Betpult

Aus RDK Labor
Version vom 19. Februar 2015, 15:18 Uhr von Zi (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

englisch: Prie-dieu, prayer desk, prayer-stool; französisch: Prie-dieu; italienisch: Inginocchiatoio, prega-Dio.


Fritz Traugott Schulz (1938)

RDK II, 378–383


RDK II, 379, Abb. 1. 15. Jh. Berlin.
RDK II, 379, Abb. 2. Riemenschneider. Frankfurt a. M.
RDK II, 379, Abb. 3. Kenzingen in Baden, 1517.
RDK II, 379, Abb. 4. Adelsheim in Baden, 1497.
RDK II, 381, Abb. 5. Jörg Zürn, 1613-34.
RDK II, 381, Abb. 6. G. R. Donner, um 1732.

I. Begriff, Verwendung

Das B. ist begriffsmäßig zu scheiden von dem Sing-, Chor-, Schreib- oder Studierpult (scriptionale), erfüllt aber ähnliche Aufgaben wie das Lesepult (lectrinum, lutrin) und hat unter Umständen ähnliche Form. Es ist darunter ein standfestes Gerät oder Möbelstück mit schräger Fläche zum Auflegen des Gebetbuches zu verstehen, an welchem in der Regel knieend die Andacht (Einzelandacht) verrichtet wird, weshalb es auch häufig mit einem Knieschemel verbunden, auch wohl zuweilen mit Kerzenhaltern versehen ist. Im katholischen Gottesdienst wird das B. nur außerhalb der Meßliturgie, bei Andachten u. ä. verwendet und findet dann meist seinen Platz in der Mitte des Chors oder des Langhauses; auf einer Innenansicht des Würzburger Doms von 1627 (Inv. Bayern III, 12, S. 46) steht das mit Stoff verhangene B. in der Nähe eines Seitenaltars, auf dem Bilde des hl. Benedikt von Franz N. Streicher (1777, Michaelbeuren) vor dem Hochaltar. Dagegen war das B. ein wichtiges Stück des Hausrats im mittelalterlichen, besonders im spätmittelalterlichen Wohnhaus. Es hatte seinen Platz vor allem im Schlafzimmer, am Bett oder am Fenster. Im Freien wurde es vor Bildstöcken und Grabmälern verwendet; so befand sich anfänglich vor dem Schreyerschen Grabmal von Adam Kraft (1492) an St. Sebald in Nürnberg eine „knystat“. – Von einem Denkmälerbestand an Originalstücken kann kaum gesprochen werden, so daß wir in der Hauptsache auf Bildquellen angewiesen sind. Besonders ergiebig sind Grabmäler und Darstellungen der Verkündigung, wobei jedoch erst von ungefähr 1400 ab mit sachlich-getreuer Wiedergabe zu rechnen ist.

II. Schaftpult

Die früheste und auch späterhin noch gebräuchliche Form des B. ist die dem Lesepult entlehnte Schaftpultform: Beispiele sind die Darstellungen der Verkündigung am Klosterneuburger Altar von Nikolaus von Verdun (1181); vom Meister vom Bodensee (um 1420) im Städt Mus. Freiburg; von einem österreichischen Meister (um 1440) im K.F.M., Berlin – in beiden Fällen mit kostbaren Decken behängt –; von einem mainfränkischen Meister (1470-80) im G.N.M., Nürnberg; als Alabastergruppe in München, B.N.M., Tirol (?) um 1500. Das Schaftpult kommt auch als Bank oder als Truhenkasten mit aufgesetztem metallenem, einmal oder zwiefach gewinkeltem Stab vor, der die einfache oder doppelte (dachförmige) Schrägplatte trägt (Viollet-le-Duc [1]): Verkündigung aus Heiligenkreuz um 1400, Khist. Mus. Wien; Heimsuchung, salzburgisch um 1430, Mus. Carolino-Augusteum Salzburg; Verkündigung von F. Herlin, Nördlingen (1459); Alabasterrelief der Verkündigung im K.F.M., Berlin (Abb. 1).

III. Kastenpult

Gebräuchlicher ist das aus dem frühmittelalterlichen Schreibpult hervorgegangene Kastenpult, ein kastenartiges Gehäuse mit Schrägpult, rückseitigen oder seitlichen offenen oder verschließbaren Regalen für Bücher, Leuchter usw.; als leichtes, hinten offenes Gestell auf der Verkündigung des Kölner Altars vom E. 14. Jh. im K.F.M., Berlin (1627 A); als festes schweres Pult mit kleinen Bücherschranktüren und Kniebank bei der Verkündigungsmaria der Altert.-Slg. Horb und der aus Alabaster von T. Riemenschneider (Abb. 2); als truhenartiger Kasten mit nahezu waagerechter Deckplatte am Grabmal der Veronika von Hürnheim († 1517) in Kenzingen (Abb. 3). Gelegentlich bauen sich über dem eigentlichen Kastenpult Regale, Baldachine oder ganze Schränkchen auf (Verkündigungsaltärchen aus Terrakotta in Köln, Diözesanmuseum); auch niedrige Postamente zum Ablegen von Gegenständen werden angeschoben (Marienburg, Marientod, um 1400). Jedoch konnten zweifellos auch die kastenartigen Unterteile oder Untersätze von Anrichten und Prunkmöbeln als B. dienen; es ist also nicht jedes Möbel, an dem eine Verkündigungsmaria kniet, ohne weiteres als B. anzusehen. Auch in nachmittelalterlicher Zeit kommt das Kastenpult noch vor: als gedrungener Truhenkasten mit aufgesetztem schmalem Pult an Jörg Zürns Überlinger Hochaltar (Abb. 5); in ausgeprägten Barockformen an A. Faistenbergers Verkündigung im Münchener Bürgersaal.

IV. Bankpult

Aus dem Kastenpult entwickelt sich im 15. Jh. das Bankpult; zunächst ein massives, aber sehr schlankes Möbel (vgl. Sp. 388, Abb. 4), das mehr und mehr seine doppelte Aufgabe „Schrankkasten und Pult“ verliert und in der ausschließlichen Vereinigung von Kniebank und hochgelegter Buchschräge sich der in der Kirche gebräuchlichen Kniebank annähert; frühe Beispiele die Grabmäler des Martin von Adelsheim, † 1497, Adelsheim, St. Jakob (Abb. 4) und des Paulus von Abtsberg, † 1503, in Gunzenhausen. Diese Form ist dann besonders im 17. und 18. Jh. verbreitet; vgl. die schönen Originalpulte im Schloß Fröhliche Wiederkunft (Inv. Sachsen-Altenburg 2, S. 174) und im Mus. Plantin in Antwerpen (Hirths Formenschatz 1895, Nr. 26); ein prachtvolles volutenförmig geschwungenes B. an G. R. Donners knieendem Fürsten Esterházy im Dom zu Preßburg (Abb. 6), etwas einfacher das B. in J. Christians Verkündigung am Zwiefaltener Chorgestühl.

V. Betstuhl

Tritt das B., namentlich in der Form des Bankpults, in Verbindung mit einer Sitzbank mit Rückwand und vielfach auch mit einem Baldachin, so wird man von einem Betstuhl sprechen; dieser kommt – in der Gesamtform den Dreisitzen ähnlich – seit dem 15. Jh. als Sitz für Fürsten beim Gottesdienst vor und hat seinen Platz an bevorzugter Stelle in der Kirche. Ein besonders schönes Beispiel ist der Betstuhl des Grafen Eberhard von Württemberg in der Amanduskirche seiner Residenz Urach vom Jahre 1472. (Weitere Beispiele bei Otte I, S. 292.) Entwicklungsgeschichtlich ist der Betstuhl der Ausgangspunkt für den namentlich seit der Reformation in den Kirchen beider Konfessionen häufigen Kirchenstuhl (Betloge, Betstuhl, Familienstuhl, Fürstenstuhl, Herrschaftsstand, Pastorenstuhl, Patronatsstuhl, Prieche), ein nur nach vorn offenes oder zu öffnendes Gehäuse, das frei in der Kirche stehen oder in Nischen oder emporenartig eingebaut werden kann. S. Kirchenstuhl.

Zu den Abbildungen

1. Berlin, D. M., Inv. Nr. 8401. Verkündigungsgruppe aus Alabaster. 3. V. 15. Jh. Phot. Prof. Dr. O. Schmitt, Stuttgart.

2. Frankfurt a. M., Priv. Bes. Maria einer Verkündigung. Von Tilm. Riemenschneider. Alabaster. Phot. Prof. Dr. O. Schmitt, Stuttgart.

3. Kenzingen in Baden, Stadtkirche. Grabmal der Veronika von Hürnheim, † 1517. Phot. W. Kratt, Karlsruhe.

4. Adelsheim in Baden, Epitaph des Martin von Adelsheim, † 1497. Phot. W. Kratt, Karlsruhe.

5. Überlingen, Stadtkirche. Verkündigung in der Predella des Hochaltars von Jörg Zürn, 1613-34. Phot. A. Lauterwasser, Überlingen.

6. Preßburg, Dom, Elemosynariuskapelle. Marmorstatue des Stifters Fürstprimas Emerich Esterházy am Altar von Georg Raphael Donner, vor 1732. Phot. Österreichische Lichtbildstelle, Wien.

Literatur

1. Viollet-le-Duc, Mobilier I, S. 175. 2. Lehnert I, S. 270. 3. Bergner. 4. O. von Falke, Deutsche Möbel d. MA u. d. Renaissance, Stuttgart 1924.

Verweise