Blumendekor
englisch: Flower decoration; französisch: Décor floral; italienisch: Decorazione a fiori.
Erich Köllmann (1942)
RDK II, 942–946
B. nennt man eine besondere Verzierungsart für Porzellan, die meist in Überglasurfarben, gelegentlich auch in Unterglasurfarben ausgeführt wird.
Keramische Gefäße mit pflanzlichen Ornamenten zu verzieren, ist schon in vorgeschichtlicher Zeit üblich gewesen. Allerdings verwendet man bis zur Barockzeit fast ausschließlich mehr oder weniger stilisierte Ranken (abgeleitet von Akanthus, akeleiartigen Gewächsen, gelegentlich auch Rosen oder Tulpen), die sich um Hals, Fuß, Rand usw. der Gefäße legen. Erst nach der M. 17. Jh. kann man von Blumenmalerei sprechen; damals kam, veranlaßt durch die gesteigerte Einfuhr von ostasiatischem Porzellan durch die Holländer, der Brauch auf, Blumen derart anzubringen, daß sie in gleichsam natürlichem Fall auf den Malgrund verteilt erscheinen. Die Versuche, das Porzellan in Europa herzustellen, erstrecken sich nicht nur auf dessen keramische Eigenschaften und Vorzüge, obwohl dies das eigentliche Ziel ist, sondern auch auf ein möglichst täuschendes Nachahmen der äußeren Erscheinung und Wirkung, also auf ein Kopieren des Dekors auf anderen Materialien. Vor Böttgers Erfindung vermochte man das Äußere des ostasiatischen Porzellans am besten in Fayence, Milchglas und Email nachzuahmen; in der Entwicklung ihrer Blumenmalerei sind diese dem B. des Porzellans so ähnlich, daß das hier Gesagte mutatis mutandis auch für sie gilt (während der Pflanzen- und Früchtedekor der von italienischen Vorbildern beeinflußten früheren Fayencen anderen Gesetzen folgt).
Wenn auch bei dem engen Zusammenhang der beiden Hauptländer des ostasiatischen Porzellans eine strenge Scheidung der Dekorationsmotive in chinesische und japanische kaum möglich erscheint, so mag man als Gedächtnisstütze die strenger stilisierten, ornamental eingerahmten, flächenfüllenden Blumenmuster von großer Haltung als vorzüglich chinesisch, die zart bunten, asymmetrisch die Fläche belebenden Garten- und Blumenmotive als japanisch ansehen. Folgende Hauptgruppen von B. lassen sich in der deutschen Porzellanmalerei unterscheiden:
1. Indianische Blumen: Die Erfindung des europäischen Porzellans fällt in die Zeit, in der das japanische Arita-Porzellan (Imari-Ware des Sakaïda Kakiyemon) sich in Europa großer Beliebtheit erfreut. Ein häufiges Motiv (urspr. chinesisch) sind aus einem durchlöcherten Felsen herauswachsende zackige Zweige mit Blüten und kleinen Streublumen in bunten Farben oder Päonien. Diese Verzierungsart ist die, die das Meißner Porzellan zuerst aufnimmt (Abb. 1). Die Übernahme geschieht anfangs nicht sklavisch oder kopierend (s. Lit. Schnorr von Carolsfeld, S. 43). Es werden zwar die ostasiatischen Motive (Astern, Päonien, Chrysanthemen) verwendet, aber die Farbenskala ist von Ostasien unabhängig (feuriges Eisenrot, Violett, Gelb, zweierlei Grün, tiefes Blau, Gold). Diese in den 20er Jahren des 18. Jh. blühende Dekorationsart wird um 1730 herum verlassen und das Imariporzellan oft bis zur Täuschung ähnlich kopiert (Eisenrot, Meergrün, Überglasurblau, Gelb, Purpur, Gold, Schwarz). Chinesische, aber auch deutsche Blumen (s. u.) zeigen die Gefäße mit farbigem Fond nicht nur in den Reserven, sondern auch in den farbigen Grund verstreut. Die Blaumalerei unter der Glasur hat als bekanntestes Muster das sogenannte Zwiebelmuster hervorgebracht, doch reichen diese Dekore nicht an die chinesischen Vorbilder heran. Sie spielen auch für die Entwicklung des europäischen B. nur eine untergeordnete Rolle. Eine Abart der Blaumalerei stellt die ebenfalls von Ostasien kommende Verbindung von Unterglasurblau mit bunten Emailfarben dar. Ostasiatische („indianische“) Blumen sind ferner ein beliebtes Motiv für Gewandmuster der Porzellanfiguren.
2. Deutsche Blumen: Um 1740 beginnt in Meißen eine neue Art von B. an Boden zu gewinnen. Man macht sich mehr von ostasiatischen Vorbildern frei. Die sogenannten „deutschen Blumen“ wie Rosen, Nelken, Ringelblumen, Vergißmeinnicht, Flieder usw. in Form von Sträußen, Girlanden, Streublumen, die nun in Aufnahme kommen, sind ursprünglich noch unfrei in der Behandlung und werden meist nach Kupferstichen kopiert (Schnorr von Carolsfeld, S. 92). Sogar der zuweilen vom Kupferstich gegebene Schlagschatten wird mit abgebildet (Saxe ombré). Erst im Laufe der Zeit wird dieser steife, ungelenke Dekor durch einen frischeren abgelöst (Abb. 2). Trotzdem wäre die Annahme falsch, „deutsche Blumen“ gäbe es erst seit der M. 18. Jh. Die Wiener Fabrik unter Du Paquier z. B. verwendet auf Wandplatten für ein Zimmer des Grafen Dubski in Brünn (ca. 1725) bereits deutsche Blumen neben ostasiatischen Motiven (Schnorr von Carolsfeld, S. 114). Die eigentliche Verwendung als Geschirrdekor beginnt aber auch hier um 1740 („gesäte Blümeln“. Die später so beliebten Streublumen leiten sich vielleicht von dem Gebrauch ab, auf kleine Fehler in der Masse Blumen zu malen). Den Höhepunkt dieses B. erreicht jedoch die Berliner Manufaktur. Sie ist diejenige, die neben und in Konkurrenz zu Meißen den eigentlichen Stil der deutschen Blumen schafft. Das Porzellan der Gotzkowski-Zeit, soweit es sich genau aufzeigen läßt, hat noch etwas steife Blumen, während der Dekor des im Jahre 1765 für das Neue Palais bestellten Tafelgeschirrs Friedrichs des Großen schon den neuen Stil in dem B. zeigt. Die Blumen liegen duftig und leicht auf der Fläche auf, ohne Schlagschatten und dergl. Augentäuschungen anzustreben. Zerrissene Blumenranken beleben die Fläche, Farben und Masse weisen zwar noch kleine Mängel auf, was allerdings einen besonderen Reiz gerade dieses Geschirrs ausmacht. Das zwei Jahre später angefertigte Breslauer Geschirr macht den eigentlichen Triumph des Berliner B. aus und wirkt vorbildlich auf die übrigen deutschen Manufakturen. Die großen Blumen in prächtigen, wohlharmonierenden Farben dieses mit blauen Schuppenfeldern am Rand verzierten Geschirrs sind zu lockeren Gruppen (noch nicht wie später Sträußen) vereinigt. Die späteren Geschirre erreichen diese Unbefangenheit nicht mehr; die etwas pedantischer gegebenen, enger an das Naturbild angeschlossenen Blumen werden zu Sträußen zusammengefaßt. Die Wahl der Blumen ist auch einem gewissen Wechsel unterworfen. So werden für das Blaue Breslauer Service Tulpen, Rosen, Ranunkeln bevorzugt. Für das Rote Potsdamer Rosen, Nelken, Flieder (wegen des neugefundenen Rosenpurpurs), für das Gelbe Potsdamer Malven, Winden und Gräser.
3. Camaieu-Malerei: Eine Spezialität, die sowohl für indianische als für deutsche Blumen in Anwendung kommt, ist die in einer oder wenigen Phantasiefarben, die sogenannte Malerei en camaieu. Während Meißen, das sie zuerst benutzt, vor allem ostasiatische Motive in dieser Weise darstellt, werden in Berlin, das nur in Ausnahmefällen überhaupt indianische Blumen verwendet, fast ausschließlich deutsche Blumen en camaieu gemalt, und zwar entweder einfarbig (Purpurrot, Kupfergrün, seltener Eisenrot) oder in zwei bis drei Farben (Schwarz-Rot, Violett mit Grün, Purpur-Schwarz-Grün, oft mit Gold gehöht).
4. Der gegen 1770 stark einsetzende Einfluß der Manufaktur in Sèvres bringt einen neuen Zug in den B. Man geht von der lockeren Anordnung der Blumen wieder zu einer tektonischen Anordnung über, sei es, daß man den Streublumen eine strenge stoffmusterartige Verteilung gibt, sei es, daß man Girlanden an Goldrändern gleichsam aufhängt oder Kränze im Fond von Tellern und Schüsseln anbringt. Vasen werden mit Girlanden, die sich spiralig um den Körper legen, dekoriert. Auch die farbigen Fonds mit ausgesparten Reserven, in denen strenge, gewundene Blumensträuße stehen, gewinnen wieder größere Beliebtheit. Die Farbenpracht der Sèvresporzellane, bei denen Königsblau, Rose Pompadour, Türkisblau, Apfelgrün wegen der Zusammensetzung der pâte tendre besonders leuchtend kommen, reizt die deutsche Manufaktur zur Nachahmung und oft zu einer etwas peinlichen Buntheit. Als neue Blumen gelangen nunmehr kleine Garten- und Wiesenblumen, die dem „zurück zur Natur“ entsprechen, zur Verwendung, zuweilen als „Blumen aus Terrasse“, d. h. natürlich aufwachsend. Beliebt sind ferner das blaublühende Immergrün (Lieblingsblume Rousseaus), sogenannte „Barbeaublümchen“. Dem Hang zur Sentimentalität tragen Monogramme aus Ranken oder Girlanden, später auch die versteckten Namen Rechnung (z. B. Berta: Balsamine, Efeu, Rose, Tulpe, Akelei). Vom Empire, der nochmals großen Zeit des B. (botanisch genau, künstlerisch wie Ölmalerei nicht dekorativ, sondern bildmäßig), geht der B. schon ins Biedermeier über, das in Zeichnung und Farbengebung auf einem recht bescheidenen Niveau verharrt. Als nicht direkt zum B. gehörend seien schließlich die Reliefblumen (die in die Masse eingepreßten Blumenmuster, z. B. „Gotzkowskis erhabene Blumen“) sowie die aufgelegten plastischen, meist farbig staffierten Blumen (Schneeballvasen) erwähnt.
Zu den Abbildungen
1. Stuttgart, Landesgewerbe-Mus., Teller mit „indianischen Blumen“, Meißen, um 1730. Durchm, 23,5 cm. Phot. Mus.
2. Stuttgart, Landesgewerbe-Mus., Schüssel mit „deutschen Blumen“, Nymphenburg, um 1760. 22:30 cm. Phot. Mus.
Literatur
Eine eigentliche Spezialliteratur über B. gibt es nicht. Es sei deshalb auf das umfangreiche Literaturverzeichnis bei Ludw. Schnorr von Carolsfeld, Porzellan der europäischen Fabriken des 18. Jh., Berlin 19224, hingewiesen. Bemerkungen über B. finden sich in den dort angegebenen Büchern über die einzelnen Manufakturen verstreut.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Köllmann, Erich , Blumendekor, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1942), Sp. 942–946; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88899> [05.10.2024]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.