Boudoir
englisch: Boudoir, lady's room; französisch: Boudoir; italienisch: Boudoir, camerino.
Philipp Olles (1942)
RDK II, 1070–1073
Das Wort B. ist hergeleitet von bouder = schmollen, sich zurückziehen und bezeichnet ein Zimmer, das dem Alleinsein, der Zurückgezogenheit dient. Speziell versteht man darunter ein intimes Gemach für Frauen. Das B. ist eine Neuerung des fr. 18. Jh. und gehört zu den Räumen, die in Frankreich seit der Zeit der Regence als unabweisbare Forderung höherer Wohnkultur angesehen wurden. Das französische B. mußte klein und warm sein; ausgestattet war es mit gestickter Seide oder farbigem Damast und Taft, mit gestickten und gewirkten Vorhängen und Tapeten, mit Lampen, Gemälden, Spiegeln, Sofas, Sesseln, Liegestühlen und Ofenschirmen. Obwohl die deutschen Fürsten des 18. Jh. in Fragen der Lebenshaltung und Wohnkultur sich den französischen Regeln und Ansprüchen angeschlossen haben, so sind doch die deutschen Schlösser dieser Zeit selten mit B.-Räumen versehen. Weder die preußischen oder bayrischen Schloßbauten noch die Residenzen am Rhein wie Mannheim, Benrath, Brühl oder Bruchsal weisen mit dem Namen B. bezeichnete Zimmer auf. Auch in den alten Quellen und Akten zur Baugeschichte findet sich diese Benennung nicht. Eine Ausnahme machte die Würzburger Residenz [4]. Dort ließ der Großherzog Ferdinand von Toskana durch seinen Hofarchitekten Alexander Salins de Montfort seit 1807 eine Reihe von Zimmern im Südflügel dem neuen Geschmack entsprechend umgestalten. Unter diesen Räumen befand sich auch ein B., das heute noch erhalten und „Wohnzimmer“ genannt ist. Einzelheiten der inneren Ausgestaltung und die Möbel sind von Salins entworfen, die textilen Dekorationen und die Zusammenstimmung des Ganzen der Mitarbeit des Frankfurter Tapezierers Ludwig Rumpf (1762–1845) zu verdanken. Der Raum ist mit einer Wandbespannung aus grauer (ursprünglich violetter), gelb gemusterter, gefältelter Seide versehen, oben mit überhängender Drapierung. Die Türen haben portalartige Umrahmungen mit eingelassenen Bildern der vier Jahreszeiten und vergoldeter Schnitzerei, die Fensternischen sind mit Mahagoniholz vertäfelt. Die Decke ist in der Mitte kuppelartig erhöht und mit Malereien ausgestattet, deren Motive Tierkreiszeichen in Grisaille und bunte Stilleben sind, der Boden kostbar eingelegt und von dem Würzburger Tischler Georg Stark angefertigt. Die Einrichtung ist ein Marmorkamin mit Spiegel, ein Konsoltisch an der gegenüberliegenden Fensterwand, ein Kronleuchter, Taburetts in den Fensternischen, ein runder Tisch mit dreiseitigem Fuß und Schwanenstützen in einer Zimmerecke, um ihn herum und an den Wänden Sofa, Sessel und Stühle. Die gleiche Anordnung zeigt schon der Entwurf von Ludwig Rumpf (Abb.). Auf dem Kamin, vor dem ein Kaminschirm steht, zwei Leuchter. Die Möbel aus hell behandeltem Ahornholz mit Silberbeschlägen sind von J. V. Raab. Der Raum vermittelt eine Vorstellung von der architektonischen Gestaltung und der Dekoration eines B. sowie von den Typen und Formen der sog. B.–Möbel, zu denen auch die spanische Wand (der vielteilige Paravent), kleine Tischchen (tricoteuse, table à fleurs, table déjeuner, toilette chiffonière), der Damenschreibtisch (bonheur du jour) u. a. zu zählen sind. – Auch das Schloß Monrepos bei Ludwigsburg [3, S. 14, 30] enthält ein B. genanntes Zimmer, das in den ersten Entwürfen von Ph. de la Guêpière achteckig gedacht und früher mit einem französischen Kamin in barock–klassizistischer Form ausgestattet war. Als Wandbespannung dient gelbe chinesische, mit bunten Blumen bestickte Seide, die Felder sind mit brauner, mit gelbem Weinlaubornament bestickter Bordüre eingefaßt. Über den Türen Landschaften von Friedrich Harper. – Im englischen Garten des herzoglich württembergischen Schlosses Hohenheim befand sich ein kleines Gebäude im Stil jener Gartenhäuser des Rokoko, das den Namen „Boudoir“ trug [1; 2, S. 90]. 1788–89 von Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer erbaut, bestand es aus einer Rotunde mit vier kreuzförmig angeordneten Kabinetten. Das Innere des Rundbaues stellt sich als ein Kuppelsaal mit Rundbogentüren zwischen breiten Pilastern dar, der auch von oben Licht erhielt – in der Kuppel viele kleine Putten –, mit einem Dutzend seidener Sessel, im Kreis aufgestellt, ausgestattet und in weißen, hellblauen und hellroten Tönen gehalten war. Die Kabinette, „reizende Schmollwinkel“, waren als Wohn–, Arbeits–, Bibliotheks– und Schlafraum gedacht und mit grünblauen, melierten oder grünen Tapeten versehen. Der Hofziseleur Berthold fertigte einen Kaminschirm aus Messing. Die Möblierung geschah 1789 durch die Tischler Hoffmann, Binder und Ziegler und bestand aus „Acht Stück Banquet mit Lehnen ohne Arm auf englische Art mit durchbrochenem Geländer“ für den Saal, einem Kanapee und vier Banquet für die Bibliothek, acht Sesseln mit durchbrochenen Lehnen für die Kabinette und einem Bett für das Schlafzimmer. Außerdem fertigte der Bildhauer Berrein zwei Trumeaus für die Kabinette, die mit Gemälden von Heideloff, Prospekten aus dem Garten, geschmückt waren. – In anderen Schlössern, die keine als B. bezeichneten Räume aufweisen, mögen kleinere Wohnzimmer – wie etwa der Salon der Markgräfin im neuen Schloß Bayreuth – und Kabinette – das ehemalige B. in Monrepos ist in den Inventaren „gelbgesticktes Kabinett“ genannt – diese Funktion übernommen haben.
Zur Abbildung
Frankfurt, P. B., Entwurf von Ludwig Rumpf (1762–1845) für das Boudoir der Würzburger Residenz. Um 1807–09. Nach einem Druckstock des Verlags Walter de Gruyter & Co., Berlin.
Literatur
1. Max Bach, Zur Baugeschichte von Hohenheim, Festschr. zur Feier des 50jährigen Bestehens der Altertümer–Slg. in Stuttgart, Stuttgart 1912, S. 128ff. – 2. Oskar Widmann, Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer 1746–1812, Diss. Stuttgart 1928. – 3. Hans Eugen, Monrepos, Veröffentlichungen des Württ. Landesamts f. Denkmalpflege 6, Stuttgart 1933. – 4. Ad. Feulner, Die Toskanazimmer der Würzburger Residenz, Zs. f. Kg. 3, 1934, S. 105ff.
Verweise
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