Basilisk

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englisch: Basilisk, cockatrice; französisch: Basilic; italienisch: Basilisco.


Heinz Köhn (1937)

RDK I, 1488–1492


RDK I, 1489, Abb. 1. Marburg, Elisabethschrein, M. 13. Jh.
RDK I, 1489, Abb. 2. Dresden, Ziergefäß, 17. Jh.

Basilisk (βασιλίσϰος, regulus, d. h. der König der Schlangen; so Gregor d. Gr., Isidor v. Sevilla, Hrabanus Maurus u. a.).

Mit den in der neueren Zoologie als B. bekannten Leguanarten hat das Tier nichts zu tun (Brehms Tierleben V, 19134, 76). Die antiken naturwissenschaftlichen Schriftsteller verstanden unter B. eine in Nordafrika lebende, durch einen Kopfschmuck (Krone) ausgezeichnete, sehr giftige Schlange (Pauly-Wissowa III, 100). Die mittelalterliche Zoographie, deren Interesse an dem Tier durch die Erwähnung in Ps. 90, 13; Jes. 59, 5; Jer. 8, 17 verstärkt wurde, schließt sich dieser Überlieferung teilweise an, ohne zu einem in allen Punkten einheitlichen und hinsichtlich des Körperbaues deutlichen Bilde zu gelangen. Bei Isidor wirkt die antike Anschauung nach (Migne, P. L. LXXXII, col. 443), Honorius Augustodunensis hat ein mortiferum quadrupes animal vor Augen (Migne, P. L. CLXXII, col. 915), weitaus überwiegend aber dachte man sich den B. als ein phantastisches Mischwesen, als Hahn mit Schlangenschwanz, so im Volksglauben, in vereinzelten Bestiarien (Mélanges d’archéologie [4, Bd. I, 153; II, 213–215]; der griechische Physiologus und die Mehrzahl seiner Übersetzungen kennen ihn nicht), in Schriften der Theologen, beispielsweise Albertus Magnus, De animal. XXIII, 24 und XXV, Hildegard v. Bingen, Physica (Migne, P. L. CXCVII, col. 1543) und noch um 1550 in dem in Hamburg gedruckten Heft des Erasmus Alberus „Vom Basilisken zu Magdeburg ... Item von Hanen eyhe daraus ein Basilisk wirt“ (mit einem Holzschnitt). Diese Vorstellung blieb durch das ganze 17. Jh. lebendig, wie u. a. der Stich in Valentinis Museum Museorum II, Frankfurt 1714, Taf. 31, S. 166, beweist. Dieser hybriden Tiergestalt liegt die bis tief in die Neuzeit immer wieder erzählte und für wahr genommene, freilich schon durch Albert von Bollstädt abgelehnte Fabel zugrunde, daß der Hahn in seinem 7. oder 9. Lebensjahre ein schalenloses harthäutiges Ei legt, aus dem durch eine Kröte oder Schlange der Basilisk ausgebrütet wird. Das Untier galt allgemein als außerordentlich gefährlich: mit seinem Gifthauch zerstörte es die Vegetation und tötete sogar Vögel, die über ihm hinfliegend wie mit verbrannten Federn herabstürzten; alle Tiere flüchteten vor ihm, und bloß das Wiesel vermochte es zu töten (so Honorius, Albertus Magnus u.a.). Sein Blick (Basiliskenblick) war für den Menschen tödlich, sofern es den Menschen zuerst sah. Erblickte aber der Mensch den B. zuerst, so mußte dieser sterben. Eine kristallene oder gläserne Glocke über das Gesicht gestülpt, von der das Gift seiner Augen abprallte und auf ihn selbst zurückgeschleudert wurde, galt als Mittel, ihn zu töten [6]. Nach einer Variante mußte der B. sterben, sobald er sich im Spiegel sah (vgl. das Basiliskenkapitell in Vézelay, Male [10, Abb. 194] und Erasmus Alberus).

Im Volksglauben führt man rätselhafte Vergiftungen und Erkrankungen auf B. zurück, die man in Kellern und Brunnen hausen wähnte, in der theologischen Literatur symbolisiert er bald den Tod (Honorius Augustod.) bald den Teufel (Hrabanus Maurus, Migne, P. L. CXI, col. 231) oder den Antichrist. In der polemisierenden Schrift des Lutheraners Alberus die aus katholischer Werkgerechtigkeit hervorgehende todbringende Sünde, ja das Papsttum überhaupt. Die Deutungen gehen zuweilen sehr ins einzelne. Das Wiesel figuriert Christus als den Überwinder von Tod und Sünde (so noch Alberus); die schützende Kristallglocke, die sich der Mensch aufsetzt, um den B. zu töten, die makellose Reinheit der Jungfrau Maria, die den Erlöser umschloß und über Teufel und Hölle siegen ließ [4, Bd. II, 214]; der Spiegel die „Klarheit des heyligen Evangelii, daran sich die Sünde zu Tode sihet“ (Alberus).

Auf Denkmälern des Altertums fehlt die bastardierte Form des B. Ob und wieweit sie dennoch durch die Spätantike vorbereitet wurde, ist unklar (Pauly-Wissowa III, S. 100; Bernheimer [11, S. 150]). Die altchristlichen sog. Basiliskenlampen [5, Bd. II, Abb. 434 und 7, Bd. II, Abb. 1390], die gemäß Ps. 90,13 Christus triumphierend über den vier Tieren darstellen, zeigen neben dem Löwen die drei übrigen Aspis, Basilisk und Drache mit geringer Differenzierung schlangengestaltig. Unter den thematisch gleichartigen karolingischen Elfenbeinen, die in der Gestaltgebung der Bestien noch zwischen antiker und mittelalterlicher Auffassung schwanken, geben die in Brüssel (Sp. 1147, Abb. 1) und Oxford [9, Taf. 5] dem Basilisken die charakteristische Körperbildung, nicht so der Buchdeckel des Vatikans [9, Taf. 13]. In der weiteren Geschichte dieses ikonographischen Typus wird auf den B. zumeist Verzicht getan (s. Aspis, Sp. 1147ff.). Nunmehr ohne jegliche Verbundenheit mit einem gestaltungsfähigen Bibeltext, kommt er fast nur noch ornamental verwendet, namentlich in der romanischen Bauplastik, vor, nicht eben häufig, einzeln z. B. am Paradiesportal des Domes zu Münster, in der Kapitellzone des Bamberger Gnadenportals, als adossiertes Paar, gefiedert und mit Hahnenkamm, in einer Konsole des Apsisfrieses in Königslutter, ebenso an einem spätromanischen Kapitell in Brauweiler (mit deutlichem Hahnenkopf). Man begegnet des öfteren geflügelten, z. T. gefiederten Echsen mit Vogelschnäbeln (in St. Servatius zu Maastricht, Hamersleben u. a.), die aber nur als Übergangs- oder Zwischenformen zu dem Drachen und Vogel Greif gewertet werden können. Mit Flügeln, Vogelfüßen, langer Zunge und Reptilschweif ist ein B. dem Lamm Gottes gegenübergestellt auf dem westfälischen Taufstein von ca. 1240 in Wesselburen in Dithmarschen (vgl. E. Schlee in Zs. „Dithmarschen“ Bd. 13, Heide 1937, S. 2ff.); sehr schön ist der gravierte B. am Mittelknauf des Elisabethschreins in Marburg (Abb. 1); ein B. mit allen seinen Kennzeichen am Gestühl der Pfarrkirche in Markgröningen (um 1340) unter den Füßen des Christophorus. Auf dem Teppich mit dem Kampf der Tugenden und Laster im Rathaus in Regensburg trägt die auf einem Bären reitende Unkeuschheit als Helmzier einen gereizt aufgerichteten B. (Inv. Bayern II 22, 3, Abb. 78). In der Buchillustration hält sich der B. bis ins 18. Jh. Da der Glaube an die wirkliche Existenz des Tieres noch während des 17. Jh. weit verbreitet war, ist es verständlich, daß Betrüger angebliche B. öffentlich zeigen konnten und die Besitzer von Wunderkammern sich diese Rarität verschafften. Nach alten Inventaren hatten sowohl größere Sammlungen (München, Kopenhagen) wie kleine (z. B. das Hofmannsche Kabinett in Halle, das „ein grünlicht Basilisken Ey“ besaß), solche B. Abbildungen von ihnen in dem Titelkupfer des Museums Wermianum 1655 (Schlosser [11, Abb. 72]) und bei Valentini [1, Taf. 31]. Valentini deckte endgültig die Natur dieser Fälschungen auf: sie waren nichts anderes als künstlich hergerichtete Rochen. Bedeutungsvoller für die Kunstgeschichte ist, daß auch Ziergefäße des 17. Jh. als B. gebildet wurden. Als Beispiel sei genannt der B. des Grünen Gewölbes in Dresden (Abb. 2), zwar hat er ein Drachenmaul, doch gemahnen Kamm und Hautlappen deutlich an den Hahnenkopf des B.

Zu den Abbildungen

1. Marburg, Elisabethkirche, gravierter B. am Mittelknauf des Elisabethschreins, um 1240. Phot. Kunst gesch. Seminar, Marburg.

2. Dresden, Grünes Gewölbe, B. aus vergoldetem Silber, als Schwanz eine Perlmuttermuschel, Kamm und Rachen rot bemalt, H. 33 cm. Deutsch, 17. Jh. Phot. Mus.

Literatur

1. V. Valentini, Museum museorum, Tom. II., Frankfurt 1714. 2. J. C. Neickel, Museographia, Leipzig und Breslau 1727. 3. G. Klemm, Zur Gesch. der Sammlungen für Wissenschaft und Kunst in Deutschland, Zerbst 18382. 4. Cahier et Martin, Mélanges d’archéologie I u. II, Paris 1847. 5. F. X. Kraus, Realenzyklopädie der christl. Altertümer, Freiburg i. Br. 1882–86. 6. E. P. Evans, Animal symbolism in ecclesiastical architecture, London 1896, S. 163ff. 7. Cabrol-Leclercq II, 1, Sp. 511ff. 8. J. v. Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance, Leipzig 1908. 9. Ad. Goldschmidt, Die Elfenbeinskulpturen, Bd. I, Berlin 1914. 10. Mâle, I. 11. R. Bernheimer, Romanische Tierplastik und die Ursprünge ihrer Motive, München 1931. 12. M. D. Anderson, The medieval carver, Cambridge 1935, S. 124f.