Bollwerk
englisch: Bulwark, bastion; französisch: Bastion; italienisch: Barbacane, Bastione.
Karl Heinz Clasen (1942)
RDK II, 1030–1033
B. (Bastion, Barbakane; frz. boulevard), sprachlich gleich Bohlenwerk, muß ursprünglich eine Bezeichnung für eine Befestigungsanlage aus Holzbohlen gewesen sein. Man kann daraus schließen, daß das Wort recht alt ist und in eine Zeit zurückgeht, in der man im Wehrbau noch ganz allgemein Holz und Erde für die Verteidigung benutzte. Im heutigen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung B. sehr geweitet und verallgemeinert. Man kann darunter sogar jede Befestigung verstehen, die sich feindlichem Angriff entgegenstellt, wenn man z. B. von einem Bollwerk gegen den Angreifer spricht. In einem noch weiter übertragenen Sinne nennt man B. auch die Befestigung einer Geländestrecke, etwa eines Flußufers zur Sicherung des Flußlaufes und besonders zum Anlegen der Schiffe.
Im engeren Sinne bezeichnet B. eine bestimmte Anlage des geschichtlichen Wehrbaues. Man wird darunter in der Regel ein vorgeschobenes Verteidigungswerk aus Holz oder Stein verstehen, das in einem festeren oder lockeren Verhältnis zu einem größeren Verteidigungssystem, einer Stadtbefestigung, Burg oder Festung, steht. Der Begriff B. deckt sich dann fast völlig mit dem der Bastion (RDK I, Sp. 1508ff.). Es wäre allenfalls möglich, den Begriff Bastion etwas enger zu fassen und vorwiegend für die neuzeitlichen B. zu verwenden, wie das Viollet-le-Duc tut [1, S. 176ff.]. Er nennt Bastion die vorspringenden Befestigungswerke, wie sie mit dem 16. Jh. aufkommen. Piper [2, S. 253] dagegen zählt B. und Bastionen zu den Wehrbauformen, die der Entwicklung von 1450–1700 eigentümlich sind. Aber schon 1386 kommen in Rechnungen der Stadt Geldern vorspringende steinerne Mauertürme als „bolwerke“ vor. Klare und allgemeingültige Unterschiede gibt es demnach nicht, die Begriffe schwanken und werden von den einzelnen Forschern und in den verschiedenen Ländern unterschiedlich verstanden. Es ist jedoch zweckmäßig, den sich nur zeitlich wandelnden Formen eines durch die ganze Entwicklung hindurch gleichbleibenden Verteidigungsprinzips keine verschiedenen Namen zu geben.
Für die der neuzeitlichen Bastion wesensverwandten Formen des MA hat Viollet-le-Duc [1, S. 166ff.] die wortverwandten Bezeichnungen bastide, bastille, bastillon. Der deutsche Sprachgebrauch kennt keine feste und allgemeingültige Benennung der m.a. vorgeschobenen Verteidigungsanlagen. Eine vorwiegend französische Bezeichnung ist auch Barbakane. Viollet-le-Duc [1, S. 111ff.] versteht darunter ein Verteidigungswerk, dem die Aufgabe zufiel, eine Toranlage oder sonst einen Durchgang durch eine Wehrmauer zu schützen oder zu verstärken. Es handelt sich also um einen Sonderfall des B. oder der Bastion, dem aber als Verteidigungsprinzip und auch als Wehrbauform keine Besonderheit zukommt. Piper [2, S. 315, Anm. 2] gibt an, daß das Wort „Barbakane“ arabischen oder keltischen Ursprunges sei. Es wird im deutschen Wehrbau seltener angewandt und ist hier besonders durch das Barbakane genannte Vorwerk des Florianitores zu Krakau (Abb. 1) bekannt geworden. Eine B. kann fast rund, halbrund oder auch eckig unmittelbar aus dem Mauerzuge herausspringen oder, mit ihm durch Quermauern verbunden, frei vor der Hauptbefestigung liegen. In Deutschland sind solche Torverstärkungen nicht selten gewesen. Die Barbakane von Krakau umschließt fast vollrund einen großen Innenhof, über den der Weg zum Haupttore führt. In drei Rängen übereinander sind Verteidigungsstellungen angeordnet. Krakau besaß auch eine entsprechende, jetzt verschwundene Anlage mit eckigem Grundriß. Mächtige Anlagen dieser Art verstärkten auch die Tore der m.a. Stadtbefestigung von Köln [3]. Der sog. Kaisertrutz in Görlitz (Abb. 2) besitzt nur einen kleinen Innenhof und steigt daher geschlossener und turmhafter auf. Bei ihm führt, wie es auch sonst noch vorkommt, der Weg nicht durch das Innere, sondern außen vorbei (weitere Beispiele s. Bastion, RDK I, Sp. 1508ff.).
Die deutsche Bezeichnung B. wurde von den Franzosen als boulevard aufgenommen, Viollet-le-Duc [1, S. 219ff.] nennt so die vorgeschobenen Verteidigungswerke am E. 15. und im 16. Jh. Ein grundsätzlicher Unterschied zu den neuzeitlichen Bauformen besteht nicht. Nach Beseitigung der Stadtbefestigungen im 19. Jh. übertrug sich der Name boulevard auf die breiten, baumbepflanzten Straßenzüge, die an ihrer Stelle angelegt wurden.
Zu den Abbildungen
1. Krakau, Barbakane des Florianitores, zw. 1497 und 1505. Phot. St. Kolowca, Krakau.
2. Görlitz, sog. Kaisertrutz, Vorwerk des Reichenbacher Tores, E. 15. Jh. Phot. Provinzialkonservator von Niederschlesien, Breslau.
Literatur
1. Viollet-le-Duc, Architecture II. – 2. Otto Piper, Burgenkunde, München 19123. – 3. Kölner Torburgen und Befestigungen, Köln 1883.
Verweise
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