Christus als Keltertreter von Anfang an bei allen Vätern; schon Tertullian († um 220) sieht in 1. Mos. 49, 11 eine Leidensvorhersage Christi und sagt in Anspielung auf Jes. 63, 1–6: „Der prophetische Geist hat nämlich den Herrn geschaut, wie er zum Leiden kam, angetan mit dem Fleische eines Menschen und in ihm leidend. Er bezeichnete den im Fleische Leidenden als rotbefleckt am Gewande, als ausgetreten und ausgepreßt, als käme er von der Kelterstätte“ (Adv. Marc. 4. – Migne P. L. 2, 493).
Von den Vätern übernahmen die mittelalterlichen Theologen die Gedanken vom mystischen Keltertreter. Sie konnten sich darin Christus sowohl aktiv als Sieger vorstellen: die Kelter tretend, als auch passiv in der freiwilligen Leidensübernahme: ausgepreßt wie eine Traube in der Kelter. „Er kelterte, da er sich freiwillig für uns hingab, er wurde gekeltert wie eine Traube, da er unter dem Druck des Kreuzes den Wein von der Hülle des Körpers ausscheiden ließ und seinen Geist aushauchte“ (Rupert von Deutz, In Isaiam 2, 29. – Migne P. L. 167, 1356).
Diese allegorischen Vorstellungen der m.a. Theologen blieben aber nicht nur Gelehrtenerörterungen, sondern fanden weiteste Verbreitung im christlichen Volk, das die Gedankenwelt in Betrachtung und Gebet, durch Predigten und liturgische Texte, lateinische Hymnen und deutsche Kirchenlieder in sich aufnahm [1 S. 53–80]. So wurde in einem viel verbreiteten katholischen Kirchenlied „Der geistliche Weingarten“ oder „Die geistliche Weinrebe“ geschildert, wie Jesus, das Weinbeerkorn, auf die Magd Maria fiel, und wie die edle Weinbeere an Weihnachten zur Welt kam. Jedoch am Karfreitag brachen die Juden die Edeltraube. Christus mußte selbst den Preßbaum (Kelterbalken = Kreuz) auf die Martelstatt (Kalvaria) tragen. Dort preßte man ihn aus. Aber sein Blut wurde zum Trank in der Eucharistie. – Auch in protestantischen Kirchen wurden viele ähnliche Lieder gesungen [2 S. 363].
II. Darstellungen
1. Entstehungszeit; Eingliederung in den typologischen Bilderkreis
Die frühesten Darstellungen begegnen uns im 12. Jh. in Deutschland. Der mystische Keltertreter erscheint aber zunächst nur im Rahmen der allgemeinen Heilsgeschichte, und zwar in typologischer Verbindung mit der Kreuzigung, nur einmal zusammen mit der Kreuztragung.
Das älteste bekannte Bild ist ein – stark erneuertes – Deckengemälde in der Klosterkirche zu Kleinkomburg, um 1108 (H. Merz in Christl. Kunstblatt 25, 1883, 49ff.; P. W. Keppler in Archiv f. chr. Kunst 3, 1885, 37ff.). Es zeigt die Kreuzigung und eng mit ihr verbunden C. i. d. K., zwischen den Preßbalken die Trauben tretend, also sowohl gepreßte Traube als auch Keltertreter [1 S. 103, Abb. 7]. Später entstanden, aber älter in der Auffassung ist das Kanonbild eines Hildesheimer Missale (2. H. 12. Jh.), das den mystischen Keltertreter ebenfalls mit der Kreuzigung zusammenstellt, ihm aber nicht die Züge Christi gibt, sondern ihn als jugendliches, vom Propheten geschautes Vorbild bringt [1 S. 102, Abb. 6]. Dies geschieht auch auf einem Kanonbild eines Hildesheimer Missale aus E. 13. Jh. (Abb. 2; [1] S. 111). Eine weitere Darstellung aus der 2. H. des 12. Jh. mit dem Keltertreter als Typus und dem Gekreuzigten als Antitypus befand sich einst als Deckengemälde in St. Emmeram zu Regensburg [1 S. 104]. Wir kennen heute nur mehr die Tituli, doch haben wir eine gleichzeitige Darstellung aus St. Emmeram im „Lob des Kreuzes“, München, Clm. 14159, zw. 1170 und 1185 [1 S. 104]. Auf einem Kreuze des Klosters Niedermünster im Elsaß (12. Jh.), das in der Frz. Revolution verloren ging, waren vier Vorbilder des Kruzifixus auf dem Kreuzesbalken dargestellt, darunter auch der Keltertreter [1 S. 108, Abb. 9]. Als einzige Ausnahme zeigt das Gemälde des Kreuzgangs im Emmauskloster zu Prag (2. H. 14. Jh.) den Keltertreter als Typus des kreuztragenden Christus [1 S. 111].
Noch im 12. Jh. wurde aber der typologische Rahmen erweitert und die Darstellung des C. i. d. K. in die Symbolik der gesamten Heilslehre eingegliedert. So schildert der „Hortus deliciarum“ das Heilswirken Gottes im Bilde des Weinbergs (Abb. 1).
Der Weinberg ist umhegt von einem Kranz von Engeln, die wie die Engel um den Zinnenkranz des gotischen Kirchengebäudes eine schützende Mauer gegen die bösen Geister bilden (Sepe i. e. angelorum custodia circumcinxit eam). In der Mitte steht C. i. d. K. (Torcular calcavit solus pro omnibus, ut omnes liberarentur). Aber die Menschen müssen die gottgewollten Leiden auf sich nehmen. Sie bringen, angeführt von Petrus und Paulus, in Körben Trauben herbei und entleeren sie im Keltertrog (Sancti apponunt botros ... piis laboribus insudantes passionem dominicam imitantes). Auch die Sünder und Verirrten führt Christus in den umhegten Weingarten zurück (Reducit Christus leprosum mundatum, id est hereticos et peccatores penitentes in vineam, id est ecclesiam). Selbst die Juden ruft er am Ende der Welt herbei und sendet ihnen Henoch und Elias (ut convertant corda patrum in filios et corda filiorum ad patres eorum).
2. Selbständiges Andachtsbild; mystische Leidensvorstellung
Im Laufe des 14. Jh. nahm das Kelterbild einen mystisch vertieften Inhalt und eine entsprechend veränderte Form an: es wurde zur Veranschaulichung der Passion Christi. Durch die mystische Leidensschau erscheint Christus in schwerster Qual auch in der Kelter. Er trägt nicht mehr das lange Gewand, sondern ist mit dem Lendentuch bedeckt, auf dem Haupte hat er die Dornenkrone, an den Händen und Füßen die Wundmale. Er steht als Schmerzensmann in der Kelter und ist weniger der aktive Keltertreter als die ausgepreßte Edeltraube. Der Kelterbalken hat die Form des Kreuzes, unter dessen Last der Erlöser zusammensinkt.
Während das typologische Kelterbild nur im deutschen Sprachgebiet vorkam und auch da selten blieb, fand die neue Andachtsbildform eine große Verbreitung, auch außerhalb Deutschlands, besonders in Frankreich.
Das früheste Beispiel dieser Art scheint eine Seidenstickerei auf Leinen im G. N. M. zu sein (Abb. 3), wo Christus noch das lange Gewand trägt. In der Druckgraphik erscheint C. i. d. K. zuerst auf einem frühen Holzschnitt im G.N.M., um 1470 [1 S. 117, Abb. 11], später dann auf Kupferstichen (z. B. mehrere Darstellungen der Brüder Wierix [1] S. 121). Weiter finden wir das Bild C. i. d. K. in Handschriften, auf Pergamentandachtsbildern, Münzen, Glocken, Taufsteinen, Kanzeln und Altären, auf Epitaphien und Grabmälern, auf Tafelbildern und Wandgemälden, auf Seidenstickereien und Geweben, auf Plastiken in Stein und Holz.
Oft strömen zeitgeschichtliche Ideen und andere theologische Vorstellungen in die Darstellungsweise ein. Auf einem Wandgemälde in St. Ursula zu Köln wird der in der Kelter leidende Christus zugleich als Guter Hirte mit dem Lamm auf der Schulter dargestellt [1 S. 119, Abb. 13]. Bisweilen trinkt ein Lamm am Kelche vor dem Keltertrog, wohl in Erinnerung an die Leidensszene in Gethsemane (Mt. 26, 42). So auf dem Holzschnitt im „Gulden Püchlein“ von 1450 ([1] S. 119; [22] Taf. 5). Auf einem Tafelgemälde vom Jahre 1526 in der Kirche zu Oberwittelsbach bei Augsburg [1 S. 131, Abb. 22] wird C. i. d. K. mit den Leidensszenen der Martyrer zusammengestellt. Das Bild wird so zu einer sinnvollen Veranschaulichung der Worte des hl. Augustinus, Enarratio in Ps. 55 u. 83: „Zuerst wurde Christus in der Kelter ausgepreßt ... Was in der sichtbaren Kelter vor sich geht, das geschieht in der Kirche ... Wenn jemand sich zum Dienste Gottes anschickt, erkennt er, daß er zur Kelter gekommen ist; er wird zertreten, gepreßt, zermalmt ... damit er in das Reich Gottes einfließe.“ – Wenn die Menschen ungläubig und sündhaft sind, dann vermehren sie Christi Leiden in der Kelter: Tafelgemälde in Pommersfelden (Jörg Breu? um 1500; Abb. 4): Christus kniet im Troge einer Baumkelter und wird in ihr unter der Last des Kreuzbalkens ausgepreßt. An dieser Arbeit beteiligt sich die Volksmenge aller Stände, darunter sogar ein Papst.
Wie im 12. Jh. stellte man auch im Spät-MA den leidenden Christus innerhalb des Weinbergs Gottes dar, so wie es in einem Tractatus de vinea (1629) heißt: „Die Kelter des heiligen Kreuzes wurde nämlich in dem geistigen Weinberg, d. h. der Kirche Gottes gebaut.“ Die protestantische Kunst benützte die biblische Parabel vom Weinberg, um im Gemälde Cranachs in der Lutherhalle zu Wittenberg und dem Altar in Salzwedel (RDK I 571f., Abb. 6) zu zeigen, daß die alte Pflanzung der katholischen Kirche verwüstet und vom Volke verlassen sei, während im Weingarten des Protestantismus alles in gepflegter Ordnung und Fruchtbarkeit stehe. Dagegen zeigt ein Holzschnitt der Slg. von Bassermann-Jordan (um 1535), wie die Ritter vom Goldenen Vlies die anstürmenden Feinde vom Weinberg und dem in seiner Mitte gekelterten Heiland fernhalten [1 S. 136, Abb. 25].
3. Anschauungsbild christlicher Dogmen, eucharistische Edeltraube
Gegen Ende des 15. Jh. entwickelte sich die Darstellung C. i. d. K. mehr und mehr zum eucharistischen Bild. Es entstand eine veränderte Bildform, die zwar immer noch die Passion Christi als wesentlichen Inhalt hatte, dabei aber mehr den Glauben der katholischen Kirche an die wahre Gegenwart Christi im eucharistischen Blute betonte und in den Vordergrund treten ließ. Ein Hinweis auf das Meßopfer ist auf den meisten Darstellungen der Zeit schon gegeben, wenn ein Kelch vor dem Keltertrog steht und das ausgepreßte Blut aufnimmt.
Darum kommt diese Darstellung gern auf Kelchen und Meßgewändern vor, so auf einem Meßgewand des 15. Jh. (Abb. 5. – [1] S. 141) und einem Kelch des 18. Jh. in Ottobeuren. Eucharistisch ist ferner das Kelterbild in der Ritterkapelle der St. Gumbertus-Kirche zu Ansbach (Abb. 6). Aus der Kelter, in der Christus gepreßt wird, fließt nicht Blut, sondern fallen Hostien, die Petrus in einem Kelch aufnimmt. Christus zieht mit beiden Händen den Kelterbalken herab und deutet dadurch an, daß er das Leiden freiwillig auf sich nimmt. Er gehorcht dabei seinem himmlischen Vater, der die Schraube anzieht. Neben Christus steht, mit 5 Schwertern in der Brust, Maria und stützt seinen Arm. Zwar spricht Christus: Torcular calcavi solus et de gentibus non est vir mecum, aber nach dem Heilsspiegel c. 39 stand ihm doch jemand bei, nämlich „unica virgo, i. e. Maria secum manserat“ [1 S. 142, Abb. 30].
Auf einem Wandgemälde im Kreuzgang der Franziskanerkirche zu Krakau (M. 15. Jh.) feiert unter der Kelterszene ein Priester die hl. Messe. Während der Elevatio fließt aus dem darüber befindlichen Kelterkasten das heilige Blut in seinen Kelch [1 S. 153, Abb. 36]. Auf einem Tafelgemälde des Andrea Mainardi in San Agostino zu Cremona (1594) umstehen die vier Kirchenväter mit einer dichtgedrängten Menge den C. i. d. K. Dabei fordert der hl. Augustinus die Zuschauer zum Empfang des heiligen Blutes auf, das der hl. Gregor in einem Kelche aufnimmt und durch Engel an die Gläubigen austeilen läßt [1 S. 155, Abb. 37]. Die Spendung der hl. Kommunion zeigt schon der Altarbildentwurf des Jac. Cornelisz. van Amsterdam, A. 16. Jh., im Kk. Berlin [22 Taf. 1]. Gregor und Augustinus stehen als Vertreter der vier Kirchenlehrer vor der Kelter auf der Holzplastik des Weinmuseums in Speyer (1480, im Krieg 1939/45 verlorengegangen). Auch dort nehmen Engel das aus dem Trog fließende Blut in einem Kelch auf [12]. Ikonographisch einzig dastehend ist die Darstellung Christi als Kind, das mit den Leidenswerkzeugen in der Kelter liegt, auf einem Holzschnitt im Psalterium BMV von Nitzschewitz (E. 15. Jh.). Die eucharistische Idee zeigt die Darstellung der Zierleiste darunter: aus den Wunden Christi am Kreuze wachsen Reben, deren Trauben sich zu den auf beiden Seiten des Kreuzes stehenden Priestern und Laien niederneigen [1 S. 150, Abb. 34]. Die Rebe, die aus der Wunde C. i. d. K. auf einem Glasgemälde von Linard Gontier, 1625, in der Kathedrale von Troyes wächst, trägt die Brustbilder Maria und der Apostel; hier ist C. i. d. K. mit der Symbolik des Weinstocks verknüpft.
Auf einem Wandbehang von 1603 in der Kantonalhist. Slg. Luzern (Abb. 7) wachsen aus den Wunden C. i. d. K. Weinreben und Ähren, wie man es aus selbständigen eucharistischen Darstellungen schon aus dem 15. Jh. kennt ([1] S. 180; RDK I 240 Abb. 2). In Luzern tritt noch eine andere allegorische Vorstellung dazu: die Kreuzigung Christi durch Tugenden ([16] S. 473; RDK I 348, Abb. 3).
Ein Markstein in der Entwicklung der mystischen Kelter ist das Votivbild der Familie Stör in der Lorenzkirche zu Nürnberg (1471). Es schildert als früheste Darstellung neben dem Opfertod Christi die Verwaltung und Ausspendung der hl. Eucharistie. Bildinhalt und Sinn der Spruchbänder, die vielfach dem Hohenlied entnommen sind, kann man in den Schriften gleichzeitiger Schriftsteller, besonders Dionysius’ des Kartäusers († 1471), wiederfinden [1 S. 144, Abb. 31].
Christus steht in der Mitte der Komposition. Auf seinem Spruchband steht neben Jes. 63, 3 noch die Stelle Sprüche 9, 5, die sein Blut als eucharistischen Trank bezeichnet; eucharistische Gedanken drücken auch die Spruchbänder der vier Kirchenväter aus, von denen Augustinus das Blut auffängt und Gregor es in ein Faß auf einem Wagen gießt, während Ambrosius und Hieronymus ein anderes Faß mit Reifen beschlagen. Den mit dem Faß beladenen Wagen fahren die vier Evangelistensymbole davon. Auf dem Spruchband des Johannessymbols steht: „Verbum caro factum est“ (Joh. 1, 14). Die drei übrigen Symbole ziehen den Wagen und tragen die Legenda: „In omnem tirram exivit sonus eorum“ (Ps. 18, 5; Röm. 10, 18). Es ist also auch die Idee des mystischen Wagens der Kirche, der Quadriga Aminadab, mitverwertet. (Dieser ist nach Dionysius dem Kartäuser der leidende Heiland, außerdem vergleicht er Christus und die Seelsorger mit einem Wagen.)
Ähnlich ist die Darstellung auf einem 1900 freigelegten, nur teilweise erhaltenen Wandgemälde im Baptisterium der Kirche St. Peter zu Malmö in Schweden (15. Jh.; [17] Fig. 3).
Als man dazu überging, die Parabel vom Weinberg als dem Reiche Gottes mit der Veranschaulichung der Verwaltung und Ausspendung der Eucharistie zu verbinden, war das Kelterbild zu seiner höchsten Blüte gekommen. Zu dieser Gruppe gehört vor allem ein Tafelgemälde im Diözesanmuseum zu Passau aus dem Jahre 1565 [1 S. 148]. Dort steigt im Hintergrund ein Weinberg in die Höhe, alttestamentliche Gestalten pflegen ihn, während die Apostel Trauben zur Kelter tragen. Gottvater und der Heilige Geist pressen die Kelter, in der Christus mit dem Kreuze steht. Die vier Kirchenväter füllen den Wein in Fässer, und die Evangelisten fahren das heilige Blut in die Ferne. Ähnlich ist es auf einem Tafelgemälde des 17. Jh. im Museum der Stadt Ulm.
Verwandte Darstellungen entstanden in Frankreich in großer Zahl, so ein Wandgemälde auf Leinwand aus dem 16. Jh., das 1920 im Hospital in Reims freigelegt wurde ([1] S. 158; [17] Fig. 5), ferner eine Holzskulptur von 1531 in der Kirche zu Recloses (L. Marsaux in Rev. de l’art chrétien 39, 1890, 228ff.) und ein Tafelgemälde in Saint Hilaire zu Chartres (1530). Ihnen folgten im 17. Jh. andere Bilder, besonders in Paris und Umgebung, die in der Detailschilderung noch weiter gehen. Auf ihnen pflanzt Gottvater den Weinberg; das im Keller aufbewahrte hl. Blut wird den Gläubigen nach abgelegter Beichte in der hl. Kommunion gespendet. Alle diese französischen Bilder gleichen einem bekannten Kupferstich des 17. Jh. in der Nat.-Bibl. zu Paris, der aber wohl wieder auf eine Vorlage des 16. Jh., vielleicht einen Teppich, zurückgeht [1 Abb. 38].
In Heitenried in der Schweiz malte J. Heinr. Stocker 1717 ein mystisches Kelterbild, das sich an die süddeutsche Tradition, an eine ähnliche Darstellung wie die in Ulm und Augsburg, anschließt. Es weist allerdings in der Anschaulichkeit der Erzählung manche Berührungspunkte mit der eben erwähnten französischen Gruppe auf. Inschrift: Die Heilige Catholische Kirche un Wein Berg Christy des Heren 1717. Noch 1753 entstand ein an diese Tradition anschließendes Ölgemälde auf Holz auf der Kaltern Höhe bei Bozen (Hdb. d. dt. Volkskunde, hrsg. v. W. Peßler, I, 1935, S. 218, Taf. 8).
Ein auf Holz gemaltes Bild des 16. Jh. in Aarschot in Belgien erweitert die Schilderung des gekelterten Christus im Weinberg noch durch die Spendung der 7 Sakramente [17; 22].
Die Idee ist nicht neu. Bereits in einer Federzeichnung des Ms. 306 „Der Spiegel des Leidens Christi“ in der Stadtbibliothek zu Colmar (15. Jh.) gehen vom Ausfluß des Keltertrogs, in dem Christus gepreßt wird, 7 Strahlen aus, an deren Enden die 7 Sakramente dargestellt werden [17 Fig. 2]. In ähnlicher Weise ergießt sich auf dem bereits erwähnten Holzschnitt der Ritter vom Goldenen Vlies das aus den Wunden Christi strömende Blut in Strahlen zunächst in einen Kelch und in weiteren Strahlen über 6 tabernakelartige Gebilde, die die übrigen Sakramente enthalten. Auf dem Teppich von 1603 in Luzern (Abb. 7) ist die Darstellung ähnlich.
Nur mit dem Sakrament der Taufe zusammengestellt wird das Bild C. i. d. K. als „plut vergiesung Christi“ auf einem oberdeutschen Holzschnitt um 1500 [1 Abb. 45]. Der Gedankeninhalt des Bildes steht im Zusammenhang mit den Darstellungen des Lebensbrunnens, die im späten Mittelalter öfter mit denen des mystischen Keltertreters in Verbindung treten, so auf einem Tafelgemälde des Jean Bellegambe in Lille (1525) [1 S. 174] und einem solchen in Prag (Slg. Nostitz; [22] Taf. 3 und 4). Andere Darstellungen Christi in der Kelter traten in nahe Berührung mit der Hostienmühle, so das Wandgemälde in der Friedhofskapelle zu Mundeisheim (2. H. 15. Jh.; [1] Abb. 42), ferner mit Darstellungen des Baumkreuzes, des Lebensbaumes und mit Herz-Jesu-Bildern. Auf einer Kanontafel im Museum zu Neapel (A. 16. Jh.) wird das Herz Christi in der Kelter gepreßt, dabei stehen die Worte: Torcular calcavi solus [1 Abb. 47].
4. Protestantische Kunst
Der Humanismus und die Reformation ließen in Deutschland mit vielen m.a. symbolischen Darstellungen auch das Kelterbild zurücktreten. In Frankreich hingegen begann mit dem 16. Jh. sogar eine neue Blüte, die im 18. Jh. in schönen und ausgereiften Früchten ihren Abschluß fand. Auch in Deutschland verschwanden die Darstellungen nicht. Selbst in der protestantischen Kunst hielten sie sich; genau so wie von protestantischen Theologen Jes. 63, 1–6 noch lange als Allegorie des Leidens Christi gedeutet wurde.
So setzte man die m.a. Tradition fort, als man auf dem Grabdenkmal Bartold Busses an der Nikolaikapelle zu Hannover 1592 C. i. d. K. darstellte, Trauben tretend und zugleich von dem auf ihm lastenden Kreuz und dem Balken darüber ausgepreßt. Der Druck der Presse wird verstärkt durch Gottvater, der in Wolken erscheint und mit der Linken den Kreuzesbalken herabdrückt, während er in der Rechten ein Schwert hält.
Eine einfach gehaltene Darstellung C. i. d. K. befindet sich auf der Rückseite des rechten Flügels einer dreiteiligen Altartafel von 1582 in der Kirche zu Straußberg in Thüringen. Christus steht mit dem Kreuz auf dem Rücken im viereckigen Biet, in das aus der Wunde Christi das Blut strömt [1 S. 130]. Ähnlich ist das Tafelgemälde in der Dreifaltigkeitskirche zu Finsterwalde, Prov. Brandenburg, aus dem 16. Jh. Weitere Altarbilder befinden sich in Friedersdorf und Hohenwald (Inv. Brandenburg VI, 1, Abb. 60 und 134). Eine Steinskulptur ist auf dem Taufstein der Pfarrkirche zu Bayreuth, 1615. In Zeigerheim bei Schwarza in Thüringen ist eine Darstellung auf der Holzkanzel; der Kelterkasten steht in einer offenen Landschaft, darin steht Christus mit der Siegesfahne in der Hand. Zum Zeichen, daß er der Sieger über Tod und Teufel ist, ragen unter dem Kelterkasten Totengerippe und Schlange hervor; darunter Inschrift nach Jes. 63, 3. Am bekanntesten ist die prot. Darstellung C. i. d. Kelter auf dem Titelblatt der sog. Kurfürstenbibel (RDK II 505 Abb. 17), die Ernst der Fromme 1641 bei W. Endter in Nürnberg erscheinen ließ und die bis ins 18. Jh. oft neu aufgelegt wurde. Aus Christi Wunden spritzt das Blut über die Menschen, die links und rechts die Kelter umgeben. Links und rechts vom Titel stehen Vertreter des A.T. und N.T., die in besonderer Weise die Erlösungskraft des Blutes Christi verspürt haben. Stecher: Johann Dürr († 1680); Zeichner: C. Richter († 1667). Von diesem stammt wahrscheinlich auch ein großes Altargemälde in der Hedwigskirche zu Pleß in Oberschlesien. Das Bild ist dem in der Bibel gleich, nur fehlt der untere Abschnitt des lehrenden Christus. An die Stelle der Schrifttafel ist ein Kreuzespfahl mit der Ehernen Schlange getreten. Beeinflußt vom Titelbild in der Kurfürstenbibel ist wohl auch das Ölgemälde von Joh. Seb. König in der Stadtkirche Kirchheim/Teck, Württemberg, von 1698. Es zeigt außerdem verwandte Züge mit dem Bild in Zeigerheim. Aus dem Jahre 1730 kennen wir dann noch ein prot. Keltertreterbild auf einem gestickten Antependium in Gandersheim (F. Brackebusch in Christl. Kunstblatt 1900, 144).
Zu den Abbildungen
1. Hortus deliciarum, fol. 241 r. Ende 12. Jh. Nach E. Straub und G. Keller, Taf. 61. Phot. Bibl. d. Staatl. Mus. Berlin.
2. Hildesheim, Bibl. Beverina, Kanonbild aus dem Missale Hs. 682 b. Ende 13. Jh. Phot. Bibl.
3. Nürnberg, G.N.M., Antependium in Seidenstickerei mit C. i. d. K. und Gnadenstuhl (Kat. Stegmann, 1901, Nr. 2464). 2. H. 14. Jh. Phot. Mus.
4. Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Gemäldegalerie Nr. 132. Ölbild um 1500 (Jörg Breu?). Phot. Besitzer.
5. Brakel Krs. Höxter, Pfarrkirche. Kasel, Ende 15. Jh. Phot. Denkmälerarchiv d. Prov. Westfalen.
6. Ansbach, Gumbertuskirche, Ritterkapelle. Votivtafel des Matth. von Gulpen, vom fränkischen „Meister des Ansbacher Kelterbildes“, um 1511. Phot. Dr. Wiedemann, Hildesheim (DKV).
7. Luzern, Kantonalhistorische Slg., Depositum der Gottfried-Keller-Stiftung. Bildteppich, datiert 1603. Phot. Dr. Georg Staffelbach, Luzern.
Literatur
1. Alois Thomas, Die Darstellung Christi in der Kelter (= Forschungen zur Volkskunde 20/21), Düsseldorf 1935. – Ergänzungen in Besprechungen: Gg. Schollen, Jb. d. rhein. Dkpfl. 12, 1935, 423f.; F. Dworschak, Kirchenkunst 7, 1935, 120ff.; R. Maere, Revue d’hist. ecclésiast. 32, 1936, 679ff.; Fr. Zoepfl, Theol. Revue 35, 1936, 249ff.; C. de Clercq, Revue belge d’arch. et d’hist. de l’art 7, 1937, 281ff. – 2. Alois Thomas, Zur Darstellung Christi in der Kelter. Volk und Volkstum, Jb. f. Volksk. 2, 1937, 363ff. – 3. Ders., Der mystische Keltertreter. Die neue Saat 1, 1938, 259ff. – 4. Ders., Art. „Traube“ in Buchberger 10, 262–4. – 5. E. Gresy, La vendange divine. Bull. de la Soc. d’archéol., sciences etc. de Seine et Marne, 1869, 333ff. – 6. F. Lasteyrie, Notes sur quelques représentations allégoriques de l’eucharistie. Mém. de la Soc. nat. des antiquaires de France 9, 1878, 73ff. – 7. H. Barbier de Montault, Les mesures de dévotion. Revue de l’art chrétien 32, 1881, 408ff. – 8. E. Wernicke, Christus i. d. Kelter. Christl. Kunstblatt 29, 1887, 36 und 53. – 9. L. Lindet, La représentation allégor. du moulin et du pressoir dans l’art chrétien. Revue archéol. 1900, 403ff. – 10. A. van Gramberen, De Afbeeldingen van Christus in de Wijnpers te Thienen en Aarschot. Hagelands Gedenkschriften 5, 1911, 77–80. – 11. Ders., Le pressoir mystique. Bull. des métiers d’art 1913, 129ff. – 12. F. v. Bassermann-Jordan, Ein plastisches Kelterbild im Hist. Weinmus. zu Speyer. Pfälz. Museum 29, 1912, 1ff. – 13. L. Buchard, Christus i. d. Kelter. Monatsschr. Deutschland 4, 1913, 470ff. – 14. Sauer 396ff. – 15. Molsdorf 206f. – 16. Künstle I 489ff. – 17. C. de Clercq, Le pressoir mystique d’Aerschot dans la tradition iconographique. Revue belge d’arch. et d’ hist. de l’art 6, 1936, 41–49. – 18. Ders., De mystieke Wijnpers in word en beeld. Eucharistisch Tijdschrift 15, 1936, 337–46. – 19. J. Warncke, Christus i. d. Kelter, Die Heimat 46, 1936, 144ff. – 20. H. Vollmer, Bibel und Gewerbe in alter Zeit. Kelter und Mühle zur Veranschaulichung kirchlicher Heilsvorstellungen. Hamburg 1937. – 21. Gg. Stuhlfauth, Neuschöpfungen christlicher Sinnbilder. Brauch und Sinnbild, Festschrift für Eugen Fehrle, Karlsruhe 1940, 240ff. – 22. J. Gessler, Over en om de mystieke wijnpers te Aarschot en Elders. Löwen 19422. – 23. Gg. Staffelbach, Der Gekreuzigte ein Keltertreter. Heimatland, Ill. Monatsbeil. d. „Vaterland“ Nr. 3, 1948. – 24. A. Schahl, Christus i. d. Kelter. Schwäbische Heimat 2, 1951, 192ff.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Thomas, Alois , Christus in der Kelter, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1953), Sp. 673–687; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=105049> [20.09.2024]
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