Bettwärmer
englisch: Pan, warming, warming pan, bed-warmer; französisch: Bassinoire; italienisch: Scaldaletto, caldano.
Hans Wentzel (1939)
RDK II, 448–452
Unter B. (Bettpfanne, Wärmpfanne; frz.: bassinoire, bassinoelle. chauffelit; engl.: warming pan; schwed.: sängvärmare) versteht man eine flache, runde, metallene Deckelpfanne von 30-40 cm Dm. und mit einem bis gegen 1 m langen Stiel, die mit glühenden Holzkohlen gefüllt durch Hin- und Herführen zum Erwärmen des Bettes dient; nur ausnahmsweise sind die B. statt mit einer langen Handhabe mit einem Griffhenkel versehen (Borg i. Westfalen [7]). Den Gebrauch des B. erläutert ein Stich des Sigmund Freudenberg [2, Abb. 191; 3, Titelbild] und ein bei Havard [2] abgedrucktes, aus dem 16. Jh. stammendes Gedicht von Pierre Delarivey.
Verbreitung. In allen nördlichen Ländern Europas ist der Gebrauch eines B. bekannt: in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Skandinavien und in England (The South Kensington Museum, London 1881, II, 31). Während er in Frankreich hauptsächlich nur für höhere Kreise bestimmt gewesen zu sein scheint, ist er schon in Lothringen weitverbreitet, in Deutschland unentbehrliches Hausgerät bei Bürgern und Bauern, in Skandinavien ein allein städtisches Gerät. Erhalten hat sich der B. im Gebrauch wesentlich nur in Niederdeutschland; sein Platz ist dort noch heute – wie schon auf niederländischen Bildern des 17. Jh. erkennbar (Pieter de Hooch, K.F.M. Berlin) – zur Seite des großen Wandbettes oder Alkovens; blank geputzt ist er ein wesentliches Prunk- und Schaustück der Bauernstube. In Miniaturform kommt der B. häufig in deutschen, englischen und schwedischen Puppenstuben des 18. Jh. vor (derartige B. aus Silber und Messing von 3-8 cm Dm. in Stockholm, Hallwylska Mus.).
Material. Der B. besteht zumeist aus Messing oder Kupfer, das Becken zur Aufnahme der Kohlen zuweilen aus Eisen. Der Stiel ist durchgängig aus Holz, dockenartig gedrechselt, meist vielfach erneuert und nur in besonders aufwendigen Beispielen aus dem gleichen Metall wie der B. Nur literarisch belegt sind die für fürstlichen Gebrauch bestimmten B. aus Gold (Karl V., 1532 [2]) und aus Silber (1501 zuerst erwähnt [1]; 1589 Katharina von Medici; Ludwig XIV. besaß eine Garnitur von 10 silbernen B. mit Lilien und seinem Wappen geschmückten, durchbrochenen Schauseiten, einen der Gartenarchitekt Le Nôtre). Nicht erhalten haben sich die gelegentlich (so 1583) erwähnten B. aus Eisen, nur selten solche aus Zinn.
Geschichte. Die ältesten Erwähnungen von B. scheinen sich nicht auf die später gebräuchliche Bettpfanne zu beziehen. Man benutzte als B. anscheinend anfänglich (und später als billigen Ersatz) in Tücher geschlagene oder in Lederkapseln gesteckte Holzbretter [1, S. 348], sauber glasierte Backsteine usw. Jedoch sind die Erwähnungen in frz. Inventaren des 15. Jh. bassinoelles, bacinouères und chauffelits [1] schon auf Bettpfannen zu beziehen. Vermutlich ist daher auch der B. in Frankreich entstanden, vielleicht begünstigt durch die Blüte der Metallindustrie in Flandern und Lothringen. Denn schon damals (der B. Ludwigs XI. von dem poeslier, also dem Beckenschläger Loys Boutard 1481 erworben) wurden sie von den Beckenschlägern (RDK II, Sp. 151ff.) hergestellt. Mit deren Haupterzeugnis haben sie die Technik, das Schlagen nach Stanzen, die serienweise Herstellung, das Festhalten an den gleichen Ornamenten, ja zum Teil die Darstellungen (s. unten) gemeinsam. – Von Frankreich-Lothringen scheint sich der B. nach dem Osten verbreitet zu haben. Aus Deutschland stammen die ältesten Beispiele aus dem 17. Jh., um 1700 erlebt er hier seine größte Blüte. Von Deutschland und den Niederlanden aus ist der B. nach Skandinavien eingeführt worden, zumeist wohl als Fertigware. – Im späten 18. Jh. (in Frankreich 1770) wird der B. als Hausgerät von England aus abgelöst durch die künstlerisch völlig anspruchslose, schon im 17. Jh. bekannte [3, S. 9, Abb. 5] Wasserwärmflasche.
Form und Verzierung. Die reichste Verzierung des B. findet sich im Westen. Die lothringischen B. sind in vielen Fällen Einzelstücke in prachtvoller Treibarbeit mit persönlichen Wappen, Besitzerinschriften, Devisen (Da pacem domine) usw., also zumeist auf Bestellung angefertigt. Die Ornamente entsprechen denen der westlich orientierten Becken: Hirsch, Hirschjagd in Rankengewinden, Herzen und Lilien. Die Öffnungen sind vielfach nur als große Punkte eingeschnitten (E. Polaczek, Volkskunst im Elsaß, München o. J., Abb. 116). Die deutschen B. sind im allgemeinen einfacher, dieselben Motive kehren stets wieder, Einzelanfertigung auf Bestellung scheint nur selten stattgefunden zu haben (B. mit Wappen im G.N.M. Nürnberg). Das verbreitetste Motiv in Ausschnitt- oder Treibarbeit ist der Blumentopf (Abb. 2; Rosen oder Nelken [5. 6. 7.]), dessen verzweigte Verästelungen die beste Gelegenheit zur geschickten Einarbeitung der notwendigen Deckeldurchbrechungen gaben (Abb. 1). Um 1700 sind die Ornamente besonders schön, die Treibarbeit sehr plastisch. Gelegentliche Variationen ergeben sich dadurch, daß die Rosen oder Nelken statt aus einer Vase aus einem Herzen wachsen, daß Schwäne heraldisch um die Pflanze geordnet werden [6]. Die reichen schleswig-holsteinischen B. [5] zeichnen sich durch üppige Schmuckgewinde und die Auflösung des Blumenstockes in ein dekoratives Rankengespinst aus. Religiöse Motive wie die Verkündigung (Wiedenbrück [7]) erklären sich als genaue Übernahme aus dem Formenschatz der Becken – wie auch die bei den achteckigen Becken beliebten stehenden Figuren in modischen Kostümen des 18. Jh. vorkommen (Kopenhagen, Nat.Mus., Raum 42). Ungewöhnlich ist etwa das Motiv des auf einem Fasse reitenden Bacchus (Die Denkmalpflege 7, 1905, S. 34), selten auch der Hirsch. Im 18. Jh. werden die B. thematisch steifer und lebloser, technisch flacher, mehr graviert als getrieben. – Innerhalb der deutschen Produktion scheint die ausschließliche Verwendung von Messing typisch für Niederdeutschland, die stärkere Bevorzugung von Kupfer, zusammen mit einer steileren Form, für Süddeutschland; die sicher süddeutschen B. sind flauer im Gesamtumriß, ärmer im Motivschatz, gehören dem 18. und frühen 19. Jh. an und sind vermutlich späte Nachahmungen eines spezifisch lothringisch-belgisch-niederdeutschen Hausgeräts.
Von ähnlicher Arbeit und wohl Erzeugnis desselben Handwerkers ist die sog. Feuerkieke; sie dient zum Erwärmen der Füße, ist zum Stellen eingerichtet, zumeist vieleckig – wie der B. aus Messing, mit Treibarbeit versehen und den üblichen Öffnungen zur Lüftung der Holzkohle.
Zu den Abbildungen
1. Dagebüll (Schleswig), Priv.Bes., Messingbettwärmer, 1761. Das Blumen- und Rankengewinde des Mittelteils in Ausschnittarbeit. Phot. Dr. Ernst Schlee, Kiel.
2. Bremen, Focke-Mus., Messingbettwärmer in Treibarbeit, 18. Jh. Phot. Dr. Ernst Schlee, Kiel.
Literatur
1. Gay I, S. 348, s. v. chauffelit, S. 125, s. v. bassinoire. 2. Henri Havard, Dict. de l’ameublement I2, Sp. 271ff. (s. v. bassinoire), Sp. 785 (s. v. chauffelit). 3. F. M. Feldhaus, Die Geschichte der Wärmflasche, Schwarzenberg 1923 (Privatdruck). 4. G. Demeufve, La bassinoire en Lorraine, L’art populaire en France 4, Paris-Straßburg 1932, S. 77ff. 5. Adolf Spamer, Die deutsche Volkskunde 2, Berlin 1935, S. 292/93. 6. Hans Karlinger, Deutsche Volkskunst, Berlin 1938, S. 482, Taf. 15. 7. Inv. Westfalen, Kr. Münster-Land, Taf. 93, 2 u. 3; Kr. Steinfurt, Abb. S. 39; Kr. Wiedenbrück, Taf. 55.
Empfohlene Zitierweise: Wentzel, Hans , Bettwärmer, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1939), Sp. 448–452; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88843> [26.09.2023]
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