Basselisse
englisch: Basse-lisse, low warp, horizontal loom; französisch: Basse-lisse (tapisserie); italienisch: Basso liccio.
Betty Kurth (1937)
RDK I, 1506–1507
Basselisse (tieflitzig, tiefschäftig, tapisserie à pédales, tapisserie à marches) heißt jenes Verfahren der Bildteppichwirkerei (s. Bildteppich), bei dem – im Gegensatz zu dem aufrechten Stuhl der Hautelisse-Arbeit – die gespannte Kette in waagrechter Lage vor dem Wirker angebracht ist.
Die B.-Stühle des Mittelalters, oft nur einfache Holzrahmen, entbehrten aller mechanischen Mittel zur Fachöffnung. Die Eintragung der Schußfäden erfolgte mittels eines nadelartigen Instruments, mit dessen stumpfer Spitze der Wirker abwechselnd einen Kettfaden hob, den nächsten herabdrückte. In der späteren Zeit versah man die B.-Stühle, ähnlich dem alten Handstuhl der Leinenweber, mit Schäften, das sind Trittvorrichtungen, mit deren Hilfe der Arbeiter das gerade oder ungerade Kettenfach nach Bedarf heben oder senken konnte. Darin lag ein Vorteil dieser Technik, da der Basselissier beide Hände für die Bedienung der Fliete freihatte, während der Hautelisse-Wirker die Linke ständig zum Griff in die Litzen bereithalten mußte. Während jedoch bei der Hautelisse die Zeichnung mit allen Einzelheiten auf die Kette gepaust wurde und der Karton zum Vergleich neben dem Stuhl befestigt war, arbeiteten die Basselissiers zumeist ohne Kettvorzeichnung unmittelbar nach der unter der Kette liegenden Vorlage. Diese war zum Teil von den Fäden bedeckt und nicht in allen Details gut zu überblicken. Dazu kam, daß der Basselissier auf der Rückseite des Gewebes wirken, ein Spiegelbild des Originalentwurfs anfertigen mußte und keine Möglichkeit hatte, die Schauseite während der Arbeit zu besichtigen und zu vergleichen. Diese Mißstände wurden erst in der Mitte des 18. Jh. durch technische Verbesserungen beseitigt, an denen der Schotte James Neilson, „entrepreneur de basselisse“ in der Pariser Gobelin-Manufaktur, und der Mechaniker Jacques de Vaucanson, nach dem der von ihm konstruierte neue B.-Stuhl benannt wurde, hervorragenden Anteil hatten. Vaucanson hat vor allem das Prinzip des aufklappbaren Rahmens gefunden, mit dessen Hilfe der Arbeiter die Vorderseite des Gewebes überprüfen konnte. Unterscheidungsmerkmale für die auf waagrechtem Stuhl gewirkten Bildteppiche konnten bisher nicht festgestellt werden. Nur wo sich verkehrt gewirkte Wappen, Linkshänder, oder entstellte Inschriften finden, ist auf eine B.-Arbeit mit Sicherheit zu schließen.
Die B.-Technik ist im Mittelalter wenig in Gebrauch gewesen. Sie wurde nur zur Herstellung von Stücken kleinen Formats, von Kissenblättern, Deckchen usw. verwendet und war besonders dem Hausfleiß vorbehalten. Erst die bedeutenden fabrikartigen Betriebe in Brüssel, Audenarde, in der Marche (Aubusson), die Pariser Gobelin-Manufaktur und einige der von niederländischen Wirkern begründeten Ateliers in Deutschland haben neben der Hautelissewirkerei auch die Arbeit an B.-Stühlen in größerem Umfang aufgenommen.
Literatur
1. Jacques Savery, Dictionnaire universel de commerce, 1780. 2. Diderot, Enzyklopädie, 1751–78. 3. P. H, Sprengel, Handwerke und Künste, Berlin 1777. 4. Etude sur l’art de fabriquer les Tapisseries des Gobelins, de Beauvais et d’Aubusson et sur les nouveaux procédés méchaniques appliqués à cette fabrication par Ferdinand Planchon, manufacturier, Paris 1867. 5. John Hogg, Embroidery and tapestry weaving, London 1915. 6. Georg Fraunberger, Die Wandteppichweberei, Nürnberg 1920. 7. Hermann Schmitz, Wandteppiche, Berlin o. J. 8. Heinr. Göbel, Wandteppiche I, 1, Leipzig 1923. 9. Betty Kurth, Die Deutschen Bildteppiche des Mittelalters Bd. I, Wien 1926. 10. Hugo Glafey, Textillexikon, Stuttgart und Berlin 1937, S. 57.
Verweise
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