Bolus

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englisch: Bolus, Armenian bole; französisch: Bol d'Arménie; italienisch: Bolo d'Armenia.


J. Heinrich Schmidt (1942)

RDK II, 1033–1035


I. Stoff, Eigenschaften und Vorkommen

B. (Bol, von griech. βῶλος = Erdscholle, vgl. auch lat. bolarium = Farbstoffklümpchen) gehört zu den in der Natur vorkommenden fetten Tonerden, die nicht bei der Bildung der Erdoberfläche, sondern später durch die Zersetzung von feldspatigen Urgesteinen wie Granit, Gneis und Porphyr entstanden. Sie sind wasserhaltige Aluminiumsilikate. Es gibt weißen B. (B. alba), der dem Kaolin nahe steht und auch weißer Ton, Glanzton, Pfeifenton, Porzellanerde, Majolikaerde, China Clay genannt wird, und roten B., der seine Farbe wie die Ocker vom Eisenoxyd erhält und wie die Ocker je nach dem Gehalt an Eisenoxyd in gelben, roten bis braunvioletten Tönungen vorkommt. Er ist stärker hygroskopisch als die Ocker und nimmt mehr Öl auf. Von den in der Natur gefundenen Ockern unterscheidet er sich durch seine Bildsamkeit, die um so größer ist, je fetter der Ton ist und je mehr Wasser er aufzunehmen vermag. Auf Grund seiner Bildsamkeit und seiner Farbe war der B. seit dem Altertum ein wichtiger Werkstoff in der bildenden Kunst. In der pompejanischen Wandmalerei soll er von Bedeutung gewesen sein. Bei Plinius findet sich das Wort B. nicht. Sinopis und Rubrica soll z. T. den gleichen Werkstoff bezeichnen. Im MA galt der armenische B. als der beste. Man hat in der neueren Zeit in fast allen europäischen Ländern B. gefunden, so in Mitteldeutschland, in Schlesien, Sachsen und im Fichtelgebirge, in Ungarn, in England (um Cornwall), in Frankreich, in Italien und auf der Insel Malta.

II. Verwendung in der Keramik

In der Keramik hat der B. bei den Griechen wahrscheinlich eine besondere Bedeutung gehabt. Die γῆ λήμνια (Dioskurides 5, 113), die Lemnische Erde, die einmal im Jahr unter religiösen Zeremonien gegraben worden sein soll, die auch λήμνια σϕραγίς = Lemnische Siegelerde genannt wurde, soll wie die römische Terra sigillata alle Eigenschaften des B. besitzen. – In der Neuzeit hat der B. besonders zu A. 18. Jh. in der Keramik eine bedeutsame Rolle gespielt. Vgl. Böttger-Steinzeug (Sp. 1066ff.).

III. Verwendung bei der Vergoldung

Als Grund für die Vergoldung mit Blattgold ist der rote B. schon in der byzantinischen Kunst in der Monumental- und Tafelmalerei verwendet worden. Heraclius und der Mönch Dionysios vom Berge Athos berichteten davon. Man kann in den B.-Grund eine der Gravierarbeit in Edelmetall ähnliche Zeichnung einritzen und reliefartige, der Treibarbeit ähnliche Gebilde gestalten. Der B. und das Gold über dem B. kann mit dem Zahn oder dem Brunierstein, einem Halbedelstein (Achat, Amethyst), bis zu Hochglanz poliert werden. Diese Eigenschaften der Bildsamkeit und Polierfähigkeit – das Wort Boliment, Poliment kommt wahrscheinlich von B. – machen den B. bis in die Gegenwart zu einem wesentlichen Werkstoff des Vergolders. Wenn Theophilus bei der Vergoldung in der Miniaturmalerei einen roten Ocker empfiehlt, den man mit dem Zahn eines Bibers, Bären oder Ebers glättet, bis er zu leuchten beginnt, so ist damit B. gemeint. Cennini kannte den roten B. als Goldgrund in der Monumental- und Tafelmalerei und gab genaue Gebrauchsanweisungen. Vasari, der die nicht aufrecht zu erhaltende Ansicht vertrat, daß der aus Arezzo stammende Künstler Margaritone (geb. um 1236) den B. als Grund für die Vergoldung in die italienische Kunst eingeführt habe, behandelte in der Einleitung zu seinen Lebensbeschreibungen ausführlich den B. als Goldgrund. Nicht nur in der Malerei, sondern besonders in der Bildhauerkunst und im Kunstgewerbe ist der B. zur Bereitung des Goldgrundes in allen Jahrhunderten verwendet worden. Die Vergoldung von farbig gefaßten Holzskulpturen, von Bilderrahmen, Möbeln, des Stucco lustro wurde über B.-Grund ausgeführt. Cennini bereitete den B. mit Eiweiß. In der Gegenwart wird er mit einem Zusatz von Fett und Seife als Goldgrund verwendet. Vgl. Faßmalerei.

IV. Verwendung als Malgrund

In der Malerei wurde der rote B. seit dem 16. Jh. in Italien z.T. als Malgrund eingeführt. Als sich unter dem Einfluß der großen Venezianer die Alla-prima-Malerei ausbildete, strebte man möglichst schnell die endgültige Wirkung im Gemälde an. Bei dunklen Gründen kam man schneller zum Ziele. So haben sich besonders die sog. italienischen Faprestomaler im Gefolge des Caravaggio der roten B.-Gründe bedient. Die braun getönte, große Holzpalette ist in Zusammenhang mit diesen B.-Gründen eingeführt worden, weil sie sicherer die Übertragung der Tonwerte auf den Malgrund ermöglichte. Besonders bewährt hat sich der rote B.-Grund in der Bildnismalerei vor der Natur. Der B.-Grund wurde in diesem Zusammenhang mit Recht als „Stimmgabel für das Kolorit im Inkarnat“ bezeichnet. Der B.-Grund darf daher nicht stark saugend sein wie der Kreidegrund, sondern muß wie die Ölgründe die Tonwerte unverändert stehenlassen. Im übrigen hat der rote B.-Grund wie alle dunklen Gründe auch schwerwiegende Nachteile im Gefolge gehabt. Goethe hat in seiner Italienischen Reise darauf aufmerksam gemacht, daß Tintorettos Gemälde so dunkel geworden seien, weil er auf rotem Grund und ohne eine rationelle Anwendung von Lasuren gearbeitet habe. Man hat in den Schatten den B.-Grund gelegentlich nur mit ganz dünnen Lasuren übergangen, so daß er „durchgewachsen“ ist. Bei der Einführung des B.-Grundes wurden den optisch malerischen Interessen gegenüber die werkstofflichen Erfordernisse z. T. vernachlässigt. Rubens ging daher wieder zum weißen Kreidegrund über. Der B.-Grund hat sich aber trotzdem im Zeitalter des Barock gehalten. Volpato, einem um 1633 geb. Maler aus Bassano, war der B.-Grund geläufig. Der Maler Heinrich Ludwig, der die Petroleumfarben einzuführen versuchte, will bei Giorgione, Tizian, Tintoretto, Jacopo Bassano, Correggio, Carracci, Caravaggio, Poussin, Claude Lorrain, Max Doerner [4] bei Januarius Zick und der Blumenmalerin Rachel Ruijsch B.-Grund festgestellt haben. Für Giorgione und Tizian erscheint es zweifelhaft. Wenn es sich bestätigen sollte, haben sie die Gefahren des B.-Grundes auszuschalten verstanden. Künstler wie Goya haben sich besonders in der Bildnismalerei des B.-Grundes auf meisterhafte Weise bedient.

V. Verwendung in der Restaurierung

Der Restaurator verwendet den B. außer zur Grundierung besonders zur Herstellung von Kitten, um schadhafte Stellen von Gemälden, Skulpturen, an Möbeln, im Stucco lustro und in der Keramik ausbessern zu können.

Literatur

1. Jean Félix Watin, L’art du peintre, doreur, vernisseur etc., Liège 17742. – 2. Carl Hintze, Handbuch der Mineralogie, Leipzig 1897. – 3. Fritz Ullmann, Enzyklopädie der technischen Chemie, Berlin u. Wien 1928. – 4. Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Stuttgart 19365. – 5. Erich Stock, Taschenbuch für die Farben- und Lackindustrie, Stuttgart 19409. – Im übrigen vgl. Faßmalerei, Maltechnik, Porzellan, Vergoldung.

Verweise