Brakteat

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englisch: Bracteate coin, bractea; französisch: Bractéate; italienisch: Bratteata, bracteata.


Max Bernhart (1942)

RDK II, 1099–1104


RDK II, 1099, Abb. 1. Abt Burkhard von Fulda (1169-1176).
RDK II, 1099, Abb. 2. Graf Burchard I. von Mansfeld (1183-220).
RDK II, 1099, Abb. 3. Herren von Falkenstein.
RDK II, 1099, Abb. 4. Äbtissin Beatrix von Quedlinburg (1138-1160).
RDK II, 1099, Abb. 5. Äbtissin Cäcilie von Nordhausen (?; um 1155-1160).
RDK II, 1099, Abb. 6. Ulrich I. von Regenstein, Bischof von Halberstadt (1149-1160 und 1177-1180).
RDK II, 1101, Abb. 7. Markgraf Konrad I. von Meißen (1130-1156).
RDK II, 1101, Abb. 8. Markgraf Otto der Reiche von Meißen (?; 1156-1190).
RDK II, 1101, Abb. 9. Erzbischof Wichmann von Magdeburg (1152-1192).
RDK II, 1101, Abb. 10. Heinrich der Löwe, Herzog von Braunschweig (1142-1195).
RDK II, 1101, Abb. 11. Burkhardt II. von Falkenstein (1142-1174).

I. Begriff

B. wird auch Hohlpfennig, Blech- oder Schüsselmünze genannt. Bractea, wovon das Wort B. abgeleitet ist, bezeichnet ein dünnes Metallblech (βραχεῖν = knistern), das zur Ausmünzung der B. verwendet wurde. Das Wort „bracteatus“ erscheint zwar schon in einer Urkunde Gerlachs von Mainz v. J. 1368, ist aber in dieser Zeit nicht als Bezeichnung der besonderen Münzgattung der Hohlmünzen aufzufassen, sondern lediglich als Einschaltung eines Glossarius zu verstehen. Eine Unterscheidung der „dichten“ und der „hohlen“ Münzen erfolgte erst nach 1500.

II. Entstehung

Der gesteigerte Bedarf an Zahlungsmitteln, der durch das Aufblühen der Städte und die Kreuzzüge bedingt war, verlangte eine möglichst einfache und rasche Herstellung der Münzen. Der Schrötling – das für die Prägung bestimmte Metallplättchen – der Dickmünze war in Ermangelung geeigneter mechanischer Mittel schwierig auszustückeln und die Herstellung zweier Münzstempel war für den großen Bedarf an Zahlungsmitteln auf den jährlich wenigstens einmal in den Städten abgehaltenen Märkten zu zeitraubend. Die Ausprägung zweiseitiger Münzen ging, abgesehen von der technischen Umständlichkeit, bei der Dünne des Schrötlings auf Kosten der Deutlichkeit und der Ansehnlichkeit der beiderseitigen Münzbilder. So trat an die Stelle der Dickmünze, des Denars, und des dünneren zweiseitig ausgeprägten Halb-B. der größere, einseitig geprägte B. Die B. hatten meist nur kurze Umlaufszeit – ein Jahr und noch weniger –, einmal um die abgenützten Stücke aus dem Verkehr zu ziehen, und andererseits, um der Falschmünzerei, die bei der primitiven Technik leichtes Spiel hatte, Einhalt zu tun. Auf Grund der Münzverrufung (renovatio, mutatio monetae) mußte die Umlaufsmünze von Zeit zu Zeit gegen ein Aufgeld bis zu 25 Prozent für den Münzherrn oder den Münzpächter gegen neuverausgabte Stücke eingetauscht werden. Die Ausprägung der B. war in Übung in der Zeit von 1130 bis ins 14. Jh.

Als Heimat des B. ist die um die (überreiche Harzgegend gelegene Landschaft anzusprechen, von wo aus sich die eigentliche B.-Prägung über ganz Deutschland mit Ausnahme des Niederrheins, Westfalens, Bayerns und Österreichs ausbreitete. Man unterscheidet Schrift-B. und stumme B. Während die älteren Gepräge häufig Aufschriften zeigen, die sich auf den Münzherrn oder die Münzstätte beziehen, führen spätere B. nur selten erklärbare Umschriften, meist rückläufige oder unvollständige und fehlerhafte Schriftzeichen.

III. Technik

Die einseitige Hohlprägung geht in die Zeit der Völkerwanderung zurück. Germanen arbeiteten in der nämlichen Technik ihren Schmuck. Diese Schmuck- oder Goldbrakteaten werden vereinzelt in Ungarn und an der oberen Donau, in Norddeutschland und insbesondere in den skandinavischen Ländern gefunden. Auch die große Menge der Silber-B. wird auf die nämliche, nachfolgend näher beschriebene Weise hergestellt worden sein. Der Stempelschneider schnitt das Münzbild negativ in einen Eisen-, Kupfer- oder Bronzestempel; eine Anzahl von dünn ausgewalzten Silberplättchen, die anfänglich 15-lötig und später geringhaltiger waren, wurde auf eine Holz-, Leder- oder Bleiunterlage gelegt, oben wurde der Stempel aufgesetzt und durch einen oder mehrere kräftige Schläge das Negativbild des Stempels auf die unterlegten Silberplättchen übertragen.

IV. Kunst

Die Dünne des B.-Schrötlings gestattete dem Stempelschneider, bei einem Metallgewicht von nur 0,90 g ein Münzbild bis zu einem Durchmesser von 50 mm zu erzielen und dadurch die Möglichkeiten für eine künstlerische Ausgestaltung zu vergrößern. Die Darstellungen auf den Münzen stammen aus der Heiligenlegende, aus dem Lehns-, Gerichts- und Heerwesen. Große Königs-B. geben das Bild des thronenden oder reitenden Königs, dei Kaiser- oder Königspaares oder des Kaisers mit seinem Mitregenten wieder. Von besonders hohem künstlerischen Wert sind neben den Thüringer (Erfurter und Naumburger) Reiter-B. die durch ihren Bilderreichtum bemerkenswerten Hohlmünzen von Hessen, Meißen (Abb. 7 u. 8) und Sachsen, ferner die den Frankfurter B. ähnlichen Wetterauer des Reichskämmerers Kuno von Münzenberg, solche der Mainzer Erzbischöfe von Aschaffenburg und Fritzlar, der Stifte Fulda (Abb. 1), Hersfeld und Eschwege. Die Blütezeit der B.-Prägung fällt in die letzten Dezennien des 12. Jh. und ist verbunden mit den Namen der Grafen von Mansfeld (Abb. 2), Hohnstein, mit den Herren von Lobdeburg, mit den geistlichen Geprägen der Mainzer Erzbischöfe zu Erfurt (St. Martinus), mit den Geprägen von Arnstadt, Merseburg (Marter des hl. Laurentius), Nordhausen (Abb. 5) und Saalfeld. Treffliche Beispiele romanischen Stiles geben die bilderreichen Prägungen von Halberstadt (Steinigung und Verklärung des hl. Stephanus; Abb. 6), der Grafen und Herren von Arnstein, Falkenstein (Abb. 3 und 11), Regenstein und Blankenburg. Eine Reihe von B. aus Halle und Magdeburg, vorzüglich in Zeichnung und Technik, zeigen Namen und Bild des Bischofs Wichmann von Seeburg (1152–1192; Abb. 9). Die künstlerische Qualität der nord- und mitteldeutschen B. geht im 13. Jh. mit der Verkleinerung des Münzdurchmessers zurück. Mit Strahlen- oder Kugelrand versehene Hohlpfennige (bis zu 15 mm Dm.) behaupten sich namentlich in Niedersachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg und Pommern bis weit in die Neuzeit herein.

Eine besondere Gruppe bilden die schwäbisch-alemannischen B., die seit 1160 vornehmlich in den Gebieten um den Bodensee im Umlauf waren; sie unterscheiden sich durch den kleineren Durchmesser und durch die bisweilen vierspitzige Form des Schrötlings von den gleichzeitigen Geprägen Mittel- und Norddeutschlands. Hierher gehören auch die Hohlmünzen des Augsburger Umlaufsgebietes (1200–1300), denen ein Halbmond- oder Kugelrand eigentümlich ist.

Im späteren MA wird die Ausprägung von Hohlpfennigen in kleinem Durchmesser, und zwar als eine Art Scheidemünze, neben höheren Nominalen fortgesetzt. Auch in Gegenden, die bisher nur zweiseitige Münzen geprägt haben, wie im Rheinland, in der Pfalz und im Elsaß, wurden diese sog. Schüsselpfennige noch bis ins 17. Jh. gemünzt.

Als Fälscher von B. machten sich einen Namen Nikolaus Seeländer aus Erfurt in der 1. H. 18. Jh. (ca. 300 verschiedene Typen) und Killian in Prag (Goldabschläge von B.) in den ersten Dezennien des 19. Jh.

Zu den Abbildungen

Vgl. die Unterschriften unter den Abbildungen. Sämtliche Abb. nach Abgüssen. Phot. Staatl. Münzslg. München.

Literatur

1. Arnold Luschin von Ebengreuth, Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, München 1904. – 2. Ferdinand Friedensburg, Die Münze in der Kulturgeschichte, Berlin 1909. – 3. Herm. Dannenberg, Grundzüge der Münzkunde, Leipzig 19123. – 4. Heinr. Buchenau, Grundriß zur Münzkunde (Aus Natur und Geisteswelt), Leipzig u. Berlin 1920. – 5. Ders. in Mitt. der Österr. Ges. f. Münz- u. Medaillenkunde 6, 1910, Nr. 8–10. – 6. Hans Gebhart, Die deutschen Münzen des Mittelalters und der Neuzeit, Berlin 1930. – 7. Gustav Schlumberger, Des bractéates d’Allemagne, Paris 1873. – 8. Rud. von Höfken, Archiv für Brakteatenkunde, Wien 1886–85. – 9 Bernh. Salin, De nordiska Guldbrakteaterna, Antiqu. Tidskrift Sver. 14, 2, 1899. – 10. Heinr. Buchenau, Der Brakteatenfund von Seega, Marburg 1905. – 11. Ders. u. Behrendt Pick, Der Brakteatenfund von Gotha, München 1928.– 12. Julius Menadier, Die Schaumünzen des Münzkabinetts im K.F.M., Berlin 1919. – 13. Erwin Nöbbe, Von nordischen Goldbrakteaten, Berliner Münzblätter, N.F. 9, 1928, S. 225ff. – 14. Arthur Suhle, Hohlpfennige, in „Wörterbuch der Münzkunde“, hrsg. von Friedr. v. Schrötter, Berlin 1930. – 15. Ders., Münzbilder der Hohenstaufenzeit, Leipzig 1938. – 16. Julius Baum, Die Goldbrakteaten von Attalens und La Coppelenaz, Schweiz. Numismat. Rundschau 1938, S. 394ff. – 19. Klaus Günther, Untersuchungen über die Herkunft der Brakteatenform in der deutschen Münzprägung des Mittelalters, Deutsche Münzblätter Jg. 60/61, 1940/41, S. 157ff., 178ff., 197ff.